Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2000, Az. IX ZR 251/99

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 2652

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:30. März 2000PreußJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein ZPO § 418 Abs. 2Zur Führung des [X.] gegen die Richtigkeit des Eingangsstempelsbei Einwurf eines Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten des Gerichts.[X.], Urteil vom 30. März 2000 - [X.] - [X.] ZweibrückenLG Kaiserslautern- 2 -Der IX. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 30. März 2000 durch [X.] Paulusch und [X.] Dr. Kreft, [X.], Kirchhof und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] [X.] vom 15. Juni1999 aufgehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Der Kläger nimmt die Beklagten mit der Begründung auf [X.] Anspruch, sie hätten als von ihm beauftragte Rechtsanwälte im Jahre 1984verspätet Widerspruch gegen einen [X.] eingelegt und es so-dann versäumt, einen aussichtsreichen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen.Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger - [X.] - Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der [X.] zum 22. März 1999 hat er mit einem Schriftsatz seines Prozeßbevollmäch-tigten von diesem Tage die Berufung begründet. Der Eingangsstempel des- 3 -[X.]s enthält folgenden Vermerk: "Dem Nachtbriefkasten [X.] am 23. März 99. ... Eingegangen nach 24.00 Uhr des 22. März 1999".Nach einem schriftlichen, beim [X.]n des [X.] am25. März 1999 eingegangenen Hinweis der Senatsvorsitzenden auf jenes [X.] hat der Kläger vorgetragen, sein [X.]r habe [X.] März 1999 zusammen mit dessen Mitarbeiterin bis etwa 22.30 Uhr an [X.] gearbeitet. Die Mitarbeiterin habe in Anwesenheit des [X.] um 22.50 Uhr die Kanzlei verlassen und sei mit dem [X.] 300 m entfernten [X.] gefahren, wo sie ihn zusammen miteinem weiteren Schriftsatz - dieser enthält einen gleichlautenden Eingangs-stempel - in den Nachtbriefkasten eingeworfen habe. Gleichzeitig hat der Klä-ger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur [X.] Vorbringens hat er eidesstattliche Versicherungen seines [X.] und von dessen Mitarbeiterin S. sowie der Buchhalterin [X.]. Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.] als unzulässigverworfen. Dagegen richtet sich dessen Revision.Entscheidungsgründe:Die nach § 547 ZPO zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Auf-hebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache andas Berufungsgericht.- 4 -I.Das Berufungsgericht hat sich vom rechtzeitigen Eingang der [X.] nicht überzeugen können. Es hat dazu ausgeführt, eine Aus-kunft des [X.] habe ergeben, daß dieser am Morgen des23. März 1999 bei der Entnahme der Post aus dem [X.] gemacht habe. [X.] habe sich noch konkret daran erinnert, daß sich anjenem [X.] sowohl in dem Fach für den Einwurf vor 24.00 Uhr als auchin demjenigen für die [X.] danach befunden habe. Für die allgemeine Mutma-ßung des [X.], das Personal bei Gericht sei nicht immer das zuverlässigste,gebe es keine konkrete Grundlage. Durch die vom Kläger vorgelegten eides-stattlichen Versicherungen sei der durch den Eingangsstempel begründeteBeweis für den Eingangszeitpunkt nicht widerlegt. Die Kanzleimitarbeiterin S.habe nicht näher und nachvollziehbar begründet, warum sie zu der Überzeu-gung gelangt sein will, daß sie die Post noch lange vor Mitternacht eingeworfenhabe. Der Hinweis (der Buchhalterin [X.]) auf die in den Kanzleiräumen hän-gende große Wanduhr überzeuge nicht, weil nach der Darstellung des Pro-zeßbevollmächtigten des [X.] diese Uhr am nächsten Tag wegen leererBatterien ausgefallen sei. Der [X.] selbst habe es [X.] möglich gehalten, daß die Uhr schon am Abend des 22. März 1999 langsa-mer gelaufen sei. Die Angabe der Frau [X.], sie habe sich, nachdem sichFrau S. - gegen 22.45 Uhr - entfernt habe, noch eine gute Stunde in denKanzleiräumen aufgehalten und sodann noch vor Mitternacht an einem Geld-automaten Geld abgehoben, könne nicht richtig sein, wenn man [X.], daß sie noch den Weg zu dem Geldautomaten habe zurücklegen müssen.Sie und der [X.] des [X.] hätten im übrigen weder mit-- 5 -geteilt, wo sich der Geldautomat befinde, noch über die Abhebung irgendwel-che Belege vorgelegt.[X.] Beweiswürdigung greift die Revision mit Erfolg als [X.] [X.] Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht davonausgegangen werden, daß die Berufung verspätet begründet worden [X.]) Die rechtzeitige Begründung einer Berufung ist Voraussetzung fürderen Zulässigkeit. Ob die Berufung zulässig ist oder nicht, haben sowohl [X.] wie auch das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ([X.],[X.]. v. 27. November 1996 - [X.], NJW 1997, 1312). Der [X.] ist, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat,eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO und erbringt den [X.] für den [X.]punkt des Eingangs und nicht nur, wie die Revision meint,dafür, daß der Schriftsatz der Person, die den Stempel angebracht hat, zu demdarin angegebenen [X.]punkt vorgelegen hat. Dieser Beweis kann jedoch ge-mäß § 418 Abs. 2 ZPO durch den Nachweis der Unrichtigkeit des im Eingangs-stempel ausgewiesenen [X.]punkts entkräftet werden. Dabei genügt freilichnicht bloße Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 Abs. 1 ZPO; die Rechtzei-tigkeit des Eingangs muß zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen [X.] 6 -den, wobei der sogenannte Freibeweis gilt (vgl. zu alledem [X.], [X.]