Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. IV ZR 98/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1716

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 98/12

Verkündet am:

23. Oktober 2013

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

[X.] § 178 Abs. 2; [X.] Unfallversicherung (hier Nr. 1.3 [X.], entspricht Nr.
1.3 [X.] 2008, und Nr. 3 [X.], entspricht Nr. 3 [X.] 2008)

1.
Der Verzehr nusshaltiger Schokolade, in dessen Folge ein an einer schweren Nussallergie leidendes Kind verstirbt, stellt einen versicherten Unfall dar.

2.
Zur möglichen Mitwirkung einer außergewöhnlichen Nahrungsmittelallergie an den Unfallfolgen im Sinne von Nr. 3 [X.] (Nr. 3 [X.] 2008).

[X.], Urteil vom 23. Oktober 2013 -
IV ZR 98/12 -
OLG [X.]

[X.]

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-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die [X.] Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterin
[X.] und [X.] Karczewski
auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2013

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.]

14. Zivilsenat

vom 1.
März 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin fordert aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes dii-ner bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherung, welcher [X.] ([X.]) zugrunde liegen. Nach Nr.
2.6 [X.] ist der Versicherer verpflichtet, im Falle des Todes einer versicherten Person deren gesetzlichen Erben die Versicherungssumme zu zahlen.

Die Klägerin und ihr Ehemann sind die Eltern und gesetzlichen Er-ben der mitversicherten, am 24. Dezember 2009 im Alter von 15 Jahren verstorbenen K.

J.

.
Das Kind litt an einer angeborenen schweren 1
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Entwicklungsstörung (Trisomie 18, [X.] Syndrom), ferner an Asthma und diversen Allergien, wobei die Allergie gegen Nüsse am stärksten ausgeprägt war.

Am 24. Dezember 2009 erlitt K.

infolge einer heftigen allergi-schen Reaktion auf ein Nahrungsmittel zunächst eine starke Verschwel-lung der Atemwege und sodann einen tödlichen Kreislaufzusammen-bruch. Sie hatte
mehrere zur Dekoration des Weihnachtstisches verwen-dete Stücke
möglicherweise nusshaltiger Schokolade gegessen.

Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, weil K.

keinen bedin-gungsgemäßen Unfall erlitten habe. Jedenfalls sei die Versicherungsleis-tung
nach Nr. 3 [X.]
zu kürzen, weil die vorgenannten [X.] Beeinträchtigungen maßgeblich zum Eintritt des Todes beigetragen hätten.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil aufgeho-ben und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils, hilfsweise eine Kür-zung der vom [X.] zuerkannten Versicherungsleistung um mindestens 75%.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des Beru-fungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht;
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dieses muss darüber befinden,
ob und
zu welchem Anteil die Nahrungs-mittelallergie des mitversicherten Kindes an dessen Tod mitgewirkt hat.

[X.] Nach Auffassung des Berufungsgerichts war der versehentliche Verzehr von Nahrungsmitteln mit Allergenen
ein bedingungsgemäßer Un-fall. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Tod des Kindes in-folge einer allergischen Reaktion auf Nahrungsmittel eingetreten sei. Zwar habe [X.] nicht geklärt werden können, welches Nahrungs-mittel der Auslöser gewesen sei;
dies sei aber auch
nicht entschei-dungserheblich. Aufgrund der Schilderungen der Klägerin gehe der [X.] davon aus,
das Kind habe unbemerkt möglicherweise nusshaltige [X.] vom gedeckten Weihnachtstisch gegessen.

Dieses
Geschehen erfülle die Merkmale eines Unfalles i.S. von §
178 Abs.
2 [X.]. Das Auftreffen nusshaltiger
Schokolade auf die Mundschleimhaut des Mädchens stelle eine Einwirkung von außen dar. Die weitere Wirkungskette im Körperinneren sei danach für den [X.] nicht mehr
erheblich. Die Einwirkung sei plötzlich, d.h. innerhalb eines kurzen Zeitraums geschehen. Auch [X.] sei gegeben, wobei insoweit nicht die Einwirkung von außen, sondern die dadurch be-wirkte Gesundheitsbeschädigung in den Blick zu nehmen sei.
Liege so-mit bereits ein Unfallgeschehen vor, komme es auf die Frage der [X.] Versicherung von Vergiftungen bei Kindern bis 14 Jahren nicht mehr an.

