Bundespatentgericht, Urteil vom 29.09.2021, Az. 3 Ni 12/20 (EP)verb.m. 3 Ni 13/21 (EP)

3. Senat | REWIS RS 2021, 2260

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Patentnichtigkeitssache - "Arylharnstoff-Verbindungen in Kombination mit anderen zytostatischen oder zytotoxisch wirksamen Stoffen zur Behandlung menschlicher Krebserkrankungen" – Inhalt und Umfang eines vorterminlichen Hinweises und Aussagekraft für die Aussetzung des Verletzungsverfahrens – fehlende Patentfähigkeit


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 2 305 255

([X.] 602 43 587)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. September 2021 durch den [X.] Schwarz als Vorsitzenden, die [X.]innen [X.] und Dipl.-Chem. [X.], den [X.] Dipl.-Chem. [X.] sowie die [X.]in Dipl.-Chem. Dr. Wagner für Recht erkannt:

[X.] Das europäische Patent 2 305 255 wird im Umfang des Patentanspruchs 12 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

I[X.] Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die [X.] ist eingetragene Inhaberin des am 3. Dezember 2002 angemeldeten und unter Inanspruchnahme der Priorität aus der [X.] Anmeldung [X.] 334609 P vom 3. Dezember 2001 auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] in [X.] [X.] erteilten [X.] Patents 2 305 255 (Streitpatent).

2

Das beim [X.] unter dem Aktenzeichen 602 43 587 geführte Streitpatent trägt die Bezeichnung „[X.] in combination with other cytostatic or cytotoxic agents for treating human cancers“ (in [X.] laut [X.]chrift: „[X.] in Kombination mit anderen zytostatisch oder zytotoxisch wirksamen Stoffen zur Behandlungen menschlicher Krebserkrankungen“) und umfasst in der erteilten Fassung den [X.], auf den die Patentansprüche 2 bis 11 unmittelbar oder mittelbar zurückbezogen sind, sowie den mit den vorliegenden Nichtigkeitsklagen allein angegriffenen Stoffanspruch 12, der in der [X.] und auf [X.] laut [X.]chrift wie folgt lautet:

Abbildung

Abbildung

3

Nichtigerklärung des [X.] im Umfang des Anspruch 12 wegen fehlender Patentfähigkeit. Die [X.] verteidigt ihr Patent im angegriffenen Umfang in der erteilten Fassung sowie in den Fassungen der [X.] bis 4 vom 25. März 2021. In den Fassungen der Hilfsanträge lautet der angegriffene Patentanspruch 12 jeweils wie folgt:

4

Hilfsantrag 1

Abbildung

5

Hilfsantrag 2

Abbildung

6

Hilfsantrag 3

Abbildung

7

Hilfsantrag 4

Abbildung

8

Die Parteien haben zur Stützung ihres Vorbringens unter anderem folgende Druckschriften eingereicht (Nummerierung und Kurzzeichen von den Parteien vergeben, bei Angabe desselben Dokuments durch beide Klägerinnen wird im Folgenden die NiK-Nummerierung der Klägerin zu 1) verwendet):

9

NiK1 [X.] KNK1] [X.] 255 [X.] (Streitpatent)

[X.] [X.] 255 [X.] ([X.] zum Streitpatent)

[X.] [X.] [X.]] J.F. LYONS et al., [X.] 2001, 8, 219-225

NiK3 [X.] KNK5] [X.] et al., [X.]. [X.], 6(2), 303-315

[X.] [X.] [X.]] [X.] 00/42012 A 1

NiK5 [X.] [X.]] [X.], "[X.]: [X.]", [X.], 1988, [X.] 1994, Kapitel 13 "Preformulation", 223-253

NiK7 [X.] KNK11] [X.] 60/334,609 (Prioritätsschrift des [X.])

[X.] [X.] KNK13] [X.] et al., [X.] 2002, 8, 2269-2278

[X.] [X.] KNK14] [X.] et al., [X.] 2002, 8, 2249-2253

[X.] [X.] KNK7] [X.], Organic Process Research & Development 2000, 4, 427-435

[X.] [X.] KNK9] Experimentelle Daten zur Auflösung von [X.] im Vergleich zur freien [X.]-Base, eingereicht von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren betreffend das Familienmitglied [X.] 799 vor dem EPA

[X.] [X.] [X.]] European Patent Assessment Report der [X.] zum Produkt Nexavar

KNK19 Chemical Abstracts Service, Auszug aus der Datenbank "Scifinder" zur [X.], ohne Datum, 2 Seiten

[X.] [X.] KNK16] Eidesstattliche Versicherung Prof. Dr. R… vom 28.
Juli 2020 mit 2 Anlagen

[X.] [X.] (Hrsg.), [X.] – [X.], 2. Aufl. 2002, [X.]-138

NI[X.]2 Declaration von Prof. Dr. F… vom 15. August
2021, 10 Seiten

NI[X.]2 Exhibit 2 Strumberg, D. et al., Proceedings of ASCO 2001, 20, S. 83a, General Poster 330

NI[X.]2 Exhibit 3 Amidon, G.L. et al., [X.] 1995, 12, S. 413-420

NI[X.]5 Sucker, [X.] et al. (Eds.), "Pharmazeutische Technologie", [X.] – [X.], 2. Aufl., 1991, [X.]-173

NI[X.]6A LG München I, Endurteil vom 26.07.2021 – 21 O 9793/21

NI[X.]6B LG München I, Endurteil vom 11.08.2021 – 21 O 10225/21

NI[X.]6C LG München I, Endurteil vom 06.09.2021 – 21 O 10318/21

Die Klägerinnen sind der Auffassung, das Streitpatent sei im angegriffenen Umfang nicht patentfähig. Die Aufgabe des [X.], die in Bezug auf Anspruch 12 nicht näher ausformuliert sei, könne allenfalls darin bestehen, ein pharmazeutisch annehmbares Salz von [X.] bereitzustellen, da das Streitpatent die Bereitstellung des [X.]es des Wirkstoffs [X.] nicht als eigenständige Erfindung ansehe und die Löslichkeit bzw. Auflösung des [X.]s bzw. der [X.]-Salze an keiner Stelle angesprochen sowie die orale Bioverfügbarkeit des [X.]s nicht als problematisch angesehen werde. Der angegriffene Anspruch 12 betreffe lediglich [X.], das in Absatz [0060] des [X.] auch als „Compound A“ bezeichnet werde. Hierzu offenbare das Streitpatent in den Beispielen 1 bis 5 präklinische in [X.] mit [X.], in denen den Mäusen [X.] in Kombination mit verschiedenen zytotoxischen bzw. zytostatischen Wirkstoffen (Camptosar

