Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2014, Az. IX ZR 162/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4547

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IX [X.]
Verkündet am:

26. Juni 2014

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 60 Abs. 1 Satz 1
Der Insolvenzverwalter kann aus der ihn gegenüber den [X.] und dem Schuldner treffenden Vermögenserhaltungspflicht gehalten sein, bis zur endgül-tigen Verteilung der Masse nicht benötigte Gelder nicht nur sicher, sondern auch zinsgünstig anzulegen.

[X.], Urteil vom 26. Juni 2014 -
IX [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-

-
2
Der IX. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2014
durch [X.] [X.], die Rich-ter Prof. Dr. [X.], [X.], [X.] und Grupp

für Recht erkannt:

Auf
die Revision des [X.]n und
die [X.] des [X.] wird das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 4. Juli 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger war Inhaber eines Vermessungsbüros.
Er beantragte, das Insolvenzverfahren über sein Vermögen zu eröffnen.
Hierauf
wurde der [X.] am 29. Januar 2008 zum Sachverständigen und am 6. Februar 2008 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. März 2008 wurde er zum Insolvenzverwalter berufen. Während des Verfahrens legte der [X.] das zur Insolvenzmasse gehörende Geld
-
Beträge zwischen 18.745,04

-
auf ein Giro-Anderkonto bei einem Kreditinstitut an und erzielte dort
einen Zinssatz von 1
-

-
3
0,25
v.[X.]
jährlich.
Am 26. März 2011 wurde das Insolvenzverfahren mit Zu-stimmung der Gläubiger eingestellt. Zu diesem [X.]punkt wies die Insolvenz-. Hiervon zahlte der [X.] an den Kläger 34.088,88

. Nachdem mit Beschluss des [X.] vom 18. Ok-tober 2011 diüberwies der [X.] an den Kläger am 21. Dezember 2011 restliche 21.95.

Der Kläger meint, der [X.] sei ihm zum Schadensersatz verpflichtet, weil dieser die in der Masse befindlichen Gelder nicht [X.]
angelegt habe. In den Tatsacheninstanzen hat er ferner geltend gemacht, der [X.] schulde ihm hinsichtlich der

mit dem auf die Einstellung des Insolvenzverfahrens folgenden Tag.

Das [X.] hat dem Kläger Verzugszinsen für die letzten zwei [X.] vor Auszahlung des Restbetrages von

a-ge wegen des entgangenen Zinsgewinns abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] einen (weitergehenden) Zahlungsverzug des [X.]n abgelehnt, aber einen Schadensersatzanspruch wegen einer zinsungünstigen Anlage der in der Masse befindlichen Gelder angenommen, und zwar sowohl für die Dauer des Insolvenzverfahrens als auch für die sich anschließende [X.] bis zum Eintritt des vom [X.] angenommenen [X.]. Der Höhe nach hat es den Schadensersatzanspruch beschränkt, weil von einem Zinsertrag Kapitalertragsteuer und [X.] abzufüh-ren gewesen seien.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der [X.] die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Anschlussrevisi-2
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-

-
4
on wendet sich gegen den vom Berufungsgericht vorgenommenen Abzug von Kapitalertragsteuer und [X.].

Entscheidungsgründe:

Die Revision und die [X.] haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Zurückverweisung
der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der [X.] habe schuldhaft seine Pflicht verletzt, das
Schuldnervermögen [X.] als auf einem mit 0,25
v.[X.] verzinslichen Girokonto anzulegen. Der Insolvenzverwalter sei
sowohl
gegenüber den Gläubigern als auch dem Schuldner verpflichtet, die [X.] zu erhalten und einer Verminderung entgegenzuwirken. [X.] fest, dass ein nennenswerter Betrag für die weitere Verwaltung bis zur endgültigen Vertei-lung der Masse nicht benötigt werde, sei der Verwalter gehalten, das Vermögen zwar sicher, aber möglichst zinsgünstig anzulegen. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass der über die Summe

des [X.] von Anfang an für die laufende Verwaltung nicht benötigt worden sei. Zu Beginn des Verfahrens habe daher
ein Betrag von über 38.000

