Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2013, Az. IV ZR 88/11

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4247

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 88/11
vom

10.
Juli
2013

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.], [X.],
Dr.
Karczewski,
[X.] und die Richterin Dr.
Brockmöller

am 10.
Juli 2013

beschlossen:

Auf die Beschwerde des [X.] wird die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 31. März 2011 zugelassen.

Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis 110.000

Gründe:

[X.] Der Kläger begehrt von der [X.], einem [X.] Le-bensversicherer, Schadensersatz aus Anlass eines bei ihr abgeschlos-senen kreditfinanzierten [X.].

Die Beklagte bietet eine Kapitallebensversicherung vom Typ "Wealthmaster"
an, bei der mit einer Einmalzahlung Anteile an einem 1
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"Pool mit garantiertem Wertzuwachs"
erworben werden (vgl. Senatsurteil vom 11.
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[X.], [X.], 1237).

Diese Lebensversicherung war im Streitfall Bestandteil des [X.]", das als weitere Bestandteile die Darlehensfinan-zierung der Einmalzahlung und die Investition in einen Investmentfonds enthielt. Das Ziel dieses Anlagekonzepts bestand darin, aus dem [X.] einen Kapitalstock zu bilden, der bei Endfälligkeit des Darlehens zu dessen Tilgung ausreicht, während laufende Auszahlungen aus der Lebensversicherung zunächst die Darlehenszinsen decken und dem Versicherungsnehmer nach Tilgung des Darlehens bis zu dem ver-traglich bestimmten letzten Auszahlungstermin als fortlaufende Rente zur Verfügung stehen sollten.

Der Kläger zeichnete am 5. Juli 2000 den Versicherungsantrag, den Zeichnungsschein [X.] "mit einer Einmalanlage in eine C.

Police in Höhe von DM 250.000"
nebst Bera-tungsprotokoll und beauftragte die Fa. R.

mit der [X.] eines entsprechenden Darlehens und Einzahlung in die von der [X.] angebotene Police. Er erhielt anschließend den [X.], der einen Versicherungsbeginn am 5. Dezember 2000, einen [X.] von 250.000 DM, eine Laufzeit von 78 Jahren, eine einmalige Aus-zahlung von 4.350 DM am 5. März 2001 und halbjährliche Auszahlungen von 7.416 DM vom 5. September 2001 bis 5. März 2010, von 7.540 DM vom 5. September 2010 bis 5. März 2015 und von 14.494 DM vom 5. September 2015 bis 5. September 2040 ausweist.

Zur späteren Tilgung des ihm anschließend gewährten Darlehens, die am 30. September 2015 vorgesehen war, zeichnete er Anteile an ei-3
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nem Investmentfonds in Höhe von 78.000 DM, die er aus Eigenmitteln aufbrachte.

Zum 18. September 2009 kündigte der Kläger das Darlehen. Die Rechtsnachfolgerin der Kreditgeberin
verwertete den Rückkaufswert der Lebensversicherung und den Depotwert des Investmentfonds und mach-

Der Kläger begehrt die Freistellung von den
Darlehensverbindlich-keiten und den Ersatz des aus [X.] gezahlten [X.] sowie gezahlter Vermittlungsgebühren, Zinsen und Anwalts-kosten.