Der Gegenstand von Anspruch 12 beruhe ausgehend von der [X.] in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen oder der NiK5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Denn die [X.] offenbare, dass es sich bei [X.] um einen Raf-Kinase-Inhibitor handle, der in klinischen Versuchen bereits Wirksamkeit gegen verschiedene Tumore gezeigt habe und von den Patienten auch gut vertragen werde. Da die [X.] aber nicht ausdrücklich beschreibe, dass [X.] in Form des [X.]es verabreicht worden sei, unterscheide sie sich vom Gegenstand des Anspruchs 12 des [X.] nur darin, dass letzterer die Bereitstellung des Wirkstoffs [X.] in Form eines [X.] betreffe. Da die Bereitstellung von Wirkstoffen in Form von pharmazeutisch verträglichen Salzen, die auch [X.]e umfassen, aber zur Standardpraxis des Fachmanns gehöre und somit auch im Falle von [X.] ohne weiteres naheliegend sei, mangele es Anspruch 12 des [X.] schon aus diesem Grund an erfinderischer Tätigkeit. Als Fachmann sei dabei ein Team von Fachleuten anzusehen, das aus einem medizinischen Chemiker und einem Pharmakologen oder Mediziner bestehe, die jeweils über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung und Verwendung von Anti- [X.] verfügten. Darüber hinaus gehöre es zum allgemeinen Fachwissen dieses Fachmanns, dass die Bereitstellung eines schwer wasserlöslichen Wirkstoffs in Form eines pharmazeutisch verträglichen Salzes die Löslichkeit des Wirkstoffs verbessere, was etwa in den Druckschriften NiK5 und [X.] erläutert sei. Da es sich bei [X.] um einen Wirkstoff in klinischer Entwicklung gehandelt habe, habe der Fachmann im Hinblick auf eine mögliche Zulassung des Wirkstoffs auch Veranlassung gehabt, dessen Löslichkeit zu bestimmen. Der Fachmann habe die geringe Löslichkeit von [X.], bei dem es sich um einen schwer wasserlöslichen Wirkstoff handle, bereits zu Beginn der Entwicklung des Wirkstoffs notwendigerweise feststellen müssen. Deshalb sei es für den Fachmann naheliegend gewesen, den Wirkstoff in ein pharmazeutisch verträgliches Salz zu überführen, um dessen Löslichkeit zu verbessern. Wie sich NiK5 und [X.] entnehmen lasse, sei die Bereitstellung des Wirkstoffs in Form eines [X.]es dabei eine naheliegende Option gewesen. Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 12 des [X.] ausgehend von der [X.] in Verbindung mit dem in der NiK5 dokumentierten allgemeinen Fachwissen naheliegend gewesen. Dem stünden die Ausführungen in dem von der [X.]n vorgelegten Gutachten [X.] nicht entgegen. Das Streitpatent thematisiere entgegen der Auffassung der [X.]n nicht das Problem geringer Wasserlöslichkeit von [X.] und einer daraus resultierenden geringen [X.]. Allerdings hätte der Fachmann die Löslichkeit eines pharmakologisch interessanten Wirkstoffs zwingend in einer präklinischen Studie bestimmt, wie dies etwa in der NiK5 ausdrücklich festgestellt werde. So sei auch die [X.] vorgegangen. Das hätte den Fachmann veranlasst, sich entsprechend der üblichen Vorgehensweise mit der Bereitstellung des Wirkstoffes in Form eines Salzes zu befassen. Dann wäre es für den Fachmann aber naheliegend, das [X.] von [X.] herzustellen und zu testen. Die in der [X.] hierzu im Hinblick auf das [X.] ausgewählten Versuche stünden dem nicht entgegen, denn sie enthielten andere Werte als der [X.] der [X.] laut Anlage [X.], der die Angaben der [X.] widerlege. Es habe entgegen der Auffassung der [X.] auch keinen Vorbehalt gegen die Verwendung von Tosylaten bestanden. Eine erfinderische Tätigkeit ergebe sich auch nicht daraus, dass die orale Verfügbarkeit eines Salzes nicht sicher vorhersehbar sei, denn die Tatsache, dass bei einem bestimmten Wirkstoff dessen Überführung in eine Salzform nicht erfolgreich gewesen sei, begründe nicht die Annahme, dass es für einen Fachmann nicht naheliegend gewesen sei, bei einem anderen Wirkstoff die Salzbildung zu untersuchen.

Die Bereitstellung von [X.] in Form des [X.]es sei auch im Hinblick auf die [X.] nahegelegt, da die Druckschrift bereits die Bereitstellung der darin offenbarten Verbindungen, einschließlich [X.], in Form von pharmazeutisch verträglichen Salzen, einschließlich [X.]en, vorschlage. Somit beruhe Anspruch 12 des [X.] auch gegenüber der [X.] in Verbindung mit der [X.] nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Darüber hinaus sei der Gegenstand von Anspruch 12 des [X.] auch gegenüber der Druckschrift [X.] nicht neu, denn diese Druckschrift offenbare [X.] als eine der dort abgehandelten [X.], bei denen es sich nach Darstellung der [X.] um gut verträgliche Salze handle. Des Weiteren fehle es Anspruch 12 des [X.] auch gegenüber den Druckschriften [X.] und [X.] an Neuheit, die [X.] offenbarten und zum Stand der Technik gehörten, weil das Streitpatent seine Priorität mangels wirksamer Übertragung des [X.] auf die Rechtsvorgängerin der jetzigen [X.]n und mangels Erstanmeldung von [X.] in der Prioritätsschrift nicht wirksam in Anspruch nehmen könne.

Die Klägerinnen beantragen,

das [X.] Patent [X.] 255 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] im Umfang des Anspruchs 12 für nichtig zu erklären.