Die Leistungspflicht der Beklagten vermindere sich nicht
nach Nr.
3 [X.] wegen der Mitwirkung bereits vorhandener Krankheiten und Gebrechen bei den Unfallfolgen. Die allergische Reaktionsbereit-7
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schaft sei für sich genommen keine Krankheit. Solange allergene Stoffe vermieden würden, könne ein Allergiker uneingeschränkt und ohne ärzt-liche Behandlung leben. Die lediglich erhöhte Empfänglichkeit für [X.] infolge individueller Körperdispositionen stelle auch kein Gebre-chen dar. Eine Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen beim [X.] selbst bleibe ohnehin außer Betracht.

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung
nur insoweit
nicht stand, als das Berufungsgericht die Anwendbarkeit von Nr. 3 [X.] verneint hat.

1. Zutreffend hat es das zum Tode des mitversicherten Kindes füh-rende Geschehen als [X.] Unfall eingestuft.

Gleichlautend definieren
sowohl §
178 Abs.
2 Satz
1 [X.] als auch Nr.
1.3 [X.], dass ein Unfall vorliegt, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis un-freiwillig eine Gesundheitsbeschädigung erleidet.

Diese Voraussetzungen sieht das Berufungsgericht hier zu Recht als erfüllt an.

a) Gegen seine Annahme, ursächlich für die allergische Reaktion des Kindes sei der Verzehr nusshaltiger [X.] gewesen, erhebt die Revision keine Einwände. Davon ausgehend liegt ein von au-ßen auf den Körper wirkendes
Ereignis darin, dass diese Schokolade im Mund in Kontakt mit der Mundschleimhaut kam.
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aa) [X.], nicht bereits dieser Kontakt, sondern erst die dadurch ausgelöste
allergische Reaktion, die aus einer

von der ge-richtlich bestellten Sachverständigen im Einzelnen beschriebenen

Kette körperinterner Vorgänge
im Immunsystem
bestehe,
sei das maßgebliche unmittelbare Unfallereignis, geht fehl.
Ein Unmittelbarkeitserfordernis, demzufolge bei einem zum Tode oder sonstigen Schäden führenden [X.] lediglich auf die zuletzt innerhalb des Körpers des Unfallopfers unmittelbar wirkende Ursache abzustellen wäre, enthält die oben ge-nannte Definition des [X.]s nicht
(vgl. schon [X.], Urteil vom 15.
Februar 1962

II ZR 95/60, NJW 1962, 914 zu § 2 [X.]). Deshalb ist auf das Ereignis abzustellen, welches von außen auf den Körper einwirkt und damit eine [X.] körperinterner Vorgänge in Lauf setzt, die zur Schädigung der versicherten Person führt.
Aus dem [X.]surteil vom 6.
Juli 2011 ([X.], [X.], 1135 Rn.
12-14) ergibt sich nichts anderes. Der [X.] hat dort lediglich ausgesprochen, dass es für die Einwirkung "von außen"
auf das Ereignis ankommt, bei dem der Kör-per des Versicherten mit der Außenwelt in Kontakt kommt und welches nachfolgend die körperliche Schädigung verursacht. Nicht entscheidend sind demgegenüber diejenigen Umstände und Ursachen, die diesem Er-eignis vorausgehen. Nur
mit Blick darauf hat der [X.] davon gespro-chen, dass mit der Einwirkung von außen das Ereignis gemeint sei, wel-ches die körperliche Schädigung "unmittelbar"
herbeiführe. Das schließt indes Kausalverläufe wie den vorliegenden nicht aus.

Die Unfallversicherung bezweckt

für den Versicherungsnehmer erkennbar

keinen allgemeinen Schutz vor Krankheitsfolgen. Mit der Un-fallvoraussetzung eines von außen auf den Körper des Versicherten wir-kenden Ereignisses sollen
Schädigungen
infolge rein körperinnerer Vor-15
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gänge, wie Erkrankungen oder Verschleiß, selbst für den Fall vom Versi-cherungsschutz ausgenommen werden, dass sie

wie etwa bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall

plötzlich eintreten (MünchKomm-[X.]/
[X.], § 178 Rn. 55). Andererseits kann der durchschnittliche Versiche-rungsnehmer, auf dessen Verständnis es insoweit ankommt, der Rege-lung über die Mitwirkung bereits vorhandener Krankheiten und Gebre-chen an den Unfallfolgen (hier Nr. 3 [X.]) entnehmen, dass es für den [X.] ohne Belang ist, wenn nach einem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis bereits vorhandene Gesundheitsschäden des Versicherten die weitere Schadenentwicklung mitbestimmen.
Dass die Zuführung der die allergische Reaktion auslösenden Nahrung hier zu [X.] im Immunsystem des Kindes führte, steht der Annahme eines Unfalles mithin nicht entgegen.

