Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.12.2012, Az. 3 PKH 8/12, 3 PKH 8/12 (3 B 50/12)

3. Senat | REWIS RS 2012, 495

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Berufliche Rehabilitierung; Schutzumfang; Auslegung und Anwendung des DDR-Rechts


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens BVerwG 3 B 50.12 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 16. März 2012 zu bewilligen und Rechtsanwalt S. aus [X.] beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1

Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; deshalb kann ihm für dieses Verfahren auch kein Rechtsanwalt beigeordnet werden (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO; § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 78b Abs. 1 ZPO).

2

Der Kläger studierte ab 1974 marxistisch-leninistische Philosophie an der [X.] und schloss im Juli 1976 als Diplomphilosoph ab. Er begehrt das Wiederaufgreifen eines Verfahrens auf berufliche und verwaltungsrechtliche Rehabilitierung, weil er im [X.] rechtsstaatswidrig aus einem sich an das Philosophiestudium anschließenden [X.] relegiert worden sei. Infolgedessen sei er zunächst arbeitslos geworden und sodann an einen Verlag zwangsvermittelt worden, wo er bis zu seiner Verhaftung und Verurteilung wegen versuchter [X.] im September 1978 als Lektor habe arbeiten müssen.

3

Auf seinen (ersten) Antrag hin wurde der Kläger mit [X.]escheid des [X.] vom 22. Juni 2000 als politisch Verfolgter anerkannt; als Verfolgungszeit nach dem [X.]eruflichen Rehabilitierungsgesetz ([X.]) wurde die [X.] seiner Inhaftierung (17. September 1978 bis 1. August 1979) festgestellt. Die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung und Anerkennung einer davor liegenden Verfolgungszeit (17. Juli 1976 bis zum 16. September 1978) lehnte das [X.] ab. Die Klage auf weitergehende Feststellung einer Verfolgungszeit wurde abgewiesen (Urteil des [X.] [X.]erlin vom 8. September 2005), das [X.]eschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision blieb erfolglos ([X.]eschluss vom 13. Juni 2006 - [X.]VerwG 3 [X.] 179.05).

4

Im Jahre 2008 beantragte der Kläger beim [X.] die Wiederaufnahme des Verfahrens. Er sei im [X.]esitz neuer [X.]eweismittel, mit denen er nachweisen könne, dass er aus politischen Gründen aus dem [X.] relegiert worden sei. Außerdem lägen [X.] nach § 580 ZPO vor. Das [X.]egehren blieb im Verwaltungs- und Klageverfahren erfolglos. Das Verwaltungsgericht nahm zur [X.]egründung seiner Klageabweisung [X.]ezug auf seinen ablehnenden [X.] vom 4. November 2010 und führte ergänzend aus: Die eingereichten Zeugenerklärungen seien keine neuen [X.]eweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, weil sie nicht geeignet seien, eine dem Kläger günstigere Entscheidung in der Sache herbeizuführen. Das angestrebte [X.] sei nicht Teil des zuvor durchlaufenen Diplomstudiums gewesen; dieses sei mit der Exmatrikulation des [X.] am 16. Juli 1976 abgeschlossen gewesen. Die weitere [X.]erufsausbildung habe noch nicht begonnen gehabt, weil der Kläger zu keiner [X.] als Forschungsstudent eingeschrieben gewesen sei. Auch die angeführten [X.]eweismittel zögen nicht in Zweifel, dass es für den [X.]eginn des [X.]s in der [X.] eines konstitutiven Aufnahmeaktes durch den Rektor der [X.] (Aufnahme/Immatrikulation) bedurft habe. Ohne die Zuweisung eines bestimmten Studienplatzes habe der Kläger aber lediglich einen nicht rehabilitierungsfähigen Aufstiegsschaden erlitten.

5

Die [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] wird aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben. Das Vorbringen der Prozessbevollmächtigten des [X.] im [X.]eschwerdeverfahren lässt nicht erkennen, dass ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

6

1. Der Kläger rügt mit der [X.]eschwerde, das Verwaltungsgericht habe seine förmlich gestellten [X.]eweisanträge übergangen und dadurch die Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO, den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und Denkgesetze verletzt. Es hätte durch Vernehmung der angebotenen Zeugen und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden können und müssen, ob er im März 1976 ein [X.] bereits aufgenommen gehabt habe, ob es dazu eines konstitutiven Aufnahmeaktes bedurft habe und ob ein solcher Akt aufgrund der damaligen Aufnahmepraxis entbehrlich gewesen sei. Ferner hätten die Umstände der rechtsstaatswidrigen Relegation aufgeklärt werden müssen sowie die Frage, ob die Ausführungen von Professor [X.] im Vorprozess falsch gewesen seien.