Die [X.] beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass das Streitpatent die Fassung eines der [X.] bis 4 gemäß Schriftsatz vom 25.03.2021 erhält.

Die [X.] ist der Auffassung, der Gegenstand von Anspruch 12 sei neu und beruhe gegenüber dem von der Klägerin genannten Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit.

[X.] stelle zwar fest, dass [X.] freie Base als solche ein oral verfügbarer wirksamer [X.] mit signifikanter Aktivität gegenüber verschiedenen humanen Tumorarten sei. Mit der oralen Bioverfügbarkeit der freien Base gebe sich die [X.] aber zufrieden. Der Fachmann erhalte daher ausgehend von der [X.] keinerlei Anhaltspunkt für die Aufgabe der Erfindung. Vielmehr führe ihn die [X.] sogar von der Erfindung weg. Im Gegensatz zur [X.] hätten erst die Erfinder des [X.] die orale Verabreichbarkeit von [X.] als kritische Hürde erkannt. Wie sich aus dem Gutachten laut [X.] ergebe, habe die [X.] das der Erfindung zu Grunde liegende Problem, nämlich die Bereitstellung einer oral verfügbaren [X.]-Darreichungsform, überhaupt nicht erkannt. Sofern der Fachmann ausgehend von [X.] die Salzbildung gemäß NiK5 und [X.] überhaupt in Betracht gezogen hätte, was bestritten werde, hätte er daher erhebliche Hürden überwinden müssen, um [X.]tosylat als Entwicklungskandidaten zu identifizieren. Bereits die Auswahl der para-Toluolsulfonsäure zur Salzbildung sei im Fachgebiet nicht üblich gewesen; auch habe nicht erwartet werden können, dass sich mit para-Toluolsulfonsäure überhaupt ein Salz bilde; darüber hinaus hätten nachvollziehbare Vorbehalte gegenüber dem [X.] bestanden. Selbst wenn der Fachmann durch einen glücklichen Griff [X.] in die Hände bekommen hätte, hätte er in Kenntnis der [X.] gegen sein allgemeines Fachwissen eine pharmakokinetische Studie mit diesem Salz initiieren müssen, um die überraschende und nicht vorhersehbare Bioverfügbarkeit des [X.]s zu erkennen. Die gegenteiligen Überlegungen der Klägerinnen beruhten daher auf einer rückschauenden Betrachtungsweise in Kenntnis der Erfindung. Ausgehend von [X.] oder [X.] habe der Fachmann daher auch unter Berücksichtigung der NiK5 oder [X.] weder Motivation noch Erfolgserwartung gehabt, um die Aufgabe durch Bereitstellung von [X.] zu lösen.

Der Gegenstand des Anspruchs 12 sei auch gegenüber der [X.] und [X.] und [X.] neu. [X.] offenbare nicht unmittelbar und eindeutig [X.], da es insbesondere an der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür vorausgesetzten Individualisierung fehle. [X.] und [X.] seien schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sie nicht zum maßgeblichen Stand der Technik gehörten, nachdem das Streitpatent seine Priorität zu Recht in Anspruch nehme; die Auffassung der Klägerinnen, das [X.] sei nicht wirksam auf die Rechtsvorgängerin der [X.]n übertragen worden, treffe dabei ebenso wenig zu wie die Behauptung, die Prioritätsschrift sei nicht die erste Anmeldung von [X.] gewesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die zulässige Klage ist in der Sache begründet. Das [X.] ist gemäß Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Art. 52, 56 EPÜ im Umfang von Patentanspruch 12 für nichtig zu erklären, da der Gegenstand dieses Patentanspruchs sowohl in der erteilten Fassung als auch in den Fassungen der Hilfsanträge, mit denen die [X.] ihn verteidigt, nicht patentfähig ist.

I.

1. Die [X.] betrifft das [X.] N-(4-Chlor-3-(trifluormethyl)phenyl-N‘-(4-(2-(N-methylcarbamoyl)-4-pyridyloxy)phenyl)[X.], sowie Kombinationen dieser Verbindung mit zytotoxischen oder zytostatischen Wirkstoffen, insbesondere 5-Fluoruracil, und deren Verwendung in der Behandlung von [X.]-vermittelten Erkrankungen wie beispielsweise [X.] ([X.], Abs. [0001], Patentansprüche 1, 12). Bei der Verbindung N-(4-Chlor-3-(trifluormethyl)phenyl-N‘-(4-(2-(N-methylcarbamoyl)-4-pyridyloxy)phenyl)[X.] handelt es sich um einen bekannten Wirkstoff, dessen internationaler Freiname ([X.]) "[X.]" lautet ([X.], Abs. [0004]), und der in früherer Literatur auch als "[X.]-9006" bezeichnet wurde ([X.], [X.], [X.]. 2, re. [X.]).

Das [X.] betrifft in den Patentansprüchen 1 bis 11 die Verwendung von [X.] und 5-Fluoruracil zur Herstellung eines Medikaments für die Behandlung von [X.]. Demgegenüber beansprucht der mit der Nichtigkeitsklage allein angegriffene Patentanspruch 12 eine Aryl[X.]-Verbindung, die ein [X.]salz von N-(4-Chlor-3-(trifluormethyl)phenyl-N'-(4-(2-(N-methylcarbamoyl)-4-pyridyloxy)phenyl)[X.] ist, also [X.]. Dieses wird im [X.] auch als "Compound A" bezeichnet ([X.], Abs. [0060]). [X.] ist ein Proteinkinaseinhibitor und zeichnet sich u.a. durch effektive Inhibierung der [X.] aus ([X.] Abs. [0004]). Es ist ein hochwirksames Chemotherapeutikum zur Behandlung einer Vielzahl verschiedener [X.]arten. [X.] ist für die Behandlung von fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom und inoperablem Leberzellkarzinom zugelassen und wird von der [X.]n unter dem Namen Nexavar

2. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um ein Team aus einem medizinischen Chemiker, einem Pharmakologen und einem Mediziner, die über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der Entwicklung und Verwendung von Chemotherapeutika zur Antitumorbehandlung verfügen.