Durch Belassen des frei verfügbaren Vermögens auf einem lediglich mit 0,25
v.[X.] verzinslichen Girokonto habe der [X.] pflichtwidrig gehandelt, zumal zum [X.]punkt der Verfahrenseröffnung der durchschnittliche Zinssatz für 5
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-
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Tagesgelder mehr als das Zehnfache -
nämlich 3,82 v.[X.]
-
betragen habe. Bei ordnungsgemäßer Geldanlage hätte während des laufenden Insolvenzverfah-müsse
der
vom [X.]n tatsächlich gezogene Zinsertrag

Kapitalertragsteuer und [X.] in Abzug gebracht werden. Damit

Hinsichtlich der
im Dezember 2011
an
den Kläger ausgekehrten 21.951,88

den Beteiligten des Insolvenzverfahrens Einvernehmen bestanden habe, dass der Betrag bis zur endgültigen Klärung der Höhe der [X.] zu-rückgehalten werden könne. Dem
Kläger
stehe
allerdings entgangener
Zinsge-winn auch für die [X.] nach Einstellung des Insolvenzverfahrens bis zu dem vom [X.] angenommenen [X.] in Höhe von weiteren 171,51

zu.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Annahme des Berufungsge-richts, der [X.] hätte die in Rede stehenden Gelder [X.] anlegen müssen.

1. Für den [X.]raum des laufenden Insolvenzverfahrens hat
es allerdings
zutreffend einen Anspruch aus § 60 Abs. 1 [X.] in Erwägung gezogen.
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6

a) Der Insolvenzverwalter ist einem Beteiligten nach § 60 Abs. 1 [X.] zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er diesem gegenüber wahrzunehmende insolvenzspezifische Pflichten schuldhaft verletzt (vgl. [X.], Urteil vom 10. De-zember 2009 -
IX ZR 220/08, [X.], 364 Rn. 9; vom 16. September 2010
-
IX [X.], [X.], 2164 Rn. 18; vom 5. Mai 2011 -
IX ZR 144/10, [X.]Z 189, 299
Rn. 29). Auch der Schuldner ist Beteiligter im Sinne dieser Bestim-mung ([X.], Urteil vom 22. Januar 1985 -
VI [X.], [X.], 423, 425 zur KO; vom 10. Juli 2008 -
IX ZR 118/07, [X.], 1685 Rn. 11; MünchKomm-[X.]/[X.]/[X.], 3. Aufl., § 60 Rn. 65; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., § 60 Rn. 47).

[X.] ist der Verwalter unter anderem dazu
verpflichtet, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu bewahren und ordnungsge-mäß zu verwalten (vgl. [X.], Urteil vom 22. Januar 1985, aaO; MünchKomm-[X.]/[X.]/[X.], aaO Rn. 15, 65). Vom Schutzbereich dieser Pflicht sind nicht nur die Gläubiger erfasst, sie ist auch gegenüber dem
Schuld-ner
zu beachten. Dieser hat ein rechtlich geschütztes
Interesse daran, den Um-fang seiner Nachhaftung gemäß § 201 Abs. 1 [X.] gering
zu halten oder einen Überschuss zu erzielen (vgl. HK-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 60 Rn. 17; Uhlen-bruck/[X.], aaO; [X.]/[X.], [X.], 18. Aufl., § 60 Rn. 34).

b) Zur Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen der Insolvenzverwalter aufgrund seiner
Masseverwaltungs-pflicht zur zinsgünstigen Anlage von zur Insolvenzmasse gehörenden [X.] gehalten ist, hatte
der Senat bisher keine Gelegenheit. Die
Pflicht besteht nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen.

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7

aa)
Zur Anlage fähige Gelder können entweder ursprünglich in der [X.] vorhanden sein oder durch den Erwerb von [X.] zu dieser gelan-gen. Durch [X.] im Sinne des § 159 [X.] kann sonstiges Vermögen des Schuldners in
Geld umgewandelt werden. Ausdrücklich geregelt ist eine
(originäre)
Pflicht des Insolvenzverwalters zur zinsgünstigen Anlage solcher Gelder in der [X.] nicht. Rechtliche Vorgaben finden
sich
weder in den Vorschriften über die Sicherung der Insolvenzmasse (§§
148 ff [X.]) noch in denjenigen
über deren Verwertung (§§ 156 ff [X.]). §
149
Abs. 1 Satz 1
[X.] ordnet lediglich an, der Gläubigerausschuss könne für den [X.] bindend (vgl. [X.]/[X.], aaO
§ 149 Rn. 4; HK-[X.]/[X.], aaO § 149 Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
149 Rn. 1)
bestimmen, bei welcher Stelle und zu welchen Bedingungen Geld angelegt werden soll. Ist kein Gläubigerausschuss bestellt oder hat dieser noch keinen Beschluss gefasst, so kann das Insolvenzgericht Entsprechendes an-ordnen (§ 149 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Die Gläubigerversammlung kann abwei-chende Regelungen beschließen (§ 149 Abs. 2 [X.]).