bb) Ebenso
wenig verfängt der Vergleich der Revision mit Schäden infolge willensgesteuerter
Eigenbewegungen des Versicherten (vgl. dazu [X.]surteile
vom 23.
November 1988

[X.], [X.], 73 unter 1 b; vom 28. Januar 2009

IV ZR 6/08, [X.], 492 Rn.
11 m.w.N.; MünchKomm-[X.]/[X.], § 178 Rn. 69).
Das die schadenstif-tende [X.] auslösende Ereignis bestand hier nicht lediglich in [X.] Körperbewegung, sondern in der Einwirkung von außen zugeführter, körperfremder Gegenstände auf den Körper des Kindes.
Beschränkt sich der schädigende Vorgang schon deshalb nicht auf eine bloße Eigenbe-wegung, kommt es im Weiteren für die Frage einer Einwirkung von au-ßen nicht mehr darauf an, ob

wie die Revision geltend macht

die Ver-sicherte bewusst und willentlich handelte, als sie die Schokolade zu sich nahm.
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b) Das schädigende Ereignis geschah nach den [X.] Feststellungen des Berufungsgerichts plötzlich. Der Kontakt des [X.] mit der Mundschleimhaut dauerte nur kurze Zeit.
Die allergische Reaktion trat nicht allmählich,
sondern im unmittelbaren [X.] an die Zuführung des Allergens
ein.
Allein dieser objektiv kurze
Zeitablauf reicht
nach der [X.]srechtsprechung aus, um die zeitliche Komponente des [X.]s zu erfüllen. Darauf, ob das Geschehen für die Ge-schädigte unerwartet, überraschend und unentrinnbar (vgl. dazu
BT-Drucks. 16/3945, S.
107) eintrat, kommt
es danach nicht mehr an
([X.]surteile
vom 16.
Oktober 2013

IV ZR 390/12, zur Veröffentli-chung vorgesehen, unter [X.] b bb m.w.N.; vom 12.
Dezember 1984

[X.], [X.], 177
unter [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 27.
Aufl. §
1 [X.] 94 Rn.
14).

c) Die Feststellung des Berufungsgerichts, das Kind habe die tödli-che Schädigung unfreiwillig erlitten, ist frei von [X.]. Das Merkmal der [X.] bezieht sich nach dem klaren Wortlaut so-wohl des §
178 Abs. 2 Satz
1 [X.] als auch der Nr.
1.3 [X.] nicht auf das von außen wirkende Unfallereignis als solches, sondern lediglich
auf die daraus folgende Gesundheitsschädigung. [X.] wird gemäß §
178 Abs. 2 Satz
2 [X.] bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, d.h. der Versicherer muss den Beweis für eine behauptete freiwillige Ge-sundheitsschädigung führen.
Die Revision zeigt nicht auf, dass die [X.] diesen Beweis angetreten oder gar erbracht hätte. Soweit sie [X.], das Kind sei in der Lage gewesen, einen natürlichen Willen zu [X.],
und habe somit bewusst die Schokolade gegessen, obwohl ihm
be-kannt gewesen sei, dass diese eine allergische Reaktion hervorrufen könne, belegt dies allenfalls den Vorwurf einer fahrlässigen Selbstschä-18
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digung, nicht aber die freiwillige Herbeiführung der tödlichen allergischen Reaktion.

d)
Anders als die Revision meint, entfällt die Leistungspflicht der Beklagten auch nicht deshalb, weil das in Rede stehende Unfallereignis nicht adäquat kausal für den Tod des Kindes gewesen oder das gesamte
Geschehen nicht vom Schutzzweck des Versicherungsvertrages erfasst wäre.

