Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.04.2020, Az. XIII ZB 37/19

XIII. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11705

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:070420BXIIIZB37.19.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XIII ZB 37/19
vom
7. April 2020
in der Abschiebungshaftsache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

FamFG §
28 Abs. 4
§ 165 ZPO, wonach die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden kann, findet auf den Vermerk nach § 28 Abs. 4 FamFG keine Anwendung. Dass dem Betroffenen in einer Abschiebungshaftsache vor seiner gerichtlichen Anhörung eine Ablichtung des [X.] übergeben worden ist, kann auch noch nach Abschluss der Instanz dokumentiert werden (Abgrenzung zu [X.], Beschluss vom 4.
Dezember 2014 -
V [X.], [X.] 2015, 146).
[X.], Beschluss vom 7. April 2020 -
XIII ZB 37/19 -
LG [X.]

[X.]
-
2
-
Der XIII. Zivilsenat des [X.] hat am 7. April 2020 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck, die Richterin Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, [X.]
Dr.
[X.] und Dr.
Tolkmitt sowie die Richterin Dr.
Linder
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der
4.
Zivilkammer
des [X.] vom 12.
Juli 2018 wird auf Kosten des Be-troffenen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste am 3.
November
2016 in das [X.] ein und stellte einen Asylantrag. Dieser wurde mit bestandskräftigem Bescheid als offensichtlich unbegründet [X.]. Dem Betroffenen
wurde die Abschiebung angedroht. Der Aufforderung, das [X.] innerhalb einer Woche zu verlassen,
kam der Betroffene nicht nach. Eine
für den 12.
Dezember 2017 geplante Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden, da
sich der Betroffene nicht in seiner Unterkunft
aufhielt. Nachdem der Betroffene am 22.
Dezember 2017 nach einem Ladendiebstahl festgenommen
worden war, hat das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Be-hörde am 23.
Dezember 2017 gegen ihn Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 23.
Januar 2018 angeordnet. Die nach erfolgter Abschiebung auf Fest-stellung der Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung gerichtete Beschwerde 1
-
3
-
hat das Beschwerdegericht
zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Be-troffene mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1.
Das Beschwerdegericht
ist der Ansicht,
die Haft sei zu Recht an-geordnet worden, insbesondere genüge der Haftantrag der beteiligten Behörde den Anforderungen. Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft habe im [X.] Erwähnung gefunden; der Betroffene habe dazu Stellung nehmen können.
Die fehlende Dokumentation der Übersetzung und Übergabe des [X.] in dem Anhörungsprotokoll sei unschädlich, weil die Amtsrichterin in ihrer durch das Beschwerdegericht eingeholten dienstlichen
Stellungnahme bestätigt habe, dass diese Verfahrenshandlungen vorgenommen worden seien.
2.
Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.
a)
Der Haftantrag ist zulässig. Er enthält konkrete Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft und zur not-wendigen Haftdauer, § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG. Er enthält auch Angaben zu dem erforderlichen staatsanwaltschaftlichen Einvernehmen.
aa)
Ausführungen zum Vorliegen oder zur Entbehrlichkeit des
staats-anwaltschaftlichen Einvernehmens sind geboten, wenn sich aus dem Antrag oder den ihm beigefügten Unterlagen ein laufendes und nicht offensichtlich zu-stimmungsfreies Ermittlungsverfahren ergibt (st. Rspr.;
vgl.
nur [X.], Beschluss vom 22. August 2019 -
V [X.], juris Rn. 18 mwN).
[X.])
Aus dem Haftantrag ergibt
sich, dass der Betroffene am 22. [X.] bei einem Ladendiebstahl in S.

