Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.09.2012, Az. 4 StR 255/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 2722

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Gegenstand

Schwere räuberische Erpressung: Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe; Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung aus generalpräventiven Gründen


Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 8. März 2012 wird verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

2

Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel, das vom [X.] vertreten wird, ist - wie die Revisionsbegründung deutlich macht - ungeachtet des umfassend gestellten Aufhebungsantrags wirksam auf die Verurteilung im Fall II. 2 der Urteilsgründe beschränkt (vgl. dazu [X.], Urteil vom 12. April 1989 - 3 [X.], [X.]R StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3). Ferner beanstandet die Beschwerdeführerin die Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung.

3

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

4

Dass das [X.] den Angeklagten im Fall II. 2 der Urteilsgründe lediglich wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung verurteilt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

5

1. Insoweit hat das [X.] im Wesentlichen Folgendes festgestellt:

6

Der Angeklagte verbrachte vom Nachmittag des 21. Oktober 2011 an das gesamte Wochenende mit dem gesondert verfolgten [X.]    , der, was dem Angeklagten zunächst nicht bekannt war, wegen des Verdachts, verschiedene Überfälle auf Spielhallen und Ladengeschäfte begangen zu haben, von der Polizei gesucht wurde. [X.]    fuhr zunächst eine Zeit lang mit dem Angeklagten in dessen Pkw in der Gegend herum, um dabei, vom Angeklagten unbemerkt, ein geeignetes Objekt für einen weiteren Raubüberfall auszusuchen. Nachdem [X.]      eine Tankstelle in [X.]    als geeignetes Tatob-jekt festgelegt hatte, wirkte der von dem Vorschlag des [X.]      , einen Über-fall auszuführen, völlig überraschte Angeklagte auf dessen nachhaltiges Drängen hin daran mit. Insoweit hat das [X.] den Angeklagten, von der Revision nicht angegriffen, wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu einer Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.

7

Als [X.]    mit dem Angeklagten am Morgen des 23. Oktober 2011 erneut mit dem Fahrzeug unterwegs war und dem Angeklagten bedeutete, erneut vor einer Tankstelle anzuhalten, um diese zu überfallen, weigerte sich der Angeklagte zunächst. Daraufhin wurde [X.]    aggressiv und bedrohte den Angeklagten; er, [X.]    , habe nichts mehr zu verlieren und wisse, wo der Angeklagte wohne. Nicht ausschließbar auch aus Angst vor dieser Drohung gab der Angeklagte nach; der Ablauf des Überfalls wurde nicht besprochen. Nachdem [X.]    und der Angeklagte, mit Kapuzen und Schals vermummt, gegen 6.00 Uhr das [X.] betreten hatten, hielt sich der Angeklagte, ähnlich wie beim ersten Überfall, zunächst im Hintergrund und schaute wiederholt nach draußen, um rechtzeitig das Herannahen Dritter erkennen zu können. [X.]    holte etwa drei bis vier Meter vor der Theke des [X.] eine nicht geladene „[X.]“ hervor und zog, wie bei der ersten Tat, deren Schlitten nach hinten, um den Anschein der Gefährlichkeit zu verstärken. Nach der ersten Tat hatte [X.]    den Angeklagten auf die [X.], ob die Waffe gefährlich sei, mit den Worten beschwichtigt, die Waffe sei nicht echt und er solle sich keine Sorgen machen, da alles ganz harmlos sei. [X.]     bedrohte nunmehr den im [X.] anwesenden Zeugen Bi.    mit der Waffe und forderte ihn zur Herausgabe des Geldes auf. In der Absicht, diese hinauszuzögern und die Täter hinzuhalten, behauptete der Zeuge zunächst, es sei kein Geld vorhanden. Nachdem [X.]     ihm daraufhin [X.] hatte, die Kasse zu öffnen, forderte auch der Angeklagte, es solle schneller gehen. Er fühlte sich bei der Sache nicht wohl und wollte die Tat schnell beendet wissen. Als der Zeuge die Kasse geöffnet und Geldscheine im Wert von insgesamt 265 € entnommen hatte, griffen [X.]    und der Angeklagte über den Tresen, nahmen jeweils einen Teil des Geldes an sich und verließen das [X.]. Im Fahrzeug verlangte der gesondert verfolgte [X.]    das erbeutete Geld vom Angeklagten heraus und steckte es in seine Hosentasche. Wegen dieser Tat verhängte die [X.] gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.

8

2. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen ist die Wertung des [X.]s, der Angeklagte sei mangels eigenen Tatinteresses und mangels Tatherrschaft aufgrund seiner Unterordnung unter den gesondert verfolgten [X.]     nicht als Mittäter, sondern als Gehilfe anzusehen, vom Revisionsgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

9

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist Mittäter, wer [X.] fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen [X.] erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am [X.], der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein ([X.], Urteil vom 15. Januar 1991 - 5 [X.], [X.]St 37, 289, 291 mwN). In Grenzfällen hat der [X.] dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Lässt das angefochtene Urteil erkennen, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre ([X.], Urteil vom 20. Januar 1998 - 5 [X.], [X.], 136; Urteil vom 10. November 2004 - 5 [X.], [X.], 71; Urteil vom 17. Juli 1997 - 1 StR 781/96, NJW 1997, 3385, 3387, insoweit in [X.]St 43, 153 nicht abgedruckt).

b) Auf dieser Grundlage ist die Entscheidung des [X.]s, der Angeklagte sei auch im Fall II. 2 der Urteilsgründe lediglich Gehilfe und nicht Mittäter gewesen, noch hinzunehmen.

