Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.12.2014, Az. III ZR 82/14

3. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 731

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Gegenstand

Haftung des Anlageberaters: Pflicht zur Aufklärung über das Risiko einer wieder auflebenden Kommanditistenhaftung


Leitsatz

Der Anlageberater hat auch dann über das Risiko einer wieder auflebenden Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB aufzuklären, wenn diese auf 10% des Anlagebetrags begrenzt ist.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 20. Februar 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage hinsichtlich der Beteiligung des [X.] am I.  abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - um Schadensersatz im Zusammenhang mit der Beteiligung des [X.] an der [X.]                                    ([X.]   ).

2

Der Kläger beteiligte sich auf Empfehlung des für die Beklagte tätigen selbständigen Handelsvertreters [X.]am 15. August 2000 und 14. April 2003 am [X.]   und an der [X.] (IM.  ). Die Beteiligung am [X.]    betrug 30.000 DM zuzüglich einer Abwicklungsgebühr in Höhe von 1.500 DM und die 2003 getätigte Anlage im IM.  7.500 € zuzüglich einer Abwicklungsgebühr in Höhe von 375 €.

3

Der Kläger macht unter anderem geltend, dass er nicht über eine wieder auflebende Kommanditistenhaftung nach §§ 171, 172 HGB aufgeklärt worden sei.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht (beschränkt) zugelassenen Revision verfolgt er seine Klageanträge bezüglich der Beteiligung am [X.]   weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat Erfolg.

[X.]

6

Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob zwischen den Parteien ein Anlagevermittlungs- oder ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen ist. Zu der - im Revisionsverfahren allein noch bedeutsamen - Frage der unterbliebenen Aufklärung über das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung bei der Beteiligung am [X.]   gemäß §§ 171, 172 Abs. 4 HGB hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht vorliege. Die im Handelsregister eingetragene [X.] der Treuhandkommanditistin sei auf 10 % der Einlage beschränkt gewesen, so dass im Falle der Haftung aus § 172 Abs. 4 HGB ein Rückforderungsanspruch der Treuhandkommanditistin in entsprechender Höhe gegenüber dem Kläger bestanden hätte. Die Beklagte habe den Kläger nicht über dieses Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung aufklären müssen. Einer Beweisaufnahme zu der - vom Kläger behaupteten - nicht rechtzeitigen Übergabe eines einer etwaigen Aufklärungspflicht genügenden Prospekts habe es daher nicht bedurft. Im vorliegenden Fall sei die [X.] auf 10 % beim IM.     begrenzt gewesen. Bei einer Beschränkung der [X.] auf 10 % des [X.] sei das Haftungsrisiko signifikant limitiert. Bei einer solchen Beschränkung sei das Risiko für die jeweilige Anlageentscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung. Es stelle einen Wertungswiderspruch dar, einen Kapitalabfluss für Provisionen von bis zu 15 % als nicht aufklärungsbedürftig anzusehen, wohl aber das mehr oder weniger theoretische Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung mit einer auf 10 % des Nennwerts des eingelegten Kapitals beschränkten [X.].

I[X.]

7

Soweit das Berufungsurteil Schadensersatzansprüche des [X.] auch hinsichtlich der Beteiligung am IM.  verneint hat, hält es der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Insoweit kann mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung derzeit ein Schadensersatzanspruch des [X.] nicht verneint werden.

8

1. Da das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob ein Auskunfts- oder ein Anlageberatungsvertrag geschlossen wurde, kann ein Schadensersatzanspruch nur dann verneint werden, wenn eine Pflichtverletzung unter dem Blickwinkel eines Anlageberatungsvertrags auszuschließen ist.