festgenommen worden war. Es ergibt
sich weiter daraus, dass die Staatsanwaltschaft [X.] hinsichtlich die-ses Ermittlungsverfahrens ihr Einvernehmen nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] 2
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4
5
6
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-
4
-
erteilt hat. Weitere Ermittlungsverfahren ergeben
sich weder aus dem [X.] noch den ihm beigefügten Unterlagen. Soweit im Haftantrag von einer "mehrfachen Straffälligkeit und dem Benutzen mehrfacher Personenidentitäten"
des Betroffenen die Rede ist, kann hieraus nicht auf noch laufende Strafverfah-ren geschlossen werden, zu denen ein Einvernehmen hätte erteilt werden müs-sen. Soweit sich ein möglicherweise fehlendes Einvernehmen aus der [X.] ergibt, ist
diese weder Bestandteil noch Anlage des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
August 2019 -
V
[X.], juris Rn. 20 mwN).
b)
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führte ein mög-licherweise fehlendes Einvernehmen verschiedener Staatsanwaltschaften nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] auch in der Sache nicht zur Rechtswidrigkeit der Haftanordnung.
aa)
Wie der [X.] in einem
Beschluss vom 12. Februar
2020
([X.]/19, juris Rn. 14
ff.) ausgeführt
hat, handelt es sich bei dem [X.] nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] nicht um eine freiheits-schützende Verfahrensvorschrift im Sinne des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG. Das
Fehlen des nach §
72 Abs.
4 Satz 1 [X.] erforderlichen Einvernehmens einer Staatsanwaltschaft führt daher nicht zur Rechtswidrigkeit einer Haftanord-nung, wenn sich das laufende Ermittlungsverfahren nicht aus dem Haftantrag oder den ihm beigefügten Unterlagen ergibt
und das Gericht
auch im Verlauf des Verfahrens über die Haftanordnung oder im Rahmen des Beschwerdever-fahrens keine Kenntnis hiervon erhält.

[X.])
Da sich aus dem Haftantrag nur ein Ladendiebstahl am 22. [X.] ergibt
und
die beteiligte Behörde zugleich mitgeteilt hat, dass die Staatsanwaltschaft [X.] ihr Einvernehmen erteilt hat,
und
weitere, noch nicht abgeschlossene Ermittlungsverfahren nicht erwähnt werden, war die Haftan-ordnung durch das Amtsgericht rechtmäßig.
Erst mit der ergänzenden [X.] vom 14.
Mai 2018 und damit nach erfolgter
Abschiebung 8
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5
-
hat der Betroffene
gerügt, dass zu
Verfahren bei den
Staatsanwaltschaften
Detmold und [X.] das Einvernehmen
gefehlt habe. Ein fehlendes Einverneh-men konnte sich jedoch zu diesem Zeitpunkt
nicht mehr
auf die Durchführbar-keit der Abschiebung auswirken.
c)
Die Haftanordnung ist nicht unter Verletzung von Verfahrensrech-ten
des Betroffenen, insbesondere seines
Anspruchs auf rechtliches Gehör,
ergangen.
Das Amtsgericht hat eine Anhörung des Betroffenen durchgeführt und ihm zuvor den Haftantrag übergeben, der ihm auch in eine Sprache
über-setzt wurde, die
er
beherrscht.
aa)
Das Gesetz misst dem Haftantrag eine besondere Bedeutung für die Zulässigkeit der Anordnung von [X.] zu. Eine Ablichtung des [X.] ist dem Betroffenen deshalb vor seiner gerichtlichen Anhörung auszuhändigen und erforderlichenfalls mündlich zu übersetzen. Dass dies [X.] ist,
muss dem Protokoll
über die Anhörung zu entnehmen oder in an-derer Weise
in der Akte
dokumentiert sein ([X.], Beschluss vom 16. Januar 2014 -
V
[X.], juris Rn.
5 mwN).
Dadurch wird sichergestellt, dass sich der Betroffene zu sämtlichen (tatsächlichen und rechtlichen) Angaben der betei-ligten Behörde äußern und gegenüber dem Haftantrag verteidigen kann. Unter-bleibt die Übergabe des [X.] oder seine vollständige Übersetzung, ver-letzt dies den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör ([X.], [X.] vom 16. Januar 2014 -
V [X.], juris Rn. 8;
Beschluss vom 12. März 2015 -
V
ZB
187/14, [X.] 2015, 301 Rn. 4 f.).

