Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2012, Az. 4 StR 255/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 2763

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil
4
StR
255/12

vom
27. September 2012
in der Strafsache
gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 27.
Septem-ber 2012, an der
teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Mutzbauer

als Vorsitzender,

[X.] am [X.]
Cierniak,
[X.],
[X.],
Dr. Quentin

als beisitzende [X.],

Staatsanwalt

als Vertreter des [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

-
3
-
für Recht erkannt:

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 8.
März 2012 wird verworfen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Revisionsverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen [X.]en Auslagen.

Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur schweren räu-berischen Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das zu
Ungunsten des [X.] eingelegte Rechtsmittel, das vom [X.] vertreten wird, ist -
wie die Revisionsbegründung deutlich macht
-
ungeachtet des umfas-send gestellten Aufhebungsantrags wirksam auf die Verurteilung im Fall
II.
2 der Urteilsgründe beschränkt (vgl. dazu [X.], Urteil vom 12.
April 1989
-
3
StR 453/88, [X.]R StPO §
344 Abs.
1 Antrag
3).
Ferner beanstandet die Beschwerdeführerin die Aussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1
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-
4
-
I.
Dass das [X.] den Angeklagten im Fall
II.
2 der Urteilsgründe
lediglich wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung verurteilt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1.
Insoweit hat das [X.] im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
Der Angeklagte verbrachte vom Nachmittag
des 21.
Oktober 2011 an das gesamte Wochenende mit dem gesondert verfolgten [X.]

, der, was
dem Angeklagten zunächst nicht bekannt war, wegen des Verdachts, verschie-dene Überfälle auf Spielhallen und Ladengeschäfte begangen zu haben, von der
Polizei gesucht wurde. [X.]

fuhr zunächst eine Zeit
lang mit dem
Angeklagten in dessen Pkw in der Gegend herum, um dabei, vom Angeklagten unbemerkt, ein geeignetes Objekt für einen weiteren Raubüberfall auszu-suchen. Nachdem [X.]

eine Tankstelle in H.

als geeignetes Tatob-
jekt festgelegt hatte, wirkte der von dem Vorschlag des [X.]

, einen Über-
fall auszuführen, völlig überraschte Angeklagte auf dessen nachhaltiges Drän-gen hin daran
mit. Insoweit hat das [X.] den Angeklagten, von der [X.] nicht angegriffen, wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu einer Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
Als [X.]

mit dem Angeklagten am Morgen des 23.
Oktober 2011
erneut mit dem Fahrzeug unterwegs war
und dem Angeklagten bedeutete, er-neut vor einer Tankstelle
anzuhalten,
um diese zu überfallen,
weigerte sich der Angeklagte zunächst. Daraufhin wurde [X.]

aggressiv und bedrohte den
Angeklagten; er, [X.]

,
habe nichts mehr zu verlieren und wisse, wo
der
Angeklagte
wohne. Nicht ausschließbar auch aus Angst vor dieser Drohung 4
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7
-
5
-
gab der Angeklagte nach; der Ablauf des Überfalls wurde nicht besprochen. Nachdem [X.]

und der Angeklagte, mit Kapuzen und Schals vermummt,
gegen 6.00
Uhr das Kassengebäude der Tankstelle betreten hatten, hielt sich der Angeklagte, ähnlich wie beim ersten Überfall, zunächst im Hintergrund und schaute wiederholt nach draußen, um rechtzeitig das Herannahen Dritter er-kennen zu können. [X.]

holte etwa
drei bis vier Meter vor der Theke des
[X.] eine nicht geladene -hervor und zog, wie bei der [X.] Tat, deren Schlitten nach hinten, um den Anschein der Gefährlichkeit zu verstärken. Nach der ersten Tat hatte [X.]

den Angeklagten auf die Fra-
ge, ob die Waffe gefährlich sei, mit den Worten beschwichtigt, die Waffe sei nicht echt und er solle
sich keine Sorgen machen, da alles ganz harmlos sei. [X.]

bedrohte nunmehr den im [X.] anwesenden Zeugen Bi.

mit der Waffe
und forderte ihn zur Herausgabe des Geldes auf. In der Absicht, diese hinauszuzögern und die Täter hinzuhalten, behauptete der Zeuge [X.], es sei kein Geld vorhanden. Nachdem [X.]

