Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.03.2019, Az. V B 34/17

5. Senat | REWIS RS 2019, 9360

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Doppelpräsident und Geschäftsverteilung


Leitsatz

Ist der Präsident eines FG zugleich Gerichtspräsident in einer anderen Gerichtsbarkeit, muss der Geschäftsverteilungsplan erkennen lassen, mit welchem Bruchteil seiner Arbeitskraft der Präsident seinem Senat im FG zugewiesen ist, damit in seiner Person kein Besetzungsmangel i.S. von § 119 Nr. 1 FGO vorliegt.

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des [X.] vom 19. Januar 2017  2 K 257/13 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die [[[X.].].] bürgerlichen Rechts (GbR), bestehend aus ihren Gesellschaftern DJ, [[[X.].].] und [[[X.].].] errichtete eine Kurklinik, die sie nach Fertigstellung ab 1. Oktober 1994 unter Anwendung von § 9 Abs. 2 i.V.m. § 27 Abs. 2 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerpflichtig an die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), die [[[X.].].], zum Betrieb einer Klinik ohne Recht auf Vorsteuerabzug vermietete. Der Mietzins bemaß sich nach den Kosten entsprechend den Absetzungen für Abnutzung ([[[X.].].]) nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf der Grundlage der sog. [[[X.].].] des § 10 Abs. 5 UStG, der auf § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG verwies.

2

In den Jahren 1995 bis 1999 entstanden unterjährig nachträgliche Herstellungskosten. Die GbR ging dabei entsprechend einkommensteuerrechtlichen Verwaltungsanweisungen davon aus, dass bei der Bemessung der [[[X.].].] für das Jahr der Entstehung von nachträglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten diese so zu berücksichtigen seien, als wären sie zu Beginn des Jahres aufgewendet worden (vgl. z.B. Abschn. 44 Abs. 11 Satz 7 der [[[X.].].] 1990). Dies legte sie auch der Anwendung der [[[X.].].] nach § 10 Abs. 5 und 4 UStG zugrunde.

3

Mit der Beendigung des [[[X.].].] für die ursprünglichen Herstellungskosten aus der Gebäudeerrichtung übernahm die Klägerin zum 1. Oktober 2004 alle Gesellschaftsanteile der GbR, wodurch die GbR auf die Klägerin anwuchs und das Mietverhältnis endete.

4

Für das Streitjahr 2004 nahm die Klägerin aufgrund des zum 1. Oktober 2004 erfolgten Übergangs von der steuerpflichtigen Vermietung zur steuerfreien Klinikeigennutzung eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG für nachträgliche Herstellungskosten vor. Dabei ging sie davon aus, dass die jeweils unterjährig angefallenen nachträglichen Herstellungskosten so zu behandeln seien, als habe der Berichtigungszeitraum für diese nicht unterjährig, sondern --entsprechend der einkommensteuerrechtlichen [[[X.].].] zum jeweiligen Jahresanfang begonnen.

5

Im [[[X.].].] an eine Außenprüfung nahm der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --[[[X.].].]--) demgegenüber an, dass der Berichtigungszeitraum für die nachträglichen Herstellungskosten unterjährig mit der erstmaligen Nutzung bei Abschluss der jeweiligen nachträglichen Herstellungsmaßnahme und damit erst später begonnen habe. Mit Änderungsbescheid für das Streitjahr 2004 vom 9. April 2010 erhöhte es den Berichtigungsbetrag daher um weitere ... €. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Eine finanzgerichtliche Klage gegen die Steuerfestsetzung nahm die Klägerin zurück.

6

Die Klägerin beantragte am 6. September 2012 einen Erlass der Umsatzsteuer 2004 in Höhe von ... €. Das [[[X.].].] lehnte diesen Antrag wie auch den Einspruch hierzu ab.

