Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2017, Az. 2 StR 92/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 8904

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:280617U2STR92.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR 92/17
vom
28. Juni 2017
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schweren Raubes u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 28.
Juni 2017, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Appl

als Vorsitzender,

[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
die [X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
[X.],

Staatsanwalt

als Vertreter
der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger des Angeklagten,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 28.
November 2016 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichne-te Urteil im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels der Staatsanwaltschaft, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

-
4
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung, vor-sätzlichem unerlaubten
Besitz einer halbautomatisierten

Kurzwaffe zum Ver-schießen von Patronenmunition und mit

vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Dagegen richtet sich die auf eine Formal-
und auf die Sachrüge gestützte
Revision
des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zuun-gunsten des Angeklagten eingelegten
und wirksam auf den Strafausspruch be-schränkten Revision gegen die [X.] und die Strafzumessung
im engeren Sinne.
Die Revision des Angeklagten erweist sich als unbegründet. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Angeklagte begab sich am frühen Morgen des 31.
Juli 2015 gegen 3.30
Uhr in das in A.

gelegene und von dem Zeugen K.

betriebene Café

Ak.

, um die dort aufgestellten Geldspielautomaten aufzubrechen und das
darin enthaltene Bargeld zu entwenden. Mit einer mit Sehschlitzen versehenen Wollmaske

maskiert
betrat der Angeklagte, der zur Überwindung etwaigen Widerstands eine

möglicherweise ungeladene

Pistole, eine
halbautomati-sche Kurzwaffe der Marke [X.], Kaliber 9
mm, sowie ein Elektroschockgerät mit sich führte, das Café, in dem sich zu diesem Zeitpunkt 1
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-
der Angestellte Ka.

sowie ein unbekannt gebliebener Gast aufhielten. Der
Angeklagte hielt dem Geschädigten Ka.

die Pistole in den Nacken und forder-
te ihn ebenso wie die weitere Person auf, sein Mobiltelefon
auszuschalten
und sich auf den Boden zu legen. Nachdem beide dieser Aufforderung gefolgt [X.], packte der Angeklagte den Geschädigten Ka.

am Kragen, versetzte ihm
Faustschläge in den Rücken-
und Schulterbereich
und schob ihn vor sich her
hinter die Theke des Cafés. Dort forderte er den Geschädigten erneut auf, sich auf den Boden zu legen. Er fesselte Hände und Füße des Geschädigten mit den zu diesem Zweck mitgeführten Kabelbindern und unterband dessen [X.], indem er ihm mit dem Elektroschockgerät zwei Stromstöße in den Rückenbereich
versetzte; hierdurch erlitt der Geschädigte

wie vom Angeklag-ten billigend in Kauf genommen

nicht unerhebliche Schmerzen und trug [X.] in Form von Hautrötungen sowie oberflächliche Hautverletzungen

davon. Nach Anlegen der Kabelbinder knebelte der Angeklagte den Geschädigten, indem er ihm Servietten in den Mund stopfte,
und riss die Über-wachungskamera aus ihrer Verankerung.

Anschließend nahm er die [X.] ab und sprach den Geschädigten Ka.

in [X.] Sprache
mit dessen Vornamen an. Nach
rund 15 bis 20 Mi-
nuten befreite er den Geschädigten von den Kabelbindern
und forderte ihn auf, sich an einen Tisch zu setzen. Nachdem der unbekannt gebliebene
Gast
eine Tasche mit Werkzeug aus dem Fahrzeug des Angeklagten geholt hatte, brach der Angeklagte zwei der drei Geldspielautomaten auf. Dabei erklärte er, dass er der .

drohte dem Geschädigten, er werde ihn umbringen, wenn er
ihn anzeige. Nachdem es ihm gelungen war, die Geldspielautomaten aufzubre-chen, nahm er das darin befindliche Bargeld

rund 2.500

an sich. Er ver-staute die [X.] in Taschen, wiederholte seinen Vornamen und die Todes-drohung und verließ schließlich das Café.
Der durch die Tat verursachte [X.] betrug mindestens 2.500

