Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.07.2010, Az. 27 W (pat) 502/09

27. Senat | REWIS RS 2010, 4674

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Taschennaht (Bildmarke)" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 003 203.3

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2010 durch [X.] [X.] sowie [X.] und Kruppa

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das [X.] hat durch Beschluss der Markenstelle für [X.] vom 8. Oktober 2009 die für die Waren

2

3

erfolgte Anmeldung der Bildmarke

Abbildung

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teilweise für die Waren „

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Mit ihrer Beschwerde macht die Anmelderin im Wesentlichen geltend, die [X.] sei schutzfähig, weil sie mit der Vielzahl an entsprechend eingetragenen Bildmarken vergleichbar sei, so dass sie nicht anders als diese behandelt werden könne. Es treffe auch nicht zu, dass die eingetragenen Marken ein komplexeres Muster als das angemeldete Bildzeichen aufwiesen. Im Übrigen seien Nähte auf Jeanshosentaschen ein übliches Erkennungszeichen von Jeansmarken.

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Die Anmelderin beantragt,

7

den Beschluss der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 8. Oktober 2009 aufzuheben.

8

In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.

II.

9

A. Die nach § 64 Abs. 6 [X.] zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] versagt. Die Beschwerdebegründung bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.

1. Nach der Rechtsprechung des [X.], welche nach Art. 234 EGV, Art. 101 [X.] für alle nationalen Gerichte in allen Entscheidungen bindend ist, da die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der [X.] zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ([X.]. Nr. L 40 vom 11.2.1989) zurückgeht und die Auslegung der europarechtlichen Normen dem [X.] als [X.] vorbehalten ist, ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen; danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] - [X.]/[X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 23] - SAT.2; [X.], 229, 230 [Rz. 27] - BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. [X.] [X.], 943, 944 [Rz. 26] - SAT.2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] - [X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 24] - SAT.2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - [X.]/[X.]; [X.] 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler; [X.] 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] - Das Prinzip der Bequemlichkeit).

2. Diese Grundsätze gelten auch für ein als Marke angemeldetes Bildzeichen, das nicht mehr unterscheidungskräftig ist, wenn es die im Warenverzeichnis genannten Waren naturgetreu bildlich wiedergibt ([X.], 755 - [X.]; [X.], 526 - Etiketten, mit weiteren Nachw.) oder wenn es sich bei ihm um eine einfache geometrische Form oder ein sonstiges einfaches graphisches Gestaltungselement handelt, und eine solche Gestaltung - wie dem Publikum aus Erfahrung bekannt ist - in der Werbung, auf der Ware, ihrer Verpackung oder auf Geschäftsbriefen üblicherweise in bloß ornamentaler, schmückender Form verwendet wird (vgl. [X.], 502, 503 - [X.]; GRUR 2001, 734, 735 - Jeanshosentasche; [X.]. 2001, 273, 275 - M-förmige Steppnähte).

3. Nach diesen Grundsätzen verfügt das hier in Rede stehende Bildzeichen nicht über das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

zwei dimensionale Kennzeichnung dreidimensionale Formen nur als Projektion - also statt in drei nur in zwei Dimensionen - wiedergeben kann; die Projektion eines dreidimensionalen Objekts auf eine (zweidimensionale) Fläche führt aber zwingend zu einer erkennbaren Veränderung der in dem dreidimensionalen Objekt vorhandenen Proportionen. Da es somit ausgeschlossen ist, dass eine Bild marke eine drei dimensionale Form annehmen kann, kommt bei ihr als Verwendung bei Waren, die - wie die hier in Rede stehenden - nur in dreidimensionaler Form denkbar sind, nur ihre zweidimensionale Wiedergabe, etwa als aufgedrucktes oder aufgenähtes Bild, in Betracht; demgegenüber ist eine Verwendung als unmittelbarer Teil dieser Waren - bei den vorliegend beanspruchten Kleidungsstücken, Schuhen und Kopfbedeckungen etwa in Form einer Ärmel-, Hosen- oder Schuhnaht - von vornherein nicht möglich, weil eine Naht als Bestandteil dieser (dreidimensionalen) Waren nur in einer dreidimensionalen Form herstellbar ist. Zwar ist es durchaus denkbar, dass die angemeldeten Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen Nähte aufweisen, welche eine Gestaltung - insbesondere eine Linienführung - aufweisen, die der in der angemeldeten Bildmarke wiedergegebenen Form entspricht. Da eine Bildmarke aber wie vorliegend ausgeführt keine dreidimensionale Form haben kann, würde es sich bei einer solchen Nahtführung nicht mehr um die Wiedergabe der hier zu beurteilenden

