Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2017, Az. IV ZR 435/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 14498

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:080317UIVZR435.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 435/15
Verkündet am:

8. März 2017

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: ja

[X.]R:
ja

[X.][X.] Art. 1 Abs. 1 und 2; [X.] § 215

Der Regelungsbereich der Übergangsvorschrift in Art. 1 Abs.
1 und 2 [X.][X.] erfasst nicht die Gerichtsstandsregelung des § 215 [X.].

[X.], Urteil vom 8. März 2017 -
IV ZR 435/15 -
[X.] Bamberg

[X.]

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], den Richter [X.], die Richterinnen [X.] und Dr. Bußmann
auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2017

für Recht erkannt:

Die Revision der [X.] gegen das Urteil des [X.] -
1. Zivilsenat -
vom 20. August 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der [X.] die Rückzahlung einer [X.] wegen
fehlerhafter Beratung bei Abschluss einer Le-bensversicherung,
aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung sowie auf-grund
ungerechtfertigter Bereicherung.

Anfang 2006 schloss der Kläger bei der [X.], einem Versi-cherer mit Sitz in [X.], der Tochterunternehmen eines österrei-chischen Versicherungskonzerns ist, eine "Lebensversicherung mit [X.]" gegen Zahlung einer

Dem Vertragsschluss ging eine Beratung des [X.] durch einen [X.] voraus, der
dem Kläger unter Verwendung von zwei Bro-schüren das Versicherungsprodukt, das nach den Feststellungen des Be-rufungsgerichts eine komplexe und risikobehaftete Anlagestrategie für 1
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das verwaltete Anlagevermögen vorsah, erläutert hatte. Der Kläger [X.] den Versicherungsbeitrag. Seine
Anlage entwickelte sich in der Fol-ge jedoch nicht
wie von ihm erhofft. Inzwischen ist der fast vollständige Verlust des eingesetzten Kapitals eingetreten.

Der Kläger macht geltend, durch den [X.] unzureichend über Kosten und Risiken sowie die Renditeaussichten der Kapitalanlage unterrichtet worden zu sein. Diese Pflichtverletzung müsse sich die [X.] gemäß §
278
BGB zurechnen lassen, nachdem sie sich des [X.] als Erfüllungsgehilfen bedient hätte. Zudem hafte die [X.] unter dem Gesichtspunkt der bürgerlich-rechtlichen [X.].

Seine auf Prämienrückzahlung gerichtete Klage hat der Kläger bei
dem [X.] erhoben, in dessen Bezirk sich sein Wohnsitz befindet. Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat er durch seinen Prozess-bevollmächtigten den Wi[X.]pruch nach § 5a [X.] a.F. erklären lassen und das geltend gemachte Rückforderungsbegehren auch hierauf ge-stützt.

Das [X.] hat die Klage mangels internationaler [X.] des angerufenen Gerichts als unzulässig abgewiesen. Das Oberlan-desgericht hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten [X.] und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des [X.] Urteils.

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Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die internationale Zustän-digkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus § 215 Abs. 1 Satz 1 [X.].

Die vorrangigen Zuständigkeitsregelungen der Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 ([X.] 2001) und des [X.] vom 30.
Oktober 2007 ([X.]) griffen nicht ein. Die [X.] 2001 gelte für die Mitgliedsstaaten der [X.], das [X.] für [X.]. Hierzu gehöre [X.] jedoch nicht. Eine An-wendung von Art. 9 Abs. 2 [X.] 2001 im Hinblick auf die österreichi-sche Konzernmutter der [X.] scheide aus.

Die internationale Zuständigkeit folge danach mittelbar aus den Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit. Insoweit sei § 215 Abs. 1 Satz 1 [X.]
sowohl zeitlich als auch sachlich anwendbar. Gemäß Art. 1 Abs. 1 [X.][X.], der ebenso wie Art. 1 Abs. 2 [X.][X.] auch für prozess-rechtliche Vorschriften gelte, sei das neue [X.] ([X.]) ab dem 1. Januar 2009 auch auf Versicherungsverträge anzuwen-den, die vor der Neukodifikation abgeschlossen worden seien. Art. 1 Abs. 2 [X.][X.] erfasse die vorliegende Fallkonstellation aber nicht, in der die Abwicklung eines Versicherungsfalls nicht in Rede stehe. Eine analoge Anwendung scheide aus. In sachlicher Hinsicht umfasse § 215 Abs. 1 Satz 1 [X.] Ansprüche aus vorvertraglichem Verschulden ebenso wie bereicherungsrechtliche Ansprüche auf Rückerstattung der Prämie nach Wi[X.]pruch gemäß § 5a [X.] a.F.
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I[X.] Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die [X.] gemäß §
215 Abs. 1 Satz 1 [X.] zur Entscheidung des Rechtsstreits international zuständig sind. Dies gilt für alle vom Kläger geltend ge-machten Ansprüche.

