Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.01.2017, Az. 30 W (pat) 804/16

30. Senat | REWIS RS 2017, 17513

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Gegenstand

Designbeschwerdeverfahren – Nichtigkeitsverfahren - "Plüschtier Eule" – zur Kenntnisnahme der Geschäftspost eines Kaufmanns - längere Abwesenheit des gesetzlichen Vertreters vom Geschäftsbetrieb - keine Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des eingetragenen Designs – Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumung ist gegeben


Tenor

In der [X.]

betreffend das eingetragene Design 40 2015 000 414 - 0002

( hier: [X.] 11/15 )

hat der 30. Senat (Marken- und [X.]) des [X.] in der Sitzung vom 12. Januar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des eingetragenen Designs 40 2015 000 414-0002.

2

Gegen das Design hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 16. April 2015 Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit gestellt. Der [X.] wurde der Antragsgegnerin am 15. Mai 2015 mittels Postzustellungsurkunde durch Einlegen in den Briefkasten der Geschäftsräume zugestellt.

3

Mit Schreiben vom 24. Juni 2015 teilte das [X.] der Antragsgegnerin mit, dass die Nichtigkeit des Designs gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 [X.] festzustellen sei, da die Antragsgegnerin innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat keinen Widerspruch eingelegt habe.

4

Ausweislich einer in der [X.] befindlichen [X.] ([X.]. 17 VA) rief am 29. Juni 2015 eine „Frau [X.]“ in der Geschäftsstelle der Designabteilung des [X.] an und erklärte, dass trotz Ablaufs der Widerspruchsfrist Widerspruch eingelegt werden solle.

5

Die Antragsgegnerin hat dem [X.] mit einem per Fax am 15. Juli 2015 eingegangenen Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten widersprochen und gleichzeitig Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 [X.] beantragt.

6

Zum Wiedereinsetzungsantrag trägt die Antragsgegnerin unter Vorlage einer als Anlage 1 in Kopie eingereichten eidesstattlichen Versicherung einer Frau  [X.] ([X.]. 20 VA) vor, die Geschäftsführerin Frau [X.] sei von Mitte Mai bis Anfang Juli 2015 aus persönlichen Gründen verhindert gewesen, den Firmenbriefkasten in [X.] zu leeren. Hierzu habe Frau [X.] die ansonsten zuverlässige Frau H, wohnhaft in [X.], beauftragt. Frau [X.] habe jedoch die Mitteilung über den [X.] zusammen mit weiteren Briefen im Handschuhfach ihres Fahrzeuges vergessen und erst Anfang Juli 2015 an Frau [X.] übergeben.

7

Die Designabteilung 3.5 des [X.] hat in der Sitzung vom 27. August 2015 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Nichtigkeit des eingetragenen Designs 402015000414-0002 festgestellt. Beratung und Ergebnis der Sitzung wurden in einer Niederschrift protokolliert ([X.]. 29 VA), welche von der Leitenden Regierungsdirektorin S… als Vorsitzende der Designabteilung sowie der [X.] und dem Regierungsdirektor K1… unterzeichnet wurde. Der dazu ausweislich des Rubrums „nach Beratung und Abstimmung vom 27. August 2015“ schriftlich abgefasste Beschluss ist in seiner Urschrift von der Regierungsdirektorin Dr. [X.] sowie dem Regierungsdirektor K1… unterzeichnet worden. Die Unterschrift der Vorsitzenden wurde unter dem Namen und der Unterschrift der [X.] mit dem Zusatz „(zugleich für die nach Beratung und Abstimmung zum [X.] abgeordnete Vorsitzende)“ ersetzt.

8

In der Begründung hat die Designabteilung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsgegnerin dem ihr am 15. Mai 2015 zugestellten Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des streitgegenständlichen Designs nicht rechtzeitig innerhalb der einmonatigen, am 15. Juni 2015 ablaufenden Frist des § 34a Abs. 2 Satz 1 [X.] widersprochen habe, sondern erst nach Ablauf der Frist am 9. Juli 2015.