ihm daraufhin befoh-
len hatte, die Kasse zu öffnen, forderte auch der Angeklagte, es solle schneller gehen. Er
fühlte
sich bei der Sache nicht wohl
und wollte die Tat schnell been-det wissen. Als der Zeuge die Kasse geöffnet und Geldscheine im Wert von insgesamt 265

.

und der
Angeklagte über
den Tresen, nahmen jeweils einen Teil des Geldes an sich
und verließen das [X.]. Im Fahrzeug verlangte der gesondert verfolgte [X.]

das erbeutete Geld vom Angeklagten heraus und steckte es in seine [X.].
Wegen dieser Tat verhängte die [X.] gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.
2.
Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen ist die Wertung des Land-gerichts, der Angeklagte sei mangels eigenen Tatinteresses und mangels
Tatherrschaft aufgrund seiner Unterordnung unter den gesondert verfolgten
8
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-
[X.]

nicht als Mittäter, sondern als Gehilfe anzusehen, vom Revisions-
gericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
a)
Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist [X.], wer [X.] fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag der-art in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatan-teils erscheint.
Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in werten-der Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad
des eigenen Interesses am [X.], der Umfang der Tatbeteiligung und die [X.] oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein ([X.], Urteil vom 15.
Januar 1991 -
5
StR 492/90, [X.]St 37, 289, 291 mwN). In Grenzfällen hat der [X.] dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Lässt das angefochtene Urteil erkennen, dass der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrich-terliche
Beurteilung möglich gewesen wäre ([X.], Urteil vom 20.
Januar 1998 -
5
StR 501/97, [X.], 136; Urteil vom 10.
November 2004
-
5
StR 403/04, [X.], 71; Urteil vom 17.
Juli 1997 -
1
StR 781/96, NJW 1997, 3385,
3387,
insoweit in [X.]St 43, 153 nicht abgedruckt).
b)
Auf dieser Grundlage ist die Entscheidung des [X.]s, der An-geklagte sei auch im Fall
II.
2 der Urteilsgründe lediglich Gehilfe und nicht [X.] gewesen, noch hinzunehmen.

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-
Das [X.] hat, ausgehend von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab für die Abgrenzung
von Täterschaft und Teilnahme,
maßgeblich auf die Rollenverteilung zwischen dem Angeklagten und dem gesondert verfolgten [X.]

abgestellt. Die insoweit vorgenommene Wertung, der Angeklagte
sei auch im Fall II.
2 der Urteilsgründe eine von [X.]

als Zentralgestalt
dominierte Randfigur gewesen, wird von den
zum Tathergang getroffenen Fest-stellungen getragen. Zwar setzt die Annahme
von Mittäterschaft nicht [X.] voraus, dass sämtliche Beteiligte eine im Rahmen des Tatgeschehens gleichgewichtige Rolle einnehmen. Die Urteilsgründe ergeben jedoch, dass der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt das Ob und das Wie des tatbestandsmäßigen Geschehens beherrscht oder zumindest beeinflusst hat. Weder die Tatsache eines weiteren Überfalls als solche noch die Einzelheiten der Tatausführung waren abgesprochen. Nach anfänglicher Weigerung erklärte der Angeklagte, so die Feststellungen im angefochtenen Urteil, auch wegen der von [X.]

ausgestoßenen Drohung
seine Bereitschaft zur Mitwirkung. Dass er im Ge-schäftsraum der Tankstelle zur Eile gedrängt und sich dadurch, anders als im Fall
II.

hat, hat die [X.] in ihre Erwägungen ausdrücklich einbezogen und
jedenfalls vertretbar bewertet. Für die Annahme von Beihilfe spricht schließlich auch, dass der Angeklagte den von ihm erlangten Teilbetrag aus der Beute unmittelbar nach
Verlassen der Tankstelle an den gesondert verfolgten
[X.]