3. Dem [X.] liegt die Aufgabe zugrunde, eine verbesserte Therapie zur Behandlung von [X.] vermittelten [X.]erkrankungen bereitzustellen. Eine zweite Aufgabe liegt, wie auch die [X.] in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, in der Bereitstellung einer verbesserten oralen Verabreichungsform der als [X.]-Inhibitor wirksamen Aryl[X.]verbindung [X.], z.B. in Form einer [X.]lette (vgl. [X.] Abs. [0004], [0033], [0034], [0052]). Die zweite Aufgabe soll durch den Gegenstand des angegriffenen Patentanspruchs 12 gelöst werden.

II.

Der erteilte Patentanspruch 12 ist jedenfalls mangels erfinderischer Tätigkeit (Art. 52, 56 EPÜ) nicht patentfähig, weshalb die Frage der Neuheit gegenüber [X.], [X.] und [X.] dahingestellt bleiben kann. Da die für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevanten Druckschriften nicht im Prioritätsintervall liegen, muss auch die Wirksamkeit der Inanspruchnahme der Priorität [X.] durch das [X.] nicht geklärt werden.

1. Einen geeigneten Ausgangspunkt zur Lösung der Aufgabe, eine orale Verabreichungsform von [X.] bereitzustellen, stellt die [X.] dar. Diese Druckschrift beschäftigt sich mit der Biologie der Ras-Signalübertragung und der Epidemiologie von [X.] in Bezug auf [X.]erkrankungen als Hintergrund für die Entwicklung des [X.]-Inhibitors [X.]/BAY 43-9006 (vgl. [X.] S. 219 "Abstract"). Der Lehre der [X.] entnimmt der Fachmann, dass die [X.] ein attraktives Ziel für die Antitumorbehandlung darstellt und dass sich [X.] als wirkungsvoller oral zu verabreichender Inhibitor der [X.] erweist, der eine signifikante Aktivität bei verschiedenen menschlichen Tumoren aufzeigt und zugleich gut verträglich ist (vgl. [X.] [X.] le. Abs. vor "Conclusion" und "Conclusion"). Allerdings fehlen in der [X.] abgesehen von der Angabe, dass orale [X.]letten von [X.] verabreicht worden sind, nähere Angaben zur Galenik der eingesetzten [X.]-[X.]letten. Damit gibt sich entgegen der Ansicht der [X.]n der Fachmann mit der Lehre der [X.] nicht zufrieden. Vielmehr wird für ihn in Anbetracht des Umstands, dass eine hinsichtlich der oralen Verabreichungsform nicht näher beschriebene [X.]-Formulierung in [X.] erfolgreich klinisch getestet worden ist, ein starker Anreiz begründet, nach einer [X.]-Zusammensetzung zu suchen, mit der sich die in dieser Druckschrift berichtete Wirksamkeit und Verträglichkeit verifizieren lässt (vgl. [X.], 1032, [X.]. und Rn. 33 – Fulvestrant).

Vor die Aufgabe gestellt, eine geeignete orale Verabreichungsform von [X.] bereitzustellen, sieht sich der Fachmann ausgehend von [X.] zunächst die Ergebnisse der [X.] zu [X.] freie Base an. Dabei stellt er fest, dass [X.] sehr schlecht wasserlöslich ist (vgl. gutachtlich NIB3 S. 3 [X.]. 1 erster Eintrag). [X.] fasst er daher als Maßnahme zur Erzielung einer besseren Löslichkeit und damit einer besseren Bioverfügbarkeit ein [X.] ins Auge (vgl. [X.]1 S. 427 "Abstract" Z. 6 bis 13). Um dazu aus der großen Anzahl möglicher Salze nur möglichst geeignete Salze in Betracht zu ziehen, orientiert er sich routinemäßig am [X.] (im [X.]: pKa) von [X.], dem zweiten Parameter, der in [X.] auf alle Fälle ermittelt wird (vgl. [X.] S. 114 li. [X.] le. Abs. mit [X.] und 2 sowie [X.] re. [X.] Z. 5 bis 6). Der [X.] des am stärksten basischen Stickstoffatoms im [X.] liegt gemäß [X.] bei 2,66 (vgl. aaO S. 2 [X.]. Eintrag). Damit kommen als mögliche [X.] nur starke Säuren mit [X.]en im negativen Bereich in Betracht, da es zum Fachwissen gehört, dass für die Bildung stabiler Salze eine Differenz von mindestens drei Einheiten zwischen den [X.]en der basischen Gruppe und seines Gegenions liegen muss (vgl. [X.]1 S. 427/428 seitenübergr. Abs.). Als pharmakologisch geeignete und [X.]e Gegenionen/Anionen starker Säuren mit [X.]en im negativen Bereich sind dem Fachmann insbesondere vier Anionen bekannt, nämlich Hydrochlorid, Sulfat, [X.] und [X.]. Dabei handelt es sich um eine überschaubare Anzahl von Anionen, die er daher alle in sein [X.]-Programm einbezieht. Damit hat entgegen der Ansicht der [X.]n die Auswahl von [X.] beim [X.] für den Fachmann auf der Hand gelegen.

Gegen diese Vorgehensweise spricht auch nicht der Einwand, dass wegen der schlechten Löslichkeit von [X.] freie Base der [X.] nicht bestimmbar sei. Zum einen war dem Fachmann bekannt, dass neben der Potentiometrie zur Bestimmung des [X.]s auch andere Methoden wie z.B. die [X.]ektroskopie oder die Leitfähigkeit herangezogen werden können und dass gerade für den Fall schlecht löslicher Wirkstoffe, bei dem die Potentiometrie versagt, die wesentlich empfindlichere Meßmethode der [X.]ektroskopie zu verwenden ist (vgl. [X.] S. 116 re. [X.] le. Abs. vor "[X.]" und S. 128 li. [X.] le. Abs.). Zum anderen hat die [X.] in ihrem Gutachten NIB12 selbst eingeräumt, dass es zum [X.] im Jahr 2001 bereits Software-Programme gegeben hat, mit denen [X.]e auf Basis der chemischen Struktur eines Wirkstoffs zumindest annäherungsweise berechnet werden konnten (vgl. [X.]). Der Fachbuchauszug [X.]1 bestätigt, dass es [X.] ist, für jeden Wirkstoff den [X.] für jede ionisierbare Gruppe zu kalkulieren (vgl. [X.]1 S. 427, re. [X.] Abs. 2 Satz 3). Durch ein derartiges Software-Programm ist in [X.] der [X.] des am stärksten basischen Stickstoffatoms im [X.] berechnet worden (vgl. [X.] S. 2 [X.]. [X.]. Zeile nach "[X.]"). Damit stand dem Fachmann kein Hindernis entgegen, im Rahmen seines [X.]en Vorgehens den [X.] von [X.] zu ermitteln.