9

Dem seitens der Antragsgegnerin dazu gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist könne nicht stattgegeben werden. Die von ihr rechtzeitig innerhalb der Zweimonatsfrist des § 23 Abs. 3 Satz 3 [X.] i. V. m. § 123 Abs. 2 [X.] vorgetragenen Gründe, warum sie an der Einhaltung der Widerspruchsfrist verhindert gewesen sei, rechtfertigten keine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist. Es sei nicht schlüssig dargelegt, dass die Frist unverschuldet versäumt worden ist. Selbst für ein sehr kleines Unternehmen wie eine Ein-Mann-GmbH erfordere es das Mindestmaß der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten, dass Geschäftspost regelmäßig und geordnet entgegengenommen werde, insbesondere auch bei Verhinderung des Geschäftsführers durch Urlaub oder ein unvorhergesehenes Ereignis. Eine solche regelmäßige und geordnete Postannahme sei hier nicht schlüssig dargelegt. Der Vortrag, die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin habe Frau [X.] damit beauftragt, zwischen Mitte Mai und Anfang Juli 2015 den Firmenbriefkasten zu leeren und die Geschäftspost direkt der Geschäftsführerin zu bringen, lasse offen, wie es dazu kam, dass in diesem [X.]raum, nämlich am 29. Juni 2015, neben Frau [X.] eine weitere Person, nämlich eine Frau [X.], Zugang zur Geschäftspost hatte, und warum diese weitere Person telefonisch mit dem [X.] in der anliegenden Nichtigkeitssache Kontakt aufgenommen habe. Auch der Umstand, dass das Schreiben des [X.] vom 22. [X.], mit dem der [X.] erstmals übersandt worden sei, nicht innerhalb der Lagerfrist bei der Post abgeholt worden sei, spreche für mangelnde Sorgfalt der Antragsgegnerin bei der Organisation ihrer Geschäftspost.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin.

Sie macht unter Bezug auf eine ebenfalls nur in Kopie eingereichte eidesstattliche Versicherung der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin, Frau [X.], vom 16. Dezember 2015 geltend, dass die Versäumung der Widerspruchsfrist gegen den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit unverschuldet gewesen sei. Bei der Abholung der Post handele es sich nicht um eine besonders qualifizierte Tätigkeit. Daher habe das Abholen der Post und die Leerung des Briefkastens an eine zuverlässige Mitarbeiterin delegiert werden dürfen. Eine gesteigerte Kontrollpflicht seitens der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin habe aufgrund der einfachen Tätigkeit nicht bestanden.

Ein Auswahlverschulden seitens der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin und Antragsgegnerin liege ebenfalls nicht vor, da die ansonsten zuverlässige Frau  [X.] beauftragt gewesen sei, den Briefkasten der [X.] GmbH zu leeren. Die im angefochtenen Beschluss der Designabteilung ge- nannte Frau [X.] sei der Antragsgegnerin bzw. ihrer Geschäftsführerin nicht be- kannt. Mit der Postentgegennahme für die Antragsgegnerin habe eine Frau Kraft nichts zu tun. Ebenso wenig lasse sich ein Verschulden aus der unterbliebenen Abholung des Schreibens des [X.]es vom 22. April 2015 herleiten, da eine Benachrichtigung bzw. Abholkarte zu diesem Schreiben nicht in den Briefkasten am Sitz der Antragsgegnerin eingelegt worden sei. Die Antragsgegnerin habe vielmehr erst durch den angefochtenen Beschluss von diesem Schreiben erfahren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss der Designabteilung 3.5 des [X.] vom 27. August 2015 aufzuheben und ihr Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des eingetragenen Designs zu gewähren.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache unbegründet.