9

2. In Bezug auf das Anlageobjekt muss der Anlageberater rechtzeitig, richtig und sorgfältig, dabei für den Kunden verständlich und vollständig beraten. Insbesondere muss er den Interessenten über die Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 24. April 2014 - [X.], NJW-RR 2014, 1075 Rn. 8 mwN). In diesem Zusammenhang gehört es nach der Senatsrechtsprechung, die das Berufungsgericht teilt, insbesondere zu den Pflichten eines Anlageberaters, den Anleger über das Risiko der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB aufzuklären (Urteil vom 22. Juli 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1623 Rn. 20, 23; vgl. auch - bezüglich etwaiger Prospekthaftungsansprüche - [X.], Urteil vom 8. Oktober 2013 - [X.], Rn. 28).

3. Soweit das Berufungsgericht hier eine Pflicht zur Aufklärung verneint, weil die Haftung des Anlegers - entweder unmittelbar als Kommanditist oder mittelbar als Treugeber, der dem Rückgriff des Treuhandkommanditisten ausgesetzt ist - nach § 172 Abs. 4 HGB auf 10 % des eingetragenen [X.] begrenzt sei (so auch [X.], Urteil vom 19. Dezember 2013 - 5 U 158/11 Umdruck S. 19 f und [X.], Urteil vom 4. April 2012 - 5 U 52/11, juris Rn. 38), hält dies einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Aufklärungspflicht des Anlageberaters im Hinblick auf das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB ist darin begründet, dass die an den Anleger erfolgte Auszahlung durch den Fonds nicht sicher ist, sondern gegebenenfalls zurückbezahlt werden muss. Dieses Risiko unterscheidet sich auch von demjenigen des allgemeinen [X.], über das daneben aufzuklären ist. Die wieder auflebende Kommanditistenhaftung hat erhebliche Auswirkungen auf die prognostizierte Rendite, die nachträglich wieder entfallen oder verringert werden kann. Diese Renditeerwartung des Anlegers ist regelmäßig wesentlicher Maßstab für die Beurteilung der Anlage. Deshalb kann dem Risiko der wieder auflebenden Kommanditistenhaftung eine Bedeutung für die Anlageentscheidung nicht abgesprochen werden, auch wenn es auf 10 % des [X.] begrenzt ist. Es ist deshalb aufklärungspflichtig im Rahmen eines Anlageberatungsgesprächs, da es dem Anleger überlassen werden muss, welche Bedeutung er diesem Risiko bei seiner Anlageentscheidung geben will.

Fehl geht das Argument des Berufungsgerichts, es sei ein Wertungswiderspruch, eine Aufklärungspflicht des Anlageberaters bei einem Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB in Höhe von 10 % des [X.] anzunehmen, nicht jedoch bei einem Kapitalabfluss für Provisionen bis zu 15 % der [X.] (vgl. insoweit Senatsurteil vom 12. Februar 2004 - [X.], [X.]Z 158, 110, 118, 121). Der durchschnittliche Anleger muss damit rechnen, dass in dem von ihm aufzubringenden Beteiligungsbetrag (einschließlich Agio) auch die Kosten des Vertriebs der Anlage enthalten sind, während er nicht ohne weiteres erwartet, dass einmal an ihn ausgeschüttete Beträge wieder zurückgezahlt werden müssen, wodurch nachträglich seine bereits vereinnahmte Rendite wieder verringert wird.

4. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Weiteren wird das Berufungsgericht in den Blick zu nehmen haben, inwieweit die Begrenzung des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung nach § 172 Absatz 4 HGB auf 10 % der Anlage im konkreten Einzelfall die Anlegerentscheidung des [X.] beeinflusst hat. Dabei ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats zugunsten des [X.] zwar eine tatsächliche Vermutung dafür besteht, dass er sich bei der gebotenen Aufklärung nicht am IM.   beteiligt hätte (vgl. Urteil vom 22. Juli 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1623 Rn. 20), die jedoch eine entgegenstehende tatrichterliche Würdigung nicht ausschließt.

Schlick                      Herrmann                    Wöstmann

               Seiters                           Reiter

Meta

III ZR 82/14

04.12.2014

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 20. Februar 2014, Az: 11 U 200/13

§ 280 BGB, § 675 BGB, § 171 HGB, § 172 Abs 4 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.12.2014, Az. III ZR 82/14 (REWIS RS 2014, 731)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 731

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