Mit der
Regelung des § 149 [X.] hat sich der
Gesetzgeber nicht gegen eine eigene Pflicht des Insolvenzverwalters
zur zinsgünstigen Anlage ausge-sprochen. Dies zeigt die [X.]. § 168 Abs. 1 Satz 1 des
Regierungsentwurfs sah vor, dass der Insolvenzverwalter Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten zu hinterlegen oder anzulegen habe, wenn der [X.] dies beschließe. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift sollte der Gläubigerausschuss zusätzlich bestimmen können, bei welcher Stelle und zu welchen Bedingungen hinterlegt oder angelegt werde
(BT-Drucks. 12/2443 S.
36). Der Entwurf wollte
die verschiedenen Vorschriften der Konkursordnung über die Hinterlegung und die Anlage von Geld, Wertpapieren und Kostbarkei-ten (§ 129 Abs. 2, § 132 Abs. 1, § 137 KO) ohne wesentliche inhaltliche Ände-13
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8
rungen zu einer Vorschrift zusammenfassen
(BT-Drucks. 12/2443 [X.]). Die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses
lautete, Absatz 1 Satz 1
zu streichen und es bei der -
redaktionell angepassten
-
Kann-Bestimmung
von Absatz 1 Satz 2 zu belassen
(BT-Drucks. 12/7302 [X.]). Durch die Änderung sollte klargestellt werden, dass die Anlage und Verwahrung von Geld und Wert-sachen grundsätzlich dem Insolvenzverwalter oblägen und er dafür die Verant-wortung trage. Dem Gläubigerausschuss sollte lediglich die Befugnis zukom-men, auf den Handlungs-
und Verantwortungsbereich des Verwalters Einfluss zu nehmen (BT-Drucks. 12/7302 [X.]). § 149 Abs. 1 [X.] entspricht der [X.] der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses.

Ohne eine
Beschlussfassung nach § 149 [X.] ist der Insolvenzverwalter demnach
selbst
für die Anlage von
zur Insolvenzmasse gehörenden [X.] verantwortlich; die Anlage hat zinsgünstig zu erfolgen
(vgl. [X.]/[X.], EWiR 2013, 209, 210; [X.], aaO
§ 149 Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.]/
[X.], aaO Rn. 3; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Praxis der Insolvenz, 2.
Aufl., § 26 Rn. 52; ferner KG, [X.], 497 f zu § 8 Abs. 2 [X.]). Dies ergibt sich aus der in § 148 Abs. 1 [X.] geregelten Pflicht, das zur [X.] gehörende Vermögen zu verwalten,
und gilt gleichermaßen für ur-sprünglich vorhandene, neuerworbene und durch [X.] ge-mäß § 159 [X.] zur Masse gelangende
Gelder.

bb) Die Pflicht zur zinsgünstigen Anlage hat sich am gesetzlichen
Leitbild des ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters auszurichten. Dieses Leitbild ist angelehnt an
die handels-
und gesellschaftsrechtlichen Sorgfaltsan-forderungen (§ 347 Abs. 1 HGB, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 34 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 43 Abs. 1 GmbHG). Diese Anforderungen können allerdings nicht un-verändert auf den Insolvenzverwalter übertragen werden.
Vielmehr sind die Be-15
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9
sonderheiten zu beachten, die sich aus den Aufgaben des Insolvenzverwalters und aus den Umständen ergeben, unter denen er seine Tätigkeit ausübt. In al-ler Regel wird
der Insolvenzverwalter
unter erheblich ungünstigeren [X.] tätig
als die Normadressaten der genannten handels-
und gesellschafts-rechtlichen Vorschriften (vgl. BT-Drucks 12/2443 S. 129).

