Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.12.2012, Az. 4 B 16/12

4. Senat | REWIS RS 2012, 610

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anforderungen an die Rüge gegen eine unzulässige Überraschungsentscheidung


Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich nicht, dass das angefochtene Urteil auf den geltend gemachten Verfahrensfehlern beruht.

2

1. Die Klägerin hält dem Oberverwaltungsgericht vor, seiner sich aus § 86 Abs. 1 VwGO ergebenden Pflicht zur Erforschung des entscheidungserheblichen Sachverhalts in verschiedener Hinsicht nicht gerecht geworden zu sein und gegen Denkgesetze verstoßen zu haben. Ihre Rüge greift nicht durch.

3

a) Die Klägerin bemängelt, dass das Oberverwaltungsgericht den Gutachter S... in der mündlichen Verhandlung nicht zu den [X.] befragt hat, die sich für die Objekte A und [X.] erzielen lassen ([X.]eschwerdebegründung S. 8). Das Oberverwaltungsgericht hat von einer [X.]efragung abgesehen, weil es den Vortrag der Klägerin für unplausibel gehalten hat, dass die Kaltmiete der sanierten Räume nur noch 4,09 € je qm betragen soll, während sie in unsaniertem Zustand noch 5,00 € je qm betrug, und unterstellt hat, dass auch dort eine Kaltmiete von 6,50 € je qm zu erzielen sei, wie dies der Gutachter S... für die Geschosse 1 bis 4 im sanierten [X.] angenommen habe ([X.]). Die Klägerin zeigt nicht auf, dass die vorinstanzliche Argumentation fehlerhaft ist, und legt auch nicht dar, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der vermissten Sachverständigenanhörung voraussichtlich getroffen worden wären. Ihre Rüge entspricht deshalb nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO (vgl. [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - NJW 1997, 3328).

4

b) Die Klägerin kritisiert ferner, dass das Oberverwaltungsgericht die Kosten für die Sanierung der [X.] und [X.] nicht von den Erträgen abgezogen hat, die durch die Vermietung der Gebäude erwirtschaftet werden können ([X.]eschwerdebegründung S. 9). Sie kleidet ihren Vorwurf zwar in das Gewand der Aufklärungsrüge, beanstandet jedoch in Wahrheit eine fehlerhafte Rechtsauffassung der Vorinstanz. Damit lässt sich ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht dartun.

5

Die Klägerin sieht einen Verstoß gegen Denkgesetze darin, dass das Oberverwaltungsgericht bei der [X.]erechnung der Rückstellungen für (größere) Reparaturen den Wert der [X.] und [X.] mit ca. 728 000 € beziffert habe, obwohl die Gebäude in den Jahren 2004 bis 2007 mit einem Kostenaufwand von ca. 2 750 000 € umgebaut und saniert worden seien ([X.]eschwerdebegründung S. 9). Außerdem hätte die Vorinstanz den Wert mangels eigener Sachkunde durch einen Gutachter ermitteln lassen müssen ([X.]eschwerdebegründung S. 10). Durch ihr Versäumnis habe sie § 86 Abs. 1 VwGO verletzt. Diese [X.] verhelfen der [X.]eschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg.

6

Das Oberverwaltungsgericht hat den Wert der [X.] und [X.] in unsaniertem Zustand auf 728 000 € taxiert ([X.] f.). In die [X.]erechnung der [X.]ewirtschaftungskosten der Gebäude in saniertem Zustand hat es einen [X.]etrag für Rücklagen auf der [X.]asis des Werts der unsanierten Gebäude eingestellt (1 % des auf die Gebäude entfallenden restlichen [X.] von ca. 728 000 €; [X.]). Der Vorwurf der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe denkgesetzwidrig außer [X.] gelassen, dass sich eine Gebäudesanierung werterhöhend auswirken müsse, geht daher an dem angefochtenen Urteil vorbei. Dass das Oberverwaltungsgericht auf den Wert der unsanierten Gebäude abgestellt hat, kritisiert die Klägerin als fehlerhaft ([X.]eschwerdebegründung S. 10). Ob ihre Kritik berechtigt ist, kann offen bleiben; denn der [X.]ereich der Tatsachenfeststellung ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt rechtlich verfehlt sein sollte (Urteil vom 25. März 1987 - [X.]VerwG 6 [X.] 10.84 - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 183; stRspr). Auf der Grundlage seines rechtlichen Ansatzes hatte das Oberverwaltungsgericht keinen Anlass, den Wert der [X.] und [X.] nach deren Sanierung zu ermitteln.

