Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.02.2018, Az. VI ZR 156/17

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13243

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:270218BVIZR156.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI [X.]
vom

27. Februar 2018

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 840 Abs. 2 Satz 2; StGB § 288
Zur Pflicht des Gerichts, tatsächliche und rechtliche Ausführungen der [X.] zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (hier: zum Bestehen von Vergütungsansprüchen eines "faktischen Geschäftsführers").

[X.], Beschluss vom 27. Februar 2018 -
VI [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
27.
Februar 2018
durch den Vorsitzenden [X.], die
Richterin von [X.], [X.], die Richterinnen Dr. [X.] und Müller
beschlossen:
1.
Dem Beklagten wird als Beschwerdeführer für die [X.] ohne Zahlungs-verpflichtung gewährt
und Rechtsanwalt Dr.
von Plehwe beigeordnet.
2.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 8. März 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungs-beschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
3.

Der Streitwert wird auf bis 22.000

Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen einer ihrer Behauptung nach unrichtigen Drittschuldnererklärung auf Schadensersatz in Anspruch.
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3
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Die Klägerin, ein in [X.] ansässiges Speditionsunternehmen, er-wirkte am 7.
Februar 2013 ein mittlerweile in Rechtskraft erwachsenes Ver-säumnisurteil gegen die [X.] und deren Geschäftsführer [X.]. über einen Betrag von 108.552,28

Oktober 2013 wurde über das Vermögen der [X.] das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet. Aufgrund des rechtskräftigen
Versäumnisurteils gegen [X.]. ließ die Klägerin der ehemaligen Beklagten zu
1, der [X.], und dem Beklagten, der auch Geschäftsführer der [X.] war, die Benachrichtigung zustellen, dass die Pfändung von Ansprüchen des [X.]. gegen beide bevorstehe
(Vorpfän-dung). Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 17.
Oktober 2013 mit: "Zunächst informiere ich Sie darüber, dass [X.]. keine Ansprüche/Forderungen gegen die [X.] hat. ... Ergänzend teile ich mit, dass sämtliche Geschäftsbeziehungen mit [X.]. bereits vor längerer [X.] gekündigt bzw. aufgelöst wurden. [X.]. hat und hatte keine Ansprüche ge-gen die Firma oder den Geschäftsführer. Einen Lohn hat [X.]. zu keinem [X.]punkt bezogen, da er nie in der Firma angestellt war.
Es ist daher kein Rechtsgrund ersichtlich, weswegen hier ein begründeter Anspruch als Dritt-schuldner gegen die [X.] vorliegen soll."
Ein Schreiben gleichen Inhalts übersandte der Beklagte am 30. Oktober 2013 an das Amtsgericht und legte Beschwerde gemäß §
793 ZPO gegen die Benennung der [X.] und seiner Person als Drittschuldner ein. Am 19.
November 2013 wurde der [X.] und dem Beklagten ein Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss betreffend angebliche Gehaltsansprüche des [X.]. gegen die [X.]
aus dem Jahr 2013 und Ansprüche des [X.]. gegen den Beklagten aus einem Treuhändervertrag zugestellt. Hintergrund war eine am 10.
September 2012 zwischen dem Beklagten als Treuhänder und [X.]. als Treugeber geschlossene notarielle Treuhandvereinbarung über zwei das gesamte Gesellschaftsvermögen darstellende Geschäftsanteile der [X.]. 2
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Diese Anteile hatte zunächst der Beklagte für sich gehalten und sollte sie von nun an für [X.]. halten. Nach dem Vertrag sollte nach außen hin der [X.] als Gesellschafter auftreten, während im Innenverhältnis [X.]. als Treugeber als Gesellschafter behandelt werden und auf ihn auch der Gewinn entfallen sollte. Darüber hinaus war der Beklagte als Treuhänder verpflichtet, dem Treugeber alles herauszugeben, was er als Inhaber der Geschäftsanteile erhalten hatte. Am 14.
Januar 2013 hatte der Beklagte als Geschäftsführer der [X.] [X.]. eine schriftliche Handlungsvollmacht erteilt, wonach dieser berechtigt war, "die selbständige Zweigniederlassung der [X.] in [X.], Ös-terreich" in allen Geschäften mit Dritten zu vertreten. Nach der Behauptung des Beklagten kam es am 15.
Januar 2013 zu einer schriftlichen Vereinbarung, [X.] aufgehoben sei. Eine Kopie der Vertragsurkunde liegt vor. Die Klägerin macht geltend, diese sei gefälscht.
Mit der Klage hat die Klägerin die [X.] und den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Nachdem über das Vermögen der [X.] mit Beschluss vom 9.
April 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, ist der Rechtsstreit gegen diese abgetrennt worden. Das [X.] hat die gegen den Beklagten gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] den Beklagten verurteilt, an die Klägerin
19.200