(1) Danach ist
der Verwalter nicht schon mit der Amtsübernahme
zur zinsgünstigen Anlage
vorhandener Gelder verpflichtet. Ihm ist
eine Einarbei-tungszeit zuzugestehen, deren Dauer sich nach der Art und dem Umfang
des jeweiligen Insolvenzverfahrens richtet, regelmäßig aber nicht länger als sechs Wochen beträgt. Nach dieser [X.] wird
der Insolvenzverwalter einen Überblick über die zur Masse gehörenden Gelder gewonnen haben und beurteilen [X.], ob und in welchem Umfang sie für eine zinsgünstige Anlage zur Verfügung stehen.

Im Regelfall beginnt die
Einarbeitungszeit schon mit der Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Unerheblich ist, welche [X.] diesem
zukommen. Kernaufgabe eines jeden, auch
des mitbestimmenden oder mit keiner Verwaltungs-
und Verfügungsbefugnis ausgestatteten [X.] ist die Überwachung des Schuldners. Aus dem Zweck der Überwachungspflicht folgt ohne weiteres, dass jedem vorläufigen [X.] ungeachtet einer spezifischen gerichtlichen Pflichtenzuweisung [X.] als originäre Pflicht die Sicherung und Erhaltung des [X.]
obliegt ([X.], Urteil vom 5. Mai 2011 -
IX ZR
144/10,
[X.]Z 189, 299 Rn. 49 mwN). Die Erfüllung dieser Pflicht setzt zwingend vo-raus, dass sich der vorläufige Verwalter einen Überblick über das Vermögen des Schuldners verschafft. Dabei werden zur Masse gehörende
Gelder und 17
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10
deren Verfügbarkeit für eine zinsgünstige Anlage ebenso offenbar wie im Falle
der endgültigen Verwaltung.

In Betracht zu ziehen ist, dass dem (späteren) Insolvenzverwalter die zur zinsgünstigen Anlage zur Verfügung stehenden Gelder bereits
früher zur Kenntnis gelangen
und sich eine Anlagepflicht deshalb schon vor Ablauf von sechs Wochen, gerechnet ab der Bestellung zum (vorläufigen) Insolvenzverwal-ter
ergibt. Dies wird
-
abgesehen von Sachverhalten leicht feststellbarer über-schüssiger
Mittel
-
etwa dann anzunehmen sein, wenn der Insolvenzverwalter bereits als Sachverständiger im Insolvenzeröffnungsverfahren tätig war.
Da
dem Sachverständigen nicht die Sicherung und Erhaltung des [X.] obliegt und ihm auch nicht die in § 22
Abs. 3 [X.] geregelten Befug-nisse zukommen, bedarf es dann aber näheren
Vortrags des insoweit darle-gungs-
und beweisbelasteten Anspruchstellers, wann und wodurch die Kenntnis erlangt worden sein soll. Andererseits kann der Insolvenzverwalter den durch Bestellung zum (vorläufigen) Insolvenzverwalter und [X.]ablauf vermittelten [X.] durch die Darlegung und erforderlichenfalls den Beweis außergewöhnli-cher Umstände entkräften.

(2) Zur Masse gehörende Gelder stehen für eine zinsgünstige Anlage zur Verfügung, wenn sie voraussichtlich über einen längeren [X.]raum für das lau-fende Insolvenzverfahren nicht benötigt werden. Es muss sich gemessen an der Größe des Insolvenzverfahrens um erhebliche Mittel handeln. Bei der Beur-teilung, ob Gelder für das laufende
Insolvenzverfahren benötigt werden, kommt dem Verwalter ein mit der Vielschichtigkeit
des Verfahrens zunehmender Spiel-raum zu.
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11

Für die nähere Bestimmung des [X.]raums ist die Wechselbeziehung
zwischen
der Menge des vorhandenen
Geldes und
der Anlagedauer in den Blick zu nehmen. Der gleiche
Zinsertrag kann mit einer größeren Geldmenge in kürzerer [X.] erwirtschaftet
werden. Maßstab ist, ob eine -
auch kurzfristige

Anlage aus kaufmännischer Sicht angezeigt erscheint. Dies kann bei einem ganz erheblichen Geldbetrag schon für einen kurzen Anlagezeitraum von [X.] oder Wochen der Fall sein. Regelmäßig werden die Gelder jedoch für
eini-ge
Monate
zur Verfügung stehen müssen.
Auch dann besteht allerdings keine Anlagepflicht, wenn der im voraussehbaren Anlagezeitraum zu erzielende [X.] bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise den mit der Anlage verbundenen
Aufwand
nicht zu rechtfertigen vermag.