6
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6
-
Einige Tage nach der Tat traf der Zeuge K.

mit
dem Angeklagten Ö.

und weiteren Personen zusammen; dabei räumte der Angeklagte Ö.

den Überfall ein und erklärte dem Zeugen K.

sinngemäß, dass dieser

In der Hauptverhandlung am 7.
November 2016 forderte der in Untersu-chungshaft genommene Angeklagte Ö.

den auf freiem Fuß befindlichen
Mitangeklagten B.

auf, Einfluss auf den Zeugen Ka.

zu nehmen, dessen
Vernehmung am nächsten Sitzungstag erfolgen sollte rum; .

II.
Die Revision des Angeklagten
ist unbegründet.
1.
Die Formalrügen sind aus den vom [X.] in seiner Zuschrift genannten Gründen jedenfalls unbegründet.
2. Die auf die Sachrüge hin gebotene umfassende Prüfung des angegrif-fenen Urteils lässt einen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler nicht erkennen. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:
a) Die Beweiswürdigung des [X.] begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
aa) Die [X.] war sich des eingeschränkten Beweiswerts der po-lizeilichen Angaben des Zeugen Ka.

bewusst, der in der Hauptverhandlung
wegen bestehender [X.] nicht gehört und von den [X.] nicht unmittelbar befragt werden konnte. Sie hat im Rahmen der 7
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für die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung Gelegenheit für Nachfragen rigen sorgfältige, auf weitere, außerhalb der Aussage des Zeugen liegende, den [X.] belastende Beweisanzeichen gestützte Beweiswürdigung genügt den insoweit bestehenden Anforderungen in sachlich-rechtlicher Hinsicht (vgl. [X.], Urteil vom 25.
Juli 2000

1
StR 169/00, insoweit in [X.]St 46, 93 nicht abge-druckt; Beschluss vom 29.
November 2006

1
StR 493/06, [X.]St 51, 150, 157).
[X.]) Es ist rechtlich unbedenklich, dass die [X.] die vorliegend festgestellte versuchte Einflussnahme des Angeklagten über einen [X.] auf den Zeugen Ka.

während laufender Hauptverhandlung als ein den Angeklag-
ten belastendes Indiz bewertet hat.
Der in Untersuchungshaft genommene Angeklagte hatte ausweislich der Feststellungen versucht, den auf freiem Fuß befindlichen Mitangeklagten B.

vor der für den Folgetag vorgesehenen Vernehmung des Belastungszeugen
Ka.

dazu zu bestimmen, auf diesen Zeugen bzw. den Inhalt seiner Aussage

[X.] machen.

Zwar enthielte diese Beweiserwägung Elemente eines Zirkelschlusses, wenn sie gedanklich bereits voraussetzte, was erst zu beweisen wäre, dass der Angeklagte die Tat tatsächlich begangen hätte (vgl. [X.], Urteil vom 8.
Dezember 2004