b) Der angemeldeten Bildmarke ist die erforderliche Unterscheidungskraft aber deshalb abzusprechen, weil das Publikum ihr auch bei einer zweidimensionalen Wiedergabe keinen Hinweis auf die Herkunft der gekennzeichneten Waren der [X.] aus einem bestimmten Unternehmen entnehmen wird, sondern in ihr nur eine im hier maßgeblichen Bekleidungssektor übliche einfache ornamentale Gestaltung erblickt. Solchen einfachen Gestaltungsformen entnimmt das Publikum aber in aller Regel keinen Herkunftshinweis.

Dabei ist zu beachten, dass auf dem hier maßgeblichen [X.] es mittlerweile üblich ist, Bildmarken - auch in zweidimensionaler Form - nicht nur auf dem der Ware beigefügten Etikett, sondern auch in Form eines aufgedruckten oder aufgenähten

Bei der angemeldeten Darstellung handelt es sich nämlich um ein aus einfachsten Gestaltungsmitteln hergestelltes Muster. Der äußere Teil erinnert zwar nur bei (Jeans-) Hosen oder bei Hemden an eine (Brust- oder Gesäß-) Tasche; bei anderen Waren aus dem Schutzbereich der angemeldeten Marke wird das Publikum hierin eher die Wiedergabe des üblichen Rahmens eines Wappens sehen, da solche häufig zur Verzierung von Angaben auf den Kleidungsstücken, Schuhen oder Kopfbedeckungen - bei denen es sich um rein beschreibende Angaben wie etwa die Bezeichnung der Ausgangsmaterialien oder um Waschanleitungen, aber auch um die Mitteilung des Herstellers (bei der es sich in der Regel um die aus Sicht des Publikums „eigentliche“ Marke handelt) handeln kann - verwendet zu werden pflegen. Die inneren Linien sind wiederum einfach gehalten und weisen keinerlei Besonderheiten auf, welche das Publikum von dem Gedanken, es handele sich hierbei um eine einfache grafische Gestaltung, wegführen und zu der Annahme, das (Gesamt-) Zeichen weise auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Unternehmen hin, verleiten könnten. Auch wenn das Publikum der angemeldeten Bildmarke an den Stellen begegnen würde, an denen üblicherweise die markenmäßige Kennzeichnung angebracht zu werden pflegt - also insbesondere bei den [X.] - hätte es noch keine Veranlassung, hierin einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft der so gekennzeichneten Ware zu schließen. Befindet sich an diesen Stellen die angemeldete Darstellung isoliert, d. h. ohne weitere Angaben, wird er immer noch in ihr wegen der einfachen und üblichen Gestaltungsform eine bloße Verzierung sehen und annehmen, die von ihm an sich an dieser Stelle erwarteten Angaben wie die Marke, aber auch die beschreibenden Ausführungen zu den Ausgangsmaterialien oder zur Pflege der Ware seien schlicht „vergessen“ worden. Befinden sich diese Angaben an dieser Stelle, wird er selbst bei der dort vorhandenen zusätzlichen Wiedergabe einer (anderen) Marke oder der bloßen Herstellerbezeichnung die angemeldete Marke wegen ihrer Schlichtheit weiterhin als bloße Verzierung dieser Angaben, niemals aber als eigenständige (Erst- bzw. Zweit-) Marke erachten. Damit ist aber kein Fall vorstellbar, bei dem das Publikum die angemeldete Gestaltung als Herkunftshinweis erkennen würde. Damit fehlt ihr aber die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] erforderliche Unterscheidungskraft.