A. Der angefochtene Beschluss der Designabteilung 3.5 ist mit der ordnungsgemäßen Absendung der Beschlussausfertigung um Zwecke der Zustellung an die Beteiligten gemäß § 34a Abs. 4 Satz 3 [X.] wirksam geworden. Die fehlende Unterschrift der Vorsitzenden steht dem nicht entgegen.

Die Designabteilung hat in der Sitzung vom 27. August 2015 beschlossen, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen und die Nichtigkeit des eingetragenen Designs 402015000414-0002 festzustellen. Beratung und Ergebnis der Sitzung wurde in einer Niederschrift protokolliert ([X.]. 29 VA), welche von sämtlichen an der Entscheidung beteiligten Mitgliedern der Designabteilung unterschrieben worden ist. Die Niederschrift steht im Einklang mit dem später abgesetzten schriftlichen Beschluss. Damit steht aber fest, dass der Beschluss so getroffen und von den drei zuständigen Mitgliedern der Designabteilung als verfahrensbeendende Entscheidung gewollt worden ist. Die Ersetzung der Unterschrift der Vorsitzenden der Abteilung durch einen Beisitzer mit dem Vermerk, die Vorsitzende sei wegen Abordnung zum [X.] an der Unterschrift verhindert, ist dann aber in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO zulässig (vgl. [X.] 1994, 724 Nr. 11 - Spinnmaschine)

B. Zutreffend hat die Designabteilung auch die Nichtigkeit des verfahrensgegenständlichen Designs ohne weitere Sachprüfung gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 [X.] festgestellt.

1. Der unter Angabe von Tatsachen und Beweismitteln auf einen [X.] nach § 33 [X.] gestützte und damit zulässige Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Designs ist der Antragsgegnerin am 15. Mai 2015 unter Hinweis auf die einmonatige Widerspruchsfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 [X.] wirksam nach § 3 Abs. 2 VwZG i. V. m. § 180 ZPO zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat dem Antrag nicht bis zum Ablauf dieser Frist am 15. Juni 2015, sondern erst durch einen per Fax am 15. Juli 2015 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz unter gleichzeitiger Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist widersprochen. Zu diesem [X.]punkt war die Widerspruchsfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 [X.] bereits abgelaufen. Gemäß § 34a Abs. 2 Satz 2 [X.] war daher die Nichtigkeit des verfahrensgegenständlichen Designs festzustellen.

2. Im Ergebnis zu Recht hat die Designabteilung auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des verfahrensgegenständlichen Designs zurückgewiesen.

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 [X.] i. V. m. § 123 Abs. 1 [X.] liegen nicht vor. Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist erhält nach § 123 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf Antrag, wer ohne Verschulden verhindert war, dem Patentamt gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat.

a. Der Antrag in die versäumte Widerspruchsfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 [X.] ist danach zwar statthaft, da es sich bei dieser Frist um eine gesetzliche Frist handelt, deren Versäumung mit dem Rechtsnachteil der Feststellung der Nichtigkeit des Designs verbunden sein kann (§ 34a Abs. 2 Satz 2 [X.]).

15. Juli 2015 per Fax beim [X.] eingegangenen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung (Einlegung des Widerspruchs gegen den [X.]) jedenfalls eingehalten worden.

b. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist jedoch unbegründet, da nicht festgestellt werden kann, dass die Antragsgegnerin die Frist zur Einlegung des Widerspruchs ohne Verschulden versäumt hat.

Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten, die gleichzeitig oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen sind (§ 123 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Das betrifft alle wesentlichen Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Fristversäumung gekommen ist; dazu gehören vor allem auch die Umstände, aus denen sich ergibt, dass der Säumige oder sein Vertreter (vgl. § 51 Abs. 2 ZPO) frei von Verschulden ist. Ohne Verschulden ist eine Frist versäumt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall zumutbar war. Dies kann vorliegend jedoch nicht festgestellt werden.