Bei der routinemäßigen Durchführung des [X.]s beachtet der Fachmann weiterhin, dass [X.] gemäß [X.] trotz der schlechten Löslichkeit eine gute Wirksamkeit bei oraler Verabreichung zeigt. Er klassifiziert daher [X.] als BCS (= Biopharmaceutics Classification System) Klasse 2 Wirkstoff ein, d.h. als Wirkstoff, der eine schlechte Löslichkeit und eine gute gastrointestinale Permeabilität (= Magen-Darm-Durchlässigkeit) aufweist (vgl. [X.] [X.]. II). Dies hat für ihn die zwangsläufige Konsequenz, dass bei der oralen Verabreichung nicht die Löslichkeit sondern die Auflösungsgeschwindigkeit von [X.] der entscheidende Faktor für die Bioverfügbarkeit und damit für die Wirksamkeit ist (vgl. [X.] li. [X.] le. Abs.). Denn nur bei ausreichend hoher Auflösungsgeschwindigkeit kann ein Wirkstoff trotz schlechter Löslichkeit in ausreichender Menge gastrointestinal absorbiert werden. Der Fachmann bleibt daher nicht bei der Bestimmung der schlechten Löslichkeit von [X.] stehen, die im Vergleich zu [X.] freie Base keine Verbesserung zeigt (vgl. gutachtlich NIB3 S. 3 [X.]. 1 zweiter Eintrag). Vielmehr hat er aufgrund der Einklassifizierung von [X.] als [X.] die Motivation, die Auflösungsgeschwindigkeit von [X.] im Vergleich zu [X.] frei Base zu bestimmen. Davon halten ihn auch nicht Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Auflösungsgeschwindigkeit aufgrund der schlechten Löslichkeit von [X.] ab. Denn die Bestimmung der Auflösungsgeschwindigkeit stellt eine Standarduntersuchungsmethode in der Pharmakologie dar. Dabei stehen dem Fachmann verschiedenste Methodiken gerade auch im Hinblick auf schlecht lösliche Wirkstoffe zur Verfügung. Daher führt der Hinweis der [X.]n auf eine im Fachbuchauszug [X.] beschriebene Messmethode, die aufgrund enormer Flüssigkeitsmengen für die Bestimmung der Auflösungsgeschwindigkeit von schlecht löslichen Wirkstoffen wie [X.] freie Base bzw. [X.] ungeeignet ist, nicht von einer Bestimmung der Auflösungsgeschwindigkeit weg (vgl. [X.] S. 123 li. [X.] ab "[X.] dissolution rate"). Vielmehr erkennt der Fachmann aufgrund der schlechten Löslichkeit von [X.] freie Base bzw. [X.], dass die in [X.] beispielhaft beschriebene Messmethode ungeeignet ist und er sich anderen Standardmessmethoden, wie z.B. der [X.]ektroskopie oder der Messung der Leitfähigkeit, zur Bestimmung der Auflösungsgeschwindigkeit zuwenden muss.

Mit den Ergebnissen der – wie vorliegend gezeigt – routinemäßig durchgeführten Bestimmung der Auflösungsgeschwindigkeit von Wirkstoffen der [X.] (vgl. gutachtlich in [X.]4 nachgereichte Daten und Figuren zur Auflösungsgeschwindigkeit von [X.]-[X.] und [X.] freie Base) kommt der Fachmann in naheliegender Weise ausgehend von [X.] in Kombination mit seinem Fachwissen, dokumentiert u.a. durch NiK5 bzw. [X.], [X.]1 und [X.], zu [X.] als geeignete orale Verabreichungsform des Wirkstoffs [X.]. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 12 ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht bestandsfähig.

2. Auch die weiteren Gegenargumente der [X.]n können das Beruhen der Bereitstellung des [X.]s gemäß dem erteilten Patentanspruch 12 auf einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründen.

a) Soweit die [X.] vorgetragen hat, dass für eine bessere Bioverfügbarkeit von schlecht löslichen Wirkstoffen wie [X.] dem Fachmann andere Optionen als die Salzbildung zur Verfügung gestanden hätten, bei denen der Wirkstoff nicht modifiziert hätte werden müssen, so dass ein nochmaliges zeit- und kostenaufwendiges Durchlaufen von vorbereitenden klinischen Phasen vermieden werde, überzeugt dies nicht. Für den Fachmann können sich je nach den Umständen des betroffenen Gebiets der Technik verschiedene Möglichkeiten zum weiteren Vorgehen anbieten und dementsprechend ist in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt, dass das Beschreiten unterschiedlicher Wege naheliegend sein kann (vgl. [X.] GRUR 2015, 356, [X.]. 2 und Rn 31 – [X.]). Übertragen auf den vorliegenden Streitfall bedeutet dies, dass es zwar verschiedene Optionen zur Verbesserung der Löslichkeit und damit der Bioverfügbarkeit gegeben hat, dass aber die Salzbildung – wie die [X.] in ihrem Gutachten NIB12 selbst einräumt – ein üblicher und gemäß [X.]1 sogar der bevorzugte Weg zur Verbesserung der Löslichkeit eines schwerlöslichen Wirkstoffs gewesen ist (vgl. [X.]1 S. 427 li. [X.] "Abstract"). Damit hat gerade die Salzbildung in dem frühen Stadium der Wirkstoffentwicklung, in dem sich [X.] am Prioritätstag befand, im Blickfeld des Fachmanns bei der Lösung der zweiten streitpatentgemäßen Aufgabenstellung gelegen. Das fachübliche Vorgehen beim [X.] ist ebenfalls in [X.]1 näher dargestellt und wurde bereits unter Punkt [X.] eingehend erläutert (vgl. [X.]1 S. 427 re. [X.] le. Abs. bis [X.] re. [X.] Z. 2).