c) Dem stehen auch die bereits oben genannten Entscheidungen des Senats nicht entgegen. Die dort zu beurteilenden Bildzeichen unterschieden sich deutlich von der vorliegend streitgegenständlichen Darstellung, da ihr Gesamteindruck trotz der erkennbar einfach gehaltenen Linienführung, auch wenn sie einfachsten Nahtführungen entsprechen mag, sich nicht auf diese einfache und übliche Gestaltung einer typischen Kleidungsnaht beschränkte. Wie der Senat nämlich in der Sache 27 W (pat) 112/05 ausdrücklich hervorgehoben hat, fügte sich die dort vorhandene Linienführung, auch wenn sie für sich selbst betrachtet einfach erschien, zu einem Bild zusammen, das sehr stark an die Wiedergabe der Ziffer „7“ erinnerte; durch diese Anlehnung an die Wiedergabe einer Zahl ging der Gesamteindruck des Gesamtbildes aber über die bloße Nahtführung deutlich hinaus, was erst das Publikum von dem Gedanken wegführt, in ihr die bloße bildliche Wiedergabe eines Ziermusters oder einer Ziernaht und damit eine rein beschreibende Darstellung von Teilen der beanspruchten Waren zu erkennen. In der Sache 27 W (pat) 105/05 wiederum handelte es sich um eine komplexe bildliche Darstellung, welche an die auszugsweise Wiedergabe eines unregelmäßig geschwungenen Straßen- oder Flussverlaufs in geografischen Karten, nicht aber an ein einfaches geometrisches Muster, wie dies bei Nähten üblich ist, erinnerte und damit für das Publikum Anlass gab, in ihr nicht nur ein Ornament, sondern einen Herkunftshinweis zu sehen.

Davon, dass die hier zu beurteilende Darstellung nicht nur die einfachen, für Verzierungen üblichen Gestaltungsmittel übernimmt, sondern darüber hinaus einen ungewöhnlichen oder überraschenden Gesamteindruck vermittle, kann indessen keine Rede sein. Dafür sind vielmehr keinerlei Anhaltspunkte erkennbar.

d) Auch der Hinweis der Anmelderin auf die BGH-Entscheidung „Jeanshosentasche“ (GRUR 2001, 734, 735) vermag der [X.] nicht zur Eintragung zu verhelfen. Abgesehen davon, dass es sich bei dieser BGH-Entscheidung nicht um eine Rechtsfragen klärende, sondern ersichtlich um die bloß tatsächliche Beurteilung einer konkreten [X.] handelt, welche nur für den konkret entschiedenen Einzelfall von Bedeutung ist, beruhte sie auf rechtlichen Annahmen, die heute auf der Grundlage der später ergangenen, allein maßgeblichen und auch jeder BGH-Entscheidung vorrangigen Rechtsprechung des [X.] in dieser Form nicht mehr aufrecht zu erhalten sind; hiergegen spricht [X.] auch die von der Markenstelle zitierte ständige, bislang vom [X.] nicht beanstandete Entscheidungspraxis des [X.], welche vergleichbare Markenanmeldungen zurückgewiesen hat.

e) Soweit die Anmelderin sich schließlich auf die Eintragung ihrer Ansicht nach vergleichbare Drittmarken beruft, ändert dies nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit für die vorliegend zu beurteilende [X.]. Aus der Schutzgewährung für andere Marken kann ein Anmelder nämlich keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen führen nämlich weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. [X.] [X.] 2008, 163, 167 [Rz. 39] - [X.]; [X.], 674, [X.]. 43, 44 - Postkantoor; [X.], 428, Nr. 63 - [X.]; BPatG [X.] 2007, 351, 352 f. - Topline; [X.], 333, 335 ff. - [X.]; [X.], 423 - amazing discoveries; [X.], 425 - [X.]). Nach der Rechtsprechung des [X.] verbietet die [X.] es daher den nationalen Eintragungsbehörden und den mit der Markeneintragung befassten nationalen Gerichten, bei Bestehen eines Eintragungshindernisses dem Eintragungsbegehren allein deshalb stattzugeben, weil bereits identische oder vergleichbar gebildete Marken für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragen sind (vgl. [X.], [X.], 667, 668 [Rz. 15 ff.] -

4. Da die Markenstelle somit im Ergebnis der [X.] zutreffend die Eintragung wegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] versagt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.

B. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Die entscheidenden Rechtsfragen sind geklärt; damit war allein darüber zu befinden, ob im konkreten Einzelfall auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Schutzfähigkeit der angemeldeten Kennzeichnung vorlagen.

Meta

27 W (pat) 502/09

20.07.2010

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.07.2010, Az. 27 W (pat) 502/09 (REWIS RS 2010, 4674)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4674

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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