Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2017, Az. IX ZR 45/16

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 1083

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:071217UIXZR45.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IX ZR 45/16
Verkündet am:

7. Dezember 2017

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 278 Satz 1, § 675
Wird der Anwalt als Erfüllungsgehilfe eines Beraters tätig, haftet er dem Vertragspartner des Geschäftsherrn in der Regel nicht.

[X.], Urteil vom 7. Dezember 2017 -
IX ZR 45/16 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat
auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2017
durch [X.] [X.], die Richterin [X.], die Richter
Prof. [X.], [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des [X.] vom 16. Februar 2016 im Kos-tenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 28. August 2014 wird [X.].

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs-
und des Revisions-verfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin
beabsichtigte, in [X.] eine Milchviehanlage
zu
erwer-ben, zu modernisieren und
zu erweitern
und dazu EU-Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Sie schloss mit einer unter der Bezeichnung
"e.

"
firmie-renden [X.]
(fortan: [X.]) einen Vertrag, nach welchem diese
1
-
3
-
sie bei dem Vorhaben gegen ein Erfolgshonorar von 1,2 Mio.

zuzüglich Um-satzsteuer beraten und unterstützen sollte.
Die anwaltliche Beratung sollte dem Vertrag nach ausschließlich durch den Beklagten erfolgen.

Die Klägerin schloss sodann einen Darlehensvertrag mit der [X.]

Ltd., einer Genossenschaftsbank mit Sitz in [X.] (fortan: [X.]

). Die Gesamtinvestitionssumme von 15.570.000

zu
45
v.[X.] aus nicht rückzahlbaren EU-Fördermitteln
stammen
und zu 45
v.[X.] mit
einem Kredit der [X.]

finanziert werden.
Voraussetzung der [X.] war der Erwerb von Genossenschaftsanteilen an der [X.]

.
Der Eigenanteil der Klägerin von 10
v.[X.] sollte mit Hilfe eines Ei-genwechsels
der Klägerin
aufgebracht werden.
Der Beklagte eröffnete ein An-derkonto, auf welches die Klägerin Beträge von 116.025

Wechselspesen und 78.750

den Erwerb von Genossenschaftsanteilen an der
[X.]

überwies. Auf Weisung der [X.]

leitete er
das Geld an
einen Dr.
A.

weiter. Wenige Tage später wurde ein Darlehensvertrag zwi-schen der Klägerin und der [X.]

geschlossen.
Die Darlehensvaluta wurden nicht ausgezahlt. Auch die Fördermittel wurden nicht bewilligt. Die Klä-gerin verwirklichte ihr Projekt anderweitig.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin vom Beklagten Rück-zahlung der auf das [X.] überwiesenen
194.775

behauptet, mit dem Beklagten vereinbart zu haben, dass das Geld erst dann an die [X.]

weitergeleitet werden dürfe, wenn die Fördermittel bewilligt und das Darlehn ausgezahlt worden seien. Das [X.], das eine entspre-chende Vereinbarung nach Erhebung der angebotenen Beweise nicht hat fest-stellen können, hat
die Klage abgewiesen. Auf die Berufung
der Klägerin
hat das Berufungsgericht den Beklagten im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. 2
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-
Mit seiner
vom Senat zugelassenen Revision
will der Beklagte die Wiederher-stellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Wiederherstellung des Urteils des [X.]s.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Vertragliche Beziehungen hätten nur zwischen der [X.]
und dem Beklagten bestanden. Zwischen den Prozessparteien sei kein gesonderter Vertrag zustande gekommen, weder ein Beratungs-
noch ein Treuhandvertrag. Der Treuhandvertrag zwischen dem [X.] und der [X.]
habe auch keine Schutzwirkung zugunsten der Klägerin entfaltet. Wegen der besonderen Umstände des Falles stelle jedoch der Anwaltsvertrag zwischen der [X.]
und dem Beklagten einen
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Klägerin dar. Die [X.]
sei verpflichtet gewesen, die Interessen der Klägerin zu wahren, woraus -
für den Beklagten er-kennbar

sowohl die Leistungsnähe der Klägerin als auch das [X.] der [X.]
hinsichtlich der Beratungsleistungen des Beklagten folge.