Das [X.] hat, ausgehend von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme, maßgeblich auf die Rollenverteilung zwischen dem Angeklagten und dem gesondert verfolgten [X.]    abgestellt. Die insoweit vorgenommene Wertung, der Angeklagte sei auch im Fall II. 2 der Urteilsgründe eine von [X.]    als Zentralgestalt dominierte Randfigur gewesen, wird von den zum Tathergang getroffenen Feststellungen getragen. Zwar setzt die Annahme von Mittäterschaft nicht notwendig voraus, dass sämtliche Beteiligte eine im Rahmen des Tatgeschehens gleichgewichtige Rolle einnehmen. Die Urteilsgründe ergeben jedoch, dass der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt das Ob und das Wie des tatbestandsmäßigen Geschehens beherrscht oder zumindest beeinflusst hat. Weder die Tatsache eines weiteren Überfalls als solche noch die Einzelheiten der Tatausführung waren abgesprochen. Nach anfänglicher Weigerung erklärte der Angeklagte, so die Feststellungen im angefochtenen Urteil, auch wegen der von [X.]     ausgestoßenen Drohung seine Bereitschaft zur Mitwirkung. Dass er im Geschäftsraum der Tankstelle zur Eile gedrängt und sich dadurch, anders als im Fall II. 1 der Urteilsgründe, nicht auf ein bloßes „Schmierestehen“ beschränkt hat, hat die [X.] in ihre Erwägungen ausdrücklich einbezogen und jedenfalls vertretbar bewertet. Für die Annahme von Beihilfe spricht schließlich auch, dass der Angeklagte den von ihm erlangten Teilbetrag aus der Beute unmittelbar nach Verlassen der Tankstelle an den gesondert verfolgten [X.]    herausgeben musste. Dass er überhaupt eine Belohnung erhielt, ist nicht festgestellt.

2. Auch die von der Staatsanwaltschaft des Weiteren angegriffene Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

a) Ob besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB in der Tat und in der Täterpersönlichkeit vorliegen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu entscheiden, die allein dem Tatrichter obliegt. Sie muss ergeben, dass eine Strafaussetzung trotz erheblichen Unrechts- und [X.] der Tat, der sich in der Strafe widerspiegelt, nicht als unangebracht erscheint und den allgemeinen, vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderläuft. Dabei kann schon ein Zusammentreffen durchschnittlicher und einfacher Milderungsgründe die Bedeutung besonderer Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB gewinnen; Ausnahmecharakter müssen die zugunsten des Angeklagten sprechenden Umstände nicht haben. Das Revisionsgericht hat in Grenzfällen die Wertung des Tatrichters hinzunehmen ([X.], Beschluss vom 22. Oktober 1980 - 3 [X.], [X.]St 29, 370, 371; [X.], Beschluss vom 29. April 1987 - 3 [X.], [X.]R StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung 1; [X.], Urteil vom 15. Februar 1994 - 5 [X.], [X.], 193; vgl. auch [X.]/[X.], § 56, Rn. 40).

Das [X.] hat die danach erforderliche umfassende Gesamtwürdigung rechtsfehlerfrei vorgenommen. Es konnte dabei insbesondere darauf abheben, dass der nur geringfügig vorbestrafte und im Wesentlichen geständige Angeklagte erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde und bereits über vier Monate Untersuchungshaft verbüßt hat, durch die er nachhaltig beeindruckt worden ist. Dass die [X.] diesen Umständen unter Berücksichtigung der als „äußerst günstig“ eingeschätzten Sozialprognose das Gewicht besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB beigemessen hat, hält sich noch in dem dem Tatrichter insoweit eröffneten Beurteilungsspielraum. Dass auch eine abweichende Bewertung möglich gewesen wäre, ändert daran nichts.

b) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist ein den Angeklagten begünstigender Rechtsfehler auch nicht darin zu sehen, dass die [X.] nicht ausdrücklich geprüft hat, ob die Verteidigung der Rechtsordnung eine Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe gebietet.

Strafaussetzung zur Bewährung kann nach § 56 Abs. 3 StGB nur versagt werden, wenn sie im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte. Diese generalpräventiven Erwägungen dürfen indes nicht dazu führen, bestimmte Tatbestände oder Tatbestandsgruppen von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung auszuschließen (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 24. April 1997 - 4 [X.]). Gemessen daran war hier angesichts des [X.] und der festgestellten erheblichen Milderungsgründe - auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die [X.] gegen den Angeklagten die höchstmögliche Freiheitsstrafe verhängt hat, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann - eine Prüfung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB nicht erforderlich. Es ist auszuschließen, dass die Strafaussetzung zur Bewährung vor dem Hintergrund der für den Angeklagten sprechenden gewichtigen Umstände die Rechtstreue der Bevölkerung ernsthaft beeinträchtigen und von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden wird (vgl. dazu [X.], Urteil vom 30. Oktober 1990 - 1 StR 500/90, [X.]R StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 9, Senatsurteil vom 14. Juli 1994 - 4 StR 252/94, [X.]R StGB § 56 Abs. 3 Verteidigung 15).

Mutzbauer                         [X.][X.]

                     Bender                           [X.]

Meta

4 StR 255/12

27.09.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Arnsberg, 8. März 2012, Az: II-2 KLs 382 Js 1047/11 - 1/12

§ 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB, § 56 Abs 3 StGB, § 250 StGB, § 255 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.09.2012, Az. 4 StR 255/12 (REWIS RS 2012, 2722)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2722

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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