(3) Für die vorzunehmende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist im Regelfall auf die Zinserträge
abzustellen, die bei einem im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten
Kreditinstitut auf einem sogenannten Tagesgeldkonto zu erzielen sind.
Es muss sich mithin um ein
Konto mit täglich fälligen [X.]
handeln, das mit keiner girovertraglichen Abrede verknüpft ist, und deshalb
nicht dem Zahlungs-verkehr, sondern Anlagezwecken dient (vgl. [X.] in Schimansky/Bunte/
[X.], [X.], 4. Aufl., § 70 Rn. 2).
Das Kontoguthaben muss durch ein Einlagensicherungssystem gedeckt
und mindestens telefonisch verfügbar sein. Grundsätzlich kann dem Insolvenzverwalter nicht angesonnen werden, darüber hinaus -
etwa durch Nutzung des Internets
-
besonders günsti-ge Angebote
zu ermitteln und wahrzunehmen. Regelmäßig darf
er bestehende eigene Geschäftsbeziehungen zu entsprechenden Kreditinstituten nutzen oder solche des Schuldners. Nur wenn dort im Vergleich zu anderen, die [X.] Anforderungen erfüllenden Kreditinstituten ungewöhnlich schlechte Bedin-gungen angeboten werden, ist der Insolvenzverwalter gehalten, sich an
ein an-21
22
-

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12
deres Unternehmen zu wenden. Der
hierbei zu erzielende Mehrertrag muss jedoch den mit der Begründung einer neuen Geschäftsbeziehung verbundenen Mehraufwand aus kaufmännischer Sicht vertretbar
erscheinen lassen.

(4) Eine einmal begründete
Anlagepflicht kann auch wieder entfallen. Dies kommt in Betracht, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr vorliegen und voraussichtlich während der nächsten Monate auch nicht mehr eintreten. [X.] ist mithin
auch für den Fortbestand der Anlagepflicht, ob der mit der ge-sonderten Anlage verbundene Aufwand unter Berücksichtigung des zu
erzie-lenden
Mehrertrags

wirtschaftlich sinnvoll
ist.

c) Da
schon die Frage der Pflichtwidrigkeit
nach dem Leitbild des or-dentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters zu beantworten
und dessen Sorgfalt zugleich Maßstab für das nach § 60 Abs. 1 [X.] erforderliche Ver-schulden
ist
(vgl. [X.]/[X.], [X.], 18. Aufl., § 60 Rn. 36), folgt aus einer objektiven Pflichtverletzung
der [X.]. Weder in der Recht-sprechung noch im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, der [X.] müsse ihm zumutbare Anstrengungen nicht
unternehmen, um für die Masse einen Zinsgewinn zu erwirtschaften. Entgegen der Ansicht der Revision ist deshalb die Frage der Pflicht zur zinsgünstigen Anlage
nicht derart zweifel-haft, dass ein Verschulden ausscheiden könnte (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juni 1994 -
IX ZR 191/93, NJW 1994, 2286, 2287; HK-[X.]/[X.], 7. Aufl., §
60 Rn.
31;
MünchKomm-[X.]/[X.]/[X.], 3. Aufl., § 60
Rn. 92; Uhlen-bruck/[X.], [X.], 13. Aufl., § 60 Rn. 96).

d) Nach diesen Grundsätzen tragen die vom Berufungsgericht getroffe-nen Feststellungen die Verurteilung des [X.]n mit Blick auf das laufende Insolvenzverfahren
nicht.

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-

-
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aa) Die Vorinstanz hat die
Schadensersatzpflicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einsetzen lassen. Zu diesem [X.]punkt waren seit der Be-stellung des [X.]n zum vorläufigen Insolvenzverwalter etwas
mehr als
drei Wochen vergangen. Tatsachen, die einen derart frühen Beginn der [X.] rechtfertigen könnten, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

bb) Hinsichtlich der die Pflicht zur zinsgünstigen Anlage begründenden freien
Mittel
hat das Berufungsgericht
mit Recht erkannt, dass es sich um einen erheblichen Geldbetrag handeln und dem zu erwartenden Zinsertrag eine maß-gebliche Bedeutung zukommen muss. Für den Zinsertrag hat es allerdings
auf
einen [X.] abgestellt, dessen Berechnung es
nicht hinrei-chend dargelegt
hat
und der einer revisionsrechtlichen Überprüfung deshalb nicht zugänglich ist.
Es kann insbesondere nicht geprüft werden, ob
in den [X.] Angebote
eingeflossen sind, auf die der Insolvenzverwal-ter nach den vorstehend
dargelegten Grundsätzen nicht zurückgreifen muss und die
deshalb nicht herangezogen werden können.