Soweit auf den zeitlichen und finanziellen Aufwand eines [X.]s verwiesen wird, kommt diesem bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit eine untergeordnete Rolle zu, da diese allein von den technischen Kenntnissen und Fähigkeiten des Fachmanns zum Prioritätszeitpunkt des [X.]s abhängt. Gemäß der Rechtsprechung des [X.] können Beweisanzeichen wie der zeitliche und finanzielle Aufwand im Einzelfall allenfalls Anlass zur Prüfung geben, ob sie vor dem Hintergrund des allgemeinen Fachwissens hinreichende Anhaltspunkte für ein Naheliegen des [X.] bieten und nicht erst aus Ex-post-Sicht eine zur Erfindung führende Anregung zu enthalten scheinen (vgl. [X.] GRUR 2010, 44, [X.]. 2 und Rn. 29 - Dreinahtschlauchfolienbeutel). Im Streitfall gehört die physikalisch-chemische Analyse eines Wirkstoffs in der [X.] zur alltäglichen Routinetätigkeit des Pharmakologen (vgl. z.B. [X.] S. 114 li. [X.] bis re. [X.] Abs. 1; [X.] S. 145 Kap. "Einleitung"), der Teil des für das streitpatentgemäße Fachgebiet zuständigen Teams ist (vgl. I.2.). Der dafür notwendige zeitliche und finanzielle Aufwand ist durch das Fachgebiet vorgegeben, vermag jedoch nichts daran zu ändern, dass der Fachmann die Salzbildung als üblichsten Weg zur Verbesserung der Löslichkeit und damit der Bioverfügbarkeit des schwerlöslichen [X.]s bei der Lösung der ihm gestellten Aufgabe berücksichtigt.

b) Es bestand auch kein Vorurteil gegenüber der Verwendung von [X.]salzen in der Fachwelt. [X.] wird zum Prioritätszeitpunkt in der Fachliteratur als mögliches Gegenion vorgeschlagen und gehört zum allgemeinen Lehrbuchwissen des Fachmanns (vgl. [X.], [X.]. 13.4, [X.]1 S. 428, [X.]. 1 und [X.] [X.]. [X.] langer Abs.). Von etwaigen Vorbehalten gegenüber [X.]salzen wird in den Lehrbüchern nichts berichtet. Ein solcher ist auch nicht dadurch entstanden, dass in der zweiten Auflage des Lehrbuchs von [X.] [X.] gegenüber der ersten Auflage NiK5 in der zu [X.]elle 13.4 korrespondierenden [X.]elle 8.4 [X.] nicht mehr explizit aufgeführt ist. Zum einen sind in der [X.]elle lediglich Beispiele von üblichen Gegenionen angeführt, zum anderen verweist [X.] in der oben angeführten Zitatstelle trotz des Fehlens von [X.] in der [X.]elle 8.4 ausdrücklich auf die Verwendung von [X.].

Zusätzlich erhält der Fachmann aus der [X.] eine Motivation für eine Berücksichtigung von [X.]. Diese Druckschrift beschäftigt sich mit Aryl[X.]verbindungen als [X.]-Inhibitoren (vgl. [X.] Titel und [X.] 15 bis 16). Dort wird die Verwendung von [X.]salzen als bevorzugtes pharmazeutisch akzeptables Salz für Aryl[X.]-Verbindungen aufgezeigt (vgl. [X.] Patentanspruch 50 und S. 6 ab Z. 11) und [X.] als bevorzugtes Beispiel für eine [X.] inhibierende Aryl[X.]verbindung offenbart (vgl. [X.] Patentanspruch 61, [X.] 9 bis 10 und Patentanspruch 67, [X.] 25 bis 26). Damit stellt die [X.] einen gedanklichen Zusammenhang zwischen [X.] und dessen möglicher Formulierung als [X.]salz her, die den Fachmann in der Berücksichtigung des [X.]salzes bestärkt.

Soweit die [X.] auf Bedenken hinsichtlich der Beschaffung von ausreichenden Mengen reiner p-Toluolsulfonsäure verweist, sind dafür keine Belege vorgelegt worden, was zu Lasten der insoweit beweispflichtigen [X.]n geht (vgl. [X.], [X.], 10. Aufl., 2017, § 81 Rn. 155). Zudem gehört es zur Routinetätigkeit des zum zuständigen fachmännischen Team gehörenden Chemikers, Substanzen und Hilfsstoffe ggf. mit [X.]en Standardmethoden derart aufzureinigen, dass sie für pharmazeutische Anwendungen geeignet sind.

Der Fachmann lässt das [X.]salz auch deshalb nicht außer [X.], weil bis zum Prioritätszeitpunkt kein als [X.]salz formulierter und oral zu verabreichender Wirkstoff zugelassen gewesen ist. Im allgemeinen Lehrbuchwissen werden neben dem am häufigsten eingesetzten Salz, nämlich dem [X.], auch andere Salze aufgezeigt, wobei das [X.]salz für den Fachmann bei einer schlechten Löslichkeit des [X.]es sogar im Vordergrund stand (vgl. [X.] [X.]. [X.] langer Abs. [X.]. Satz). Dem Einwand der [X.]n, dass der Fachmann dem für eine suboptimale Löslichkeit von [X.]en zugrunde liegenden "Common-Ion-Effekt" nur eine untergeordnete Bedeutung beimesse, widerspricht der Fachbuchauszug [X.], demzufolge [X.]e wegen diesem Effekt oft eine suboptimale Löslichkeit in gastrointestinaler Umgebung zeigen (vgl. [X.] S. 123 re. [X.] ab "Common ion effect").

c) Nicht durchgreifen vermag auch das weitere Argument der [X.]n, dass die Auflösungsgeschwindigkeit kein obligatorischer Parameter sei, der bei einem [X.] von jeder untersuchten Verbindung bestimmt werde; vielmehr werde die Auflösungsgeschwindigkeit, wie man der [X.]. 2 der [X.]1 entnehmen könne, nur von erfolgsversprechenden Kandidaten ermittelt, so dass die Einbeziehung von [X.] trotz dessen gegenüber der freien Base nicht verbesserter Löslichkeit daher nur bei rückschauender Betrachtungsweise naheliegend sein könne. Denn sie lässt außer Betracht, dass der Fachmann in Kenntnis der positiven Ergebnisse der in [X.] offenbarten klinischen Studie einer oralen Gabe von [X.] einerseits und der schlechten Löslichkeit von [X.] freie Base andererseits der Auflösungsgeschwindigkeit eine viel höheren Bedeutung hinsichtlich der Bioverfügbarkeit von [X.] zuordnet, da sie limitierende Faktor beim [X.] im gastrointestinalen Trakt ist (vgl. [X.] [X.]. [X.] "Dissolution" Abs. 1). Er achtet daher beim [X.] nicht nur auf die Löslichkeit sondern gerade auch auf die Auflösungsgeschwindigkeit.

