Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.03.2014, Az. III S 22/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 6992

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Gegenstand

(Kindergeld - Aussetzung der Vollziehung - Wegfall der Arbeitsuchendmeldung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nach § 38 SGB III n.F.)


Leitsatz

1. NV: Der Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung kann es gebieten, die Bezeichnung der Antragsgegnerin zu korrigieren.

2. NV: Bei summarischer Prüfung erscheint die Rechtsauffassung vorzugswürdig, dass der Wegfall der Arbeitsuchendmeldung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG --sollte die Einstellungsverfügung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung (SGB III n.F.) ein Verwaltungsakt sein-- nicht konstitutiv die wirksame Bekanntgabe der Einstellungsverfügung voraussetzt. Nach dem Sinn und Zweck der Arbeitsuchendmeldung dürfte bei Fehlen einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung eher darauf abzustellen sein, ob das arbeitsuchende Kind die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (vgl. § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F.).

Tatbestand

1

[X.] den Beteiligten ist streitig, ob der am … April 1990 geborene [X.] ([X.]) des Klägers, Revisionsbeklagten und Antragstellers (Antragsteller) im Zeitraum Februar 2010 bis Oktober 2010 ([X.]treitzeitraum) als arbeitsuchendes Kind zu berücksichtigen ist.

2

[X.] war seit April 2009 bei der [X.] ([X.]) arbeitsuchend gemeldet. [X.] bezog er nicht. [X.]ein letzter Kontakt mit der [X.] fand im August 2009 statt. Am 2. Dezember 2009 nahm er einen Termin bei der [X.] ohne Angaben von Gründen nicht wahr. Die von der [X.] versandte Mitteilung, dass sie beabsichtige, die Arbeitsvermittlung einzustellen, blieb unbeantwortet. Die [X.] fertigte mit Datum vom 10. Januar 2010 ein [X.]chreiben, in dem sie ausführte, dass sie die Arbeitsvermittlung einstelle. Daraufhin meldete sie den [X.] mit Wirkung zum 11. Januar 2010 aus der Arbeitsvermittlung ab.

3

Die Familienkasse … ([X.]) hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 9. November 2010 ab Februar 2010 auf, weil [X.] bei der [X.] nicht mehr als arbeitsuchendes Kind gemeldet sei. Zugleich forderte sie den Antragsteller auf, das für den [X.]treitzeitraum gewährte Kindergeld in Höhe von 1.656 € zu erstatten. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom … März 2011).

4

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage, mit welcher der Antragsteller die Aufhebung des Aufhebungsbescheids für den [X.]treitzeitraum begehrte, mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2012, 1476 veröffentlichten Urteil vom 1. März 2012  14 K 1209/11 Kg statt. Es entschied, [X.] sei gemäß § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für den [X.]treitzeitraum maßgeblichen Fassung (E[X.]tG) als Kind zu berücksichtigen. [X.] habe sich im April 2009 bei der [X.] arbeitsuchend gemeldet. Dieser [X.]tatus sei nicht entfallen, weil die [X.] keine wirksame Einstellungsverfügung nach § 38 Abs. 3 [X.]atz 2 des Dritten Buchs [X.]ozialgesetzbuch in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung ([X.]GB III n.F.) erlassen habe. Die Einstellungsverfügung sei ein Verwaltungsakt i.[X.]. des § 31 des Zehnten Buchs [X.]ozialgesetzbuch ([X.]GB X). Der Antragsteller habe bestritten, dass [X.] die Einstellungsverfügung erhalten habe. Den Nachweis dafür, dass dem [X.] die Einstellungsverfügung gleichwohl zugegangen sei, habe die [X.] nicht geführt (§ 37 Abs. 2 [X.]atz 3 [X.]GB X). Die Berücksichtigung des [X.] scheitere auch nicht daran, dass dieser sich letztmals im August 2009 bei der [X.] gemeldet habe. § 38 Abs. 3 [X.]GB III n.F. führe nicht mehr dazu, dass die Meldung automatisch nach drei Monaten entfalle.

5

Die hiergegen von der [X.] eingelegte Revision wird beim beschließenden [X.]enat unter dem [X.]. III R 19/12 geführt.

6

Der Antragsteller beantragt mit [X.]chreiben vom 1. Juli 2013, in dem die [X.] als Antragsgegnerin bezeichnet ist, die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids. Zur Begründung trägt er vor: Der Antrag sei zulässig. Aus dem beigefügten [X.]chreiben des [X.] vom … Juni 2013 ergebe sich, dass aus dem angegriffenen Bescheid bereits vollstreckt werde. Der Antrag sei auch begründet, weil das [X.] der Klage stattgegeben habe. Im Übrigen verweist er sinngemäß auf das in dieser [X.]ache vor dem beschließenden [X.]enat geführte Revisionsverfahren.