aa) Nach Nr. 2.6.1 [X.] setzt die Todesfallleistung voraus, dass die versicherte Person infolge eines Unfalles innerhalb eines [X.] gestorben ist. Mithin muss der Unfall ursächlich für den Tod sein. Bildet

wie hier

eine kausale Verknüpfung zwischen einem Ereignis und einem Erfolg die Voraussetzung für einen Anspruch, soll das [X.] den Verpflichteten davor schützen, für Geschehen ein-treten zu müssen, die lediglich unter besonders eigenartigen, unwahr-scheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Be-tracht zu lassenden Umständen geeignet sind, einen Erfolg der eingetre-tenen Art herbeizuführen (vgl. nur [X.], Urteil vom 11.
Januar 2005

[X.], NJW 2005, 1420 unter 2 b
m.w.N.).
Ein derart außergewöhn-licher Geschehensablauf steht hier nicht in Rede. Es ist in Anbetracht der weiten Verbreitung von Allergien in der Bevölkerung weder unge-wöhnlich, dass auch versicherte Personen einer Unfallversicherung an Nahrungsmittelallergien leiden können, noch liegt es außerhalb der Le-benserfahrung, dass die Aufnahme allergener Stoffe bei Vorliegen einer Nahrungsmittelallergie zu schwersten bis tödlichen allergischen Reaktio-nen
führen kann. Ebenso
wenig erscheint es ungewöhnlich, dass Kinder sich unbedacht über Verhaltensmaßregeln hinwegsetzen, selbst wenn 20
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diese Regeln

wie etwa auch im Straßenverkehr

den Schutz vor tödli-chen Gefahren bezwecken.

bb) Soweit die Revision geltend macht, der [X.] schließe eine Haftung der Beklagten für allgemeine Lebensrisiken aus, lassen sich die
vom [X.] für die deliktische und vertragli-che Schadensersatzverpflichtung aufgestellten Grundsätze (vgl. [X.] aaO unter 2 c) auf Versicherungsverträge nicht übertragen. Der Schutz-zweckgedanke schließt im Haftungsrecht
eine Eintrittspflicht dort aus, wo der Zweck einer
Haftungsregelung
die eingetretene Schadenfolge nicht erfasst, letztere mithin nicht dem Gefahrenbereich entspringt, zu dessen Abwehr die Haftungsnorm erlassen oder eine vertragliche Verpflichtung begründet worden ist (vgl. dazu [X.] aaO unter 2 c).
Für die Bestim-mung des Schutzzwecks eines Versicherungsvertrages kommt es [X.] allein auf die vertraglichen Vereinbarungen und deren Ver-ständnis nach den Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers an. Daneben bleibt für eine Anwendung des für die Auslegung haftungsrechtlicher Bestimmungen entwickelten allgemei-nen [X.]ns kein Raum.

Den Parteien eines Versicherungsvertrages steht
es

wie insbe-sondere Allgefahrenversicherungen zeigen

frei, gegen Prämie De-ckungsschutz auch für Ereignisse anzubieten, die dem allgemeinen Le-bensrisiko der Versicherten zuzurechnen sind. Welchem Risikoschutz ein Versicherungsvertrag dient, kann deshalb nur den vertraglichen Verein-barungen und insbesondere den vereinbarten Versicherungsbedingun-gen entnommen werden. Allein darin wird

einerseits durch die [X.] des Versicherungsfalles, andererseits durch Leistungsbe-22
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grenzungen und Risikoausschlüsse

der Umfang des [X.] festgelegt.

Die hier in Rede stehende Unfallversicherung bezweckt

für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar

den Schutz der Versicherten vor allgemeinen Lebensrisiken.
Soweit die Revision meint, sie
diene nicht dem
Schutz vor Gesundheitsbeschädigungen, die nahezu ausschließlich durch die gesundheitliche Verfassung eines Versicherten geprägt seien, findet dies in den Bedingungen keine Stütze. Der durch-schnittliche
Versicherungsnehmer wird vielmehr gerade der Regelung über die Mitwirkung von Krankheiten und Gebrechen an der durch den Unfall verursachten Gesundheitsbeschädigung (Nr. 3 [X.]) entneh-men, dass er im Grundsatz auch dann Versicherungsschutz genießt, wenn
Unfallfolgen durch eine bereits vor dem Unfall vorhandene beson-dere gesundheitliche Disposition verschlimmert werden.

