Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2017, Az. IV ZR 551/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 2796

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:081117UIVZR551.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 551/15
Verkündet am:

8. November 2017

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: ja

[X.]R:

ja

[X.] § 215 Abs. 1 Satz 1; ZPO §
17

§ 215 Abs. 1 Satz 1 [X.] erfasst auch Klagen aus einem Versicherungsvertrag, des-sen Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, wobei auf deren Sitz im Sinne des § 17 ZPO abzustellen ist.

[X.], Urteil vom 8. November 2017 -
IV ZR 551/15 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], den Richter [X.],
die Richterinnen [X.] und Dr. Bußmann
auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2017

für Recht erkannt:

Die Revision der [X.] gegen das Urteil des Ober-landesgerichts [X.] -
14. Zivilsenat -
vom 17.
De-zember 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in [X.],
verlangt von der [X.], einem Versicherer mit Sitz in [X.],
aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung sowie aufgrund ungerechtfertigter
Bereicherung
die Erstattung
des Versicherungsbei-trags zu einer Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung.

Die Versicherung wurde im [X.] gegen Zahlung einer [X.]. Versicherungsnehmerin war die [X.] Versicherungsvermittlung. Dem Versicherungsvertrag lagen Allgemeine Versicherungsbedingungen (im Folgenden: [X.]) der [X.] zugrunde, die folgende Regelung enthalten:

"§ 22. Wo ist der Gerichtsstand?

(1) Ansprüche aus Ihrem Versicherungsvertrag können ge-gen uns bei dem für unseren Geschäftssitz örtlich zustän-1
2
-
3
-

digen Gericht geltend gemacht werden. Ist Ihre Versiche-rung durch Vermittlung eines Versicherungsvertreters zu-stande gekommen, kann auch das Gericht des Ortes [X.] werden, an dem der Vertreter zur [X.] der Vermittlung seine gewerbliche Niederlassung oder, wenn er eine solche nicht unterhielt, seinen Wohnsitz hatte.

Der Vertragsschluss wurde durch einen Versicherungsmakler ver-mittelt, der hierbei Informationsbroschüren verwandte. Die Klägerin, die angibt, jetzt Versicherungsnehmerin zu sein, macht geltend, dass die Angaben in diesen Broschüren nicht ordnungsgemäß seien, weshalb die Beklagte ihr zum Schadensersatz verpflichtet sei.

Das [X.] hat ihre auf [X.] gerichtete Klage mangels internationaler Zuständigkeit des angerufenen Gerichts als [X.] abgewiesen.
Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten den Widerspruch nach § 5a [X.] a.F. erklären lassen und das geltend gemachte Rückforderungsbegehren auch hierauf gestützt. Das [X.] hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung an das [X.] zurückverwiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision
hat keinen
Erfolg.

3
4
5
-
4
-

I. Das Berufungsgericht
hat in seiner angefochtenen Entscheidung ([X.], 213) ausgeführt, die [X.] Gerichte seien im Streitfall in-ternational zuständig.

Mangels Sitzes der [X.] in [X.] bestimme sich die internationale Zuständigkeit grundsätzlich gemäß Art. 4 Abs.
1 i.V.m. Art.
60 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr.
44/2001 ([X.] 2001) nach dem nationalen Zuständigkeitsrecht der lex fori.
Ferner werde die in § 22 Abs. 1 [X.] enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung nicht von Art. 23 [X.] 2001
erfasst und zwar auch nicht in ihrer Wirkung einer mögli-chen [X.]
der Zuständigkeit [X.] Gerichte. Art. 23 [X.] 2001 regele allein Gerichtsstandsvereinbarungen, die eine Prorogation zugunsten eines mitgliedstaatlichen Gerichts anordneten.