1. Die nationalen Zuständigkeitsvorschriften werden hier nicht durch die Regelungen der [X.] 2001 oder des [X.] verdrängt, die
jeweils nach Maßgabe ihres Art. 4 Abs. 1 nicht anwendbar sind. Die Beklagte hat weder im Sinne von Art. 4, 60 Abs. 1 [X.] 2001 ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates noch gemäß den Art. 4, 60 Abs. 1 [X.] im Hoheitsgebiet eines durch das Übereinkommen, dem das Fürstentum [X.] nicht beigetreten ist (Senatsurteil vom 1. Juni 2016 -
IV ZR 80/15, [X.], 1099 Rn. 14
m.w.[X.]), gebunde-nen Staates. Sie
ist auch entgegen der noch in der Berufungsinstanz
durch den Kläger geäußerten Ansicht, auf welche die Parteien im Revisi-onsverfahren zu Recht nicht zurückgekommen sind, nicht mit Blick
auf ihre [X.] Konzernmutter
nach Art. 9 Abs. 2 [X.] 2001 und [X.] so zu behandeln, wie wenn sie einen solchen Wohnsitz hätte.
Ebenso ist für die Klage keine vom Wohnsitz unabhängige [X.] nach den vorrangigen Art. 22, 23 [X.] 2001 und [X.] begründet, deren Voraussetzungen hier nicht vorliegen.

2. Die internationale Zuständigkeit für die Klage ergibt sich danach mittelbar aus den nationalen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit (Senatsurteil vom 1. Juni 2016 aaO Rn. 15 m.w.[X.]), hier aus § 215 Abs.
1 Satz 1 [X.].

a) Dies gilt
ungeachtet des Umstands, dass sich der Kläger auf keine vertraglichen Rechte beruft.
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§ 215 Abs. 1 Satz 1 [X.] setzt
zwar nach seinem Wortlaut eine Klage "aus dem Versicherungsvertrag" voraus. Dieser Begriff ist aber, wenn es -
wie hier -
um einen
Versicherungsvertrag geht (vgl. dazu [X.] vom 23. November 2016 -
IV ZR 50/16, [X.], 118 Rn.
12 m.w.[X.]),
insofern weit auszulegen, als er
alle Ansprüche
umfasst, bei denen das Bestehen, Nichtbestehen oder Nichtmehrbestehen eines [X.]s auch nur die Rolle einer klagebegründenden Behauptung spielt (PK-[X.]/[X.], 2. Aufl. §
215 Rn. 5; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 29.
Aufl. §
215 Rn. 4; HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. §
215 Rn.
6; Wagner, [X.], 1589). Sie
erstreckt sich auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Anbahnung, dem Abschluss, der [X.] oder der Rückabwicklung eines [X.] ([X.], Urteil vom 17.
Dezember 2015 -
14 [X.], juris Rn.
43 [inso-weit in [X.], 213 nicht abgedruckt]; [X.] in [X.], [X.] 9.
Aufl. §
215 Rn.
25; [X.] aaO; MünchKomm-[X.]/[X.], 2.
Aufl. §
215 Rn. 30; [X.], [X.], 15). Dies betrifft auch [X.] aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, sofern diese im [X.] mit einem Versicherungsvertrag stehen, wie z.B. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nach Wi[X.]pruch oder aus deliktischer Haftung ([X.] aaO;
[X.] aaO Rn.
31; [X.]/Rixecker, [X.] 5. Aufl. §
215 Rn.
5; Wolf in [X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. §
215 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.], 265).

Die Norm erfasst damit die Klage, soweit sie auf die bereiche-rungsrechtliche Rückabwicklung des [X.] nach [X.] (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 1. Juni 2016 -
IV ZR 80/15, [X.], 1099 Rn. 1, 15) sowie auf Schadensersatz aus [X.] bei Anbahnung des [X.] gerichtet ist. Letzteres schließt die Prospekthaftung im weiteren Sinne mit ein, die als 15
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Anwendungsfall der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss ([X.], Urteil vom 9. Juli 2013 -
II ZR 9/12, [X.], 1597 Rn. 26; st. Rspr.) hier ebenfalls auf das Verhalten des [X.]s
im Rahmen der Be-ratung des [X.] über die streitgegenständliche Versicherung abstellt.
Nichts anderes gilt aber auch für eventuelle
Ansprüche des [X.] aus Prospekthaftung im engeren Sinne. Denn unabhängig davon, ob man diese als quasivertraglich oder -deliktisch qualifiziert (vgl. hierzu Schütze in [X.]/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts 4. Aufl. § 7 Rn.
20 f. m.w.[X.]), stehen sie in engem
Zusammenhang mit dem [X.], von dessen Abschluss sie unmittelbar abhängen (vgl. [X.], Urteil vom 26. September 1991 -
VII ZR 376/89, [X.]Z 115, 213, 220
f.).