7

Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung des Bescheids vom … November 2010 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Zustellung des Revisionsurteils auszusetzen.

8

Die Familienkasse hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Der beim [X.] ([X.]) als dem zuständigen Gericht der Hauptsache (§ 69 Abs. 3 [X.]atz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) gestellte Antrag auf AdV ist erfolgreich.

1. Der Antrag ist zulässig.

a) Die in der Antragsschrift erfolgte unzutreffende Bezeichnung der Antragsgegnerin ist unschädlich.

Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O, der im Rahmen eines gerichtlichen [X.] (§ 69 Abs. 3 [X.]O) entsprechende Anwendung findet ([X.]-Beschluss vom 17. Juli 2008 VI B 40/08, [X.]/NV 2008, 1874), ist der Antrag gegen die Behörde zu richten, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat. Vorliegend ist die [X.] aufgrund der Neuorganisation der Familienkassen mit Wirkung ab 1. Mai 2013 in der [X.] ([X.]) aufgegangen (vgl. Beschluss des [X.] Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der [X.], Ausgabe Mai 2013, [X.]. 6 ff.). Der Antrag hätte daher gegen die [X.] als (neue) Beklagte, Revisionsklägerin und Antragsgegnerin (Antragsgegnerin) gerichtet werden müssen. Da jedoch im [X.]treitfall die richtige Antragsgegnerin ohne weiteres erkennbar ist, war es nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung geboten, die Bezeichnung der Antragsgegnerin entsprechend zu korrigieren (vgl. auch [X.]-Beschluss vom 11. Juni 2010 IV [X.] 1/10, [X.]/NV 2010, 1851).

b) Ebenso ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 [X.]O erfüllt, da dem Antragsteller die Vollstreckung droht (§ 69 Abs. 4 [X.]atz 2 Nr. 2 [X.]O). Der vom Antragsteller vorgelegten Aufforderung und Mitteilung des [X.] vom … Juni 2013 (vgl. dazu § 290 der Abgabenordnung) lässt sich entnehmen, dass die Vollstreckung begonnen hat (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 15. Februar 2002 XI [X.] 32/01, [X.]/NV 2002, 940; vom 6. März 2013 [X.], [X.]/NV 2013, 959).

c) [X.]chließlich ist unerheblich, dass der Antragsteller nach seinem Vortrag auch bei der Finanzbehörde einen [X.] gestellt hat. Geschieht dies, kann gleichwohl beim Gericht der Hauptsache die AdV beantragt werden (Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 77; [X.] in Beermann/[X.], [X.]O § 69 Rz 284; a.A. [X.], Beschluss vom 23. Dezember 1980 XI 280/80 A, [X.] 1981, 190).

2. Der Antrag ist auch begründet. Nach § 69 Abs. 3 [X.]atz 1 i.V.m. Abs. 2 [X.]atz 2 [X.]O soll auf Antrag die AdV erfolgen, wenn u.a. ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. [X.]o verhält es sich im [X.]treitfall.

a) Der [X.]enat legt den Antrag dahingehend aus, dass der Antragsteller die AdV des [X.] vom … November 2010 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom … März 2011 für den [X.]raum Februar 2010 bis Oktober 2010 begehrt. Mit der Beseitigung deren Vollzugsfolgen ist die hierauf gestützte Rückforderung des Kindergeldes nicht mehr möglich (vgl. [X.]-Beschluss vom 22. Januar 2004 VIII B 289/03, [X.]/NV 2004, 759, unter II.2.a).

b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die (abgesehen von unklaren Tatfragen) Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage bewirken (z.B. [X.]-Beschluss vom 23. August 2007 VI B 42/07, [X.]E 218, 558, [X.], 799). Ist der Verwaltungsakt --wie im [X.] bereits Gegenstand eines anhängigen Revisionsverfahrens, bestehen ernstliche Zweifel, wenn unter Berücksichtigung der eingeschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts zu rechnen ist. Das bedeutet, dass bei vermutlichem Durcherkennen des [X.] auf die Erfolgsaussichten des Revisionsverfahrens, bei voraussichtlicher Zurückverweisung auf die Erfolgsaussichten des dann fortgesetzten Klageverfahrens abzustellen ist. Im Falle einer Zurückverweisung bestehen ernstliche Zweifel allerdings auch dann, wenn sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des [X.] nicht absehen lässt, ob die Klage letztlich Erfolg haben wird ([X.]-Beschluss vom 11. August 2000 I [X.] 5/00, [X.]/NV 2001, 314).

