Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.10.2016, Az. AnwZ (Brfg) 31/16

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2016, 4535

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:041016[X.]ANWZ.[X.]RFG.31.16.0

[X.]UN[X.]SGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS
AnwZ ([X.]) 31/16
vom

4. Oktober 2016

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
-
2
-

Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat
durch die Präsidentin des [X.] [X.], die Richter
Dr. [X.]ünger
und
Dr. Remmert
sowie
die
Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Dr. Lauer

am
4. Oktober 2016
beschlossen:

Der Antrag des
[X.]
auf Zulassung der [X.]erufung gegen das am 15. April
2016 verkündete
Urteil des 1. Senats des Anwaltsge-richtshofs für das [X.] wird abgelehnt.

Der
Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des
Zulassungsverfahrens
wird auf 50.000

Gründe:

I.

Der
Kläger ist seit dem 7. Juli 1995
zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit [X.]escheid
vom 28. Oktober
2015
widerrief die [X.]eklagte die Zulassung des
[X.]
zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]). Die
Klage gegen den Widerrufsbescheid
hat der [X.] abgewiesen. Der
Kläger beantragt die
Zulassung der [X.]erufung
gegen das Urteil des [X.]s.

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II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Ernstliche Zweifel an der Rich-tigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2
[X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssi-gen Argumenten in Frage gestellt
wird (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 28. Oktober 2011 -
AnwZ ([X.]) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.

1. a) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der ge-setzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden. Dabei trifft
den Rechtsanwalt die Feststel-lungslast. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch [X.] voraus, dass der Rechtsanwalt
seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte [X.] verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 9. Februar 2015
-
AnwZ ([X.]) 46/14, juris Rn.
12; vom 17. März 2016 -
AnwZ ([X.]) 6/16, juris Rn. 4
und vom 22.
Juli 2016 -
AnwZ ([X.]) 63/15, juris Rn. 9;
jeweils mwN). Der Senat hat betont, dass besonderes Augenmerk der Frage gelten muss, ob die -
eine Gefährdung der Mandanten ausschließenden -
arbeitsvertraglichen [X.]eschränkungen vom ange-stellten Rechtsanwalt und seinen Arbeitgebern eingehalten werden, und hieraus 2
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abgeleitet, dass es nicht ausreicht, wenn ein solcher Vertrag
lediglich
vorgelegt wird; vielmehr muss der Vertrag schon über einen längeren Zeitraum beanstan-dungsfrei "gelebt"
worden sein (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 4. April 2012
-
AnwZ ([X.]) 62/11, juris Rn. 7 und vom 22. Mai 2013 -
AnwZ ([X.]) 73/12, juris Rn. 5).

Zudem erfordert die Annahme eines Ausnahmetatbestands neben den vorgenannten Voraussetzungen, dass der Rechtsanwalt seinen [X.]eruf bisher ohne jede [X.]eanstandung geführt hat (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18. Okto-ber 2010 -
AnwZ ([X.]) 21/10, juris Rn. 13; vom 3. Juni 2015 -
AnwZ ([X.]) 11/15, juris Rn. 8; vom 8. Juni 2016 -
AnwZ ([X.]) 18/16, juris Rn. 5 und vom 22.
Juli 2016 -
AnwZ ([X.]) 63/15 aaO Rn. 9; jeweils mwN).

b) Der [X.] hat die vorstehenden, in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Kriterien erkannt und zutreffend wiedergegeben. Er
hat dahinstehen lassen, ob
das Anstellungsverhältnis des [X.] bereits seit dem 15. Januar 2015 entsprechend den in der Zusatzvereinbarung und in der kanz-leiinternen Anweisung vom 30. September 2015 verschriftlichten [X.] geführt werde und
ob damit eine beanstandungsfreie Umsetzung des [X.] für den vom [X.]undesgerichtshof geforderten "längeren Zeit-raum"
gegeben sei. Der [X.]
hat einen Ausnahmetatbestand der trotz Vermögensverfalls
des Rechtsanwalts fehlenden Gefährdung der Interes-sen der Rechtsuchenden jedoch verneint, weil der Kläger den Anwaltsberuf bis zum Eintritt des Vermögensverfalls angesichts der Nichtweiterleitung [X.] nicht ohne jede [X.]eanstandung geführt habe und aufgrund des seinem Verhalten zugrunde liegenden Krankheitsbildes nicht sicher [X.] werden könne, ob er sich zukünftig beanstandungsfrei verhalten werde.

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Die hiergegen gerichteten [X.] des [X.] greifen nicht durch.

aa) Der [X.] hat hinsichtlich der -
nach der Senatsrecht-sprechung erforderlichen -
bisherigen beanstandungsfreien Ausübung des An-waltsberufs durch den Kläger zutreffend einen objektiven Maßstab herangezo-gen. Entgegen der Auffassung des [X.] kommt es nicht darauf an, ob er bei der
Nichtweiterleitung von [X.] schuldfähig war und ihm ein persönli-cher Schuldvorwurf gemacht werden kann.