7

Hiergegen erhob die Klägerin wiederum Klage zum Finanzgericht ([[[X.].].]), mit der sie zuletzt einen [[[X.].].] in Höhe von ... € beantragte, da dieser Betrag der Umsatzsteuer aus der "vorzeitigen" Einbeziehung der [[[X.].].] in die [[[X.].].] entspreche.

8

Das [[[X.].].] gab der Klage in diesem Umfang statt. Nach seinem Urteil ist das [[[X.].].] zu einem [[[X.].].] gemäß § 227 der Abgabenordnung ([[[X.].].]) verpflichtet. Zwar habe das [[[X.].].] zutreffend entschieden, dass die Berichtigungszeiträume für die nachträglichen Herstellungskosten erst mit der jeweils unterjährigen Fertigstellung und Verwendung der nachträglichen Herstellungsmaßnahmen begonnen hätten. Das [[[X.].].] habe aber nicht ausreichend berücksichtigt, dass die nachträglichen Herstellungskosten für die unterjährig fertiggestellten Maßnahmen bereits die [[[X.].].] zum jeweiligen Jahresanfang erhöht und damit auch zu einer bereits zum Jahresanfang erhöhten [[[X.].].] geführt habe. Das [[[X.].].] habe die doppelte Inanspruchnahme durch Einbeziehung der [[[X.].].]-Beträge in die [[[X.].].] ab Jahresbeginn und den Beginn des [[[X.].].] erst ab tatsächlicher Fertigstellung nicht zutreffend gewürdigt. In Höhe von ... € liege daher eine "Doppelbesteuerung" vor. Diese "doppelte Inanspruchnahme" lasse sich nur durch einen Erlass verhindern.

9

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich das [[[X.].].] mit seiner Beschwerde, mit der es geltend macht, dass das Urteil unter Mitwirkung eines Richters ergangen sei, der [[[X.].].] [[[X.].].] von § 119 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([[[X.].].]O) gewesen sei. Das Urteil sei unter dem Vorsitz des [[[X.].].] ergangen, der Präsident des [[[X.].].] und zugleich Präsident des [[[X.].].] (OVG) gewesen sei. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des [[[X.].].] sei er dort Vorsitzender in vier Senaten gewesen. Nach der Rechtsprechung des [[[X.].].] ([[[X.].].]) müsse der Präsident eines Gerichts in der Lage sein, in dem von ihm neben der Leitung des Gerichts geführten Spruchkörper mindestens 75 % der Aufgaben des Vorsitzenden und dabei mindestens 50 % der richterlichen Spruchtätigkeit selbst wahrzunehmen. Der [[[X.].].] habe dies zum Präsidenten eines [[[X.].].] entschieden. Vorliegend sei die abstrakte Belastung mit präsidialen Aufgaben bei typisierender Betrachtung höher. Zwar sei der Zuständigkeitsbereich des vom Präsidenten geführten [[[X.].].]-Senats kleiner als bei früheren Präsidenten. Gleichwohl sei schwerlich nachvollziehbar, wie [[X.].] bei der Leitung von zwei Obergerichten und fünf Senaten den Anforderungen der Rechtsprechung nachkommen könne. Aus seinen Tätigkeiten ergäben sich keine Synergien. Es seien zudem bei der Vergabe von Haushaltsmitteln Interessenkonflikte zu erwarten. Mangels anderer Obergerichte sei [[X.].] für beide Gerichtsbarkeiten erster Ansprechpartner der Politik. Zudem habe die Sache im Hinblick auf das anzuwendende materielle Recht grundsätzliche Bedeutung. Das Urteil des [[[X.].].] sei auch mit den Grundsätzen der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) zur Ersetzung behördlichen Ermessens nicht vereinbar.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde des [X.] ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 [X.]O). Ist der Präsident eines [X.] zugleich Gerichtspräsident in einer anderen Gerichtsbarkeit, muss der Geschäftsverteilungsplan erkennen lassen, mit welchem Bruchteil seiner Arbeitskraft der Präsident seinem Senat im [X.] zugewiesen ist, damit in seiner Person kein Besetzungsmangel i.S. von § 119 Nr. 1 [X.]O vorliegt.