. v.30. Oktober 1997 - [X.], NJW 1998, 461).b) Die bloße, in aller Regel nicht völlig auszuschließende Möglichkeit,daß ein Nachtbriefkasten aus technischen Gründen nicht richtig funktioniertoder bei der Abstempelung Fehler unterlaufen, reicht zur Führung des [X.] nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht aus. Auf der anderen Seite dürfen we-gen der Beweisnot der betroffenen Partei die Anforderungen an den [X.] nicht überspannt werden. Da der Außenstehende in der Regel keinenEinblick in die Funktionsweise des gerichtlichen [X.] sowie [X.] bei dessen Leerung und damit keinen Anhaltspunkt für etwaigeFehlerquellen hat, ist es zunächst Sache des Gerichts, die insoweit zur Aufklä-rung nötigen Maßnahmen zu ergreifen ([X.], Urt. v. 31. Mai 1995 - [X.]/94, [X.], 1467, 1468; [X.]/[X.], ZPO 21. Aufl. § 418 Rdnr. 4).Dem ist das Berufungsgericht insofern nachgekommen, als es eine [X.] eingeholt hat, der offenbar am Morgen des [X.] für die Leerung des [X.] und die Abstempelung der darinbefindlichen Schriftstücke zuständig war. [X.] reichte es, wie die [X.] Recht rügt, nicht aus, sich mit dessen Bestätigung zufrieden zu geben, erhabe "einen Fehler nicht gemacht" und könne sich konkret daran erinnern, daßdamals in beiden Fächern des [X.] Post gelegen habe. [X.] des Berufungsgerichts läßt sich nicht entnehmen, ob es [X.] von der allgemeinen Funktionsweise des [X.] hatte; es [X.] darüber informieren müssen, ob und gegebenenfalls welche Fehlerquellenvorhanden sind, ob es schon zu Störungen gekommen war und ob es etwa ins-besondere weitere Störfälle in der Nacht vom 22. zum 23. März 1999 gegebenhat (vgl. [X.], [X.]. v. 30. Oktober 1997 aaO [X.]). Auch der Frage, wie- 7 -die Leerung des [X.] im allgemeinen vor sich zu gehen pflegtund ob es Besonderheiten am Morgen des 23. März 1999 gegeben hat, hättenachgegangen werden müssen. Dabei wäre - auch darauf weist die Revisionmit Recht hin - aufzuklären gewesen, wie es kommt, daß die beiden Datums-stempel auf dem Schriftsatz vom 22. März 1999 ebenso wie auf dem weiteren,gleichzeitig in den Nachtbriefkasten eingeworfenen Schriftsatz des [X.] des [X.] in anderer Sache sich darin unterscheiden, [X.] der eine die Jahreszahl nur in der abgekürzten Form "99" ausweist.Schließlich fällt auf, daß die Stempel auf den beiden Schriftsätzen vom22. März 1999 anders als spätere über den Nachtbriefkasten [X.] des [X.]n des [X.] vom 19. Mai, 21. Mai und11. Juni 1999 ([X.], 149, 153, 162) offenbar nicht mit der Paraphe des nachden Ermittlungen des Berufungsgerichts für die Leerung am 23. März 1999 zu-ständigen [X.] versehen sind.c) Erst nach Aufklärung dieser Umstände wird es möglich sein, die Äu-ßerungen des [X.]n des [X.] und seiner Mitarbeiterinnenabschließend zu würdigen. Dabei hält es der Senat für angezeigt, diese Perso-nen als Zeugen zu vernehmen. Der Kläger hat inzwischen in einem nachSchluß der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nachgereichtenSchriftsatz die Vernehmung der Zeuginnen S. und [X.] auch beantragt.2. Sollte sich nach der somit erforderlichen weiteren Beweisaufnahmeergeben, daß der Gegenbeweis nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht geführt ist, sokäme auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im vorliegenden Fallnicht in Betracht. Zwar ist es grundsätzlich zulässig, für den Fall, daß der [X.] nach § 418 Abs. 2 ZPO nicht gelingt, Wiedereinsetzung mit der Be-- 8 -gründung zu beantragen, daß die Partei und ihren Prozeßbevollmächtigen [X.] an der Fristversäumung treffe ([X.], [X.]. v. 27. [X.] aaO S. 1313). Nach der Darstellung des [X.] hat hier jedoch sein[X.]r das Hinausgehen des Schriftsatzes bis zu dem [X.]-punkt, in dem seine Angestellte mit diesem die Kanzleiräume verließ, persön-lich überwacht. Daß erst danach der alsbaldige Einwurf des Schriftstücks inden Briefkasten durch irgendein nunmehr eingetretenes Ereignis verzögertworden wäre, hat der Kläger nicht nur nicht behauptet, sondern gerade in Ab-rede gestellt. Wenn gleichwohl ein verspäteter Einwurf als bewiesen anzuse-hen sein sollte, könnte das hiernach nur daran liegen, daß der Schriftsatz zuspät aus dem Machtbereich des [X.]n [X.] wäre nach dem vom Kläger geschilderten Geschehensablauf nicht ohneein Verschulden seines [X.]n denkbar.[X.] Senat sieht wegen der größeren Orts- und Sachnähe des [X.]s von eigenen Beweiserhebungen ab und verweist die Sache an- 9 -dieses zurück, damit zur Frage der Rechtzeitigkeit des Eingangs der [X.] die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werdenkönnen.PauluschKreft[X.]KirchhofFischer

Meta

IX ZR 251/99

30.03.2000

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2000, Az. IX ZR 251/99 (REWIS RS 2000, 2652)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2652

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