Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2017, Az. 3 StR 303/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 853

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Einschleusen von Ausländern: Erlangen eines Vermögensvorteils und Vorliegen von Gewerbsmäßigkeit bei Unterstützung einer Schleusergruppe zur „Finanzierung“ der Schleusung von nahen Angehörigen


Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Februar 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hatte die Angeklagte wegen gewerbs- und banden-mäßigen Einschleusens von Ausländern in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Auf ihre Revision hatte der Senat das Verfahren in einem Fall eingestellt und im Übrigen auf eine Verfahrensrüge das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben. Das [X.] hat nunmehr gegen die Angeklagte wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern in fünf Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten erkannt. Ihre hiergegen gerichtete Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.

2

1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen gelang es der Angeklagten nicht, ihre Mutter und ihren Bruder auf legalem Weg aus dem [X.] nach [X.] zu holen. Sie nahm daraufhin Kontakt zu einer [X.] auf. Da sie aufgrund ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage war, den für eine Schleusung ihrer Mutter und ihres Bruders zu zahlenden Geldbetrag in Höhe von insgesamt 46.000 € aufzubringen, erklärte sie sich gegenüber der [X.] bereit, an [X.] von Personen aus dem [X.] über [X.] nach [X.] mitzuwirken. Als Gegenleistung hierfür erhielt sie die Zusage, dass die Schleusung ihrer Mutter und ihres Bruders aus dem [X.] nach [X.] organisiert werden sollte, und Passablichtungen, die möglicherweise für ihre Angehörigen geeignet waren. Die Angeklagte sah es als ihre persönliche Pflicht an, ihre Mutter und ihren Bruder auf sicherem Wege nach [X.] zu bringen. In der Folgezeit beteiligte sie sich in fünf Fällen an der Betreuung sowie der [X.] von Personen, die aus dem [X.] über [X.] nach [X.] geschleust werden sollten.

3

2. a) Das [X.] hat dieses Geschehen als gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern nach § 97 Abs. 2, § 96 Abs. 1 Nr. 2, § 95 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gewertet. Da die Angeklagte sich persönlich in der Verpflichtung gesehen habe, die Kosten für die Schleusung ihrer Angehörigen zu tragen, habe sie selbst einen Vermögensvorteil erlangt und eigennützig gehandelt.

4

b) Diese Würdigung hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die von der [X.] getroffenen Feststellungen belegen weder, dass die Angeklagte für ihre Handlungen im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 2 [X.] einen Vermögensvorteil erhielt oder sich versprechen ließ, noch dass sie im Sinne des § 97 Abs. 2 [X.] gewerbsmäßig handelte.

5

aa) Unter einem Vermögensvorteil im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist jede günstigere Gestaltung der Vermögenslage zu verstehen. Mit Blick auf den insoweit eindeutigen Wortlaut der Norm ist es erforderlich, dass der Täter selbst den Vermögensvorteil erlangt, nicht aber eine andere Person. Die Bereicherung eines Dritten erfüllt - die hier nicht einschlägige [X.] außer Betracht gelassen, in welcher der Täter einen mittelbaren wirtschaftlichen Vorteil erlangt (vgl. zu dem diesbezüglichen [X.]/[X.], 3. Aufl., § 96 [X.] Rn. 25) - den Tatbestand nur dann, wenn der Täter dadurch von Verbindlichkeiten gegenüber dem Empfänger freigestellt wird (vgl. [X.]/[X.]/[X.], Strafrechtliche Nebengesetze, 199. [X.]., § 96 [X.] Rn. 12).

6

Nach diesen Maßgaben erlangte die Angeklagte nicht selbst einen Vermögensvorteil. Die versprochene bzw. gewährte Gegenleistung der [X.] sollte nicht ihr selbst, sondern ihrer Mutter und ihrem Bruder zu [X.] kommen. Die Angeklagte war nicht in dem hier maßgebenden rechtlichen Sinne verpflichtet, für deren Schleusung nach [X.] Sorge zu tragen; eine diesbezügliche Verbindlichkeit, von der die Angeklagte hätte freigestellt werden können, bestand somit nicht. Dass die Angeklagte sich persönlich in der Pflicht sah, ihre Angehörigen nach [X.] zu bringen, genügt in diesem Zusammenhang nicht.

7

bb) [X.] Handeln im Sinne des § 97 Abs. 2 [X.] erfordert, dass der Täter sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will; es setzt stets Eigennützigkeit voraus (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. Vor § 52 Rn. 61 f.). Daher muss der Täter sich von seinem deliktischen Handeln einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil versprechen. Soweit im vorliegenden Zusammenhang von Bedeutung, gelten hierfür - in den subjektiven Bereich transferiert - dieselben Maßstäbe, die im Rahmen des § 96 Abs. 1 Nr. 2 [X.] Anwendung finden (vgl. [X.]/[X.]/[X.], aaO). Deshalb reicht es auch insoweit nicht aus, dass die Angeklagte lediglich eine persönliche Verpflichtung empfand, ihrer Mutter und ihrem Bruder die Reise nach [X.] zu ermög-lichen.

8

3. Da nicht auszuschließen ist, dass ein neues Tatgericht Feststellungen zu treffen vermag, die die Voraussetzungen der § 96 Abs. 1 Nr. 2, § 97 Abs. 2 [X.] belegen, bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

9

4. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das [X.] Wuppertal als ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung.

[X.]     

      

Schäfer     

      

Spaniol

      

Berg     

      

Hoch     

      

Meta

3 StR 303/17

12.12.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Düsseldorf, 17. Februar 2017, Az: 17 KLs 5/16

§ 96 Abs 1 Nr 2 AufenthG, § 97 Abs 2 AufenthG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.12.2017, Az. 3 StR 303/17 (REWIS RS 2017, 853)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 853

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 303/17 (Bundesgerichtshof)


1 StR 255/18 (Bundesgerichtshof)

Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge: Mittäterschaftlichen Handeln beim Tod von Schleusungswilligen durch Kollision eines nicht …


1 StR 282/19 (Bundesgerichtshof)

Tatbestandsmerkmal der lebensgefährdenden Behandlung beim Einschleusens von Ausländern


1 StR 289/20 (Bundesgerichtshof)

Einschleusen von Ausländern: Strafrechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Einreise und des Aufenthalts eines Drittausländers mit …


4 StR 233/14 (Bundesgerichtshof)

Gewerbsmäßigen Einschleusen von Ausländern: Strafbarkeit eines Schleusers für auf dem Luftweg eingereiste Asylsuchende aus Syrien …


Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 231/21

3 StR 303/17

1 StR 289/20

120 KLs -204 Js 10/19- 38/20

6 StR 519/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.