b) Wie das Berufungsgericht
im Ergebnis richtig erkannt hat, ist §
215 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar, obgleich der Vertragsschluss noch vor der Reform des [X.]-rechts erfolgte.

aa) § 215 [X.] wurde im Zuge
dieser Reform zum 1. Januar 2008 als Nachfolgevorschrift zu § 48 [X.] a.F. in das neue Versicherungsver-tragsgesetz
aufgenommen. Umstritten ist, ob und in welchem Umfang die Vorschrift
von Art. 1 [X.][X.] erfasst wird.

(1) Eine Ansicht, die auch das Berufungsgericht vertritt, sieht den zeitlichen Anwendungsbereich des § 215 [X.] als von Art. 1 Abs. 1 [X.][X.] geregelt an, weil dieser nicht zwischen verschiedenen Arten von Vorschriften des [X.]es differenziere ([X.], 513; [X.] 2012, 804; [X.], 1065, 1066; [X.] [X.], 1354 f.; [X.], Beschluss vom 7. Oktober 2015 14 [X.] unter II I
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b bb aaa, nicht veröffentlicht; [X.] [X.], 531; [X.] [X.], 1345, 1346; [X.] VersR 2015, 1153, 1154; [X.] [X.], 374, 375; [X.] [X.], 935; [X.], Beschluss vom 15. April 2010 -
5 [X.], juris Rn. 8 f.; [X.] Stuttgart r+s 2009, 102; [X.], 246; [X.] in [X.], [X.] 9.
Aufl. §
215 Rn. 55; [X.]. in [X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. Art.
1 [X.][X.] Rn. 5 ff.; PK-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 215 Rn. 16; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 29. Aufl. § 215 Rn. 2; MünchKomm-[X.]/Looschel-[X.], 2.
Aufl. § 215 Rn. 39; HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. § 215 Rn.
19; [X.]/Rajkowski, [X.], 1559, 1560 f.; [X.], [X.],
557, 559; Wagner, [X.], 1589, 1591; (mit abweichender Begründung:) [X.] in Langheid/Rixecker, [X.] 5. Aufl. Art. 1 [X.][X.] Rn.
10). Innerhalb dieser Meinung herrscht wiederum
darüber Streit, ob auch Art. 1 Abs.
2 [X.][X.] Anwendung findet.

Die einen wenden Art. 1 Abs. 2 [X.][X.] nicht an
und halten § 215 [X.] im Falle eines [X.] ab dem 1.
Januar 2009 in zeitlicher Hin-sicht ohne Einschränkung für anwendbar (Bundesregierung, BT-Drucks. 16/11480, [X.]; [X.], 1065, 1066; [X.] [X.], 531, 532; [X.] [X.], 1237, 1348; [X.], Urteil vom 17. Dezember 2015 -
14 [X.], juris Rn. 34 f. [in-soweit in [X.], 213 nicht abgedruckt]; [X.], Beschluss vom 15. April 2010 -
5 [X.], juris Rn. 9; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 29.
Aufl. § 215 Rn. 3; [X.] in Langheid/Rixecker, [X.] 5. Aufl. Art. 1 [X.][X.] Rn. 10; Wagner, [X.], 1589, 1591).