h-lung aufgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung verpflichtet sei. Es hat weiter festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin den aus der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung der [X.] gemäß §
840 Abs.
1 ZPO entstandenen Schaden zu ersetzen. Die weitergehende Be-rufung hat das [X.] zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbe-schwerde.
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II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Beklagte hafte der Kläge-rin wegen einer unrichtigen Drittschuldnerauskunft sowohl aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO als auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1, § 27 StGB auf Schadensersatz. Die Angaben des Beklagten in seinen Schreiben vom 17.
und 30. Oktober 2013 seien falsch gewesen. [X.] sei insbesondere die Auskunft gewesen, [X.]. stünden keine Ansprüche gegen die [X.] zu. Denn [X.]. sei als faktischer Geschäftsführer der [X.] aufgetreten und habe als solcher Gehaltsansprüche gegen diese Gesellschaft gehabt; er allein sei berechtigt gewesen, über ihr Geschäftskonto bei der [X.] zu verfü-gen. Hätte der Beklagte den wahren Sachverhalt dargelegt, wäre der Klägerin aufgrund des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses ein Zugriff auf die auf die Gehaltsansprüche des [X.]. entfallenden, von diesem vom Konto der [X.] vorgenommenen Abhebungen möglich gewesen. Die Höhe des dadurch entstandenen Schadens schätze der Senat auf vier Monatsgehälter zu

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Erfolg, dass diese Beurtei-lung auf einer Verletzung des Anspruchs des Beklagten auf Gewährung rechtli-chen Gehörs aus Art.
103 Abs.
1 GG beruht.
a) Die Bestimmung in Art. 103 Abs. 1 GG hat den Zweck, einen ange-messenen Ablauf des Verfahrens zu sichern (vgl. [X.] 119, 292, 296). Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern vor einer Ent-scheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Ver-5
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fahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. [X.] 84, 188,
190; 86, 133,