Durch § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] werden die Interessen der [X.] geschützt. Liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift vor, muss die
Rechtsanwaltskammer die Zulassung im Interesse der Rechtsuchenden [X.]. Hierbei spielt es keine Rolle, welche Gründe zum Vermögensverfall ge-führt haben, insbesondere auch nicht, ob der Rechtsanwalt seinen Vermögens-verfall verschuldet hat (st. [X.].; vgl. nur [X.]eschlüsse vom 31. Mai 2010
-
AnwZ ([X.]) 54/09, juris Rn. 10; vom 4. Juli 2014 -
AnwZ ([X.]) 23/14, juris Rn. 7 und vom 3. Juni 2015 aaO
Rn. 7; jeweils mwN). Gleiches gilt für die Gefähr-dung der Interessen der Rechtsuchenden, die -
wie ausgeführt -
grundsätzlich mit dem Vermögensverfall des Rechtsanwalts verbunden ist. Auch insofern ist allein auf die objektiven Umstände abzustellen;
auch hier ist es ohne [X.]edeu-tung, ob der Rechtsanwalt seinen Vermögensverfall verschuldet hat. Denn die Interessen der Rechtsuchenden sind bei einem unverschuldeten Vermögens-verfall in gleichem Maße gefährdet wie bei einem vom Rechtsanwalt verschul-deten Vermögensverfall.

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Dementsprechend ist auch für das im Rahmen des vorgenannten [X.] bestehende (Teil-)Erfordernis der bisherigen [X.] Ausübung des Anwaltsberufs
ein objektiver Maßstab anzulegen. Für die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden spielt es keine Rolle, ob eine in der Vergangenheit dem Rechtsanwalt bei der [X.]erufsausübung unter-laufene Verfehlung im Zustand der Schuldfähigkeit oder der Schuldunfähigkeit begangen wurde. Die Verfehlung steht vielmehr als solche der Prognose ent-gegen, der Rechtsanwalt werde trotz seines Vermögensverfalls
nicht gegen die Interessen seiner Mandanten handeln.

bb) Der [X.]
ist zu Recht auch davon ausgegangen, dass aufgrund des dem Verhalten des [X.] zu Grunde liegenden Krankheitsbildes nicht sicher beurteilt werden kann, ob sich der Kläger zukünftig beanstandungs-frei verhalten wird.

(1) In Anbetracht der nicht beanstandungsfreien bisherigen [X.]erufsaus-übung des [X.] wäre eine solche sichere [X.]eurteilung erforderlich gewesen, um eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden auszuschließen. Sie wird, wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat, durch das
vom Klä-ger vorgelegte psychiatrische Gutachten nicht ermöglicht. Nach dem Gutachten (S. 27) waren massive [X.] die Ursache dafür, dass der Kläger seinen beruflichen Verpflichtungen nicht nachkam.
Es könne
nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Kläger in einer erneuten Er-krankungsphase wieder ähnliche Handlungen begehe, das heißt (unter ande-rem)
große Geldmengen ausgebe. Aufgrund der fortbestehenden [X.] und Persönlichkeitsproblematik bestehe
in [X.]ezug auf eine erneute de-pressive Phase eine nicht unerhebliche Rezidivgefahr
(Gutachten S. 29 ff.).

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Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger im Fall ei-ner erneuten depressiven Phase in sein früheres,
gegen die Interessen seiner Mandanten verstoßendes Verhalten zurückfällt.

(2) Der [X.] hat schließlich -
entgegen der Auffassung des [X.] -
auch nicht verkannt, dass ein [X.] wegen fehlender gesundheitlicher Eignung des
Rechtsanwalts aufgrund eines besonderen Ver-fahrens zu klären ist. Vorliegend handelt es sich nicht um einen
Widerruf der Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft aus gesundheitlichen Gründen gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3, § 15
[X.], sondern um einen
Widerruf wegen [X.] gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]. Das Krankheitsbild des [X.] ist nach den zutreffenden Ausführungen des [X.]s nicht der Grund für den Widerruf, sondern für die fehlende Möglichkeit der sicheren
Prognose eines künftigen beanstandungsfreien Verhaltens des [X.] trotz Vermögensverfalls.

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III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.],
§ 154 Abs. 2 VwGO,
die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2
Satz 1
[X.].

[X.]

[X.]ünger
Remmert

Schäfer
Lauer
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 15.04.2016 -
1 [X.] 48/15 -

14

Meta

AnwZ (Brfg) 31/16

04.10.2016

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.10.2016, Az. AnwZ (Brfg) 31/16 (REWIS RS 2016, 4535)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4535

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