Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.03.2010, Az. II R 22/09

2. Senat | REWIS RS 2010, 7894

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Gegenstand

Kein Anfall von Schenkungsteuer bei zinsloser Stundung eines nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs - Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs und Anspruch auf Verzinsung


Leitsatz

Die zinslose Stundung eines nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs stellt keine der Schenkungsteuer unterliegende freigebige Zuwendung dar .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die von ihren Eltern durch gemeinschaftliches Testament gemäß § 2269 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) als Schlusserbin eingesetzt worden war, stundete im Hinblick darauf durch notariell beurkundeten [X.] den ihr nach dem Tod des zuerst versterbenden Elternteils zustehenden Pflichtteilsanspruch dem überlebenden Elternteil gegenüber bis zu dessen Tod.

2

Nachdem zunächst der Vater (V) und dann die [X.]utter ([X.]) verstorben waren, sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) in der zinslosen Stundung des der Klägerin nach dem Tod des V zustehenden [X.] eine freigebige Zuwendung der Klägerin an [X.] und setzte dafür durch Bescheid vom 7. Juli 2005 gegenüber der Klägerin Schenkungsteuer fest. Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das [X.] aufgrund einer geänderten Berechnung des Werts des Erwerbs durch Bescheid vom 18. [X.]ai 2006 die Schenkungsteuer auf 22.990 € (44.965 D[X.]) herabsetzte.

3

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1042 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, die zinslose Stundung des [X.] stelle eine freigebige Zuwendung der Klägerin an [X.] gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 des [X.] (ErbStG) dar. Gegenstand der Zuwendung sei die unentgeltliche Gewährung des Rechts gewesen, das in Form des [X.] überlassene Kapital zu nutzen.

4

[X.]it der Revision wendet sich die Klägerin gegen diese Auffassung des [X.]. Da der Verzicht auf die Geltendmachung des [X.] steuerfrei sei, könne in der zinslosen Stundung des Anspruchs keine der Schenkungsteuer unterliegende freigebige Zuwendung gesehen werden.

5

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 31. [X.]ai 2006 und die ergangenen Schenkungsteuerbescheide aufzuheben.

6

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der [X.]orentscheidung, der Einspruchsentscheidung und der angefochtenen Schenkungsteuerbescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Entgegen der Ansicht des [X.] liegt in der zinslosen Stundung des [X.] keine freigebige Zuwendung der Klägerin an [X.]S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.].

8

1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.]; vgl. auch § 516 Abs. 1 [X.]). Erforderlich hierfür ist eine [X.]ermögensverschiebung, d.h. eine [X.]ermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine [X.]ermögensmehrung auf der Seite des Beschenkten (Urteile des [X.] --[X.]-- vom 6. [X.]ärz 1985 II R 19/84, [X.], 291, [X.] 1985, 382; vom 7. November 2007 [X.], [X.], 414, [X.] 2008, 258, und vom 9. Juli 2009 II R 47/07, [X.], 399, [X.] 2010, 74).

9

2. Das [X.]orliegen dieser [X.]oraussetzungen kann nicht damit begründet werden, dass die Klägerin auf einen ihr kraft Gesetzes zustehenden Zinsanspruch verzichtet habe. Ein gesetzlicher Anspruch auf [X.]erzinsung des [X.] besteht nämlich nur bei [X.]erzug (§ 288 [X.]) und Rechtshängigkeit (§ 291 [X.]; vgl. Beschluss des [X.] vom 22. Dezember 1980 [X.], [X.]onatsschrift für Deutsches Recht 1981, 404, m.w.N.) sowie bei einer Stundung nach § 2331a [X.] (§ 2331a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 i.[X.].m. § 1382 Abs. 2 und 4 [X.]).

3. Eine freigebige Zuwendung liegt auch nicht darin, dass die Klägerin beim Abschluss des [X.] nicht die [X.]ereinbarung einer [X.]erzinsung des gestundeten [X.] gefordert hat.

a) [X.]acht der Pflichtteilsberechtigte das vorübergehende Nichtgeltendmachen des [X.] nicht von einer [X.]erzinsung abhängig, liegt keine freigebige Zuwendung vor. Dies ergibt sich aus der Behandlung des nicht geltend gemachten [X.] durch das [X.]. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 [X.] gilt als Erwerb von Todes wegen u.a. der Erwerb aufgrund eines geltend gemachten [X.] (§§ 2303 ff. [X.]). Die Erbschaftsteuer dafür entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs. Dem bloßen Entstehen des Anspruchs mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 [X.]) kommt erbschaftsteuerrechtlich noch keine Bedeutung zu. Dieses zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerrechtlichen Folgen eines [X.] ist im Interesse des Berechtigten geschehen und soll ausschließen, dass bei ihm auch dann Erbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht erhebt ([X.]-Urteile vom 7. Oktober 1998 II R 52/96, [X.], 50, [X.] 1999, 23, und vom 19. Juli 2006 II R 1/05, [X.], 122, [X.] 2006, 718). Damit korrespondierend kann der Erbe gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 i.[X.].m. Abs. 5 Nr. 2 [X.] vom Wert des gesamten [X.]ermögensanfalls ebenfalls nur die [X.]erbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen abziehen. Das bloße Bestehen von [X.] ist auch insoweit ohne steuerrechtliche Bedeutung ([X.]-Urteile in [X.], 50, [X.] 1999, 23, und in [X.], 122, [X.] 2006, 718). Der [X.]erzicht auf die Geltendmachung des [X.] bleibt nach § 13 Abs. 1 Nr. 11 [X.] steuerfrei.