7

c) Die Klägerin sieht ein weiteres [X.] darin, dass das Oberverwaltungsgericht auf weitere Untersuchungen zu den heutigen Sanierungskosten verzichtet hat ([X.]eschwerdebegründung S. 10). Soweit sich die Aufklärungsrüge auf die Sanierungskosten für das [X.] bezieht, fehlt es an der Darlegung, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen im Einzelnen in [X.]etracht gekommen wären - die [X.]ehauptung, es hätten "die [X.]esonderheiten der Gebäude, die notwendigen Unterhaltungsmaßnahmen und auch die zwischenzeitlich erfolgten Änderungen konkret ermittelt werden" müssen, reicht nicht aus - , welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer der Klägerin günstigeren Entscheidung hätte führen können. Soweit die Aufklärungsrüge die Sanierungskosten für die [X.] und [X.] betrifft, geht sie ins Leere, weil diese Kosten aus Sicht des [X.] nicht entscheidungserheblich sind.

8

d) Nach Ansicht der Klägerin liegt ein Aufklärungsmangel schließlich darin, dass das Oberverwaltungsgericht ihrem Antrag nicht entsprochen hat, das [X.] in Augenschein zu nehmen ([X.]eschwerdebegründung S. 13). Die Klägerin legt jedoch nicht dar, welche Feststellungen das Gericht hätte treffen können und weshalb die Feststellungen dem Gericht die Überzeugung hätten vermitteln können, dass die ortsübliche Miete für eine [X.]üronutzung nicht zu erzielen sei. Der Vortrag, "(d)urch eine solche Ortsbesichtigung hätte sich das Gericht insbesondere davon überzeugen können, dass die vom Gutachter entscheidungserheblich unterstellte Möglichkeit, für eine [X.]üronutzung eine ortsübliche Miete zu erhalten, nicht besteht", genügt den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.

9

2. Nach Ansicht der Klägerin handelt es sich bei dem [X.]erufungsurteil um eine unzulässige "Überraschungsentscheidung". Das Oberverwaltungsgericht habe in mehreren Punkten den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt. Auch diese Rüge führt nicht zur Zulassung der Revision.

a) Die Klägerin fühlt sich vom Oberverwaltungsgericht dadurch in die Irre geleitet, dass der [X.]erichterstatter mit Verfügung vom 26. November 2007 angekündigt habe, der Senat beabsichtige, [X.]eweis zu erheben über die voraussichtlichen Kosten für eine Sanierung des [X.]es und ggfs. weiterer zu vermietender Gebäude auf dem klägerischen Grundbesitz und die zu erwartenden Erträge durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, der [X.]eweisbeschluss jedoch nur für das [X.] erging und danach über die Erträge der [X.] und [X.] nicht mehr gesprochen worden sei. Sie habe deshalb davon ausgehen dürfen, dass das Oberverwaltungsgericht allein auf die Erträge abstellen würde, die das [X.] abwerfe ([X.]eschwerdebegründung S. 16).

Der Senat geht zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass das Oberverwaltungsgericht mit seinem Urteil die Klägerin unzulässig überrascht hat. Gleichwohl kann die Revision nicht zugelassen werden. Wenn sich die Rüge - wie hier - auf einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte bezieht, erfordert sie die substantiierte Darlegung dessen, was der [X.]eteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. [X.]eschluss vom 22. April 1999 - [X.]VerwG 9 [X.] 188.99 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 44; [X.]eschluss vom 18. Juli 2002 - [X.]VerwG 4 [X.] 17.02 -). Daran fehlt es hier. Die Klägerin beschränkt sich auf die bloße [X.]ehauptung, sie hätte bei ausreichender Gehörsgewährung "ergänzend vorgetragen" ([X.]eschwerdebegründung S. 22).