Er macht verschiedene
Aufklärungsmängel geltend. Die Beklagte habe mit zweistelligen [X.] werben lassen, die tat-sächlich nur mit nicht vergleichbaren Verträgen und aufgrund einer sehr hohen Inflationsrate in [X.] erwirtschaftet worden seien. Der den Antrag aufnehmende [X.] habe im Beratungsgespräch angegeben, eine Rendite von 8,5% stelle eine vorsichtige Schätzung dar und werde sehr wahrscheinlich übertroffen. Weiter habe er in [X.] Weise erklärt, dass die Beklagte keine Reserven bilde und alle Gewinne zeitnah an die Versicherungsnehmer weiterleite. Deren Einla-gen würden nach Pool und Quartal getrennt verwaltet. Darüber hinaus sei über das von der [X.] praktizierte [X.] ein [X.] Wertzuwachs gewährleistet. Tatsächlich erfolge eine quar-talsweise Trennung nicht und für gegebene Garantien müsse die [X.] der Versicherungsnehmer eintreten.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
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I[X.] Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass
mindestens eine der geltend gemachten Pflichtverletzungen
des tätig gewordenen
Unterver-mittlers vorliege, indem dieser unter Bezugnahme auf den Prospekt des [X.]s mit [X.] von durchschnittlich 8,5% gewor-ben habe. Zwei weitere Pflichtverletzungen habe der
Kläger schlüssig dargelegt: die Behauptung einer vollständigen und zeitnahen Auskeh-rung der Erlöse und den
fehlenden
Hinweis auf das Risiko einer Ab-schmelzung des eingebrachten Kapitals und die deshalb fehlende Trag-fähigkeit des Konzepts.
Hieraus folgende Schadensersatzansprüche [X.] aber jedenfalls verjährt. Es könne deshalb offen bleiben, inwieweit die Beklagte sich Pflichtverletzungen im Beratungsgespräch zurechnen [X.] müsse, was indes nicht von vornherein auszuschließen sei.

II[X.] Die darauf gestützte Abweisung der Klage verletzt den An-spruch des [X.] auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG), weil [X.] Begründung nur damit zu erklären ist, dass das Berufungsgericht den Akteninhalt nicht vollständig zur Kenntnis genommen hat.

1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für
die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche eine [X.] von drei Jahren gemäß den Regelungen der §§
195 ff. [X.] gilt und der Verjährungsbeginn sich nach der Vorschrift des §
199 [X.] richtet (vgl. Senatsurteil vom 11.
Juli 2012

[X.],
[X.], 1237 Rn.
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f.). Es hat weiter zutreffend zugrunde gelegt, dass sich die [X.] hinsichtlich jedes einzelnen Beratungs-
oder Aufklärungs-fehlers gesondert berechnet ([X.], Urteil vom 24. März 2011 III
ZR 81/10, NJW-RR 2011, 842 Rn.
14). Insoweit ist es bezüglich zweier 10
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Pflichtverletzungen von einem Verjährungsbeginn spätestens mit Ende des Jahres 2006 aufgrund grob fahrlässiger Unkenntnis des [X.] vom Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ausgegangen. In diesem Zu-sammenhang hat es
allerdings Kenntnisse von bestimmten Einzelum-ständen,
die dem Kläger Veranlassung gegeben hätten, die Vergangen-heitsrenditen in Frage zu stellen, schon für Dezember 2004 festgestellt. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass ein nachfolgendes [X.] des [X.] sogleich den Vorwurf grober Fahrlässigkeit hin-sichtlich der Unkenntnis von den Anspruchsvoraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs begründet. Ab wann die Untätigkeit des [X.] insoweit als grob fahrlässig zu bewerten ist, ist eine Frage des [X.], die der Beurteilung durch den Tatrichter aufgrund einer [X.] aller maßgeblichen objektiven und subjektiven Umstände unter-liegt. Dem Berufungsurteil lässt sich entgegen der Auffassung der Be-schwerdeerwiderung nicht entnehmen, dass das Berufungsgericht grobe Fahrlässigkeit schon für einen früheren Zeitpunkt als im Laufe des [X.] 2006 feststellen wollte. So wird der Vorwurf grober Fahrlässigkeit im Berufungsurteil auf Seite 25 unten gerade daraus hergeleitet, dass das gebotene In-Frage-Stellen der [X.] "weder im Jahr 2005 noch im Jahr 2006"
geschah.

2. Auf dieser Grundlage hätte das Berufungsgericht nicht zur Fest-stellung eingetretener
Verjährung gelangen können, wenn es beachtet
hätte, dass die Klageschrift bereits am 24.
Dezember 2009 unter [X.] eines Schecks über den [X.] beim [X.] eingegangen und aufgrund der nach [X.] am 20.
Januar 2010 verfügten Zustellung der [X.] am 22.
Januar 2010 zugestellt worden war.

