Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2007, Az. II ZR 30/06

II. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 2996

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/06 Verkündet am: 9. Juli 2007 [X.] Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] §§ 421, 426 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs., 781; [X.] § 28 e Abs. 1 a) Gibt der organschaftliche Vertreter einer Gesellschaft gegenüber einer Sozialkas-se für rückständige Sozialabgaben der [X.] ein konstitutives Schuldanerkenntnis ab, haften die Gesellschaft und der organschaft-liche Vertreter für die Sozialabgaben als Gesamtschuldner im Sinne von § 421 [X.]. b) Zahlt die [X.], kann sie von ihrem organ-schaftlichen Vertreter keinen Gesamtschuldnerausgleich nach Kopfteilen (§ 426 Abs. 1 Satz 1 [X.]) verlangen. Dem steht § 426 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. [X.] ent-gegen. Im Innenverhältnis zwischen der [X.] ist allein die Gesellschaft als Arbeitgeberin zahlungspflichtig.
[X.], Urteil vom 9. Juli 2007 - [X.]/06 - [X.]
- 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 9. Juli 2007 durch [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 21. Oktober 2004 aufgehoben und das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 29. Januar 2004 - dieses im Kostenpunkt und soweit der Klage stattgegeben [X.] ist - abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der M.

GmbH [X.](nachfolgend: Schuldnerin). Der Beklagte hält 50 % der Gesellschaftsanteile und war einzelvertretungsberechtigter [X.]. Mitte des Jahres 1999 war die Schuldnerin mit fälligen Sozialver-sicherungsbeiträgen gegenüber der [X.]

in 1 - 3 - Rückstand. Diese unternahm daraufhin am 25. August 1999 einen [X.], der fruchtlos verlief. Am selben Tag gab der Beklagte gegenüber der [X.] ein mit "unwiderrufliches Schuldanerkenntnis (§ 781 [X.])" überschriebenes Anerkenntnis seiner persönlichen Haftung für die rück-ständigen Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschlägen und Kosten in Höhe von 165.404,24 [X.] ab und verpflichtete sich, beginnend mit dem 30. September 1999, diesen Betrag in monatlichen Raten von 30.000,00 [X.] zu zahlen. In der [X.] vom 23. September 1999 bis einschließlich 22. Dezember 1999 zahlte die Schuldnerin auf die Rückstände 120.000,00 [X.]. Bis November 1999 leistete sie darüber hinaus die monatlich fälligen Sozialver-sicherungsbeiträge; jedenfalls bis zum 31. Januar 2000 verfügte sie zudem auf einem Geschäftskonto bei der C.

bank - bis auf eine Ausnahme im [X.] - über nicht unerhebliche [X.]. In einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 28. Januar 2000 wurde beschlossen, die Schuldnerin mit sofortiger Wirkung aufzulösen und den Geschäftsbetrieb zum 29. Januar 2000 einzustellen. Auf einen von der [X.]

gestellten Insolvenzantrag wurde am 24. Mai 2000 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin [X.] und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. 2 Mit der auf eine Anfechtung aus § 135 [X.], §§ 32 a, 32 b GmbHG ge-stützten Klage hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 120.000,00 [X.] in Anspruch genommen und hierzu behauptet, die Schuldnerin habe sich im [X.]-punkt der Sicherheitengewährung durch den Beklagten und seines Freiwerdens von der Schuld gegenüber der [X.] durch die Zahlungen aus ihrem Vermögen in einer Krise befunden. 3 - 4 - Hilfsweise hat er Zahlung von 60.000,00 [X.] begehrt mit der [X.], im Hinblick auf das Schuldanerkenntnis seien der Beklagte und die Schuldnerin Gesamtschuldner im Sinne des § 421 [X.] gewesen, so dass we-gen der aus dem Vermögen der Schuldnerin geleisteten Zahlungen ein hälftiger Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 [X.] gegen den Beklagten bestehe. 4 5 Das [X.] hat zu der Behauptung des [X.], die Schuldnerin sei am 25. August 1999 und bei den Zahlungen an die [X.]