Zwar musste die Antragsgegnerin ausweislich der Aktenlage nicht mit der Zustellung eines Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit des verfahrensgegenständlichen Designs rechnen. Denn nach ihrem Vortrag in der Beschwerdebegründung hat sie keine Benachrichtigung zur Abholung des zunächst mit Schreiben vom 22. April 2015 ([X.]. 9 d. A.) per Einschreiben übersandten Antrags auf der Poststelle erhalten bzw. im [X.] vorgefunden. Da die Antragsgegnerin danach auch erstmalig mit dem angefochtenen Beschluss von dem Schreiben vom 22. April 2015 erfahren hat, ist ihr Vortrag dazu auch nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist zulässig.

Auch trifft jedenfalls eine „natürliche“ [X.], welche nicht mit der Zustellung einer Klage bzw. eines Antrags rechnen muss, kein Verschulden, wenn sie aufgrund von (längerer) Abwesenheit keine Kenntnis von zugestellten Schriftstücken erhält, da sie grundsätzlich nicht verpflichtet ist, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass sie auch während der Dauer der Abwesenheit in die Lage versetzt wird, von zugestellten Schriftstücken Kenntnis zu nehmen (vgl. [X.], 2958).

Darauf kann die Antragsgegnerin sich jedoch nicht berufen. Insoweit zu beachten, dass nach § 13 Abs. 3 GmbHG jede GmbH wie die Antragsgegnerin als Handelsgesellschaft i. S. des § 6 Abs. 1 HGB gilt, und zwar unabhängig vom Unternehmensgegenstand. Ein kaufmännisches Unternehmen muss jedoch dafür Sorge tragen, dass Posteingänge auch während der Erkrankung und/oder Abwesenheit des Geschäftsführers bearbeitet werden ([X.] 1987, 561; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 233 Rdnr. 37). Zutreffend weist daher die Designabteilung darauf hin, dass die Antragsgegnerin als Formkaufmann nach § 6 HGB gehalten war, im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsablaufs dafür Sorge zu tragen, dass Geschäftspost regelmäßig und geordnet entgegengenommen und der gesetzlichen Vertreterin (Geschäftsführerin) übergeben wird. Dies gilt jedenfalls bei Verhinderung des Geschäftsführers über einen [X.]raum von ca. 1,5 Monaten, wie es vorliegend der Fall war. Auch wenn die Antragsgegnerin nicht speziell mit der Zustellung eines Antrags auf Löschung des verfahrensgegenständlichen Designs rechnen musste, entspricht es im Hinblick darauf, dass bei einem kaufmännischen Geschäftsbetrieb regelmäßig mit Posteingang zu rechnen ist, der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, jedenfalls bei einer längeren Verhinderung bzw. Abwesenheit des gesetzlichen Vertreters im Geschäftsbetrieb Vorkehrungen zu treffen, die eine Kenntnisnahme der Geschäftspost durch die gesetzlichen Vertreter ermöglichen.

Solche Vorkehrungen können - worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist - auch darin bestehen, während der Dauer der Abwesenheit des gesetzlichen Vertreters eine hinreichend zuverlässige Person damit zu beauftragen, den Briefkasten zu leeren und die Post bei dem Auftraggeber vorbeizubringen. In diesem Fall muss der Auftraggeber wie vorliegend die Antragsgegnerin grundsätzlich auch nicht für schuldhaftes Verhalten der beauftragten Person einstehen. Dies verstieße gegen § 85 Abs. 2 ZPO, wonach allein das Handeln von Bevollmächtigten zugerechnet werden kann. Eine Bevollmächtigung stellt die Bitte um Leerung des Briefkastens nicht dar (vgl. [X.] NJW-RR 2000, 444 Nr. 18 sowie NJW-RR 2008, 218, 220). Fehler von Angestellten einer [X.] bzw. eines Verfahrensbeteiligten begründen daher eine Wiedereinsetzung, solange keine Eigenverantwortlichkeit hinzutritt (vgl. [X.], ZPO, 31. Aufl., § 233 ZPO Rdnr. 16).