Damit sei autonomes [X.] internationales Zuständigkeits-recht maßgeblich, aus dessen § 215 Abs. 1 [X.] sich die Zuständigkeit [X.] Gerichte ergebe. Die Regelung sei hier in zeitlicher Hinsicht einschlägig.
Für ihre Anwendbarkeit
könne offen bleiben, ob Versiche-rungsnehmerin aktuell die klagende GmbH oder deren
Geschäftsführerin als natürliche Person sei. Die Vorschrift erfasse nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen und sei auch auf [X.] anwendbar, die
nach Vertragsschluss insbesondere im Wege der rechtsgeschäftlichen Vertragsübernahme in die Vertragsstellung des [X.] eingerückt seien. Dem Wortlaut sei eine Beschränkung in personeller Hinsicht nicht ohne weiteres zu entnehmen.
Die Einbeziehung von juristischen Personen in den Anwendungsbereich bewege sich
noch innerhalb des Wortlauts, wobei der Begriff des [X.]es insoweit berichtigend als Sitz im Sinne von §
17 ZPO interpretiert werden müsse. Es könne nicht angenommen werden, dass der [X.] den Ausschluss juristischer Personen gewollt habe.
Vor allem
ent-6
7
8
-
5
-

spreche es insgesamt der Systematik und Zielsetzung des [X.], den Schutz des Versicherungsnehmers grundsätzlich nicht davon abhängig zu machen, ob
eine natürliche Person bzw. ein Verbraucher Versiche-rungsnehmer sei.

II. Das hält rechtlicher
Überprüfung
stand. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit
[X.]
Gerichte gemäß §
215 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu Recht bejaht.

1. Es hat richtig erkannt, dass die nationalen [X.] hier nicht durch die Regelungen der [X.] 2001
oder des [X.] vom 30. Oktober 2007 (LugÜ 2007)
verdrängt werden. Dies hat der Senat bereits mit Urteil vom 1.
Juni 2016 ([X.], [X.]Z 210, 277 Rn.
14) und in dem ebenfalls die hiesige Beklagte betreffenden Urteil vom 8. März 2017 ([X.], [X.], 779 Rn. 12) entschieden. Die internationale Zuständigkeit für die Klage ergibt sich danach mittelbar aus den nationalen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit (Senatsurteile vom 8. März 2017 aaO
Rn. 13; vom 1. Juni 2016 aaO
Rn. 15
m.w.[X.]), hier aus § 215 Abs.
1 Satz
1 [X.].

a) Die Vorschrift ist in sachlicher Hinsicht einschlägig, weil sie auch Klagen erfasst, die auf die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses nach Widerspruch sowie auf Schadensersatz aus [X.] bei Anbahnung des Versicherungsvertrages

einschließlich eventueller Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinne
-
gerichtet sind (Senatsurteil vom 8. März 2017 aaO Rn. 15
f.).

b)
§ 215 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist auch in zeitlicher Hinsicht anwend-bar, obgleich der Versicherungsvertrag
noch vor der Reform des Versi-9
10
11
12
-
6
-

cherungsvertragsrechts abgeschlossen wurde.
Wie der Senat in seinem
Urteil vom 8. März 2017 (aaO) entschieden und eingehend begründet hat, ist die neue [X.] gemäß Art.
12 Abs. 1 des [X.] vom 23. November 2007 ([X.]) seit dem 1. Januar 2008 geltendes Recht, das [X.] vom [X.]punkt des Vertragsschlusses anzuwenden ist (aaO Rn.
23
ff.).

c)
Der Anwendung von § 215 Abs. 1 Satz 1 [X.] steht ferner nicht entgegen, dass es sich bei der Klägerin, die nach ihrem der [X.] zugrunde zu legenden Vortrag inzwischen Versicherungs-nehmerin ist,
weder um einen Verbraucher noch um eine natürliche Per-son handelt.

aa) Die Norm begründet für Klagen aus dem Versicherungsvertrag die Zuständigkeit des Gerichts, in dessen Bezirk der [X.] zur [X.] der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ob sie
auch einschlägig ist, wenn es sich bei dem Versicherungsnehmer um eine juristische Person handelt, wird unterschiedlich beurteilt.

Dies wird in
Rechtsprechung und Literatur teilweise unter Bezug-nahme
auf den Wortlaut der Vorschrift abgelehnt, weil
er eine natürliche Person voraussetze, eine juristische Person aber weder einen "[X.]"
noch einen "gewöhnlichen Aufenthalt"
haben könne
([X.], 67, 68; [X.], 1629; [X.], 481; [X.], 1395, 1396; [X.], 609; [X.], 338; [X.] [X.],
216; [X.]/[X.] in PK-[X.], 3.
Aufl. § 215 Rn. 13 f.; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 29. Aufl. § 215 Rn.
11 f.; von [X.] in [X.]/Matusche-13
14
15
-
7
-

[X.], [X.] 3. Aufl. § 23 Rn. 6 f.; [X.] in [X.]/[X.], Das Neue [X.] kompakt 4. Aufl. Rn. 1489; [X.], [X.], 298, 307; [X.], [X.], 161, 162 ff.). Einige [X.] überdies, dass der Versicherungsnehmer Verbraucher sein müsse
(HK-[X.]/Muschner, 3.
Aufl. § 215 Rn. 11; [X.]/[X.], BB 2007, 2689, 2701).