1. Ein Urteil ist gemäß § 119 Nr. 1 [X.]O stets als auf der Verletzung von [X.]recht beruhend anzusehen, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war.

a) Bei der Prüfung von § 119 Nr. 1 [X.]O ist die Rechtmäßigkeit des gemäß § 4 [X.]O i.V.m. §§ 21e ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) aufzustellenden [X.] als seine Auslegung und Würdigung durch das erkennende Gericht-- nicht nur auf Willkür, sondern nach der Rechtsprechung des [X.] auf jeden Rechtsverstoß zu untersuchen (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 12. März 2014 [X.]126/13, [X.]/NV 2014, 1060, unter [X.]; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 [X.]O Rz 26). Daher liegt ein Besetzungsmangel i.S. des § 119 Nr. 1 [X.]O bei einem Spruchkörper auch dann vor, wenn die Aufstellung des [X.] gegen § 4 [X.]O i.V.m. §§ 21e bis g GVG verstößt (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 10. Dezember 2007 VI B 88/07, [X.]/NV 2008, 401, unter 1.a, und in [X.]/NV 2014, 1060, unter [X.]b [X.]).

b) Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Rechtsverstoß im Geschäftsverteilungsplan geeignet ist, die Sachlichkeit der Entscheidungsfindung in Frage zu stellen. Denn der absolute Revisionsgrund des § 119 Nr. 1 [X.]O (vgl. auch § 547 Nr. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO-- und § 138 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung --[X.]--) dient insbesondere dazu, das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Sachlichkeit der Gerichte zu sichern ([X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 119 [X.]O, Rz 19; [X.] in Gosch, [X.]O § 119 Rz 27; vgl. [X.] in [X.], ZPO, 7. Aufl. 2017, § 547 Rz 7; [X.] in [X.]/ [X.]/[X.]/von [X.], [X.], 7. Aufl. 2018, § 138 Rz 2).

2. Stehen [X.] nur mit einem Teil ihrer Arbeitskraft einem Spruchkörper zur Verfügung, muss der Geschäftsverteilungsplan erkennen lassen, mit welchem Bruchteil seiner Arbeitskraft der [X.] dem jeweiligen Spruchköper zugewiesen ist. Nimmt z.B. ein Hochschullehrer auch richterliche Aufgaben wahr, so muss bereits im Geschäftsverteilungsplan berücksichtigt werden, dass und inwieweit er durch seine Tätigkeit als Hochschullehrer verhindert ist, die richterlichen Aufgaben zu erfüllen ([X.] vom 24. Oktober 1973  2 StR 613/72, BGHSt 25, 239, Leitsatz). Dies gilt auch für [X.], denen ein [X.]amt an einem anderen Gericht auf der Grundlage von § 27 Abs. 2 des Deutschen [X.]gesetzes ([X.]) übertragen ist ([X.]/ [X.], Gerichtsverfassungsgesetz, 9. Aufl. 2018, § 21e Rz 138). Es ist dann der Tätigkeitsumfang für die richterlichen Aufgaben unter Bestimmung des Anteils der Arbeitskraft im Geschäftsverteilungsplan kenntlich zu machen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 4 [X.]O Rz 84; ebenso [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 4 [X.]O Rz 19; [X.]/[X.], Arbeitsgerichtsgesetz, 5. Aufl. 2018, § 6a Rz 79; [X.]/ Lückemann, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 21e GVG Rz 8; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 21e Rz 138).