7

a) Der Vortrag des [X.] ergibt keinen Aufklärungsmangel. Das gilt ungeachtet dessen, dass die vom Kläger vorgelegten [X.]eweismittel schwerlich als neu im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG bewertet werden können, weil nicht dargetan ist, dass der Kläger sie nicht bereits in dem wiederaufzugreifenden Verfahren hätte beibringen können. Jedenfalls aber mussten sie das Verwaltungsgericht nicht veranlassen, die angebotenen [X.]eweise zu erheben. Das Verwaltungsgericht hat - insoweit unbeanstandet - angenommen, dass der Kläger mit der Aufnahme des [X.]s ein weiteres Studium und keine Fortsetzung des mit dem Diplom abgeschlossenen Philosophiestudiums angestrebt hat. Es hat weiter angenommen, dass der [X.]eginn eines [X.]s nach der damaligen Rechtslage der [X.] - auch im Falle des [X.] - einen förmlichen Akt der Zulassung erforderte. Dieser Ausgangspunkt legt zutreffend die ständige Rechtsprechung des [X.] zugrunde, wonach die Schutzwirkung des [X.]eruflichen Rehabilitierungsgesetzes auf Eingriffe in eine verfestigte berufsbezogene Position begrenzt ist (vgl. [X.]eschluss vom 4. Februar 2010 - [X.]VerwG 3 PKH 9.09 - [X.] 2010, 145 m.w.N.). Eine verfestigte Position konnte der Kläger erst mit der formellen Zulassung oder Zuweisung eines Studienplatzes erlangen und nicht schon mit der - durch Zeugen belegten - Übertragung und Aufnahme von Tätigkeiten, die das Studium erforderte, wie der Erstellung einer Dissertationskonzeption. Erst der Entzug einer durch formelle Zuweisung begründeten Position hätte einen so genannten [X.] bewirken und Anspruch auf Leistungen nach dem [X.]eruflichen Rehabilitierungsgesetz begründen können.

8

Von diesem Ausgangspunkt her ist dem Verwaltungsgericht kein Aufklärungsmangel unterlaufen, auf dem die Entscheidung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann. Das Verwaltungsgericht ist der maßgeblichen Rechtslage in der [X.] nachgegangen und hat den Sachverhalt erforscht. Der Kläger hat dies nicht mit durchgreifenden [X.] in Frage gestellt.

9

Es entspricht der Rechtsprechung des [X.], dass es grundsätzlich den [X.] vorbehalten ist, Auslegung und Anwendung der [X.]estimmungen des [X.]-Rechts zu ermitteln ([X.]eschluss vom 29. Mai 2012 - [X.]VerwG 3 [X.] - [X.] 2012, 213; Urteil vom 9. März 1999 – [X.] 3 C 21.98 - [X.] 115 Sonst. [X.], [X.]eschluss vom 3. Mai 1996 - [X.]VerwG 4 [X.] - [X.] 11 Art. 14 GG Nr. 296). Es liegt dabei gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 293 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, in welcher Weise es sich über das für seine Entscheidung maßgebende ausländische Recht und dessen Anwendung in der ausländischen Rechtspraxis die erforderliche Kenntnis verschafft ([X.]eschlüsse vom 20. März 1989 - [X.]VerwG 1 [X.] - [X.] 130 § 3 RuStAG Nr. 2 und vom 4. Oktober 1995 - [X.]VerwG 1 [X.] 138.95 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 271). Dies gilt in gleicher Weise für das nicht revisible Recht der ehemaligen [X.] ([X.]eschluss vom 14. Oktober 2004 - [X.]VerwG 6 [X.] 6.04 - [X.] 115 Sonst. [X.] = NVwZ 2005, 1441).