c) Hiervon ausgehend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen [X.].

aa) Es ist streitig, ob der von [X.] im Monat April 2009 begründete [X.]tatus als Arbeitsuchender durchgehend im [X.]treitzeitraum bestanden hat. Da keine ausdrückliche steuerliche Regelung besteht, wann der durch die Meldung begründete [X.]tatus entfällt, sind für das Kindergeld diesbezüglich die Vorschriften des [X.]ozialrechtes, hier insbesondere § 38 [X.]GB III, heranzuziehen ([X.]enatsurteil vom 19. Juni 2008 III R 68/05, [X.]E 222, 349, B[X.]tBl II 2009, 1008, unter [X.]).

§ 38 [X.]GB III wurde mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 ([X.], 2917) geändert. Während noch nach § 38 Abs. 4 [X.]atz 2 [X.]GB III in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung ([X.]GB III a.F.) die Meldung eines [X.] Kindes bei der [X.], das nicht unter § 38 Abs. 4 [X.]atz 1 [X.]GB III a.F. fiel (u.a. [X.]), nur drei Monate fortwirkte ([X.]enatsurteil in [X.]E 222, 349, B[X.]tBl II 2009, 1008, unter [X.]), beschränkt § 38 [X.]GB III n.F. die Pflicht zur Vermittlung des [X.] nicht mehr auf drei Monate; sie besteht vielmehr grundsätzlich unbefristet fort ([X.]/[X.], [X.]GB III, § 38 Rz 58). Allerdings kann die [X.] gegenüber dem [X.], der nicht unter § 38 Abs. 3 [X.]atz 1 [X.]GB III n.F. fällt (u.a. [X.]), die Vermittlung einstellen, wenn dieser die ihm nach § 38 Abs. 2 [X.]GB III n.F., der Eingliederungsvereinbarung oder dem Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 3 [X.]atz 4 [X.]GB III n.F. obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Für diesen Fall sieht § 38 Abs. 3 [X.]atz 3 [X.]GB III n.F. als neue "[X.]anktion" den Ausschluss von der Vermittlung für zwölf Wochen vor (sog. Vermittlungssperre; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 38 Rz 60).

bb) Danach sind im [X.]treitfall die --höchstrichterlich noch nicht geklärten-- Rechtsfragen zu entscheiden, ob bei Fehlen einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung nach § 38 Abs. 3 [X.]atz 2 [X.]GB III n.F. die Arbeitsuchendmeldung zeitlich unbefristet fortbesteht, und zwar unabhängig davon, ob das arbeitsuchende Kind im Vermittlungsprozess eine beachtliche Pflichtverletzung begangen hat oder nicht. In rechtlicher Hinsicht werden bei Entscheidung der Hauptsache folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein:

Das [X.] hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Konzipierung zeitlich ausgerichteter Meldepflichten in § 38 Abs. 3 [X.]GB III n.F. keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage mehr hat. Aber selbst wenn man mit dem [X.] und in Übereinstimmung mit der im sozialrechtlichen [X.]chrifttum vertretenen Auffassung weiter davon ausgeht, dass die Einstellungsverfügung ein Verwaltungsakt i.[X.]. des § 31 [X.]GB X ist (vgl. dazu z.B. [X.]/ [X.], a.a.[X.], § 38 Rz 61; [X.] in [X.]/[X.]chmidt-DeCaluwe/[X.], [X.]ozialgesetzbuch III, 5. Aufl., § 38 Rz 71), bleibt fraglich, ob sich allein aus deren Fehlen folgern lässt, dass das Kind weiterhin als Arbeitsuchender i.[X.]. des § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 1 E[X.]tG gemeldet ist. Das [X.] hat zwar insoweit für den [X.]enat bindend festgestellt, dass es --sollte die Einstellungsverfügung ein Verwaltungsakt sein-- an deren wirksamer Bekanntgabe fehlt. Hieraus lässt sich wohl folgern, dass in einem solchen Fall keine Vermittlungssperre nach § 38 Abs. 3 [X.]atz 3 [X.]GB III n.F. wirksam wird. Allerdings nennt § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 1 E[X.]tG als Anspruchsvoraussetzung die Arbeitsuchendmeldung bei der [X.], nicht das Fehlen einer Einstellungsverfügung nach erfolgter Arbeitsuchendmeldung. Es würde nicht ohne weiteres einleuchten, dass (nicht entschuldbare) Pflichtverletzungen des [X.] Kindes im Vermittlungsprozess allein wegen fehlender Bekanntgabe der Einstellungsverfügung nicht kindergeldschädlich sein sollen. Eine solche Beurteilung ließe sich auch kaum mit der Gesetzesbegründung zu § 38 Abs. 3 [X.]GB III n.F. in Einklang bringen (BTDrucks 16/10810, [X.]. 30). Danach bemängelte die [X.], dass sich ein Teil der [X.] nur wegen des Bezugs von Kindergeld meldete. Mit der Neuregelung sollte daher die [X.] im Zusammenspiel mit der Aufnahme des § 309 in die Mitwirkungspflichten des [X.] (vgl. § 38 Abs. 1 [X.]atz 6 [X.]GB III n.F.) die Möglichkeit erhalten, Arbeitsuchende einzuladen und von Beginn der Arbeitsuche an wirksam in den Vermittlungsprozess einzubeziehen (BTDrucks 16/10810, [X.]. 30).