2. Soweit das Berufungsgericht eine Kürzung der [X.] nach Nr.
3 [X.] nicht vorgenommen hat, kann das Beru-fungsurteil mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben.

Nach dieser Klausel mindert sich unter anderem die Todesfallleis-tung entsprechend dem Mitwirkungsanteil von Krankheiten oder Gebre-chen, die an der durch ein Unfallereignis verursachten [X.] und ihren Folgen mitgewirkt haben.

Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die Nahrungsmittelallergie des verunglückten Kindes sei weder Krankheit noch Gebrechen
im Sinne der Klausel, weil ein Lebensmittelallergiker problemlos und uneinge-schränkt leben könne und keiner ärztlichen Behandlung bedürfe, solange 24
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allergene Stoffe gemieden würden.
Hierbei
kann offenbleiben, ob die Nahrungsmittelallergie eine Krankheit im Sinne der Mitwirkungsklausel darstellt, denn jedenfalls hätte das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen ein bedingungsgemäßes Gebrechen nicht vernei-nen dürfen.

Ein Gebrechen ist ein dauernder abnormer Gesundheitszustand, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen nicht mehr zulässt (vgl. [X.]sbeschluss vom 8.
Juli 2009

IV ZR 216/07, [X.], 1525 Rn. 14 m.w.N.; [X.], 823, 824). Allerdings wird eine lediglich
erhöhte Empfänglichkeit für Krankheiten in-folge individueller
Körperdisposition solange nicht als Gebrechen bewer-tet, wie sie noch als innerhalb der medizinischen Norm liegend angese-hen werden kann
([X.]sbeschluss vom 8. Juli 2009 aaO). Es ist nur dann gerechtfertigt, den Versicherer
teilweise von der Leistungspflicht zu befreien oder
seine Leistungspflicht dementsprechend einzuschränken, wenn eine außergewöhnliche, individuell geprägte [X.] vor-liegt.

Im Streitfall ist diese Voraussetzung nach den vom Berufungsge-richt getroffenen Feststellungen erfüllt. Dabei gibt der zur Entscheidung stehende Sachverhalt keine Veranlassung, allgemein die Grenzen der medizinischen Norm zu bestimmen oder festzulegen, ob und in welchem Umfang Allergien im Allgemeinen als Abweichungen von dieser medizini-schen Norm angesehen werden müssen, denn die Nahrungsmittel-
und insbesondere Nussallergie des verunglückten Kindes lag aufgrund ihrer außergewöhnlichen individuellen Ausprägung in jedem Falle außerhalb jeder medizinischen Norm.

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Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts litt das Kind an einer Veränderung des
Immunsystems, in deren Folge
bereits geringste Mengen an sich unschädlicher
und verträglicher
Nahrungsbestandteile, vor allem Nüsse, zu einer letztlich tödlichen anaphylaktischen Reaktion führen konnten
und bei dem Unfallereignis auch führten. Nicht nur die Schwere der drohenden Symptome, sondern auch die besonders leichte Auslösbarkeit
allergischer Reaktionen, etwa

wie das Berufungsgericht festgestellt hat

durch bloßen Hautkontakt mit geringsten Nussbestand-teilen, welche bei anderen Personen nach dem Verzehr von Nüssen noch an deren
Haut hafteten,
belegen, dass die Allergie des versicherten Kindes ungewöhnlich gefährlich war
und deshalb unter keinen [X.] als noch innerhalb der medizinischen Norm liegend angesehen wer-den kann.

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II[X.] Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das Berufungsgericht wird nach Nr. 3 [X.] neu darüber zu befinden und dazu möglicher-weise ergänzende Feststellungen zu treffen haben, ob und [X.] zu welchem Anteil die Nahrungsmittelallergie des versicherten [X.] an dessen Tod mitgewirkt hat.

[X.] [X.] [X.]

[X.] Dr.
Karczewski
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.05.2011 -
34 [X.]/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 01.03.2012 -
14 [X.] -

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Meta

IV ZR 98/12

23.10.2013

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. IV ZR 98/12 (REWIS RS 2013, 1716)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1716

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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20 U 57/18 (Oberlandesgericht Köln)


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IV ZR 98/12

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IV ZR 390/12

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