[X.])
Diesen Anforderungen ist im Streitfall genügt. Dass der
Haftantrag übersetzt und übergeben wurde, ist zwar -
wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt -
nicht im Protokoll der Anhörung
beim Amtsgericht
vom 23. Dezember 2017 dokumentiert. Dies führt jedoch nicht dazu, dass -
entgegen den Feststel-11
12
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-
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lungen des [X.] -
davon auszugehen ist, der Vorgang habe
nicht stattgefunden.
(1)
Nach § 28 Abs.
4 FamFG hat das Gericht über Termine und per-sönliche Anhörungen einen Vermerk zu fertigen. Nach § 28 Abs. 4 Satz 2 Fa-mFG sind die wesentlichen Vorgänge des
Termins und der persönlichen Anhö-rung in den Vermerk aufzunehmen. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dagegen entschieden, die Bestimmungen über das Protokoll aus der Zivilprozessordnung zu übernehmen, "um die Flexibilität des [X.] zu erhalten"
(Ge-setzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/6308, S. 187).
§ 165 ZPO, wonach die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkei-ten nur durch das Protokoll bewiesen werden kann, findet daher keine Anwen-dung ([X.], FamFG, 19.
Aufl., § 28 Rn. 25).
Vorschriften über die Be-richtigung des Vermerks sieht das Gesetz über das Verfahren in [X.] und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
nicht vor, so dass der gerichtliche Vermerk jederzeit berichtigt werden kann.
(2)
In ihrer auf Anforderung des [X.] abgegebenen dienstlichen Stellungnahme gibt die in erster Instanz zuständige Richterin an, dem Betroffenen sei vor der Anhörung der Haftantrag ausgehändigt und über-setzt worden. Anschließend habe sie dem Betroffenen zusammenfassend noch einmal erklärt, dass nun darüber zu entscheiden sei, ob zur Sicherung der Ab-schiebung ein Haftbefehl gegen ihn erlassen werde.

Die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dass dies tatsächlich nicht geschehen sei. [X.] wird nur, aufgrund der fehlenden Dokumentation sei da-von auszugehen, dass dem Betroffenen vor dessen persönlicher Anhörung der Haftantrag weder übersetzt noch übergeben worden sei. Eine Nachholung der 14
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-
Dokumentation nach Abschluss der Instanz biete
nicht die erforderliche Gewähr dafür, dass es angesichts der hohen Anzahl der Verfahren nicht zu Verwechs-lungen komme.
(3)
Das Beschwerdegericht hat die dienstliche Äußerung der erstin-stanzlichen Richterin seiner Entscheidung zugrunde gelegt und keinen
Anlass gesehen, an der Richtigkeit der Erklärung zu zweifeln. Hierzu sieht auch der [X.] keinen Anlass.
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(4)
Durch die dienstliche Stellungnahme der Richterin
sind damit die Aushändigung des [X.] und seine Übersetzung hinreichend [X.].
Anders als die nachträgliche Dokumentation eines Rechtsmittelverzichts (s.
dazu [X.], Beschluss vom 4. Dezember 2014 -
V [X.], [X.] 2015, 146 Rn.
3), mit deren Berücksichtigung einem zulässigen Rechtsmittel nach-träglich die Zulässigkeit genommen werden könnte, konnte diese
Dokumentati-on
auch noch nach Abschluss der ersten Instanz erfolgen.
Meier-Beck
Schmidt-Räntsch
[X.]

Tolkmitt
Linder

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.12.2017 -
241 XIV (B) 144/17 -

LG [X.], Entscheidung vom 12.07.2018 -
4 [X.]/18 -

18

Meta

XIII ZB 37/19

07.04.2020

Bundesgerichtshof XIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.04.2020, Az. XIII ZB 37/19 (REWIS RS 2020, 11705)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11705

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XIII ZB 37/19

V ZB 87/14

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