cc) Danach erscheint bei summarischer Prüfung die Auffassung vorzugswürdig, dass der Wegfall der Arbeitsuchendmeldung i.[X.]. des § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 Nr. 1 E[X.]tG --sollte die Einstellungsverfügung ein Verwaltungsakt sein-- nicht konstitutiv die wirksame Bekanntgabe der Einstellungsverfügung voraussetzt. Nach dem [X.]inn und Zweck der Arbeitsuchendmeldung dürfte bei Fehlen einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung eher darauf abzustellen sein, ob der Arbeitsuchende die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (vgl. § 38 Abs. 3 [X.]atz 2 [X.]GB III n.F.). Diese Auslegung würde im Übrigen auch der bisher vom [X.]enat zu § 38 Abs. 2 [X.]GB III a.F. vertretenen Rechtsauffassung entsprechen, wonach die [X.] die Vermittlung auch schon vor Ablauf der [X.] einstellen konnte, wenn das als arbeitsuchend gemeldete Kind seine Mitwirkungspflichten verletzte ([X.]enatsurteil vom 17. Dezember 2008 III R 60/06, [X.]/NV 2009, 908). Danach würde der Kindergeldanspruch bei berechtigter Einstellung der Vermittlung nach Ablauf des Monats entfallen, in dem das arbeitsuchende Kind von der [X.] aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet wurde.

dd) Hingegen hält sich bei Beurteilung der Frage, ob die Arbeitsuchendmeldung bei Fehlen einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung und im Übrigen zu Unrecht erfolgter Einstellung der Vermittlung unbefristet oder nur befristet fortbesteht, das "Für" und "Wider" die Waage. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass § 38 [X.]GB III n.F. keinen automatischen Wegfall der [X.] nach drei Monaten mehr vorsieht. Dies ist ein gewichtiges Argument dafür, dass die Meldung bei einer zu Unrecht erfolgten Einstellung der Vermittlung zeitlich unbefristet fortbesteht. Andererseits bleibt zu beachten, dass in einem solchen Fall nach wie vor ein Vermittlungsanspruch des [X.] Kindes und damit weiterhin ein Rechtsverhältnis zwischen dem Kind und der [X.] gegeben ist. Hieraus lässt sich ggf. --unter Berücksichtigung des in § 32 Abs. 4 [X.]atz 1 zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Konzepts, wonach nur Kinder in besonders förderwürdigen [X.]ituationen zu berücksichtigen sind-- ableiten, dass das arbeitsuchende Kind jedenfalls für Zwecke des [X.] nicht frei von jeglicher Mitwirkung sein kann.

3. Nach alledem ist eine AdV geboten, weil der Ausgang des Klageverfahrens im zweiten Rechtsgang auf Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht absehbar ist.

a) Das [X.]-Urteil wird voraussichtlich --ohne Präjudiz für die Hauptsache-- (zumindest teilweise) mangels [X.]pruchreife aufzuheben und die Hauptsache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen sein. Die Feststellungen des [X.] sind zu vage, um abschließend beurteilen zu können, ob [X.] die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben.