3. Lässt der Geschäftsverteilungsplan nicht erkennen, mit welchem Bruchteil seiner Arbeitskraft der [X.] dem jeweiligen Spruchköper zugewiesen ist, führt dies beim Präsidenten eines [X.], der zugleich Präsident eines Gerichts einer anderen Gerichtsbarkeit ist, zu einem Besetzungsmangel i.S. von § 119 Nr. 1 [X.]O.

a) Dem Vertrauen in die Sachlichkeit der Gerichte (s. oben [X.]) kommt im Rahmen einer [X.] wie der in [X.] Eigenständigkeit durch Art. 95 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abgesicherten Finanzgerichtsbarkeit (vgl. § 1 [X.]O; vgl. dazu auch [X.] in Maunz/ [X.], GG, Art. 95 Rz 74) gesteigerte Bedeutung zu. Denn mit der Einrichtung einer besonderen [X.] verbindet sich die Erwartung einer Rechtsschutzgewährung durch für die Rechtsmaterien der [X.] besonders qualifizierte [X.]. Diese "Qualität des finanzgerichtlichen Rechtsschutzes" ([X.] in [X.], § 1 [X.]O Rz 24) wird institutionell durch den Einsatz von [X.]innen und [X.]n an den Finanzgerichten gewährleistet, die nach dem [X.]recht nur an ihrem jeweiligen [X.] als "einem bestimmten Gericht" i.S. von § 27 Abs. 1 [X.], nicht aber zugleich auch an anderen Gerichten tätig sind.

Bestätigt wird dies durch § 27 Abs. 2 [X.]. Denn die danach grundsätzlich mögliche Übertragung eines weiteren [X.]amts bei einem anderen Gericht, "soweit ein Gesetz dies zuläßt", ist in der [X.]O nicht vorgesehen. Die §§ 1 ff. [X.]O enthalten weder eine § 59 Abs. 2 GVG ähnliche Anordnung, wonach den [X.]n eines [X.] gleichzeitig ein weiteres [X.]amt bei einem Amtsgericht übertragen werden kann, noch Regelungen wie in § 16 [X.]. Danach können bei dem [X.] und bei dem Verwaltungsgericht auf Lebenszeit ernannte [X.] anderer Gerichte und ordentliche Professoren des Rechts für eine bestimmte [X.] von mindestens zwei Jahren, längstens jedoch für die Dauer ihres Hauptamts, zu [X.]n im Nebenamt ernannt werden (ebenso § 11 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes).

b) Die an die richterliche Tätigkeit zu stellenden Anforderungen treffen auch den Präsidenten eines [X.].

aa) Der Präsident des [X.] hat den Vorsitz in einem der Senate seines [X.] zu übernehmen. Nach § 5 Abs. 1 [X.]O bestehen die Finanzgerichte aus dem Präsidenten, den Vorsitzenden [X.]n und weiteren [X.]n in erforderlicher Anzahl, wobei von der Ernennung eines Vorsitzenden [X.]s abgesehen werden kann, wenn bei einem Gericht nur ein Senat besteht. Letzteres ermöglicht die Errichtung eines [X.] mit nur einem Senat ([X.] in [X.], § 5 [X.]O Rz 24), dem dann der Präsident vorsitzt.

Dementsprechend ordnet § 4 [X.]O i.V.m. § 21e Abs. 1 Satz 3 GVG an, dass der Präsident bestimmt, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Ihm steht dabei nur die Wahl offen, in welchem von mehreren Senaten er den Vorsitz übernimmt. Den Umfang seiner Tätigkeit als Vorsitzender kann der Präsident nicht selbst bestimmen ([X.] in [X.], § 4 [X.]O Rz 79).