cc) Bezüglich der
Höhe der zur Anlage zur Verfügung stehenden
Gelder hat
das Berufungsgericht festgestellt, der über den
Betrag

n-ausgehende Teil des [X.] sei von Beginn an für die laufende Verwaltung nicht benötigt worden.
Es ist deshalb davon ausgegangen, dass bei Eröffnung

eine gewinnbringende Anlage zur Verfügung gestanden habe. Unter Berück-sichtigung der maßgeblichen Sicht ex [X.] hält dies rechtlicher Prüfung stand. Zwar haben sich rückblickend die anfänglich überschießend vorhandenen 38.460,61

verringert
und wurden
bis einschließlich [X.] 2009 wiederholt angetastet.
Dies muss
jedoch nicht vorhersehbar ge-26
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28
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-
14
wesen sein. Auch aus der Sicht ex post standen im Übrigen für einen [X.]raum ur Verfügung. Vorbehaltlich der vom Berufungsgericht erneut vorzunehmenden Wirtschaftlichkeitsprüfung dürfte es sich auch dabei um einen erheblichen Be-trag
handeln, der deutlich länger als nur einige Monate zur Verfügung gestan-den hat. In diesen [X.]raum dürfte auch der unter Berücksichtigung der Einar-beitungszeit neu zu bestimmende Beginn einer möglichen Anlagepflicht fallen.

dd) Mit Blick auf den Fortbestand der Anlagepflicht während der Dauer des laufenden Insolvenzverfahrens hat das Berufungsgericht für einen [X.]raum Für sich ge-nommen rechtfertigt dies die Annahme einer fortbestehenden Anlagepflicht nicht. Gesonderte Feststellungen zur weiterhin anzunehmenden Wirtschaftlich-keit
hat das Berufungsgericht nicht
getroffen. Dass die Anlage absehbar [X.] der
nächsten Monate erneut ertragreich
geworden wäre, hat es ebenfalls nicht festgestellt.

2. Für die [X.] nach Einstellung des Insolvenzverfahrens
hat das
ange-fochtene Urteil gleichfalls keinen Bestand. Zutreffend ist allerdings das [X.] davon ausgegangen, dass auch insoweit ein Schadensersatzan-spruch
aus § 60 Abs. 1 [X.]
in Betracht kommen kann.

Vergütungsansprüche des Insolvenzverwalters zählen zu den streitigen Masseansprüchen, für die nach §
214 Abs.
3 [X.] Sicherheit zu leisten ist, wenn das Verfahren, wie hier, nach §
213 [X.] eingestellt wird (vgl. HK-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 214 Rn. 5; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., §
214 Rn.
10; MünchKomm-[X.]/Hefermehl, 3. Aufl., § 214 Rn. 12). Im Streitfall ist wegen des streitigen Vergütungsanspruchs des [X.]n eine Sicherheitsleis-29
30
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15
tung nach §§
232
ff BGB nicht erfolgt. Stattdessen hat der [X.] im [X.] mit dem Kläger die für die Befriedigung des behaupteten Vergütungs-anspruchs erforderlichen Geldmittel weiterhin selbst verwahrt. In einem solchen Fall trifft den Insolvenzverwalter die aus seinem Amt nachwirkende Pflicht, die zinsgünstige Anlage der Gelder über den [X.]punkt der Beendigung seines [X.] hinaus bis zur Klärung der Berechtigung des Vergütungsanspruchs fortzu-führen. Auch für diesen [X.]raum hat das Berufungsgericht deshalb die erfor-derlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der ausgeführten Maßstäbe zu treffen.

III.

Die [X.]
hat ebenfalls Erfolg. Mit der
Kürzung
des
Scha-densersatzanspruchs
um
Kapitalertragsteuer und
[X.] hat das
Berufungsgericht eine Überraschungsentscheidung getroffen und
dabei die Steuerpflichtigkeit der zuerkannten Schadensersatzleistung nicht berücksichtigt.