Das [X.] hat zwar insoweit für den [X.]enat bindend festgestellt (vgl. § 118 Abs. 2 [X.]O), dass [X.] den Termin am 2. Dezember 2009 ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen hat und dass eine von der [X.] über die beabsichtigte Einstellung der Arbeitsvermittlung versandte Mitteilung unbeantwortet geblieben ist. Allerdings ist bereits fraglich, ob die Vermittlung ab dem 1. Januar 2009 allein wegen des Versäumens eines Termins eingestellt werden darf. Der Gesetzgeber hat mit § 38 Abs. 3 [X.]atz 2 [X.]GB III n.F. klargestellt, dass eine Einstellung nicht mehr bei jeglicher Form der nicht ausreichenden Mitwirkung in Betracht kommt, sondern nur dann, wenn das arbeitsuchende Kind seine ihm nach § 38 Abs. 2 [X.]GB III n.F., der Eingliederungsvereinbarung oder dem Verwaltungsakt (§ 37 Abs. 3 [X.]atz 4 [X.]GB III n.F.) obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (vgl. dazu auch [X.] in [X.]/[X.]chmidt-DeCaluwe/[X.], a.a.[X.], § 38 Rz 71). Die Meldepflichten sind aber in § 38 Abs. 1 [X.]atz 6 [X.]GB III n.F., nicht in dessen Abs. 2 geregelt. Danach ist es jedenfalls vertretbar, bei einer Terminversäumnis nur noch dann eine Pflichtverletzung anzunehmen, wenn sich eine entsprechende Pflicht zum Erscheinen aus der Eingliederungsvereinbarung oder aus einem diese ersetzenden Verwaltungsakt ergibt. Hierzu enthält das [X.]-Urteil jedoch keine Feststellungen. Aber selbst wenn sich die Pflicht, Einladungen der [X.] Folge zu leisten, unmittelbar aus § 38 Abs. 2 [X.]GB III n.F. ergeben sollte und man das Fernbleiben von einem Termin, der dem [X.] Kind bekannt ist, ohne jegliche Rückmeldung bei der [X.] als beachtliche Pflichtverletzung beurteilte, ist für den [X.]enat anhand der Feststellungen des [X.] nicht nachprüfbar, ob eine solche Pflichtverletzung gegeben ist.

b) Im Übrigen hängt der Ausgang des Revisionsverfahrens von der Beurteilung der --im Ergebnis [X.] Rechtsfrage ab, ob sich ein arbeitsuchendes Kind in jedem Fall, d.h. selbst bei einer zu Unrecht erfolgten Einstellung der Vermittlung, nach Ablauf eines bestimmten [X.]raums wieder melden muss.

4. Die Aussetzung ist im Interesse wirksamen Rechtsschutzes auf die [X.] bis sechs Wochen nach Zustellung der Entscheidung über die Revision zu erstrecken (vgl. [X.]-Beschluss vom 16. Dezember 1999 V [X.] 12/99, [X.]/NV 2000, 996).

5. Ist ein Aussetzungsantrag auch auf die Beseitigung der [X.]äumnisfolgen gerichtet, kann er insoweit als Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 [X.]atz 3 [X.]O auszulegen sein. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Vollziehung eines [X.]teuerbescheids mit der Folge aufheben, dass in der Vergangenheit entstandene [X.]äumniszuschläge entfallen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]pitaler, § 69 [X.]O Rz 1028).

Im [X.]treitfall hat der Antragsteller die AdV ab Fälligkeit beantragt und damit erkennbar auch eine rückwirkende Beseitigung der [X.]äumniszuschläge begehrt. Inhaltlich ist eine Aufhebung der Vollziehung mit Wirkung zum Fälligkeitszeitpunkt gerechtfertigt, weil aufgrund der Neufassung des § 38 [X.]GB III von Anfang an die genannten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des [X.] vom … November 2010 bestanden haben ([X.]-Beschluss vom 3. Februar 2005 I B 208/04, [X.]E 209, 204, B[X.]tBl II 2005, 351).

6. [X.]owohl die Aussetzung als auch die Aufhebung der Vollziehung müssen ohne [X.]icherheitsleistung erfolgen. Im [X.]treitfall ergeben sich für eine Gefährdung des Erstattungsanspruchs wegen einer schlechten wirtschaftlichen [X.]ituation des Antragstellers weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus dem Inhalt der Akten Anhaltspunkte ([X.]-Beschluss vom 7. Mai 2008 IX [X.] 26/07, [X.]/NV 2008, 1498).

7. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

III S 22/13

19.03.2014

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

§ 69 Abs 2 S 2 FGO, § 69 Abs 3 S 1 FGO, § 69 Abs 4 FGO, § 32 Abs 4 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 38 Abs 3 S 1 SGB 3 vom 21.12.2008, § 38 Abs 3 S 2 SGB 3 vom 21.12.2008, § 38 Abs 3 S 3 SGB 3 vom 21.12.2008, § 69 Abs 3 S 3 FGO, EStG VZ 2010, § 31 S 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.03.2014, Az. III S 22/13 (REWIS RS 2014, 6992)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6992

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