[X.]it diesen Regelungen, nach denen dem nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruch keine erbschaftsteuer- und schenkungsteuerrechtliche Bedeutung zukommt, wäre es nicht vereinbar, wenn man in dem Umstand, dass der Berechtigte das vorübergehende Nichtgeltendmachen des Anspruchs nicht von einer [X.]erzinsung abhängig macht, eine freigebige, der Schenkungsteuer unterliegende Zuwendung des Berechtigten an den [X.]erpflichteten sehen würde (Dressler, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1997, 2848, 2851). Die Rechtsprechung des [X.], nach der die unentgeltliche Überlassung einer Kapitalsumme auf Zeit, durch die sich der Darlehensgeber einer Einnahmemöglichkeit begibt, die verkehrsüblicherweise regelmäßig genutzt wird, der Schenkungsteuer unterliegt, wobei Gegenstand der Schenkung die dem Zuwendungsempfänger (Darlehensnehmer) gewährte Nutzungsmöglichkeit ist ([X.]-Urteile vom 12. Juli 1979 [X.], [X.]E 128, 266, [X.] 1979, 631; vom 30. [X.]ärz 1994 II R 105/93, [X.]/N[X.] 1995, 70; vom 7. Oktober 1998 [X.], [X.], 53, [X.] 1999, 25; vom 4. Dezember 2002 [X.]/00, [X.]E 200, 406, [X.] 2003, 273, und vom 29. Juni 2005 [X.], [X.]E 210, 459, [X.] 2005, 800), betrifft einen anderen Sachverhalt und lässt sich daher nicht auf den Fall übertragen, dass das vorläufige Nichtgeltendmachen des Pflichtteils nicht von einer [X.]erzinsung abhängig gemacht wird ([X.], NJW 1998, 358). Der Rechtsgedanke, dass die Entscheidung über die Geltendmachung des Pflichtteils wegen der familiären [X.]erbundenheit zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten allein diesem vorbehalten bleiben soll, liegt auch § 852 Abs. 1 der Zivilprozessordnung zugrunde (Urteile des [X.] --BGH-- vom 8. Juli 1993 IX ZR 116/92, [X.], 183, und vom 6. [X.]ai 1997 [X.], NJW 1997, 2384). Nach dieser [X.]orschrift ist der Pflichtteilsanspruch der Pfändung nur unterworfen, wenn er durch [X.]ertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist (zur Auslegung dieser [X.]orschrift vgl. [X.] in [X.], 183, und in NJW 1997, 2384; BGH-Beschluss vom 26. Februar 2009 [X.]II ZB 30/08, [X.] Zivilrecht 2009, 997).

b) Eine freigebige Zuwendung der Klägerin an [X.] liegt danach nicht deswegen vor, weil die Klägerin die Stundung des [X.] nicht von einer [X.]erzinsung abhängig gemacht hat. Die Klägerin hat den ihr nach dem Tod des [X.] zustehenden Pflichtteilsanspruch gegen [X.] nicht geltend gemacht.

Die "Geltendmachung" des [X.] besteht in dem ernstlichen [X.]erlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben. Der Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des Anspruchs zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden, die Höhe des Anspruchs aber nicht beziffern ([X.]-Urteil in [X.], 122, [X.] 2006, 718).

In der Stundungsvereinbarung durch [X.]ertrag vom 1. Februar 1987 kann ein solches ernstliches Erfüllungsverlangen nicht gesehen werden. Da die Stundung bis zum Tod des überlebenden Elternteils vereinbart wurde, stellte der Pflichtteil für [X.] keine wirtschaftliche Belastung dar ([X.]-Urteil vom 27. Juni 2007 II R 30/05, [X.]E 217, 190, [X.] 2007, 651). Ob die Stundung eines [X.] nach dessen Entstehen die Geltendmachung voraussetzt oder nicht, kann danach auf sich beruhen (vgl. zu dieser Problematik Wälzholz in [X.]iskorf/ Knobel/[X.], Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 3 [X.] Rz 144, m.w.N.; [X.] in Troll/[X.]/[X.], [X.], § 3 Rz 228).

Keine Rolle spielt, dass das Unterlassen der Geltendmachung des [X.] gegenüber [X.] nicht auf einer einseitigen Entscheidung der Klägerin, sondern auf einem [X.]ertrag mit den Eltern beruhte. Entscheidend ist allein, dass (noch) nicht geltend gemachten Pflichtteilsansprüchen keine erbschaftsteuer- und schenkungsteuerrechtliche Bedeutung zukommt.

Welche schenkungsteuerrechtlichen Folgen sich ergeben, wenn ein bereits geltend gemachter Pflichtteilsanspruch unverzinslich gestundet wird, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung (vgl. dazu einerseits [X.]oench, [X.], 139, 143; [X.]oench in [X.]oench/[X.], § 3 [X.] Rz 121a; [X.]eincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 7 Rz 50, § 9 Rz 33; andererseits [X.], a.a.[X.], § 3 Rz 229).

4. Da das [X.] von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die [X.]orentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die ergangenen Schenkungsteuerbescheide und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und waren daher ebenfalls aufzuheben.

Meta

II R 22/09

31.03.2010

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 8. Dezember 2008, Az: 3 K 2849/06 Erb, Urteil

§ 3 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1991, § 7 Abs 1 Nr 1 ErbStG 1991, § 9 Abs 1 Nr 1 Buchst b ErbStG 1991, § 10 Abs 5 Nr 2 ErbStG 1991, § 13 Abs 1 Nr 11 ErbStG 1991, § 2303 BGB, § 852 Abs 1 ZPO, § 2317 Abs 1 BGB, § 1 Abs 1 Nr 2 ErbStG 1991, § 2331a BGB, § 288 BGB, § 291 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.03.2010, Az. II R 22/09 (REWIS RS 2010, 7894)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7894

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