Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2008, Az. IX ZR 188/07

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 724

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/07 Verkündet am: 20. November 2008 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 133 Abs. 1 Satz 2 Weiß der Gläubiger, dass der Schuldner nicht in der Lage ist oder voraussicht-lich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit im wesentlichen zu erfüllen, so weiß er in der Regel auch, dass dessen Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligt. [X.], [X.]eil vom 20. November 2008 - [X.]/07 - [X.] - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2008 durch [X.] Ganter, den Richter [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 12. Oktober 2007 aufgehoben. [X.] wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem am 11. Mai 2005 eröffneten [X.] über das Vermögen des S. F. (nachfolgend Schuld-ner). Er verlangt im Wege der Insolvenzanfechtung Rückgewähr verschiedener auf Mietforderungen des [X.]n geleisteter Zahlungen. 1 Der Schuldner betrieb seit August 2001 ein Restaurant in vom [X.]n gemieteten Räumen. Wegen bestehender Zahlungsrückstände in Höhe von 5.290,38 • kündigte der [X.] das Mietverhältnis mit Schreiben vom 27. Oktober 2002 fristlos. Eine Räumung durch den Schuldner erfolgte nicht. Dieser glich auch den Zahlungsrückstand nicht aus. Vielmehr setzte er seine 2 - 3 - Tätigkeit in den gemieteten Räumen bis zum Entzug der Gaststättenerlaubnis und Einstellung des Betriebs Ende November 2004 fort. Auf den Mietzins, der zunächst 2.473,12 • und nach dem Vortrag des [X.]n ab März 2003 2.600 • betrug, leistete der Schuldner nur unregelmäßig Barzahlungen in einer Größenordnung zwischen 50 und 1.000 •. [X.] erhöhte sich der [X.] auf 21.890,38 • und im Jahre 2004 auf 46.560,38 •. Insgesamt betrugen die Zahlungen des Schuldners zwischen dem 2. Januar 2003 und dem 19. November 2004 22.080 •. Am 5. Juni 2002 gab der Schuldner die eidesstattliche Versicherung ab. Gegen ihn bestanden seit 1. Januar 2003 ohne Berücksichtigung der [X.] des [X.]n offene Forderungen in Höhe von mindestens 58.845,94 •, denen liquide Mittel in Höhe von nie mehr als 1.500 • gegenüberstanden. Dem [X.]n war bekannt, dass dem Schuldner im Zeitraum 2001 bis 2004 zwei-mal der Strom abgestellt wurde. Ende 2003 teilte der Steuerberater des Schuldners dem [X.]n mit, dass dieser wegen bestehender Steuerrück-stände mit dem Finanzamt eine Abzahlungsvereinbarung getroffen habe, ab Januar 2004 erhalte er seine Miete wieder normal. Tatsächlich blieb es aber auch ab Januar 2004 nur bei Teilzahlungen, die regelmäßig nicht einmal die Hälfte des monatlich geschuldeten Mietzinses erreichten. 3 Mit Schreiben vom 25. Juli 2005 hat der Kläger sämtliche vom Schuldner zwischen dem 2. Januar 2003 und 19. November 2004 erbrachten [X.] angefochten. Seine auf Zahlung von 22.080 • gerichtete Klage hatte beim [X.] keinen Erfolg. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit seiner - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger den Anspruch in voller Höhe weiter. 4 - 4 -
Entscheidungsgründe: Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. 5 [X.] Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des [X.] auf Rückgewähr gemäß § 143 Abs. 1 [X.], § 133 Abs. 1 [X.] mit folgender Begründung ver-neint: Zwar habe das [X.] mit Recht die Kenntnis des [X.]n von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bejaht, seine Ansprüche gegen den Schuldner hätten sich seit Oktober 2002 fortlaufend erhöht und seien bis Ende 2004 niemals vollständig zurückgeführt worden. Dem [X.]n habe aber die Kenntnis von weiteren Gläubigern mit ungedeckten Ansprüchen, für deren Nachweis der Insolvenzverwalter darlegungs- und beweispflichtig sei, gefehlt. Der [X.] folge nicht der Auffassung, dass der Nachweis der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung durch den Schuldner nicht mehr notwendig sei, wenn der [X.] Umstände kenne, die zwingend auf eine drohende [X.] hindeuteten. Auch wenn die Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs ([X.], [X.]. v. 17. Februar 2004 - [X.] ZR 318/01, Z[X.] 2004, 385, 386) ein solches Verständnis des § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.] nahe legen könnte, widerspreche dies doch dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Es müsse [X.] werden, dass sowohl die positive Kenntnis der drohenden [X.] als auch der Benachteiligung der Gläubiger durch die Rechtshandlung des Schuldners kumulativ gegeben seien. Allein die Kenntnis von anderen Gläubigern reiche nicht aus. Der [X.] müsse auch wissen, dass diese noch ungedeckte Forderungen gegen den Schuldner hätten. 6 - 5 -