Soweit darauf hingewiesen worden ist, dass die Auflösungsgeschwindigkeit proportional zur (Sättigungs-)Löslichkeit sei, weshalb der Fachmann keine Veranlassung zur Messung der Auflösungsgeschwindigkeit gehabt habe, da er mit diesem Parameter keine weitere Information zu [X.] erhalten habe, so wird dabei übersehen, dass diese Proportionalität von substanzspezifischen Konstanten abhängt, die bei neuen Substanzen noch unbekannt sind und daher eine Berechnung der Auflösungsgeschwindigkeit aus der Sättigungslöslichkeit zu dem frühen Zeitpunkt der Wirkstoffentwicklung von [X.] nicht möglich gewesen ist. Zudem bedeutet eine geringe Löslichkeit nicht zwangsläufig eine geringe Auflösungsgeschwindigkeit, da es bekanntermaßen Wirkstoffe bzw. Wirkstoffsalze mit geringer Löslichkeit gibt, die eine hohe Auflösungsgeschwindigkeit zeigen. Aus diesem Grund nennen auch alle vorgelegten Fachbuchauszüge und Fachartikel die Auflösungsgeschwindigkeit als eine der standardmäßig durchzuführenden Messungen der [X.] (vgl. [X.] [X.]. 8.2, [X.] re. [X.] Abs. 2, [X.]. [X.] ab "Dissolution" bis [X.]. [X.]; vgl. [X.]1 [X.] [X.]. 2; vgl. [X.] S. 146 re. [X.] [X.]. Abs.).

d) Soweit das LG München in den Endurteilen [X.] bis [X.] zu einer anderen Entscheidung hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit gekommen ist, kann ihnen nicht gefolgt werden. Wie vorstehend ausgeführt, sprechen vielmehr die dort genannten Gründe aus Sicht des Fachmanns gegen die Argumente der [X.]n zu den angeblich fachlichen Hürden gegen eine Verwendung von [X.]. Soweit das LG München – insoweit in Übereinstimmung mit einer weit verbreiteten, rechtlich aber keineswegs zwingenden Auffassung bei den [X.] (vgl. hierzu Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 14. Aufl. 2022, Rn. 877 m.w.N.) - beanstandet hat, im vorterminlichen Hinweis seien die Ausführungen des Senats zu diesen technischen Fragen zu knapp und setzten sich nicht detailliert genug mit den Argumenten der [X.]n auseinander, so dass es berechtigt sei, über die Frage des [X.] eine eigenständige Beurteilung vornehmen zu können (vgl. z.B. [X.] seitenübergr. Abs.), verkennt es grundlegend Funktion und Entstehung des vorterminlichen Hinweises nach § 83 Abs. 1 S.1 [X.]. Wie sich schon aus seinem Wortlaut ergibt, soll der Hinweis nach § 83 Abs. 1 lediglich auf Gesichtspunkte hinweisen, die „für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind“. Keineswegs ist es Aufgabe und Funktion des Hinweises, gutachterlich detailliert sämtliche Überlegungen des mehrheitlich mit fachkundigen Richterinnen und Richtern besetzten Senats zu den einzelnen Argumenten der Parteien umfangreich darzulegen. Vielmehr reicht es, das Ergebnis dieser Überlegungen unter Hinweis auf die tragenden Erwägungen (hier also auf die grundsätzliche Veranlassung des Fachmanns zur Verwendung von [X.]) offenzulegen. Die detaillierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Argumenten und Gegenargumenten der Parteien zu dieser Frage hat nach der gesetzlichen Konzeption vielmehr erst in der mündlichen Verhandlung zu erfolgen; andernfalls wäre diese überflüssig.

Allerdings erfolgt die vorläufige Einschätzung eines [X.] im Hinweis nach § 83 Abs. 1 Satz 1 [X.] stets erst nach einer umfassenden und alle bisher schriftsätzlich vorgebrachten Argumente und Gegenargumente der Parteien sorgfältig berücksichtigenden fachkundigen Beurteilung durch alle - insbesondere also auch durch alle technischen - Senatsmitglieder. Sofern einzelne Zivilgerichte meinen, ein Hinweis nach § 83 Abs. 1 Satz 1 [X.] rechtfertige eine Aussetzung nur, wenn er in der Weise eindeutig Position zu den einzelnen Klageangriffen bezieht, dass er praktisch die demnächst anstehende Vernichtungsentscheidung vorwegnehme (so [X.], Beschluss v 21.7.2017 – Az. [X.] -, zitiert bei [X.], Handbuch der Patentverletzung, 14. Aufl. 2022, Rn. 877), verkennt dies den eindeutigen Gesetzeswortlaut. Es gehört auch nicht zu den Aufgaben des [X.], die Beantwortung prozessualer Fragen, die sich den [X.] bei deren Entscheidungen stellen, vorzubereiten. Zwar mag es für das Verletzungsgericht bei seiner Abwägung, ob es das Verletzungsverfahren wegen des anhängigen [X.] nach § 148 ZPO aussetzen soll, hilfreich sein, die vorläufige Beurteilung des mehrheitlich mit technischen Experten besetzten [X.] über den Rechtsbestand des Klagepatents zu kennen. Dieses Bedürfnis ist umso stärker, als es die Kompetenz eines ohne sachverständigen Beistand über keine vergleichbare technische Qualifikation verfügenden Zivilgerichts überfordern würde, die teilweise sehr komplexen technischen Fragestellungen ohne sachverständige Hilfe selbständig klären zu können. Wird aber der Rechtsbestand eines Klagepatents im anhängigen [X.] in Abrede gestellt und gibt das mit technischen Experten besetzte [X.] als allein zur Beurteilung dieses [X.] zuständiger ersten Gerichtsinstanz nach der vorgeschilderten umfangreichen Beurteilung der einzelnen Argumente und Gegenargumente der Klageparteien im [X.] (wie vorliegend) eindeutig zu erkennen, dass sich das [X.] voraussichtlich nicht als rechtsbeständig erweisen wird, sollte diese Einschätzung zur Vermeidung später nicht oder nur noch schwer zu beseitigender Folgen für die Parteien für das Verletzungsgericht Anlass genug sein, das Verletzungsverfahren bis zum Abschluss des [X.] auszusetzen.