Nach der
Gegenansicht
können auch juristische Personen [X.] im Sinne des §
215 Abs.
1 Satz
1 [X.] sein
([X.], 1422, 1423 f.; [X.], Urteil vom 9.
September 2013 -
14 [X.], juris Rn. 14; [X.] in Bruck/[X.], 9.
Aufl. § 215 Rn. 10 ff.; [X.] in Langheid/[X.], [X.] 5. Aufl. §
215 Rn. 2; [X.] in [X.], [X.] 3. Aufl. § 215 Rn. 5; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 215 Rn. 14; [X.]/[X.]beck, Allgemeines Versicherungsvertragsrecht 2. Aufl. § 9 Rn. 20; Armbrüster, [X.], 441, 456; [X.]/Rajkowski, [X.], 1559; [X.], [X.], 15, 16; [X.]/[X.]ig, [X.], 265, 266 f.; Wagner, [X.], 1589; für eine analoge Anwendung des § 215 [X.] insoweit: [X.], [X.]. U.
Rn. 13; [X.], Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. R.
Rn. 99; [X.], [X.] 2015, 361, 362).

bb) Der Senat teilt die letztgenannte Auffassung. § 215 Abs. 1 Satz
1 [X.] erfasst auch Klagen aus einem Versicherungsvertrag, des-sen Versicherungsnehmer eine juristische Person ist, wobei auf deren Sitz im Sinne des § 17 ZPO abzustellen ist.

Zwar lässt
die reine Wortlautinterpretation ein abweichendes Ver-ständnis
möglich erscheinen. Bei dieser darf die Auslegung aber
nicht Halt machen. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist 16
17
18
-
8
-

vielmehr der zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzge-bers, dessen Erfassung die nebeneinander zulässigen, sich ergänzenden Methoden der Auslegung aus dem Wortlaut der Norm, aus ihrem Zu-sammenhang, aus ihrem Zweck sowie aus den Gesetzgebungsmateria-lien und der Entstehungsgeschichte
dienen ([X.], Beschluss vom 12.
Dezember 2007 -
VII ZB 47/07, [X.], 120 Rn. 14 f.
m.w.[X.]).
Nach dieser Maßgabe
ist davon auszugehen, dass juristische Personen als Versicherungsnehmer im Rahmen des § 215 [X.] nicht anders be-handelt werden sollen als natürliche Personen oder Verbraucher.

(1) Entgegen der Auffassung der Revision ist schon
die Wort-lautauslegung nicht eindeutig. So ist in der Norm -
abweichend von der Regelung des § 29c ZPO, an der sich der Gesetzgeber bei der Fassung von § 215 [X.] orientierte (vgl. Regierungsentwurf
BT-Drucks. 16/3945 S. 117) -
nicht
vom
Verbraucher die Rede oder
von einer natürlichen Person, obgleich dem
[X.]
diese Begriffe nicht fremd sind
(vgl. § 7 Abs. 5 Satz 2, § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]; ähn-lich: [X.] aaO Rn. 10; MünchKomm-[X.]/[X.] aaO Rn. 13). Für eine entsprechende Einschränkung des Kreises der Versicherungs-nehmer lässt sich lediglich
anführen, dass juristische Personen weder über einen Wohnsitz noch über einen gewöhnlichen Aufenthalt verfügen.