b) Die Ausführungen des [X.] zu den in Abzug zu bringenden steuerlichen Vorteilen machen das [X.]erufungsurteil nicht zu einer unzulässigen Überraschungsentscheidung. Die Klägerin räumt ein, vom Oberverwaltungsgericht zur Vorlage von Steuerbescheiden aufgefordert worden zu sein, dieser Aufforderung aber nicht Folge geleistet zu haben ([X.]eschwerdebegründung S. 17 f.). Mit der naheliegenden, wenn nicht gar zwingenden Konsequenz, dass das Oberverwaltungsgericht die Höhe der steuerlichen Vorteile schätzen würde ([X.]), musste sie ohne Weiteres rechnen. Eines vorherigen Hinweises des [X.], welche Folgerungen es aus der Nichtvorlage der Steuerbescheide zu ziehen gedenke, bedurfte es nicht (vgl. [X.]eschluss vom 26. Juni 1998 - [X.]VerwG 4 [X.] 19.98 - NVwZ-RR 1998, 711). Der Einwand der Klägerin, sie habe die [X.]escheide nicht beigebracht, weil sie für die Entscheidung "offensichtlich ohne jede [X.]edeutung sind", ist unbeachtlich. Entscheidend ist, dass die gegenteilige Rechtsauffassung des [X.] für die Klägerin erkennbar war.

c) Es führt ebenfalls nicht auf eine unzulässige Überraschungsentscheidung, dass das Oberverwaltungsgericht bei den Kosten der [X.]ewirtschaftung des [X.]es die [X.]etriebskosten nicht eingerechnet hat ([X.]eschwerdebegründung S. 19). Nachdem bereits der Sachverständige K... in seinem Gutachten keine [X.]etriebskosten in die [X.]ewirtschaftungskosten aufgenommen hatte und die Klägerin mit ihrem in der mündlichen Verhandlung gestellten [X.]eweisantrag gescheitert war, zu den [X.]etriebskosten ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen ([X.]), konnte sich die Klägerin auch ohne vorsorgenden gerichtlichen Hinweis ein [X.]ild davon machen, wie sich das Oberverwaltungsgericht zu dem Thema [X.]etriebskosten mutmaßlich äußern werde.

d) Die Klägerin sieht das [X.]erufungsurteil ferner als unzulässige Überraschungsentscheidung an, weil das Oberverwaltungsgericht sie so behandelt habe, als habe sie von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln für die Erhaltung des denkmalgeschützten [X.]es in Anspruch zu nehmen ([X.]). Sie habe im Einzelnen dargelegt, warum es aussichtslos gewesen wäre, einen Zuwendungsantrag zu stellen. Das Oberverwaltungsgericht habe in der Folgezeit nicht erkennen lassen, dass es das Nichtstellen von Förderanträgen zu Lasten der Klägerin auslegen werde ([X.]eschwerdebegründung S. 20).

Das Schweigen des [X.] begründet keinen Gehörsverstoß. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht weder zu einem [X.] noch dazu, seine Rechtsauffassung den [X.]eteiligten vorher anzudeuten oder seine mögliche spätere [X.]eweiswürdigung mitzuteilen ([X.]VerfG, [X.] vom 10. April 1987 - 1 [X.]vR 883/86 - D[X.] 1987, 2287 <2288>). Etwas anderes mag gelten, wenn das Oberverwaltungsgericht einer Rechtsauffassung zuneigt, mit der ein gewissenhafter und sachkundiger Prozessbeteiligter - selbst unter [X.]erücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Die Auffassung des [X.], ein Denkmaleigentümer könne sich dann nicht mit dem Einwand entlasten, ein Förderantrag habe nach seiner Einschätzung keine Aussicht auf Erfolg, wenn eine Förderung nicht ausgeschlossen sei, hatte zuvor schon das [X.] vertreten ([X.], Urteil vom 26. Mai 2004 - 8 A 12009/03 - [X.]auR 2005, 535). Und dass ein solcher Sachverhalt hier vorliegt, war der Klägerin bekannt, weil der [X.]eklagte während des Prozesses auf verschiedene, im Einzelnen bezeichnete Möglichkeiten hingewiesen hatte, wie die Erhaltung und Sanierung des [X.]es von dritter Seite finanziell gefördert werden könnten ([X.] f.).

Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

Meta

4 B 16/12

10.12.2012

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 15. Dezember 2011, Az: 2 L 152/06, Urteil

§ 86 Abs 3 VwGO, § 108 Abs 1 VwGO, § 108 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.12.2012, Az. 4 B 16/12 (REWIS RS 2012, 610)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 610

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 B 12.79 (VGH München)

Wirtschaftliche Zumutbarkeit der Erhaltung eines Baudenkmals


5 BN 1/18 (Bundesverwaltungsgericht)

Zurückweisung einer Nichtzulassungsbeschwerde


5 K 1767/20 (Verwaltungsgericht Gelsenkirchen)


6 B 55/14 (Bundesverwaltungsgericht)

Regionale Schulentwicklung; Schülerzahlprognose


4 B 22/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Zur nachträglichen Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen; Zulassungsanspruch aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.