Die Pflichtverletzung des Beklagten liege darin, dass er die Klägerin nicht vor den Risiken einer ungesicherten Vorleistung gewarnt habe. Im Falle eines entsprechenden Hinweises hätte die Klägerin auf einer [X.] im Verhältnis zum Beklagten und auf [X.] bestanden, die ihre Interessen wahrten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lasse sich nicht 4
5
6
-
5
-
feststellen, dass die Klägerin auf Schadensersatzansprüche gegen alle Beteilig-ten verzichtet habe.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht nicht ge-gen
§
308 Abs.
1 Satz 1 ZPO
verstoßen. Das Berufungsgericht hat nicht
einen Anspruch zugesprochen, den die Klägerin nicht geltend
gemacht hat.

a) Gemäß
§
308
Abs.
1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, einer [X.] etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Das Gericht ist [X.] an den geltend gemachten prozessualen Anspruch (§
253 Abs.
2 Nr. 2 ZPO) gebunden.
Es ist
nicht berechtigt, den verlangten Geldbetrag aus einem ande-ren als dem erhobenen Anspruch zuzusprechen. Der prozessuale Anspruch
(Streitgegenstand)
wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebens-sachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herlei-tet ([X.], Urteil vom 29.
Juni 2006 -
I
ZR 235/03, [X.]Z 168, 179
Rn. 15; vom 5.
Juli 2016 -
XI
ZR 254/15, [X.], 1831 Rn. 24; vom 17.
März 2016 -
IX
ZR 142/14, [X.], 2091 Rn. 17).
Der Streitgegenstand einer Haftpflichtklage wegen fehlerhafter Beratungsleistungen
wird wesentlich durch die Pflichtverlet-zung bestimmt, welche der klagende Mandant dem Berater zur Last legt, und den
Schaden, welchen die behauptete Pflichtverletzung nach Darstellung des [X.] verursacht hat und welcher nunmehr ersetzt verlangt wird
([X.], Urteil vom 17.
März 2016, aaO Rn. 18).

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-
6
-

b) Die Klägerin hat dem
Beklagten erstinstanzlich
die im Widerspruch zu einer von ihr behaupteten
[X.] stehende Weiterleitung der von ihr eingezahlten Gelder vorgeworfen, bevor die Fördermittel bewilligt
und das [X.] ausgezahlt gewesen seien. Im Berufungsverfahren hat sie
ihren Vortrag zur [X.] wiederholt und daneben
die Ansicht vertreten, der [X.] habe sie nicht zur Unterzeichnung eines Darlehensvertrages drängen dürfen, dessen Bedingungen mit der von ihr behaupteten [X.] nicht im Einklang gestanden hätten.
Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass diejenigen Bestimmungen des Darlehensvertrages, die eine Vorleistung der Klägerin vorsahen, geändert wurden. Jedenfalls im Beru-fungsverfahren hat die Klägerin die Klage also auch auf die ihrer Ansicht nach mangelhafte Vertragsgestaltung und ein fehlendes Eingreifen des Beklagten gestützt.

2. Die
Klägerin
kann jedoch keine Ansprüche aus dem zwischen der [X.] und dem Beklagten geschlossenen Beratungsvertrag herleiten. [X.] entfaltete keine Schutzwirkung zugunsten der Klägerin.

a) Auch Verträge über anwaltliche Leistungen können Schutzwirkungen für Dritte entfalten. Voraussetzung der Einbeziehung Dritter in den Schutzbe-reich eines Vertrages ist, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der vom An-walt geschuldeten Leistung in
Berührung kommt, dass der Vertragspartner des Anwalts ein eigenes Interesse an der Einbeziehung des [X.] hat, dass der Anwalt die Leistungsnähe des [X.] und das [X.] seines Vertragspartners erkennen kann und dass der Dritte wegen des Fehlens eige-ner Ansprüche schutzbedürftig ist. Ausgeschlossen ist ein zusätzlicher Rechts-schutz regelmäßig dann, wenn der Dritte wegen des verfahrensgegenständli-chen Sachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfügt ([X.], Urteil
vom 18.
Februar 2014 -
VI
ZR 383/12, [X.]Z 200, 188 10
11
12
-
7
-
Rn.
11;
vom 10.
Dezember 2015 -
IX
ZR 56/15, [X.], 1562 Rn. 26; [X.] in [X.]/[X.], Die Haftung des Rechtsanwalts, 9.
Aufl.,
Rn.
362
f). Ob der Anspruch finanziell durchsetzbar ist, ist unerheblich ([X.], Urteil vom 22.
Juli 2004 -
IX
ZR 132/03, [X.], 1825, 1828; [X.], aaO Rn. 363). Durch die Einbeziehung des [X.] ändern sich die Pflichten nicht, welche der Anwalt dem Mandanten gegenüber übernommen hat.