Dass es an einer solchen ein Verschulden ausschließenden Eigenverantwortlichkeit der Antragsgegnerin an der Fristversäumung fehlt, diese daher die Frist zur Einlegung des Widerspruchs ohne Verschulden versäumt hat, lässt sich jedoch auf Grundlage des Vorbringens der Antragsgegnerin nicht feststellen.

Die Antragsgegnerin hat zur Begründung ihres [X.] unter Vorlage einer als Anlage 1 eingereichten eidesstattlichen Versicherung einer Frau [X.] lediglich vorgetragen, die Geschäftsführerin Frau [X.] sei von Mitte Mai bis Anfang Juli 2015 aus persönlichen Gründen verhindert gewesen, den Firmenbriefkasten in [X.] zu leeren. Hierzu habe [X.] die ansonsten zuverlässige Frau [X.], wohnhaft in [X.], beauftragt. Frau [X.] habe jedoch die Mitteilung über den [X.] zusammen mit weiteren Briefen im Handschuhfach ihres Fahrzeuges vergessen und erst Anfang Juli 2015 an Frau [X.] übergeben.

Angaben zum Grund der Verhinderung fehlen danach ebenso wie solche zur Person der Frau [X.], insbesondere was deren Aufgabe und/oder Stellung im Betrieb der Antragsgegnerin betrifft und Rückschlüsse auf deren „Zuverlässigkeit“ erlauben würde. Dies wäre aber erforderlich gewesen. Denn auch wenn insoweit keine besonderen Anforderungen an Ausbildung, Qualifikation etc. eines mit der Leerung des Briefkastens und Sortierung bzw. Übergabe der Geschäftspost Beauftragten zu stellen sind, ist bei einem kaufmännischen Betrieb wie der Antragsgegnerin zur Sicherung einer zuverlässigen Kenntnisnahme der Geschäftspost gleichwohl erforderlich, dass zumindest ein Betriebsangehöriger bzw. eine mit dem Geschäftsbetrieb hinreichend vertraute Person damit beauftragt wird, nicht hingegen eine Person, welche nur gelegentlich oder aus anderen, nicht dem Geschäftsbetrieb zugehörigen Gründen, die Geschäftsräume aufsucht, wie es z. B. bei einer Reinigungskraft der Fall wäre. Zu Stellung und Aufgabenkreis von Frau  [X.] im Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin, welche Rückschlüsse auf deren „Zuverlässigkeit“ erlauben würden, hat die Antragsgegnerin jedoch nichts vorgetragen.

Vor allem jedoch erlaubt der pauschale Vortrag der Antragsgegnerin keine Feststellungen dazu, ob Frau [X.] den ihr erteilten Auftrag in der [X.] nach dem 15. Mai 2015 auch in einer Weise ausgeführt hat, dass die Antragsgegnerin bzw. ihre gesetzliche Vertreterin darauf vertrauen durfte, dass eingehende Geschäftspost abgeholt und ihr übergeben wird, so dass seitens der Antragsgegnerin auch kein Anlass bestand, sich selbst oder anderweitig um den Eingang der Post im [X.] zu kümmern.

Es fehlen jegliche Angaben, ob, wann und wie Frau [X.] die ihr übertragene Aufgabe ausgeführt hat. Es ist bereits nicht ersichtlich, ob Frau [X.] nach Abholung des gleich zu Beginn ihres Auftrags zugestellten Antrags am 15. Mai 2015 in der [X.] danach überhaupt noch Post abgeholt und übergeben hat. In der (nicht formgerechten) eidesstattlichen Versicherung der Frau [X.] vom 5. Juli 2015 ([X.]. 20 VA) versichert diese zwar, dass sie den ihr erteilten Auftrag „erledigte“; wann und wie oft dies geschah, kann der eidesstattlichen Versicherung aber nicht entnommen werden. Ebenso lässt ihre Einlassung, dass sie „einige Briefe“ im Handschuhfach vergessen habe, nicht erkennen, ob es sich um „einige“ Briefe aus einer oder verschiedenen Briefkastenleerungen handelte. Auch soweit die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin in ihrer im Beschwerdeverfahren ebenfalls nur in Kopie eingereichten eidesstattlichen Versicherung vom 16. Dezember 2015 ([X.]. 12 d. A.) ausführt, dass Frau [X.] während der Dauer ihrer Abwesenheit mindestens 1x wöchentlich den Briefkasten leeren und die Post zu ihr bringen sollte, bleibt offen, ob und ggf. wann und wie Frau [X.] diesem Auftrag nach- gekommen ist.

Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin bleibt daher völlig unklar, wie sich im Einzelnen die Auftragsdurchführung durch Frau [X.] gestaltete, ja sogar, ob es überhaupt im [X.]raum zwischen dem 15. Mai 2015 und dem 1. Juli 2015 zu einer Übergabe von Geschäftspost an die Geschäftsführerin der Antragsgegnerin gekommen ist.

Unklar bleibt nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin weiterhin - worauf die Designabteilung in dem angefochtenen Beschluss zu Recht hinweist -, was es mit dem Anruf auf der Geschäftsstelle der Designabteilung am 29. Juni 2015 auf sich hatte. Zwar entspricht der Vortrag der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren, dass eine Frau [X.] in ihrem Unternehmen nicht tätig ist bzw. zum fraglichen [X.]punkt nicht tätig war und daher auch nicht am 29. Juni 2015 auf der Geschäftsstelle angerufen habe, offenbar den Tatsachen, da der Akte keinerlei Hinweise entnommen werden können, dass eine Frau [X.] in irgendeiner Beziehung zur Antragsgegnerin steht. Dieser Name ist vielmehr lediglich auf der [X.] vom 15. Mai 2015 als Name der Zustellerin ([X.]) vermerkt, so dass es sich bei Aufnahme dieses Namens in die [X.] vom 29. Juni 2015 offenbar um ein Missverständnis bzw. einen Irrtum handelt.

Aber auch wenn der Name des Anrufers/der Anruferin nicht korrekt in der [X.] vermerkt wurde, bleibt aufgrund der in dem Vermerk notierten Rufnummer der Antragsgegnerin … festzustellen, dass an diesem Tage vom Telefonanschluss der Antragsgegnerin angerufen wurde und ausweislich der [X.] ein Rückruf an die Antragsgegnerin erfolgte. Dies hat die Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung auch nicht bestritten, sich jedoch nicht weiter dazu erklärt, wer diesen Anruf getätigt hat. Erfolgte aber bereits am 29. Juni 2015 ein Anruf aus dem Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin bei der Geschäftsstelle, ist jedenfalls nicht ohne weiteres nachvollziehbar, wieso die Antragsgegnerin bzw. deren Geschäftsführerin erst am 1. Juli 2015 vom Antrag Kenntnis bekommen haben sollen, wie von der Antragsgegnerin vorgetragen.

Weder lässt sich aus einem derart unsubstantiierten Vortrag der äußere Geschehensablauf, der zur Versäumung der Frist geführt haben soll, hinreichend nachvollziehen, wenn jede Information zu Gestaltung und Durchführung des erteilten Auftrags durch Frau [X.] fehlt, noch enthält der Begriff der „Zuverlässigkeit“ irgendwelche Angaben und Informationen zur Prüfung der Verschuldens- und [X.] (vgl. dazu [X.] NJW 2012, 428 Nr. 22). Ist aber die Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumung gegeben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden ([X.] NJW 1996, 319, [X.], ZPO, 31. Aufl., § 233 Rdnr. 22d).

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23 Abs. 4 Satz 4 [X.] i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 [X.], § 97 Abs. 1 ZPO.

Meta

30 W (pat) 804/16

12.01.2017

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 51 Abs 2 ZPO § 6 Abs 1 HGB

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.01.2017, Az. 30 W (pat) 804/16 (REWIS RS 2017, 17513)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17513

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