[X.]) Der gesetzlichen Verpflichtung des Präsidenten, den Vorsitz in einem Senat seines [X.] zu übernehmen, liegt das Leitbild des [X.]präsidenten zugrunde, dem nicht nur die Aufgaben der Dienstaufsicht und Gerichtsverwaltung (§ 31 [X.]O) obliegen und der sich daher nicht auf die bloße Rolle einer um Effizienz bemühten Führungskraft beschränken darf ([X.] in [X.], § 10 [X.]O Rz 7), sondern der --wie alle anderen [X.]enden-- den erforderlichen richtungsweisenden Einfluss auf die Rechtsprechung seines Senats ausüben muss ([X.] vom 19. Juni 1962 [X.], [X.], 210, Leitsatz; bestätigt durch [X.] vom 23. August 2016 X ARZ 292/16, juris). Dies gilt im gesteigerten Maße für den [X.]enden einer [X.] (vgl. § 1 [X.]O) im Hinblick auf die besonderen Anforderungen, die hier an die fachliche Qualifikation zu stellen sind (s. oben II.3.a).

c) [X.] eines [X.]-Präsidenten vorliegende Häufung von Ämtern in zwei Gerichtsbarkeiten, die keine Überschneidungen in ihren spruchrichterlichen Zuständigkeitsbereichen aufweist, ist geeignet, das Vertrauen in die Sachlichkeit der Entscheidungsfindung der finanzgerichtlichen [X.] zu beeinträchtigen. Denn eine [X.]schaft bei einem [X.] und einem weiteren Gericht führt dazu, dass dem Präsidenten die Dienstaufsicht und Gerichtsleitung bei zwei Gerichten sowie der [X.] in mindestens zwei Senaten --jeweils einem Senat bei dem jeweiligen Gericht-- obliegt. Folge dieses Tätigkeitsumfangs ist, dass der [X.] rechtsprechende Aufgaben in seinem Senat im [X.] nur noch sehr eingeschränkt wahrnehmen kann. Denn der [X.] kann zwangsläufig nicht allen Aufgaben im Rahmen der --auch für ihn begrenzten-- Arbeitskraft nachkommen (zutreffend Roller/ [X.], Neue [X.]schrift für Verwaltungsrecht 2015, 401, 403).

Einem damit einhergehenden Verlust in das Vertrauen in die Sachlichkeit der Entscheidungsfindung kann nur dadurch vorgebeugt werden, dass der Geschäftsverteilungsplan erkennen lässt, mit welchem Bruchteil seiner Arbeitskraft der [X.] seinem Senat am [X.] zugewiesen ist (s. oben II.2.), so dass dann auch überprüft werden kann, ob der Präsident spruchrichterlichen Tätigkeiten im erforderlichen Umfang nachkommt, um die fachgerichtlichen Anforderungen zu erfüllen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Zuweisung eines Präsidenten zur Senatsarbeit im [X.] mit weniger als 50 % seiner gesamten Arbeitskraft im Hinblick auf eine von ihm angenommene Präsidentschaft bei einem Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit mit dem Leitbild des [X.]präsidenten eines [X.] (s. oben [X.] [X.]) nicht vereinbar ist.

d) Der erkennende Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die vorstehenden Bedenken gegen die Sachlichkeit der Entscheidungsfindung nicht durchgreifen, wenn [X.] eines [X.] Aufgaben der Justizverwaltung an ihrem eigenen Gericht --sei es als Präsident oder in anderer Funktion (§ 21e Abs. 6 GVG)-- wahrnehmen. Gleiches gilt für einen Doppelvorsitz in zwei Senaten eines Gerichts mit übereinstimmenden Zuständigkeitsbereichen, den die Rechtsprechung für Übergangszeiträume nicht beanstandet hat (vgl. hierzu BVerfG-Beschluss vom 23. Mai 2012  2 BvR 610/12, Neue Juristische Wochenschrift 2012, 2334, unter I[X.]d).

