Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2006, Az. 2 StR 465/06

2. Strafsenat | REWIS RS 2006, 948

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[X.] vom 8. November 2006 in dem Sicherungsverfahren gegen - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 8. November 2006 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 27. Juli 2006 mit den Feststellungen aufge-hoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkam-mer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision ist erfolgreich. 1 1. Nach den Feststellungen des [X.] leidet der 1976 geborene Beschuldigte seit seinem 17. Lebensjahr an einer chronischen paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie; überdies besteht, wohl in Folge dieser [X.], seit langem eine massive Politoxikomanie. Er ist 19 mal strafrechtlich in Erscheinung getreten, insbesondere wegen Diebstählen und Fahrens ohne Fahrerlaubnis. [X.] wurde er vom Jugendrichter wegen gefährlicher Körperverletzung verwarnt; im Jahr 1999 wurde er wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von "insgesamt 2400 DM" verurteilt. Einzelheiten zu den zugrunde liegenden Sachverhalten sind im Urteil nicht mitgeteilt. 2 - 3 - Vielfach wurde der Beschuldigte freiwillig oder aufgrund landesrechtlicher Einweisung in psychiatrischen Krankenhäusern behandelt. 3 Zu den [X.] hat das [X.] festgestellt, der Beschuldigte habe am 1. August 2005, als er sich im PKH [X.]aufhielt, von der [X.] Krankenschwester zunächst eine Bedarfsmedikation und nach deren Erhalt noch die vorgezogene Übergabe seiner üblichen Medikation (Diazepam) [X.] und erhalten. Er verlangte kurz darauf weitere Medikamente. Als ihm [X.] im Stationszimmer von dem diensthabenden Arzt verweigert wurden, schlug er diesem unvermittelt mit der Faust ins Gesicht. Sodann schlug er die ebenfalls anwesende Krankenschwester gegen die Schläfe. Aufgrund seiner psychischen Erkrankung fehlte ihm zum Tatzeitpunkt die Einsicht, Unrecht zu tun. 4 Der in der Hauptverhandlung auch zur Prognose vernommene Sachver-ständige, dessen Erwägungen sich der Tatrichter angeschlossen hat, hat [X.], der Beschuldigte bedürfe einer regelmäßigen neuroleptischen [X.]; andernfalls sei mit erneuten Schüben und ähnlich gelagerten Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu rechnen. 5 Das [X.] hat ausgeführt, die zu erwartenden Straftaten des [X.] seien erheblich im Sinne von § 63 StGB. Die Rechtsprechung zu den besonderen Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose bei [X.] im Rahmen einer schon bestehenden Unterbringung greife hier nicht ein, weil es sich nicht um eine strafrechtliche Unterbringung gehandelt habe und [X.] die Tat nicht auf Spannungen in einem konkreten Verhältnis zu einer be-stimmten Betreuungsperson beruht habe, sondern jeden treffen könne. 6 2. Die [X.] gemäß § 63 StGB wird von den bisherigen Feststellungen nicht getragen. 7 - 4 - Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende [X.], die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt und daher nur unter sorgfältiger Beachtung der gesetzlichen Voraus-setzungen angeordnet werden darf. Das gilt nicht nur für die Feststellung des die Anordnung rechtfertigenden "Zustands" (vgl. dazu Senatsurteil vom 12. November 2004 - 2 [X.], [X.], 347, 351 f. m.w.N.), sondern gleichermaßen für die tatsächlichen Voraussetzungen der Gefährlichkeitsprog-nose. Eine erschöpfende Abwägung der maßgeblichen Umstände und ihre Er-örterung in den Urteilsgründen ist jedenfalls dann erforderlich, wenn unter Be-rücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) ein Grenzfall gegeben ist. 8 So ist es hier. Dass bei dem Beschuldigten unzweifelhaft eine behand-lungsbedürftige psychische Erkrankung vorliegt, reicht für die Anordnung der Unterbringung ebenso wenig aus wie die Wahrscheinlichkeit, dass es infolge des der Schuldunfähigkeit bei der [X.] zugrunde liegenden Zustands [X.] zu "Schüben" kommen kann. Bei der Prognose weiterer erheblicher rechts-widriger Taten war vorliegend unter anderem zu berücksichtigen, dass unge-achtet des materiellrechtlichen Konkurrenzverhältnisses der [X.] unter kriminologischen Gesichtspunkten nur ein Tatgeschehen vorlag und dass ir-gendwelche Aggressionstaten des Beschuldigten zwischen 1999 und 2005 so-wie zwischen der [X.] am 1. August 2005 und dem [X.]punkt der tatrich-terlichen Hauptverhandlung am 27. Juli 2006 nicht festgestellt sind. Zu [X.] war überdies, dass rechtswidrige Taten oder bedrohliches Verhalten des Beschuldigten von erheblichem Gewicht außerhalb stationärer Unterbringung in den letzten Jahren offenbar nicht feststellbar waren. Erwägungen zu diesen Gesichtspunkten enthält das angefochtene Urteil nicht. Zutreffend rügt die [X.] auch, dass Feststellungen zu den konkreten Sachverhalten, die den 9 - 5 - Strafverfahren in den Jahren 1997 und 1999 zugrunde lagen, fehlen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich überdies nicht, wo sich der Beschuldigte in der [X.] nach den [X.] bis zum Urteil aufgehalten hat und ob es in diesem [X.]-raum zu prognoserelevanten Auffälligkeiten gekommen ist. Auf der Grundlage dieser hier unzureichenden Feststellungen ist dem Revisionsgericht eine umfassende Prüfung nicht möglich, ob das [X.] bei der [X.] von zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist. 10 [X.] Fischer Roggenbuck

Meta

2 StR 465/06

08.11.2006

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2006, Az. 2 StR 465/06 (REWIS RS 2006, 948)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 948

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