Die Auffassung, es fehle an einer eindeutigen Position, wenn das Wort „dürfte“ verwendet werde, weil es darauf hindeute, dass sich der [X.] noch keine „abschließende“ Meinung gebildet habe (so [X.], Handbuch der Patentverletzung, 14. Aufl. 2022, Rn. 877), verkennt grundlegend, dass mit der konjunktivischen Wortwahl („dürfte“, „könnte“) lediglich zum Ausdruck gebracht wird, dass der Hinweis schon nach dem gesetzlichen Wortlaut („voraussichtlich“) nur eine vorläufige Einschätzung abgeben darf, weil es zum Selbstverständnis eines richterlichen [X.]ruchkörpers gehört, sich nicht bereits vor der mündlichen Verhandlung, die allein Grundlage der richterlichen Entscheidung sein darf, „abschließend“ auf ein bestimmtes Ergebnis festgelegt und damit befangen gemacht zu haben.

Eine Abweichung von der Einschätzung des [X.] dürfte daher nur dann möglich und angemessen sein, wenn das Verletzungsgericht aufgrund bereits vorliegender oder von ihm zu diesem Zweck eingeholter unparteiischer sachverständigen Beurteilung der entscheidenden technischen Fragen eine ausreichende Grundlage für eine von der vorläufigen Einschätzung des [X.] abweichende Beurteilung des [X.] hat.

[X.]

Die [X.] kann den angegriffenen Patentanspruch 12 auch nicht in einer der Fassungen nach den [X.] erfolgreich verteidigen, weil diesen Fassungen ebenfalls der [X.] der fehlenden Patentfähigkeit entgegensteht.

1. Der jeweilige Patentanspruch 12 des Hilfsanträge 1 und 3 unterscheidet sich vom Patentanspruch 12 gemäß Hauptantrag lediglich durch das hinzugenommene Merkmal "zur oralen Verabreichung" bzw. "in Form einer [X.]lette". Da sowohl die orale Verabreichung als auch die Verabreichung von [X.] in Form einer [X.]lette in [X.] offenbart ist (vgl. [X.] [X.] li. [X.] [X.]. Abs.), sind diese beiden Merkmale nicht geeignet, ein Beruhen des angegriffenen Gegenstands des Patentanspruchs 12 auf einer erfinderischen Tätigkeit zu begründen.

2. Dasselbe gilt für den Gegenstand des Patentanspruchs 12 gemäß Hilfsantrag 2, der im Vergleich zum Patentanspruch 12 des [X.] als Verwendungsanspruch aufgestellt ist und ansonsten dieselben Merkmale aufweist. Durch Umformulierung als Verwendungsanspruch kann eine erfinderische Tätigkeit eines nahegelegten Gegenstands nicht begründet werden, zumal in [X.] [X.] wie im [X.] zur Behandlung von menschlichen [X.]erkrankungen und damit zu demselben Verwendungszweck eingesetzt wird (vgl. [X.] S. 219 Abstract, [X.]. [X.] bis [X.] re. [X.]).

3. Der ebenfalls auf eine Verwendung von [X.] gerichtete Patentanspruch 12 gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Patentanspruch 12 des [X.] dadurch, dass die orale Verabreichungsform auf eine [X.]lette und die Verwendung auf die Behandlung von [X.] präzisiert worden sind. Da beide Merkmale aber – wie bereits unter I[X.] und [X.]2. gezeigt – aus der [X.] bekannt sind, beruht auch die Verwendung gemäß Patentanspruch 12 des [X.] nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 ZPO.

Meta

3 Ni 12/20 (EP)verb.m. 3 Ni 13/21 (EP)

29.09.2021

Bundespatentgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

nachgehend BGH, 28. November 2023, Az: X ZR 83/21, Urteil

§ 83 Abs 1 PatG, § 148 ZPO, Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜbkG, Art 52 EuPatÜbk, Art 56 EuPatÜbk, Art 138 Abs 1 Buchst a EuPatÜbk

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 29.09.2021, Az. 3 Ni 12/20 (EP)verb.m. 3 Ni 13/21 (EP) (REWIS RS 2021, 2260)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2260


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 Ni 12/20 (EP)verb.m. 3 Ni 13/21 (EP)

Bundespatentgericht, 3 Ni 12/20 (EP)verb.m. 3 Ni 13/21 (EP), 29.09.2021.


Az. X ZR 83/21

Bundesgerichtshof, X ZR 83/21, 28.11.2023.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

X ZR 83/21 (Bundesgerichtshof)

Patentnichtigkeitsverfahren gegen ein Arzneimittelpatent zur Krebsbehandlung: Anforderungen an die Offenbarung eines bestimmten Salzes eines einzelnen …


3 Ni 3/17 (EP) (Bundespatentgericht)


3 Ni 10/15 (EP), hinzuverb. 3 Ni 26/15 (EP) (Bundespatentgericht)

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung


3 Ni 22/15 (EP) hinzuverb., 3 Ni 27/15 (EP) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Zusammensetzung zur Behandlung sexueller Funktionsstörungen Phosphodiesterase-5 Inhibitoren enthaltend (europäisches Patent)" – überraschender Effekt …


3 Ni 11/09 (EU) (Bundespatentgericht)

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.