Die anderen sehen -
wie das Berufungsgericht -
Art. 1 Abs. 2 [X.][X.] als einschlägig an
und lassen § 215 [X.] bei [X.] im Zusammenhang mit Altverträgen keine Anwendung finden, wenn es um einen Versicherungsfall geht, der bis zum 31. Dezember 2008 20
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eingetreten ist ([X.], 513; [X.] 2012, 804; [X.] [X.], 1354, 1355
f.; [X.] [X.], 1345, 1346; [X.] [X.], 374, 375; [X.] [X.], 935; [X.] in [X.], [X.] 9. Aufl. §
215 Rn. 56; [X.]. in [X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. Art. 1 [X.][X.] Rn. 8; PK-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 215 Rn. 16; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 215 Rn. 40; HK-[X.]/[X.], 3. Aufl. §
215 Rn. 20; [X.]/Rajkowski, [X.], 1559, 1560 f.; [X.], [X.], 557, 559 f.).
Dabei
besteht wiederum darüber
Uneinigkeit, ob sich die Anwendung von Art. 1 Abs. 2 [X.][X.] auf den dort geregelten Eintritt eines Versicherungsfalls beschränkt ([X.], Urteil vom 28. April 2015 -
4 U 1175/14 unter [X.], nicht veröffentlicht; [X.], Beschluss vom 7. Oktober 2015 -
14 [X.] unter [X.] b bb bbb [X.]), nicht veröffentlicht;
[X.] aaO
Rn. 3a; [X.], [X.], 859, 863) oder ob die Vorschrift -
wie die Revision annimmt -
auch Fälle um-fasst, in denen die
Voraussetzungen für den geltend gemachten [X.] bereits vor dem 31. Dezember 2008 eingetreten sind ([X.], Beschluss vom 12. November 2014 -
20 [X.] unter [X.], nicht veröffentlicht; [X.], Urteil vom 25. November 2014 -
6 [X.] S.
10 f., nicht veröffentlicht). Danach wäre
§ 215 [X.] auch bei allen Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Altverträgen nicht anwend-bar, in denen es um Ansprüche geht, die bis zum 31. Dezember 2008 entstanden sind.

[X.]) Nach der Gegenauffassung wird
§ 215 [X.] als Norm des [X.] schon von
Art. 1 Abs. 1 [X.][X.]
nicht erfasst ([X.], Urteil vom 28. April 2015 -
4 U 1175/14 unter [X.], nicht veröffentlicht; [X.]
[X.] 2009, 2246; [X.] Koblenz
[X.], 1356; [X.], Urteil vom 4. März 2015 -
27 [X.] unter [X.], nicht veröf-22
-
10
-

fentlicht; [X.] Saarbrücken [X.], 1337; Armbrüster in [X.]/[X.], [X.] 29.
Aufl. Art. 1 [X.][X.] Rn. 5, 8; BeckOK-[X.]/[X.], §
215 Rn. 21 (Stand 30. Juni 2016); Wolf in [X.]/[X.], 2.
Aufl. §
215 Rn. 11; [X.] in [X.]/Matusche-[X.], [X.] 3.
Aufl. § 1a Rn. 45b; [X.], [X.], 15, 20; [X.], [X.], 859, 861). Vielmehr sei die neue [X.] gemäß Art.
12 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des [X.]rechts vom 23. November 2007 ([X.]) seit dem 1. Januar 2008 geltendes Recht, das unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses anzuwenden ist
([X.] Saarbrücken aaO; [X.] aaO; [X.] in [X.]/Matusche-[X.] aaO; [X.] aaO; [X.], [X.], 859, 861).

bb) Die letztgenannte Meinung trifft zu. § 215 [X.] unterfällt nicht
dem Regelungsbereich von Art. 1 Abs. 1 und 2 [X.][X.]. Das ergibt die Auslegung der intertemporalen Kollisionsnorm.

(1) Art. 1 Abs. 1 [X.][X.] erfasst

entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revision -
die zivilprozessualen
Regelungen des [X.]es
nicht.

Zwar ist sein Wortlaut insofern nicht eindeutig, als er einerseits die Anwendung des alten Rechts
"auf [X.]" anordnet, was ein [X.] Verständnis der Verweisungsnorm möglich erscheinen lässt (vgl. [X.] Saarbrücken [X.], 1337;

MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl. § 215 Rn. 39; [X.], [X.], 859, 860; a.A. [X.], 513; [X.] Braun-schweig [X.] 2012, 804; [X.] VersR
2010, 935; HK-[X.]/[X.], 3.
Aufl. §
215 Rn.
19), und andererseits auf das Versiche-rungsvertragsgesetz insgesamt verweist, das auch prozessuale Normen 23
24
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-
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-

enthält. Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen aber -
an[X.] als die Revision
meint -
für einen entsprechend beschränkten
Regelungsbe-reich.

Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der [X.] zur Reform des [X.]rechts sollte mit der Norm ei-ne Umkehr des Grundsatzes erreicht werden, dass neue vertragsrechtli-che Regelungen nur für Verträge gelten, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen werden, und die bis zu diesem Zeitpunkt beste-henden Vertragsverhältnisse (Altverträge) Bestandsschutz genießen (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 118). Diese Zielrichtung
ergibt sich nicht auf den ersten Blick, da die
Vorschrift ausdrücklich nur die Fortgeltung des alten [X.]es für Altverträge bis zum 31. Dezember 2008 regelt. [X.] bestimmt sie damit aber zugleich im Grundsatz, dass das neugefasste [X.] ab 1.
Januar 2009 auch auf Altverträge anwendbar ist (Gesetzentwurf der Bundesregierung aaO). Art. 1 Abs. 1 [X.][X.] ist damit -
im Vergleich zu den ungeschrie-benen intertemporalen Regeln des materiellen Rechts -
auf keine Be-schränkung, sondern eine erweiterte Geltung des neuen Versicherungs-vertragsgesetzes gerichtet.