herausgeben musste. Dass er überhaupt eine Belohnung erhielt, ist
nicht festgestellt.
2.
Auch die von der Staatsanwaltschaft des Weiteren angegriffene Aus-setzung der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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-
8
-
a)
Ob besondere Umstände im Sinne von §
56 Abs.
2 StGB in der Tat und in der Täterpersönlichkeit vorliegen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu entscheiden, die allein dem Tatrichter obliegt. Sie muss er-geben, dass eine Strafaussetzung trotz erheblichen Unrechts-
und Schuldge-halts der
Tat, der sich in der Strafe widerspiegelt, nicht als unangebracht [X.] und den allgemeinen, vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zu-widerläuft. Dabei kann schon ein Zusammentreffen durchschnittlicher und ein-facher
Milderungsgründe die Bedeutung besonderer Umstände im Sinne von §
56 Abs.
2 StGB gewinnen; Ausnahmecharakter müssen die zugunsten des Angeklagten sprechenden Umstände nicht haben. Das Revisionsgericht hat in Grenzfällen die Wertung des Tatrichters hinzunehmen
([X.], Beschluss vom 22.
Oktober 1980 -
3
StR
376/80, [X.]St 29, 370, 371; [X.], Beschluss vom 29.
April 1987 -
3
StR
103/87, [X.]R StGB §
56 Abs.
2 Gesamtwürdigung
1; [X.], Urteil vom 15.
Februar 1994 -
5
StR
692/93, [X.], 193; vgl. auch [X.]/[X.], §
56, Rn.
40).
Das [X.] hat die danach erforderliche
umfassende
Gesamtwürdi-gung rechtsfehlerfrei vorgenommen. Es konnte
dabei insbesondere darauf
ab-heben, dass der nur geringfügig vorbestrafte
und im Wesentlichen geständige
Angeklagte erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde und bereits über vier Monate Untersuchungshaft verbüßt hat, durch die er nachhaltig beeindruckt worden ist. Dass die [X.] diesen Umständen unter Berücksichtigung der eingeschätzten Sozialprognose das Gewicht besonde-rer Umstände im Sinne des §
56 Abs.
2 StGB beigemessen hat, hält sich noch in dem dem Tatrichter insoweit eröffneten Beurteilungsspielraum. Dass auch eine abweichende Bewertung möglich gewesen wäre, ändert daran nichts.

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-
b) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist ein den Angeklagten begünstigender Rechtsfehler auch nicht darin zu sehen, dass die [X.] nicht ausdrücklich geprüft hat, ob die Verteidigung der Rechtsordnung eine Vollstreckung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe gebietet.
Strafaussetzung zur Bewährung kann nach §
56 Abs.
3 StGB nur versagt werden, wenn sie im Hinblick auf schwerwiegende Besonderheiten des Einzel-falles für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert werden könnte.
Diese generalpräventiven
Erwägungen [X.] indes nicht dazu führen, bestimmte Tatbestände oder Tatbestandsgruppen von der Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung auszuschließen
(st.
Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 24.
April 1997 -
4
StR
662/96). Gemessen [X.] war hier angesichts des [X.] und der festgestellten erheblichen
Milde-rungsgründe -
auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die [X.] gegen den Angeklagten die höchstmögliche Freiheitsstrafe verhängt hat, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann
-
eine Prüfung der Voraus-setzungen des §
56 Abs.
3 StGB nicht erforderlich. Es ist auszuschließen, dass die Strafaussetzung zur Bewährung vor dem Hintergrund der für den Angeklag-ten sprechenden gewichtigen Umstände die Rechtstreue der Bevölkerung ernsthaft beeinträchtigen
und von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zu-rückweichen vor der Kriminalität angesehen werden wird (vgl. dazu [X.], Urteil
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10
-
vom 30.
Oktober 1990 -
1
StR
500/90, [X.]R StGB §
56 Abs.
3 Verteidigung
9, Senatsurteil vom 14.
Juli 1994 -
4
StR
252/94, [X.]R StGB §
56 Abs.
3 Vertei-digung
15).
Mutzbauer
Cierniak
Franke

[X.]
Quentin

Meta

4 StR 255/12

27.09.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.09.2012, Az. 4 StR 255/12 (REWIS RS 2012, 2763)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2763

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III-2 Ss 24/05 - 16/05 III (Oberlandesgericht Düsseldorf)


III-2 Ss 24/05 – 16/05 III (Oberlandesgericht Düsseldorf)


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Wird zitiert von

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