h-ren Beteiligten einen Anspruch darauf, sich zu dem in Rede stehenden Sach-verhalt und zur Rechtslage zu äußern (vgl. [X.] 19, 32, 36; 49, 325, 328; 55, 1, 6; 60, 175,
210; 64, 135, 143 f.) sowie Anträge zu stellen und Ausführun-gen zu machen (vgl. [X.] 6, 19, 20; 15, 303, 307; 36, 85, 87). Dem ent-spricht die Pflicht des Gerichts, tatsächliche und rechtliche Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. [X.] 60, 1, 5; 65, 227, 234; 84, 188, 190; 86, 133, 144 ff.; [X.], Beschluss vom 1.
August 2017 -
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BvR 3068/14, [X.], 3218 Rn.
47 mwN).
b) Mit diesen Grundsätzen steht die angefochtene Entscheidung nicht im Einklang. Die Nichtzulassungsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten in der Klageerwiderung und in der [X.] übergangen hat, wonach [X.]. ohne einen Anstel-lungsvertrag oder ein ähnliches Schuldverhältnis mit der [X.] keine Ge-haltsansprüche, insbesondere kein Anspruch auf Zahlung einer Geschäftsfüh-rervergütung zustehe. In der Berufungsbegründung hat die Beklagte ausdrück-lich auf die Feststellung im landgerichtlichen Urteil unter 2.4 verwiesen, wonach weder seitens der [X.] noch seitens der einvernommenen Zeugen ver-tragliche Unterlagen zwischen [X.]. und der [X.] vorgelegt worden seien, die entsprechende Zahlungsansprüche des [X.]. begründen könn-ten. Mit diesem rechtlichen Gesichtspunkt, den der Beklagte ausdrücklich [X.] und auf den sich auch das [X.] gestützt hatte, hätte sich das Berufungsgericht auseinandersetzen müssen.
Das ist nicht geschehen. Aus dem Berufungsurteil ist nicht ersichtlich, woraus sich der angenommene [X.] ergeben soll.
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c) Der eben dargestellte Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksich-tigung des übergangenen Vorbringens Vergütungsansprüche des [X.]. ge-gen die [X.] und
damit jedenfalls einen gemäß § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO bzw. §
823 Abs.
2 i.V.m. §
288, 27 StGB ersatzfähigen Schaden verneint hätte (vgl. zum Schaden i.S.d. § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO: [X.], Urteil vom 25. Sep-tember 1986 -
IX ZR 46/86, [X.]Z 98, 291, juris Rn. 15; vom 10. Oktober 1977 -
VIII ZR 76/76, [X.]Z 69, 328, juris Rn. 25; [X.], Urteil vom 28.
November 1995 -
4 [X.], [X.], 705, juris Rn. 16, 19).

III.
Bei der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht Gelegenheit ha-ben, sich auch mit den weiteren Einwänden der Nichtzulassungsbeschwerde zu befassen. Es wird dabei insbesondere zu berücksichtigen haben, dass den [X.]n zu dem [X.]punkt, als er seine Angaben gemacht hat, mangels Zustel-lung des erst später erlassenen Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses noch keine Verpflichtung zur Auskunftserteilung im Sinne des §
840 Abs.
2 Satz
2 ZPO traf (vgl. [X.], Urteil vom 4.
April 1977 -
VIII
ZR 217/75, [X.]Z 68, 289 Rn.
11
f.; [X.],
Urteil vom 28. November 1995 -
4 [X.], [X.], 705; [X.]/[X.], 5.
Aufl., §
840 Rn.
5; [X.]/Jonas/Würdinger, ZPO, 23.
Aufl., §
840 Rn.
3; derselbe, §
845 Rn.
15).
Das Berufungsgericht wird weiter zu berücksichtigen haben, dass eine Haftung des Beklagten wegen Beihilfe zur Vollstreckungsvereitelung (§
823 Abs.
2 BGB i.V.m. §§
288,
27 StGB) voraussetzt, dass der Haupttäter den Straftatbestand des § 288 StGB vorsätzlich und rechtswidrig verwirklicht hat, d.h. bei einer ihm drohenden Zwangsvollstreckung in der Absicht, die Befriedi-10
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8
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gung des Gläubigers zu vereiteln, Bestandteile seines Vermögens veräußert oder beiseite geschafft hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 27.
November 1990 -
VI
ZR 39/90, [X.], 674; [X.], Urteil vom 10.
Februar 1953 -
1
StR 638/52, NJW 1953, 1152, 1153; [X.], 208, 210; [X.] in [X.] Kommentar, StGB, 12.
Aufl., §
288 Rn.
20). Auch hierzu fehlt es bislang an Feststellungen.
Galke
von [X.]
[X.]

[X.]
Müller

Vorinstanzen:

[X.], Entscheidung vom 30.06.2016 -
4 O 293/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 08.03.2017 -
3 U 3199/16 -

Meta

VI ZR 156/17

27.02.2018

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.02.2018, Az. VI ZR 156/17 (REWIS RS 2018, 13243)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13243

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VI ZR 156/17

4 O 293/14

3 U 3199/16

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