Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.02.2014, Az. VII B 53/13

7. Senat | REWIS RS 2014, 7516

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Gegenstand

Verfahrensunterbrechung durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens; Aufhebung der Vollziehung eines Duldungsbescheids, mit dem das FA eine Vermögensübertragung angefochten hat


Leitsatz

1. NV: Das Verfahren auf Aufhebung der Vollziehung (Kontopfändung) eines Duldungsbescheids (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO), mit dem das FA eine Vermögensübertragung des Steuerschuldners anficht, wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners nicht unterbrochen.

2. NV: Das AdV-Verfahren wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners unzulässig, wenn es nicht für erledigt erklärt wird. Mit diesem Tag ist die Rechtsgrundlage für das Aufrechterhalten der Kontopfändung nicht mehr die Vollziehbarkeit des Duldungsbescheids, sondern die Regelung des § 16 Abs. 2 AnfG.

3. NV: Dem FA verbleibt - unter der auflösenden Bedingung der wirksamen Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter - das zur Sicherung seines durch den Duldungsbescheid verfolgten Anfechtungsanspruchs begründete Pfandrecht.

Tatbestand

1

I. Der Ehemann der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), der erhebliche Steuerschulden hatte, ließ, nachdem er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt hatte, das Guthaben aus seiner gekündigten Lebensversicherung auf das Konto der Antragstellerin überweisen. Daraufhin erließ der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --[X.]--) gegen die Antragstellerin einen Duldungsbescheid gemäß § 191 der Abgabenordnung [X.]), mit dem er diese Vermögensübertragung gemäß §§ 3, 4 des Anfechtungsgesetzes ([X.]) anfocht. Nachdem die Antragstellerin Einspruch eingelegt hatte, pfändete das [X.] das Guthaben auf ihrem Konto. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des [X.] lehnte das [X.] ab. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

2

Daraufhin beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht ([X.]) sinngemäß, die Vollziehung des [X.] auszusetzen und die bereits vorgenommene Vollziehung, die Pfändung, aufzuheben.

3

Im Laufe des Gerichtsverfahrens ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Ehemanns der Antragstellerin eröffnet worden. Auf Anfrage des [X.] teilte der Insolvenzverwalter mit, er nehme das Verfahren nicht auf.

4

Das [X.] hielt den [X.] mangels [X.] für unzulässig, den Antrag auf Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung dagegen für zulässig und begründet.

5

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei dem Rechtsgedanken des § 257 Abs. 1 Nr. 3 [X.] entsprechend aufzuheben, weil der Anfechtungsanspruch des [X.] gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1, § 18 Abs. 1 [X.] mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens (auflösend bedingt) erloschen sei und die Aufrechterhaltung der Pfändungsmaßnahme über einen nicht absehbaren Zeitraum, bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens unbillig erscheine. Die Entscheidung des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 754 veröffentlicht.

6

Das [X.] hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und beantragt sinngemäß, den Beschluss aufzuheben, soweit darin die Pfändungs- und Einziehungsverfügung aufgehoben worden ist, und den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung abzulehnen.

7

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die vom [X.] zugelassene Beschwerde (§ 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) ist begründet. Das [X.] war nicht berechtigt, die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des [X.] aufzuheben.

9

Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemanns der Antragstellerin ist das anhängige Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erledigt.

1. Soweit das [X.] den Antrag auf AdV des [X.] abgelehnt hat, erübrigen sich Erwägungen zur Frage der Verfahrensunterbrechung, da die Antragstellerin den Beschluss nicht angefochten hat.

2. An der vom [X.] angefochtenen Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung war das [X.] gehindert, weil sich das mit diesem Ziel geführte Verfahren --welches verfahrensrechtlich als Antrag auf Aufhebung der Vollziehung des [X.] i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 3 [X.]O zu qualifizieren ist-- mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Ehemanns der Antragstellerin erledigt hat.

Dieses Verfahren war durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens allerdings nicht gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] unterbrochen. Nach dieser Vorschrift wird ein im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch rechtshängiges Verfahren über den Anfechtungsanspruch unterbrochen, hier also das Einspruchsverfahren betreffend den [X.]. Das anhängige Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz richtet sich dagegen nicht gegen den Anfechtungsanspruch, sondern gegen dessen Verwirklichung, gegen die Berechtigung zur Vollstreckung des [X.] schon vor Eintritt der Bestandskraft (vgl. Beschluss des [X.] vom 29. Oktober 1985 VII B 69/85, [X.], 17, [X.] 1986, 236).

Dieses Rechtsschutzziel kann die Antragstellerin aber nicht mehr erreichen, weil mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch der Insolvenzverwalter die Möglichkeit hat, die Vollziehung des [X.] im Wege der Kontopfändung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 16 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 130 ff. der Insolvenzordnung ([X.]) anzufechten.

Nach § 16 Abs. 2 [X.] kann der Insolvenzverwalter den Anfechtungsgläubiger, der vor Insolvenzeröffnung aufgrund seines [X.] Sicherung oder Befriedigung erlangt hat, nur unter den Voraussetzungen des § 130 [X.] auf Rückgewähr des aus der Einzelanfechtung [X.] zur Masse in Anspruch nehmen, was hier nicht geschehen ist. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der auf das Anfechtungsgesetz gestützte, nicht nach § 130 [X.] wirksam angefochtene Erwerb einer Sicherung des Anfechtungsgläubigers --hier des [X.]-- Bestand hat (vgl. Urteil des [X.] --BGH-- vom 15. November 2012 IX ZR 173/09, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und [X.] --ZIP-- 2013, 131). Wie die Materialien zu § 12 [X.] a.F. (§ 16 Abs. 2 [X.]) bestätigen, erfasst die Regelung auch den Fall, dass die Geltendmachung des [X.] zu einem Pfandrecht des anfechtenden Gläubigers an dem [X.] geführt hat (vgl. [X.] in [X.], 131).

Das Verfahren der Antragstellerin nach § 69 Abs. 3 Satz 3 [X.]O hat sich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Ehemanns erledigt. Mit diesem Tag ist die Rechtsgrundlage für das Aufrechterhalten der Kontopfändung nicht mehr die Vollziehbarkeit des [X.], sondern die Regelung des § 16 Abs. 2 [X.]. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen das [X.] ist obsolet. Dem [X.] verbleibt --unter der auflösenden Bedingung der wirksamen Insolvenzanfechtung durch den [X.] das zur Sicherung seines durch den [X.] verfolgten [X.] begründete Pfandrecht.

Da die Antragstellerin ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht für erledigt erklärt hat, war er als unzulässig abzulehnen.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

VII B 53/13

26.02.2014

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 28. Februar 2013, Az: 6 V 3617/12 AO, Beschluss

§ 16 Abs 1 S 1 AnfG, § 16 Abs 2 AnfG, § 17 Abs 1 S 1 AnfG, § 69 Abs 3 S 3 FGO, § 191 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.02.2014, Az. VII B 53/13 (REWIS RS 2014, 7516)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7516

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