b) Die Klägerin ist nicht schutzbedürftig.
Ihr steht wegen der von ihr [X.] Beratungsfehler gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch ge-gen die [X.] zu, als deren Erfüllungsgehilfe der Beklagte tätig war.

aa) Nicht geprüft haben die Vorinstanzen, ob der Vertrag zwischen der Klägerin und der [X.] wegen Verstoßes gegen § 3 [X.] nichtig ist. Ein nach §
3 [X.] verbotener Vertrag ist auch dann verboten und nichtig, wenn der Verpflichtete sich der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient ([X.], Urteil vom 3.
Juli 2008

III ZR 260/07, [X.], 1609 Rn.
19
f; vom 29.
Juli 2009
[X.], [X.], 1953 Rn.
22
ff). Da gegenteiliger Vortrag und gegenteilige Feststel-lungen fehlen, geht der Senat jedoch von einem gemäß §
5 Abs.
2 Nr.
3 [X.] wirksamen Beratungsvertrag aus.

[X.]) Die [X.] hatte die Beratung und Unterstützung der Klägerin im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Erwerb der Milchviehanlage
in Ru-mänien
einschließlich der Finanzierung und der Beantragung der Fördermittel
übernommen.
Der Beklagte war nicht [X.] dieses Vertrages. Dem Vertrag n-

übernehmen, jedoch nicht aufgrund eines mit der Klägerin
geschlossenen Anwaltsvertrages, sondern aufgrund eines Auftrags der [X.]. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung war die rechtliche Beratung also nicht ausschließlich vom 13
14
15
-
8
-
Beklagten geschuldet. Der Beklagte hatte zwar alle auftretenden rechtlichen Fragen zu klären und die Verträge zu gestalten. Im Verhältnis zur Klägerin schuldete jedoch ausschließlich die [X.] die genannten Leistungen. Dem eigenen Vortrag der Klägerin nach bezahlte die [X.]
die [X.], die der Beklagte zu erbringen hatte; sie gab
diese Kosten im Rahmen des ihr zustehenden
Honorars an die Klägerin weiter.

cc) Gemäß §
278
Satz 1
[X.]
hat der Geschäftsherr ein
Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in glei-chem Umfang zu vertreten wie ein eigenes Verschulden.
[X.] die Verträge, welche die
von der [X.] unterstützte und beratene
Klägerin im Zusammenhang mit der Finanzierung schloss, nicht hinreichend die Interes-sen der Klägerin, sahen
sie etwa ungesicherte Vorleistungen vor, war der Rückzahlungsanspruch der Klägerin
im Falle eines Scheiterns des Antrags auf Fördermittel oder des Darlehensvertrages
nicht hinreichend gesichert
oder war der Vertragspartner
erkennbar
unseriös, hat die [X.] für daraus ent-standene Schäden einzustehen.
Gleiches gilt, wenn die Beratungsleistungen der [X.] unzulänglich waren, etwa weil sie die Klägerin nicht über die mit
den
ungesicherten Vorleistungen
oder der fehlenden Absicherung des Rückzahlungsanspruchs
verbundenen Risiken aufgeklärt hat.
Eines zusätzli-chen Anspruchs gegen den
Beklagten als den
Erfüllungsgehilfen
der Gesell-schaft
bedarf es nicht.
Nach allgemeinen Grundsätzen haftet der [X.] dem Vertragspartner seines Geschäftsherrn nicht unmittelbar (Pa-landt/[X.], [X.], 76.
Aufl., §
278 Rn. 40). Das gilt auch dann, wenn der Vertragspartner den Erfüllungsgehilfen mit ausgewählt hat oder sich

wie hier

ausdrücklich mit dem Einsatz eines bestimmten Erfüllungsgehilfen einverstan-den erklärt hat.

16
-
9
-
III.

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§
562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine eige-ne Sachentscheidung zu treffen (§
563 Abs. 3 ZPO). Die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des [X.]s ist zurückzuweisen.

Kayser
[X.]
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.08.2014 -
1 [X.]/12 -

O[X.], Entscheidung vom 16.02.2016 -
I-24 [X.] -

17

Meta

IX ZR 45/16

07.12.2017

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.12.2017, Az. IX ZR 45/16 (REWIS RS 2017, 1083)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1083

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 45/16

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