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a) Durch die Einreichung der Klage am 24.
Dezember 2009 wurde die Vollendung der nach Auffassung des Berufungsgerichts bis Ende 2009 laufenden dreijährigen Verjährungsfrist gehindert, weil die Klage-zustellung noch "demnächst"
i.S. von §
167 ZPO erfolgte, somit auf den Zeitpunkt der Einreichung zurückwirkte und damit rechtzeitig eine Hem-mung der Verjährung noch vor deren Ablauf herbeiführte, §
204 Abs.
1 Nr.
1 [X.].
Die Zustellung ist hier als "demnächst"
anzusehen, weil sie nur etwa drei Wochen nach Fristablauf erfolgte und die Gründe für die Verzögerung nicht vom Kläger zu vertreten sind, sondern allein im Ge-schäftsablauf des Gerichtsbetriebs liegen. Der Kläger hatte alles [X.] für eine unverzügliche Klagezustellung getan; insbesondere durfte er den erforderlichen Kostenvorschuss auch in Form eines [X.] leisten (Senatsurteil vom 2.
Dezember 1992

IV ZR 268/91, NJW-RR
1993, 429 unter 3), wobei er diesen Vorschuss nicht einmal mit der Klage einzahlen musste, sondern auch eine Anforderung durch das Gericht hätte abwarten dürfen ([X.], Urteile vom 29.
Juni 1993

[X.], NJW 1993, 2811 unter [X.] und vom 25.
November 1985

[X.], NJW 1986, 1347).

b) Das Berufungsgericht hat den Umstand der Klageeinreichung im Dezember 2009
übersehen. Anders lässt sich nicht erklären, dass es auf die offenkundig einschlägige Vorschrift des §
167 ZPO nicht eingegan-gen
ist, wie insgesamt
Ausführungen zum Eintritt
der Verjährung im Be-rufungsurteil fehlen.
Damit hat es gegen seine Verpflichtung verstoßen, nicht nur das Vorbringen der Parteien zum Streitstoff, sondern auch den gesamten übrigen Akteninhalt einschließlich der darin dokumentierten gerichtsinternen Vorgänge, soweit diese für die rechtliche Beurteilung des Streitfalls von Bedeutung sind, zur Kenntnis zu nehmen und seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Hierin liegt eine Verletzung des Ver-14
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fahrensgrundrechts der hiervon betroffenen Partei aus Art.
103 Abs.
1 GG.

IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, da das [X.] bisher nur einen Verjährungsbeginn "spätestens"
im Jahre 2006 angenommen, zu einem möglichen
früheren Beginn damit keine Feststellungen getroffen hat und auch zu
Schadensgrund und -höhe ei-nes nicht verjährten Anspruchs weitere Feststellungen erforderlich sind.

Für das weitere Verfahren
weist der Senat auf Folgendes hin:
So-weit das Berufungsgericht unter I[X.] 3 b) ff) seiner Urteilsgründe eine
auf die Behauptung ungenügender Unterrichtung des [X.] über die [X.] von der [X.] erwirtschafteter Gewinne
zur Finanzierung der Garantien anderer Verträge gestützte Pflichtverletzung verneint hat, steht dies im Widerspruch zu dem
nach Erlass des Berufungsurteils er-gangenen Senatsurteil
vom 11.
Juli 2012 ([X.], [X.], 1237).
Der Senat hat dort klargestellt, dass die Beklagte auch zu einer Aufklärung über die poolübergreifende [X.] verpflichtet war, da diese dazu führt, dass die mit der Prämie eines Anlegers erwirtschaf-tete Rendite auch zur Gewährleistung von Garantieansprüchen aller an-deren Versicherungsnehmer verwendet werden kann, was in den Poli-
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cenbedingungen nicht mit der erforderlichen Klarheit erläutert ist (aaO Rn. 58-60). Dem wird das Berufungsgericht, soweit nicht bereits andere Pflichtverletzungen den [X.] rechtfertigen, nachzugehen ha-ben.

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 05.08.2010 -
4 O 103/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 31.03.2011 -
8 [X.] -

Meta

IV ZR 88/11

10.07.2013

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2013, Az. IV ZR 88/11 (REWIS RS 2013, 4247)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4247

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