I[X.] Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Vermutungswirkung des § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.] verkannt. 7 1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei den angefochtenen Zahlungen um Rechtshandlungen des Schuldners im Sinne des § 133 Abs. 1 Satz 1 [X.] gehandelt hat und dass der Schuldner den Vorsatz hatte, seine Gläubiger zu benachteiligen. Dies kann im Hinblick auf die während des gesamten Zeitraums, in dem der Schuldner Teilzahlungen an den [X.]n erbracht hat, bestehenden Verbindlichkeiten nicht zweifelhaft sein. Der Schuldner wusste, dass er mit seinen Zahlungen an den [X.]n die übrigen Gläubiger schädigte, da sich deren [X.] ent-sprechend verringerten. 8 2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt der Vor-trag des [X.] die Vermutung des § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.]. 9 Nach dieser Vorschrift wird die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners widerleglich vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die [X.] benachteiligte. Nach der Rechtsprechung des [X.] reicht es für diese Vermutung aus, wenn der Gläubiger Umstände kennt, die zwingend auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit hindeuten ([X.] 155, 75, 85 f; [X.], [X.]. v. 17. Juli 2003 - [X.] ZR 215/02, [X.], 1900, 1902; v. 17. Februar 2004 10 - 6 - - [X.] ZR 318/01, Z[X.] 2004, 385, 386; v. 13. Mai 2004 - [X.] ZR 190/03, Z[X.] 2004, 859, 860 f; v. 20. Dezember 2007 - [X.] ZR 93/06, Z[X.] 2008, 273, 276 Rn. 36 f). Nach dieser Rechtsprechung, die im Schrifttum Zustimmung erfahren hat (vgl. [X.], 599, 600; HK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 133 Rn. 22; HmbKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 133 Rn. 21; MünchKomm-[X.]/Kirchhof, 2. Aufl. § 133 Rn. 24 d; Mohrbutter/Ringstmeier/Glatt, Handbuch der [X.], 8. Aufl. § 9 Rn. 149), genügt es, dass der spätere Anfechtungsgeg-ner Umstände kennt, die - etwa bei Nichterfüllung beträchtlicher Verbindlichkei-ten über einen längeren Zeitraum hinweg - zwingend auf eine drohende [X.] des Schuldners hindeuten. Im vorliegenden Fall ist das [X.] sogar davon ausgegangen, dass der [X.] die [X.] kannte. Unter diesen Umständen musste der [X.] damit rechnen, dass weitere Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen vorhanden waren. Derjenige, der weiß, dass der Schuldner nicht in der Lage ist oder vor-aussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit im wesentlichen zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 [X.]), weiß in der Regel auch, dass dessen Rechtshandlung die Gläubiger benachteiligt (HK-[X.]/[X.], aaO Rn. 23). Entscheidende Voraussetzung für die Anwendung des § 133 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist deshalb in der Praxis vor allem die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit (MünchKomm-[X.]/Kirchhof, aaO). - 7 -
II[X.] Das angefochtene [X.]eil kann damit keinen Bestand haben. Es ist [X.] (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entschei-dung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Sie ist nicht zur Endentscheidung reif. 11 Kennt der Gläubiger die einmal eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und ist aufgrund der Umstände zu vermuten, dass dessen Benach-teiligungsvorsatz dem Gläubiger bekannt ist, so obliegt es diesem, darzulegen und zu beweisen, dass er später gleichwohl davon ausgehen durfte, der Schuldner habe seine Zahlungen wieder aufgenommen ([X.] 149, 100, 108, 109; 149, 178, 188; [X.], [X.]. v. 18. Dezember 2005 - [X.] ZR 182/01, [X.], 290, 293; v. 20. Dezember 2007 aaO [X.] Rn. 36). 12 Der [X.] hat unter Beweisantritt behauptet, der Schuldner habe ihm gegenüber [X.] bei Vornahme der Zahlungen unter Vorlage entsprechen-der Quittungen erklärt, dass er zunächst seine übrigen Gläubiger habe befriedi-gen müssen, um seinen laufenden Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. [X.] sein Anwalt als auch sein Steuerberater hätten ihm geraten, sämtliche an-deren Gläubiger vor dem [X.]n zu befriedigen, da dieser als Vermieter mindestens ein Jahr benötige, eine Räumung durchzusetzen. 13 Der Vortrag des [X.]n ist erheblich. Gelingt es ihm, zu beweisen, dass er aufgrund der Erklärungen des Schuldners und der ihm vorgelegten Quittungen davon ausgehen durfte, der Schuldner habe seine Zahlungen [X.] aufgenommen und er, der [X.], sei der einzige, dessen Forderungen 14 - 8 - nicht voll befriedigt würden, so scheidet eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 Satz 1 [X.] aus. Kann umgekehrt der [X.] den ihm obliegenden Beweis nicht führen, so hat der Kläger gegen ihn Anspruch auf Zahlung von 20.080 • aus § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 [X.]. Ganter [X.] [X.] [X.] Pape Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 27.02.2007 - 6 O 248/06 - OLG [X.], Entscheidung vom 12.10.2007 - 1 U 38/07 -

Meta

IX ZR 188/07

20.11.2008

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.11.2008, Az. IX ZR 188/07 (REWIS RS 2008, 724)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 724

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