zwischen September und Dezember 1999 [X.] gewesen, die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Der Sachver-ständige hat sich zu einer Beantwortung der Beweisfrage nicht in der Lage ge-sehen, da der Kläger ihm keine aussagekräftigen Unterlagen über die [X.] Situation der Schuldnerin im [X.]raum von Mitte August bis Ende 1999 aus-gehändigt hat. Das [X.] hat darauf den Hauptantrag mit der [X.] abgewiesen, der Kläger sei beweisfällig für das Vorhandensein der Vor-aussetzungen für eine Rückgewährpflicht des Beklagten nach den [X.]. Es hat den Beklagten jedoch auf den Hilfsantrag zur Zahlung von 30.677,51 • (60.000,00 [X.]) gemäß § 426 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 80 [X.] verurteilt. Die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewie-sen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom erkennenden [X.]at zugelassenen Revision. Entscheidungsgründe: Die Revision des Beklagten ist begründet und führt - da weitere [X.] Feststellungen nicht in Betracht kommen - unter Aufhebung bzw. teil-weiser Änderung der angefochtenen Urteile zur vollständigen Klageabweisung (§ 563 Abs. 3 ZPO). 6 - 5 - [X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt, dem Kläger stehe ein Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 80 [X.] zu, da es sich bei der Erklärung des Beklagten um ein konstitu-tives Schuldanerkenntnis gehandelt habe mit der Folge, dass die Schuldnerin und der Beklagte als Gesamtschuldner gegenüber der [X.] zur Zahlung der Beitragsrückstände verpflichtet gewesen seien. Im Innenver-hältnis seien der Beklagte und die Schuldnerin daher einander zu gleichen [X.] gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 [X.] verpflichtet mit der Folge, dass der Klä-ger hälftige Erstattung der von den Konten der Schuldnerin auf die Rückstände geflossenen Zahlungen verlangen könne. Die Frage, ob dem Kläger darüber hinaus auch ein Anspruch auf Rückgewähr nach den [X.] (§§ 32 a, 32 b GmbHG i.V.m. § 135 [X.]) zustehe, hat das Berufungsgericht offengelassen. 7 I[X.] Diese Beurteilung hält im entscheidenden Punkt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. 8 Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger vom Beklagten nicht Gesamtschuldnerausgleich nach Kopfteilen gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 [X.] verlangen. Dem steht § 426 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. [X.] entgegen. Schuldnerin der Sozialversicherungsabgaben gegenüber der [X.] war im Innenverhältnis zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten allein die Schuldnerin als Arbeitgeberin (§ 28 e Abs. 1 [X.]). 9 1. Noch zutreffend - und von der Revision nicht angegriffen - geht das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei der Erklärung des Beklagten um ein konstitutives Schuldanerkenntnis gemäß § 781 [X.] handelt, das auch für eine fremde Schuld abgegeben werden kann ([X.], Urt. v. 4. April 2000 - [X.], [X.], 972). Hierfür spricht nicht nur bereits die Überschrift 10 - 6 - des Anerkenntnisses, sondern insbesondere, worauf das Berufungsgericht [X.] abgestellt hat, die dem Beklagten erkennbare Interessenlage der [X.]. Dieser ging es ersichtlich darum, einen zweiten Schuldner für die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge zu erhalten. Dass der [X.] im [X.]punkt der Abgabe des Anerkenntnisses gegenüber der [X.] bezogen auf die in den rückständigen Sozialversicherungsbeiträ-gen enthaltenen Arbeitnehmeranteile aus § 823 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 266 a StGB haftete, was insofern gegen ein konstitutives Schuldanerkenntnis spre-chen würde, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. 2. Ebenfalls noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Beklagte aufgrund des [X.] neben der Schuldnerin origi-när zur Zahlung verpflichtet war mit der Folge, dass zwischen ihnen ein Ge-samtschuldverhältnis gemäß § 421 [X.] bestand. Anders als die Revision meint, fehlte es nicht an der für die Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses erforderlichen Gleichstufigkeit der Verpflichtungen des Beklagten und der Schuldnerin (st.Rspr. siehe nur [X.] 106, 313, 319; 108, 179, 182 ff.; 120, 50, 56; 137, 76, 82 m.w.Nachw.; MünchKomm[X.]/[X.] 4. Aufl. § 421 Rdn. 12 m.w.Nachw.). Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte nach den [X.] das Schuldanerkenntnis lediglich zu Sicherungs-zwecken abgegeben hat. Ebenso wie durch eine sicherungshalber abgegebene Patronatserklärung eine Gesamtschuld begründet wird ([X.] 117, 127, 132 ff.), führt ein Schuldbeitritt zu einer Gesamtschuld, auch wenn der Beitre-tende ihn zu Sicherungszwecken erklärt und vollen Regress nehmen kann (h.A. seit [X.], 120, 121, s. auch MünchKomm[X.]/[X.] aaO § 421 Rdn. 15, 35; [X.]/[X.], [X.] 11. Aufl. § 421 Rdn. 47 jew.m.w.Nachw.). Der Si-cherungszweck des [X.] ändert nichts daran, dass der [X.] ebenso wie die Schuldnerin im Außenverhältnis zur [X.] zur Bewirkung der gesamten Leistung, d.h. zur Zahlung der Rückstände ver-11 - 7 - pflichtet war und die [X.] nach ihrem Belieben von jedem der Schuldner die Leistung ganz oder zum Teil fordern konnte. 12 3. Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht jedoch, soweit es angenommen hat, der Beklagte und die Schuldnerin seien im Verhältnis zuein-ander zu gleichen Anteilen verpflichtet. Hier ist vielmehr gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. [X.] im Innenverhältnis "etwas anderes bestimmt". [X.] gegenüber der [X.] für die Sozialversicherungsabgaben war gemäß § 28 e Abs. 1 [X.] allein die Schuldnerin als Arbeitgeberin. Wäre der Beklagte von der [X.] aufgrund des Schuldanerkenntnis-ses persönlich in Anspruch genommen worden und hätte die rückständigen [X.] ausgeglichen, hätte er damit zwar im Verhältnis zur [X.] eine eigene Schuld erfüllt, gleichzeitig aber auch gemäß § 422 [X.] die Schuldnerin von der sie gesetzlich treffenden Pflicht zur Zahlung der Sozialabgaben befreit, ohne aus irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt ihr gegenüber zu einer solchen Leistung verpflichtet zu sein. Er hätte daher gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. [X.] die geleisteten Zahlungen in voller Höhe im Wege des [X.] von der Schuldnerin ersetzt verlangen können. [X.] folgt umgekehrt, dass wegen der im Innenverhältnis allein die Schuldnerin treffenden Pflicht zur Zahlung von Sozialabgaben diese keinen [X.] gegen den Beklagten hat, wenn sie, wie geschehen, ihrer Zahlungsver-pflichtung gegenüber der [X.] nachgekommen ist. II[X.] Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). 13 Anders als die Revisionserwiderung meint, kommt - auch - keine Haftung des Beklagten aus § 135 [X.] i.V.m. §§ 32 a, 32 b GmbHG in Betracht. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass sich die 14 - 8 - Schuldnerin im [X.]punkt der den Beklagten von seiner persönlichen Schuld befreienden Zahlungen an die [X.] in einer "Krise" im Sinne von § 32 a Abs. 1 GmbHG befunden hat. 15 Der Kläger hat sich in der Berufungsinstanz nicht gegen die Abweisung des auf Ersatz nach den [X.] gestützten Hauptantrags we-gen Beweisfälligkeit gewandt. Die Abweisung der Klage im Hauptantrag durch das [X.] war im Übrigen entgegen der - als nicht geschrieben gelten-den - nicht durch [X.] festgestellte Tatsachen belegten reinen Mei-nungsäußerung des Berufungsgerichts hierzu und entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung zutreffend. Insbesondere beruht sie nicht auf einer Ver-kennung der Darlegungs- und Beweislast. Verlangt der Insolvenzverwalter von einem Gesellschafter Rückzahlung einer Leistung nach den Grundsätzen des Eigenkapitalersatzes, muss er darlegen und beweisen, dass die Gesellschaft sich zu dem maßgeblichen [X.]punkt in einer Krise im Sinne des § 32 a Abs. 1 GmbHG befunden hat (st.Rspr. siehe nur [X.].Urt. v. 28. September 1987 - [X.], [X.], 1541, 1542; v. 14. November 1988 - [X.], [X.], 93, 94; v. 7. März 2005 - [X.], [X.], 807 f. m.w.Nachw.). Diesen Beweis hat der Kläger nicht geführt. Die vom [X.] angeordnete Beweisaufnahme zur Krisensituation der Schuldnerin ist daran gescheitert, dass der Kläger dem Sachverständigen die in seinem Besitz befindlichen Unterlagen über die finanzielle Situation der Insolvenzschuldnerin im Umfang von 44 Ordnern auf dessen mehrfache Aufforderung hin nicht zur Verfügung gestellt - 9 - hat. Die von der Revisionserwiderung angeführten Indizien für die Annahme einer Krise rechtfertigten allenfalls den Erlass des [X.]; sie reichten hingegen keinesfalls bereits als Nachweis für das Bestehen einer Krise aus. Goette [X.]

Strohn

[X.] Reichart Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 29.01.2004 - 2 [X.]/01 - OLG [X.], Entscheidung vom 21.10.2004 - 1 U 192/04 -

Meta

II ZR 30/06

09.07.2007

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.07.2007, Az. II ZR 30/06 (REWIS RS 2007, 2996)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 2996

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