Nicht zu entscheiden hat der erkennende Senat zudem unter welchen Voraussetzungen in anderen Fällen als der Ermöglichung einer [X.]schaft der Vorsitz in einem Senat in Teilzeit aus z.B. familiären Gründen (vgl. hierzu § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der [X.]verwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des [X.] zur sog. Familienfreundlichkeit --BGleiG-- oder § 1 des [X.] im öffentlichen Dienst des [X.] --GlG-- Gesetz- und Verordnungsblatt für [X.] 2016, 550) unter Wahrung zwingender dienstlicher Belange (§ 6 Abs. 1 Satz 4 BGleiG, § 7 Abs. 2 GlG) geführt werden könnte. Die Vorschriften über die Gleichstellung von Frauen und Männern dienen jedenfalls ersichtlich nicht dazu, eine Ämterhäufung in einer Person zu ermöglichen.

4. Damit liegt der vom [X.] geltende Besetzungsmangel i.S. von § 119 Nr. 1 [X.]O vor.

Im Streitfall wurde die angegriffene Entscheidung des [X.] unter dem Vorsitz des Präsidenten des [X.] gefällt, der zugleich Präsident eines [X.] ist und der nach den im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Geschäftsverteilungsplänen des [X.] und des [X.] den Vorsitz in insgesamt fünf Senaten führte.

Der im maßgeblichen [X.]punkt der Entscheidung für das [X.] geltende Geschäftsverteilungsplan 2017 (vgl. hierzu [X.]-Urteil vom 14. November 1995 VIII R 3/95, [X.], [X.], [X.]/NV 1996, 481, unter [X.]) enthielt nicht den erforderlichen Vermerk zum Umfang der Arbeitskraft, die der Präsident der Senatsarbeit widmete. Bereits im Hinblick hierauf ist in Bezug auf seine Person die Sachlichkeit der Entscheidungsfindung nicht hinreichend gewährleistet, so dass das [X.] insoweit nicht ordnungsgemäß besetzt war. Damit ist nicht zu entscheiden, ob eine [X.]schaft bei einem [X.] und einem Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit überhaupt mit der [X.]O vereinbar ist.

5. Der erkennende Senat weist die Sache an das [X.] zurück (§ 116 Abs. 6 [X.]O). Dieses hat nunmehr erneut unter Anwendung der im Geschäftsverteilungsplan für [X.]ende vorgesehenen Vertretungsregelung zu entscheiden. Für das weitere Verfahren weist der erkennende Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

a) Im Streitfall geht es um ein sog. [X.], das der Gesetzgeber mit der Neufassung von § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 des [X.] ([X.]) vom 21. Dezember 1993 ([X.] 1993, 2310) missbilligt hat (vgl. hierzu [X.]-Urteil vom 1. März 2018 V R 35/17, [X.]E 261, 380). Während aufgrund der Neuregelung eine Klinikerrichtung mit Vorsteuerabzug und steuerpflichtiger Vermietung an den Klinikbetreiber nicht mehr in Betracht kommt, war dies im Rahmen der Vorschaltung einer Zwischengesellschaft (hier: GbR) nach alter Rechtslage möglich. Die GbR konnte dieses nach alter Rechtslage bestehende Gestaltungsmodell unter Anwendung der Übergangsregelung in § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG bei der Vermietung an die Klägerin in Anspruch nehmen, um das Entstehen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigender Vorsteuerbeträge zeitlich zu strecken.

b) Die GbR optimierte das nach alter Rechtslage zulässige [X.] durch die zusätzliche Vereinbarung möglichst geringer Mietentgelte, die zu einer entsprechend geringen Umsatzsteuerbelastung bei der Klägerin als Mieterin, die als steuerfreie Klinikbetreiberin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt war, führten. Die Untergrenze des umsatzsteuerrechtlich zwischen nahestehenden Personen zulässigen Mietzinses ergab sich dabei aus § 10 Abs. 5 UStG, der nach der in den Streitjahren bestehenden Rechtslage vor Änderung des § 10 Abs. 4 UStG durch Art. 5 Nr. 7 des Gesetzes zur Umsetzung von [X.] in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften ([X.] --[X.]--) vom 9. Dezember 2004 ([X.] 2004, 3310) mit Wirkung zum 1. Juli 2004 bei Leistungen zwischen nahestehenden Personen eine Entgeltbemessung auf bloßer Kostengrundlage zuließ.