(2) Gegen ein solch begrenztes
Verständnis
spricht aber -
worauf das Berufungsgericht zu Recht
abstellt -
in systematischer Hinsicht, dass das [X.] den Versicherungsnehmer grundsätz-lich unabhängig von seiner Rechtsform oder seiner eventuellen Verbrau-chereigenschaft schützt (vgl. Abschlussbericht der [X.] vom 29.
April 2004, S.
21
f.; so auch [X.] aaO 1423; [X.] aaO; MünchKomm-[X.]/[X.] aaO Rn. 13; [X.]beck/[X.] aaO Rn.
19; [X.]/19
20
-
9
-

[X.]ig aaO 267). Insofern ist nicht entscheidend, ob
juristischen
Perso-nen, wie die Revision einwendet, anders als natürlichen
Personen das Merkmal der strukturellen Unterlegenheit fehlt
(ähnlich [X.]/[X.] aaO Rn. 14; [X.] aaO 164). Eine
entsprechende Differenzierung nach der Rechtspersönlichkeit sieht das Gesetz bei seinen Schutzvorschriften zugunsten des Versicherungsnehmers, insbesondere bei den Regelun-gen zu den
Beratungs-
und Informationspflichten des Versicherers nach den §§ 6, 7 [X.] und zum Widerrufsrecht nach den §§
8, 9 [X.] nicht vor.
Sie ist auch im Übrigen nicht erkennbar.

(3) Insbesondere die Gesetzgebungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 215 [X.] sprechen für die Anwendbarkeit der Norm auch auf juristische Personen.

Dass sich der Gesetzgeber -
wie die Revision meint -
von der Er-wägung leiten ließ, es sei natürlichen anders als juristischen Personen in typisierender Betrachtungsweise weniger zumutbar, sich zur Durchset-zung ihrer Ansprüche eines entfernteren Gerichtsstands zu bedienen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr sollten mit der Einführung der
Norm die [X.] und Streitigkeiten des bisherigen § 48 [X.] ausgeräumt wer-den, der mit der Reform des [X.]es außer [X.] trat (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 117).

Diese
Norm, die unter anderem die Zuständigkeit
eines Gerichts begründen sollte, das in der Regel den bei der Entscheidung des [X.] in Betracht kommenden tatsächlichen Verhältnissen näher steht und die erforderlichen Beweise leichter sowie
schneller erheben kann als das Gericht am Sitz des Versicherers (Motive zum Versicherungsver-tragsgesetz, Neudruck 1963 S. 122),
schloss
-
wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt -
unstreitig juristische Personen als Versiche-21
22
23
-
10
-

rungsnehmer mit ein
([X.] aaO 1423; [X.] aaO Rn. 11; [X.]/[X.]ig aaO 267). Die mit der Vorschrift verbundenen [X.], die der Gesetzgeber zu beheben
suchte, bestanden nicht in der [X.] Einbeziehung der verschiedenen
[X.]gruppen
(vgl. BT-Drucks. 16/3945 aaO). Vielmehr trifft die genannte gesetzgeberische Erwägung, die der alten Vorschrift auch
zugrunde lag und nicht auf die Person des Versicherungsnehmers abstellte, in gleicher Weise für
die Neuregelung zu. Danach spricht nichts dafür, dass die Neuregelung eine Verschlechterung der Rechtsstellung der juristischen Personen als Versicherungsnehmer zur Folge haben sollte
(so auch: [X.] aaO; MünchKomm-[X.]/[X.]
aaO
Rn. 9; Wagner aaO 1589).
Mit Blick darauf ist die fehlende Aufnahme
des Begriffs "Sitz"
in den Wortlaut der Vorschrift nicht als bewusste Auslassung (a.A.
[X.]/[X.] aaO Rn. 14), sondern als redaktionelles Versehen des [X.]s anzusehen.

Abweichendes folgt
nicht daraus, dass die Gesetzgebungsmateria-lien (BT-Drucks. 16/3945 S.
117) einen ausdrücklichen Hinweis auf die verbraucherschützende Wirkung der Vorschrift enthalten (so aber
LG [X.] aaO; [X.] aaO Rn.
12). Vielmehr
kann die entsprechende Passage in der Begründung des Gesetzesentwurfs entgegen der Ansicht der Revision mit dem Berufungsgericht auch so verstanden werden, dass die Regelung neben anderen Zwecken der Stärkung des prozessualen Rechtsschutzes des Verbrauchers dienen soll, was einem weiten Ver-ständnis der Vorschrift nicht entgegenstünde
(vgl. [X.] aaO 1423; [X.] aaO Rn. 12; [X.] aaO Rn. 2; [X.]/[X.] aaO Rn. 11).