1.
Nach Art. 103 Abs. 1 GG darf ein Gericht ohne vorherigen Hinweis nicht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen, mit dem auch ein gewis-senhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Es hat in einem solchen Fall auf seine Rechtsauf-fassung hinzuweisen und den Prozessbeteiligten eine Möglichkeit zur Stellung-nahme zu eröffnen. Gerichtliche Hinweispflichten dienen der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Juli 2012 -
II ZR 212/10, [X.], 1771 Rn. 6; vom 16. Mai 2013 -
VII ZR 63/11, NJW-RR 2013, 969 32
33
-

-
16
Rn.
7
ff; vom 23. Oktober 2013 -
IV ZR 122/13, [X.], 398 Rn. 5;
[X.] 84, 188, 189 f).

Die Kürzung des Schadensersatzanspruchs um Kapitalertragsteuer und [X.] ist ein rechtlicher Gesichtspunkt, der vor Erlass des Beru-fungsurteils im Verfahren nicht erörtert wurde. Insbesondere ist ein entspre-chender Hinweis des Berufungsgerichts nicht aktenkundig.
Wäre ein Hinweis erfolgt, hätte der Kläger seinen Vortrag im Revisionsverfahren zur fehlenden Berücksichtigung des [X.] schon in der Berufungsinstanz halten können, notfalls im Wege eines gemäß § 139 Abs. 5 ZPO nachgebrach-ten Schriftsatzes.
Von seinem Rechtsstandpunkt aus hätte das Berufungsge-richt unter Beachtung des [X.] anders entscheiden müssen. Gleiches gilt für die Berechnung des [X.]s, dessen Bemes-sungsgrundlage
die zu erhebende Steuer
ist,
nicht die
steuerpflichtigen
Einkünf-te
(§ 3 SolzG).

2. Der Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts lässt unberücksichtigt, dass
auch die dem Kläger zuerkannte Schadensersatzleistung steuerpflichtig ist (§
24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Der entgangene Zinsgewinn kann deshalb grund-sätzlich ohne Steuerabzug berechnet werden,
weil der auf den Schaden anre-chenbare Steuervorteil durch die Steuerpflicht der Schadensersatzleistung aus-geglichen wird (vgl. [X.], Urteil vom 18. Dezember 1969 -
VII ZR 121/67, [X.]Z 53, 132, 138; vom 22. März 1979 -
VII ZR 259/77, [X.]Z 74, 103, 116; vom 10. Februar 1987 -
VI [X.], NJW 1987, 1814, 1815). Eine nähere Be-trachtung ist nur dann
erforderlich, wenn Anhaltspunkte für außergewöhnliche Steuervorteile
bestehen, die dem Geschädigten unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung verbleiben
(vgl. [X.], Urteil vom 31. Mai 2010
34
35
-

-
17
-
II ZR 30/09, [X.], 1310 Rn. 25; vom 15. Juli 2010 -
III ZR 336/08, [X.], 1641 Rn. 45; vom 1. März 2011 -
XI [X.], [X.], 740 Rn. 9).

IV.

Das Berufungsurteil ist
deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zu-rückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Kayser [X.] [X.]

Fischer

Grupp
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.12.2012 -
7 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 04.07.2013 -
16 U 13/13 -

36

Meta

IX ZR 162/13

26.06.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2014, Az. IX ZR 162/13 (REWIS RS 2014, 4547)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4547

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 162/13 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverwalterpflicht zur zinsgünstigen Anlage von Geldmitteln


IX ZR 9/12 (Bundesgerichtshof)

Insolvenz des Vermieters: Zurückbehaltungsrecht des Mieters an Mieten wegen nicht insolvenzfest angelegter Barkaution


IX ZR 47/18 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverfahren: Voraussetzungen der Hinterlegung von Geld- und Wertgegenständen; Haftung einer zur Hinterlegungsstelle bestimmten Bank; Warnpflichten …


IX ZR 253/15 (Bundesgerichtshof)

Haftung des Insolvenzverwalters für eine unternehmerische Fehlentscheidung; persönliche Nutzung einer Geschäftschance


IX ZR 9/12 (Bundesgerichtshof)


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