c) Nach dem Urteil des [X.] ergibt sich eine den Wertungen des materiellen Rechts widersprechende Doppelbesteuerung, die einen [X.] gebieten soll, daraus, dass die nachträglichen Herstellungskosten für die unterjährig fertiggestellten Maßnahmen bereits die [X.] zum jeweiligen Jahresanfang erhöhten und damit zu einer bereits zum Jahresanfang erhöhten [X.] für die Vermietung führten. Eine "Mehr-Umsatzsteuer" sei für die Einbeziehung der [X.]-Beträge vor der tatsächlichen Verwendung berechnet und gleichwohl in dieser Höhe eine Vorsteuerberichtigung vorgenommen worden. Dies erscheint in mehrfacher Hinsicht zweifelhaft.

aa) Das [X.] hat außer Betracht gelassen, dass der Gesetzgeber durch die Neuregelung in § 9 Abs. 2 UStG durch Art. 20 Nr. 9 [X.] das von der GbR in Zusammenwirkung mit der Klägerin durchgeführte [X.] missbilligt hat und nach den Wertungen des im Streitjahr 2004 geltenden materiellen Rechts kein Recht auf Vorsteuerabzug bei einer Nutzung für einen steuerfreien Klinikbetrieb bestand, so dass sich die Frage nach einem [X.] der aufgrund einer Vorsteuerberichtigung geschuldeten Steuer bereits mangels Vorsteuerabzugs nicht stellt. Dass GbR und Klägerin das [X.] im Rahmen der Übergangsregelung nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG gleichwohl bis zur [X.] im Streitjahr durchführen konnten, ändert an den materiellen Wertungen auf der Grundlage der im Streitjahr bestehenden Rechtslage nichts.

[X.]) Rechtsfehlerhaft könnte weiter die Annahme einer Verknüpfung zwischen der [X.] nach § 10 Abs. 5 und Abs. 4 Nr. 2 UStG und der Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG sein. Denn diese besteht erst aufgrund der Änderung des § 10 Abs. 4 UStG durch Art. 5 Nr. 7 [X.], das erst kurze [X.] vor der [X.] in [X.] getreten ist und daher das für den [X.] zugrunde liegende Mietverhältnis fast völlig ohne Bedeutung war. Bis zu dieser gesetzlichen Neuregelung bestimmte sich die [X.] ohne Verknüpfung mit den Berichtigungszeiträumen des § 15a UStG nach sog. Kosten, die anhand der [X.] bestimmt wurden. Eine Verknüpfung, die eventuell Grundlage für die Annahme einer Doppelbesteuerung sein könnte, käme demgegenüber allenfalls für Besteuerungszeiträume in Betracht, in denen sich die [X.] gemäß § 10 Abs. 5 und Abs. 4 Nr. 2 UStG auf der Grundlage der Berichtigungszeiträume des § 15a UStG bestimmt, was im Streitfall aber nur für die letzten Monate der zehnjährigen Vermietung zutreffen dürfte und dann einen [X.] nicht rechtfertigen würde.

cc) Schließlich erscheint es fragwürdig, ein Steuergestaltungsmodell, mit dem das Entstehen nichtabzugsfähiger Vorsteuerbeträge zeitlich gestreckt wurde, weitergehend im Wege eines [X.]es zu optimieren.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

V B 34/17

14.03.2019

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 19. Januar 2017, Az: 2 K 257/13, Urteil

§ 1 FGO, § 4 FGO, § 5 Abs 1 FGO, § 119 Nr 1 FGO, § 21e GVG, § 27 DRiG, § 9 Abs 2 UStG 1999, § 10 Abs 5 UStG 1999, § 15a UStG 1999

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.03.2019, Az. V B 34/17 (REWIS RS 2019, 9360)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 1326 REWIS RS 2019, 9360

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