(4)
Schließlich steht
die weite Auslegung des [X.]begriffs in § 215 [X.], soweit es um die internationale Zuständigkeit geht,
in Einklang mit Art. 9 Abs. 1 Buchst. b
[X.] 2001. Danach 24
25
-
11
-

kann ein Versicherer, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines [X.] hat, unter anderem bei Klagen des Versicherungsnehmers in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, an dem der Kläger seinen Wohnsitz hat.
Wohnsitz ist dabei auch der
satzungsmäßige Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung einer juristischen Person (Art. 60 Abs. 1
[X.] 2001). Anhaltspunkte dafür, dass der [X.] Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der nationalen Vorschriften zum Schutz des Versicherungsnehmers für außerhalb des Geltungsbereichs der [X.] 2001 liegende
Sachverhalte hinter deren [X.] wollte, sind nicht ersichtlich (vgl. [X.], Urteil vom 30.
Okto-ber 2014 -
III ZR 474/13, [X.], 2414 Rn. 25; [X.] aaO; so auch [X.], [X.] 2015, 361, 364).

2. Der damit gegebene [X.]
Gerichtsstand konnte
nicht in den allgemeinen Versicherungsbedingungen der [X.] derogiert werden.

a) Dabei kann dahinstehen, ob § 22 Abs. 1 Satz 1 [X.] -
wie die Revision meint -
überhaupt im Sinne der Abbedingung des
[X.] Gerichtsstands verstanden werden kann.
Schon die tatbestandlichen Vo-raussetzungen einer zulässigen Vereinbarung nach § 215 Abs. 3 [X.] sind nicht gegeben. Eine darüber hinausgehende Wahl des zuständigen Gerichts sieht das Gesetz nicht vor (Senatsurteil vom 1. Juni 2016 -
[X.], [X.]Z 210, 277
Rn. 16 m.w.[X.]).

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer erweiterten An-wendung des Art.
23 [X.] 2001, für die entgegen der Meinung der Revision im Streitfall kein Raum ist.

Die Vorschrift
kann im Falle entsprechender Parteivereinbarung
die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedsstaats
be-26
27
28
29
-
12
-

gründen. Zwar wird
in der Literatur
vertreten, dass sich bei Vereinbarung eines Gerichtsstands in einem Drittstaat
der [X.]seffekt der [X.] ebenfalls nach Art. 23 [X.] 2001 bestimmen soll, um eine einheitliche Beurteilung der [X.] in den Mitgliedstaaten zu ge-währleisten (vgl. [X.] in [X.]/Schütze, [X.]. Art. 23
[X.] Rn. 41; [X.]/[X.], [X.]/[X.] (2011) Art. 23 [X.] Rn.
3b; [X.] in Musielak/Voit, ZPO 12.
Aufl. Art. 23 [X.] Rn. 2; [X.]/[X.], ZPO 30. Aufl. Art.
23 [X.] Rn. 12; [X.], Internationales Zivilverfahrensrecht 6.
Aufl. Rn. 531; Samtleben in Festschrift [X.], 2006 S. 343, 354; [X.]ze/[X.], [X.] 2005, 224, 228; [X.]/[X.], [X.] 2012, 43,
46, 48). Der [X.] ist insofern aber nicht einheitlich. Einige wollen die Zulässigkeit der [X.] nur dann an Art. 23
[X.] 2001
mes-sen, wenn sie auf den
Ausschluss
einer
nach der [X.] 2001 gege-benen Zuständigkeit gerichtet ist ([X.], [X.]/[X.], Samt-leben
und [X.]ze/[X.], jeweils
aaO).
Andere stellen darauf ab, ob [X.] in zwei Mitgliedstaaten gegebene Zuständigkeiten ausgeschlos-sen werden sollen (etwa [X.] aaO). Nach diesen beiden Ansichten ist die Ausnahmevorschrift hier nicht einschlägig, weil keine Zuständigkeit nach der [X.] 2001 abbedungen werden soll und außer der Zustän-digkeit [X.] und [X.] Gerichte keine Zuständigkeit von Gerichten eines zweiten Mitgliedstaats in Betracht kommt.