Demgegenüber gilt im Prozessrecht der Grundsatz, dass neue Ge-setze -
vorbehaltlich abweichender Überleitungsvorschriften des Gesetz-gebers -
auch schwebende Verfahren erfassen, die danach mit [X.] des Änderungsgesetzes regelmäßig nach neuem Recht zu beurteilen sind, soweit es nicht um unter Geltung des alten Rechts abgeschlossene Prozesshandlungen und abschließend entstandene Prozesslagen geht (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 28. Februar 1991 -
III ZR 53/90, [X.]Z 114, 1, 3 f.; Beschluss vom 23. April 2007 -
II
ZB 29/05, [X.]Z 172, 136 26
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12
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Rn. 25
jeweils m.w.[X.]). Neue prozessuale Normen gelten damit -
unab-hängig von materiell-rechtlichen Rechtsverhältnissen -
grundsätzlich ex nunc. Wäre Art. 1 Abs. 1 [X.][X.] als hiervon abweichende Überleitungs-vorschrift anzusehen, würde dies zu einer Geltungsbeschränkung der neuen [X.] in § 215 [X.] und damit des neuen Rechts führen, die der gesetzgeberischen Zielrichtung zuwiderliefe.

[X.]) Greift Art. 1 Abs. 1 [X.][X.] nicht ein, ist auch für eine Anwen-dung von Art. 1 Abs. 2 [X.][X.] kein Raum. Schon sein Wortlaut zeigt, dass er auf den vorherigen Absatz aufbaut (vgl. [X.] in [X.], [X.] 9. Aufl. § 215 Rn. 56). Das bestätigt auch die
Begründung des [X.] (vgl. aaO li. [X.].
Abs. 2 und 3; [X.], [X.], 859, 860 "Ausnahme von der Ausnahme").

Gründe verfassungsrechtlich gewährleisteten Vertrauensschutzes gebieten nichts anderes (a.A. [X.], 1065, 1066; kritisch: [X.] in [X.], 9. Aufl. § 215 [X.] Rn. 55; [X.]. in Loo-schel[X.]/[X.], [X.] 2. Aufl. Art. 1 [X.][X.] Rn. 7; [X.]., [X.], 557, 559). § 215 [X.] berührt nicht die Zulässigkeit von Klagen, die bei einem nach bisheriger Rechtslage örtlich zuständigen Gericht er-hoben worden sind, weil insoweit ohnehin der Grundsatz
der Fortdauer der einmal begründeten Zuständigkeit (perpetuatio fori) gilt (st. Rspr.; statt aller: [X.], Beschluss vom 11. Dezember 2001 -
KZB 12/01, [X.], 1351 unter 1 m.w.[X.]). Im Übrigen kann die Regelung zwar die Fortgeltung unter dem bisherigen Recht wirksam getroffener Gerichts-standsvereinbarungen entfallen lassen. Hierbei handelt es sich aber um einen Fall unechter Rückwirkung (vgl. [X.] 31, 222, 226), die nur dann unzulässig ist, wenn das Vertrauen des Einzelnen auf den [X.] einer gesetzlichen Regelung die Bedeutung des gesetzgeberi-schen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit überwiegt ([X.] aaO 28
29
-
13
-

227). Das ist hier nicht der Fall, weil -
wie die Revisionserwiderung
rich-tig erkennt -
das Interesse des Versicherers an dem Bestand alter
Ge-richtsstandsvereinbarungen gegenüber dem durch den Gesetzgeber ver-folgten Ziel der Stärkung des prozessualen Rechtsschutzes des [X.] (Gesetzentwurf
der Bundesregierung aaO [X.]) nicht vor-rangig ist (ähnlich: [X.] [X.] 2009, 2246, 2247; [X.] Koblenz [X.], 1356).

[X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. Bußmann

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.09.2014 -
94 O 2494/13 Ver -

[X.] Bamberg, Entscheidung vom 20.08.2015 -
1 [X.] -

Meta

IV ZR 435/15

08.03.2017

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2017, Az. IV ZR 435/15 (REWIS RS 2017, 14498)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14498

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