Ein Aufklärungsmangel wäre dem Gericht nur dann unterlaufen, wenn sich ihm hätte aufdrängen müssen, auch die benannten Zeugen zu vernehmen. Das war nicht der Fall. Die [X.]eschwerde erschüttert nicht den tragenden Grund für die Klageabweisung, dass der Kläger ohne eine förmliche Aufnahme in das [X.] keine verfestigte berufsbezogene Position inne hatte. Eine solche Verfestigung ist auch nicht dadurch eingetreten, dass der Kläger in der Sektion bereits einige [X.] faktisch mitgearbeitet hat, dort gefördert und vom Sektionsleiter für das Studium vorgeschlagen wurde, ein Promotionsthema erhielt und eine Dissertationskonzeption erstellte. Dabei handelt es sich lediglich um Vorbereitungen im Hinblick auf die von der Sektion beabsichtigte Zuweisung eines Studienplatzes. Davon geht der Kläger selbst aus, wenn er hervorhebt, dass ein "offizieller Sektionswechsel" erforderlich gewesen sei und im Semester dem Kläger faktisch bereits Studienarbeiten übertragen worden waren, behaupten aber nicht, dass dies Folge einer formellen Aufnahme gewesen sei. Das verwundert nicht, denn der Kläger selbst beharrt mit seiner [X.]eschwerde darauf, dass eine solche Aufnahme nicht erforderlich gewesen sei.

b) Auch trifft es nicht zu, dass das Verwaltungsgericht aus der Anordnung über das [X.] in der [X.] einen Schluss gezogen hat, der schlechthin nicht gezogen werden konnte. Im Gegenteil geht die Anordnung ersichtlich von der Notwendigkeit einer Aufnahme in das [X.] aus und sieht in § 4 Abs. 1 Satz 2 sogar den Abschluss eines Ausbildungsvertrages vor, den der Kläger nicht geschlossen hat. Die Notwendigkeit einer Immatrikulation bestätigen auch universitäre Stellen in ihren Äußerungen, wie der Stellvertretende Direktor für Erziehung und Ausbildung Dr. A. im Antrag vom 5. Oktober 1976 sowie der Direktor für Studienangelegenheiten im [X.] vom 5. November 1976. Deshalb wäre auch der Vorwurf, der Würdigung des [X.] liege ein Mangel richterlicher Überzeugungsbildung zugrunde, nicht gerechtfertigt.

c) Geht es mithin um die Frage, ob der Kläger eine verfestigte Position als Forschungsstudent inne hatte, kommt es auf die durch schriftliche Erklärungen bezeichneten Einschätzungen der benannten Zeugen nicht an. Insofern kann auch nicht von einer Vorwegnahme der [X.]eweiswürdigung gesprochen werden. Ein Zeugenbeweis wird nicht dadurch unzulässig verfrüht gewürdigt, dass das Gericht Entscheidungserheblichkeit der in das Wissen der Zeugen gestellten Tatsachen verfahrensfehlerfrei verneint. Aus demselben Grund liegt die behauptete Gehörsverletzung nicht vor; denn die Ablehnung der beantragten [X.]eweiserhebung findet im Prozessrecht eine hinreichende Stütze (vgl. [X.]eschluss vom 14. Oktober 2004 a.a.O.).

2. Das Vorliegen von [X.]n nach § 580 ZPO wegen einer - vermeintlich - falschen Stellungnahme des Professors [X.] vom 24. August 1999, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigen könnte, ist nach dem Vorstehenden nicht dargetan. Allein aus dem Umstand, dass sich Erklärungen von Zeugen widersprechen, lässt sich keine vorsätzliche oder fahrlässige Falschaussage im Sinne des § 580 ZPO folgern.

Meta

3 PKH 8/12, 3 PKH 8/12 (3 B 50/12)

12.12.2012

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Berlin, 16. März 2012, Az: 9 K 453.09, Urteil

§ 1 BerRehaG, § 293 ZPO, § 173 S 1 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.12.2012, Az. 3 PKH 8/12, 3 PKH 8/12 (3 B 50/12) (REWIS RS 2012, 495)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 495

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 PKH 9/09, 3 PKH 9/09 (3 B 54/09) (Bundesverwaltungsgericht)

Schutzwirkung des Beruflichen Rehabilitationsgesetzes; Verfestigung des Rechts auf Berufsausübung oder Berufsausbildung


3 C 34/09 (Bundesverwaltungsgericht)

Berufliche Rehabilitierung; vorzeitige Beendigung einer planmäßigen Doktoraspirantur; Eingriff in Rechtsposition im Sinne von § 1 …


3 B 11/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Rehabilitation wegen beruflicher Benachteiligung; Aufstiegsschaden


3 PKH 5/12, 3 PKH 5/12 (3 B 18/12) (Bundesverwaltungsgericht)

Berufliche Rehabilitierung; erzwungene Ausbildungsbeendigung; Beginn und Ende der Verfolgungszeit; gleichwertige Tätigkeit; keine Verweisung an Verfassungsgericht


3 PKH 6/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Berufliche Rehabilitierung; Verfolgungszeit; förmliche Entziehung des Ausbildungsplatzes; Exmatrikulation


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.