Für die Revision spricht nur eine dritte Meinung, die
allein die [X.] eines mitgliedstaatlichen Gerichts für ausreichend hält ([X.] und [X.]/[X.] aaO)
und damit
Art.
23 [X.] 2001 auch dann anwenden will, wenn die internationale Zuständigkeit eines mit-gliedstaatlichen Gerichts ausgeschlossen
werden soll, die sich allein aus dessen autonomem Recht ergibt.
Diese Ansicht überzeugt nicht.
Es ist 30
-
13
-

schon nicht erkennbar, weshalb das autonome Recht eines Mitglied-staats, das eine Zuständigkeit seiner Gerichte begründet, nicht auch für deren Abbedingung durch Parteivereinbarung maßgebend sein soll. Im Übrigen hat der [X.] zur Vorgängervor-schrift des Art.
23 [X.] 2001 entschieden, dass diese nicht auf eine Klausel angewandt werden könne, die als zuständiges Gericht das [X.] eines [X.] bezeichnet, sondern insoweit die lex fori des [X.]en Gerichts anwendbar sei (ZIP 2001, 213 Rn. 19 -
"Coreck [X.]" unter Bezugnahme auf den Bericht von Prof. [X.] zu dem Übereinkommen vom 9.
Oktober 1978 über den Beitritt des [X.], [X.] und des [X.] zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil-
und Handelssa-chen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkom-mens durch den Gerichtshof, ABl. 1979
C
59 S. 71 Nr.
176). Damit in Einklang steht die bisherige Rechtsprechung des [X.] (vgl. Urteile vom 24.
November 1988 -
III ZR 150/87, NJW 1989, 1431 unter IV 1 b und vom 20. Januar 1986

[X.], NJW 1986, 1438 [X.]). Diese Sicht entspricht auch für Art. 23 [X.] 2001 nach wie vor herrschender Meinung (Kropholler, [X.] 8.
Aufl. Art. 23 [X.] Rn. 14; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 23 [X.] Rn. 4; [X.]/[X.], 4.
Aufl. Art. 23 [X.] Rn. 9; Nagel/[X.], Internationales Zivilprozessrecht 7.
Aufl. § 3 Rn.
191; [X.] in Reithmann/[X.]y, Internationales Vertragsrecht 8. Aufl. Rn. 8.18; [X.] in [X.]/Konecny, [X.] zu den Zivilprozeßgesetzen 2.
Aufl. Art. 23
[X.] Rn. 22; Wagner in [X.], ZPO 22. Aufl. Art. 23 [X.] Rn.
30; von [X.], [X.] 2006, 16, 17).

-
14
-

Die
von der Revision angeregte Durchführung eines Vorabent-scheidungsverfahrens zur Auslegung der Norm nach Art. 267 Abs.
1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages
über die Arbeitsweise der [X.] ([X.]) ist in Anbetracht der genannten Entscheidung des [X.]shofs der [X.] nicht veranlasst. Dem steht dessen
Urteil in der Rechtssache "[X.]" ([X.]/02, [X.] 2005, 345) nicht entgegen, weil es
-
wie
das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat
-
nicht erkennen lässt, dass der Gerichtshof darin von seiner Beurteilung von Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten eines [X.] Abstand genommen hat.

[X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. Bußmann

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.07.2014 -
1 [X.] 4892/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 17.12.2015 -
14 [X.] -

31

Meta

IV ZR 551/15

08.11.2017

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2017, Az. IV ZR 551/15 (REWIS RS 2017, 2796)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2796

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 551/15 (Bundesgerichtshof)

Besonderer Gerichtsstand des Wohnsitzes des Versicherungsnehmers: Anwendbarkeit auf juristische Personen


14 U 3409/14 (OLG München)

Gerichtsstand des § 215 Abs. 1 VVG: Zeitlicher und persönlicher Anwendungsbereich


IV ZR 435/15 (Bundesgerichtshof)

Versicherungsvertrag: Anwendbarkeit der neuen Gerichtsstandsregelung auf Streitigkeiten aus Altverträgen


IV ZR 435/15 (Bundesgerichtshof)


IV ZR 80/15 (Bundesgerichtshof)

Rückabwicklung eines mit einer liechtensteinischen Gesellschaft geschlossenen Lebensversicherungsvertrages nach Widerspruch: Anwendbarkeit deutschen Sachrechts wegen Behandlung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZR 551/15

IV ZR 80/15

IV ZR 435/15

III ZR 474/13

14 U 3409/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.