2 StR 441/04, [X.]R StPO §
261 Beweiswürdigung 32). In diesem Sinne versteht der [X.] die von der [X.] ersichtlich als ein die übrigen Beweiserwägungen abrundendes Indiz angeführte Erwägung jedoch nicht. Dass die [X.] hier die versuchte Einwirkung auf den Zeugen als ein die Grenzen zulässigen [X.] eindeutig überschreitendes 14
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Verhalten des Angeklagten angesehen hat, ist von Rechts wegen nicht zu [X.], sondern hält sich im Rahmen des tatrichterlichen [X.]. Die [X.] hat diese Würdigung nicht nur auf den Inhalt der Äu-ßerung, sondern auf das damit in Zusammenhang stehende Verhalten des [X.] in der Hauptverhandlung gestützt. Dieser hatte geleugnet, dass seine Aufforderung überhaupt dahin zu verstehen sei, dass der Mitangeklagte auf den Belastungszeugen Einfluss nehmen solle. So hatte er zunächst behauptet, sei-ne Äußerung sei auf den Mitangeklagten und dessen Verhalten in der [X.] bezogen gewesen. Nachdem der Mitangeklagte dies nicht bestä-
Auch diese Version hat die [X.] tragfähig widerlegt. Vor diesem [X.] begegnet weder die Annahme einer versuchten unlauteren Einfluss-nahme noch deren Würdigung als ein den Angeklagten belastendes Indiz recht-lichen Bedenken, zumal diese Würdigung zu dem festgestellten Vorverhalten des Angeklagten passt; dieser hatte seine Täterschaft nach der Tat gegenüber [X.] offen eingeräumt, aber für den Fall der Namensnennung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden mit Konsequenzen gedroht.
cc) Die Feststellungen und Wertungen der [X.] tragen die An-nahme, dass der Angeklagte, der mit [X.] maskiert und mit Pistole sowie Elektroschockgerät bewaffnet das Café betrat und Einbruchswerkzeug zum Aufbruch der Spielautomaten in seinem Fahrzeug mitführte, von Beginn an mit [X.] handelte. Auch wenn die Art der Tatausführung einige Besonder-heiten aufweist, welche die [X.] letztlich nicht aufzuklären vermochte, und der Angeklagte mit seiner Tat möglicherweise weitere Ziele verfolgte, stellt dies die subjektive Tatseite
nicht in Frage. Erörterungen dazu, ob der [X.] aus anderen Gründen betrat und den [X.] etwa erst [X.]
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9
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tan und nach dem Einsatz der Gewalt gegen den Zeugen Ka.

gefasst haben
könnte, waren entbehrlich. Der Tatrichter ist von Rechts wegen nicht verpflich-tet, sich in den Urteilsgründen mit möglichen Geschehensabläufen auseinander zu setzen, für die nach dem festgestellten Sachverhalt Anhaltspunkte nicht er-sichtlich sind und die deshalb fern liegen.
b) Die tateinheitliche Verurteilung wegen Freiheitsberaubung (§
239 StGB) ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Zwar tritt §
239 StGB im Wege der [X.] hinter den
Tatbestand des Raubes (§
249 StGB) zurück, wenn die Freiheitsberaubung nur das tatbestandliche Gewaltmit-tel zur Begehung des Raubes ist ([X.], Urteil vom 11.
September 2014

2
StR 269/14, [X.], 113;
Beschluss vom 9. Juli 2004

2 StR 150/04;
[X.], Beschluss vom 30.
Oktober 2007

4 [X.], juris
Rn.
1). So lag es hier jedoch nicht. Der Angeklagte fesselte sein Tatopfer vielmehr während des mehraktigen Raubgeschehens
über einen Zeitraum von 15 bis 20 Minuten an Händen und Füßen,
nachdem er es mit einer Pistole bedroht, massiv körperlich misshandelt
und ihm mit einem Elektroschockgerät Stromstöße versetzt
hatte. Bei dieser Sachlage begegnet die Annahme von Tateinheit keinen rechtlichen Bedenken.
c) Dass die [X.] nicht auch eine Strafbarkeit wegen Führens der halbautomatischen Kurzwaffe (vgl. Anlage
1 zu §
1 Abs.
1 [X.] Abschnitt
2 Nr.
4)
durch deren Verwendung bei dem Überfall erwogen hat (vgl. [X.], [X.] vom 8. Oktober 2008

4 [X.], [X.], 628, 629), beschwert den Angeklagten nicht.

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-
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-
III.
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der [X.] hat Erfolg.
[X.] und Strafzumessung im engeren [X.] halten einer rechtlichen
Überprüfung nicht stand.
Sie weisen einen den [X.] begünstigenden
Rechtsfehler auf.

Das [X.] hat sowohl bei der [X.] als auch bei der Strafzumessung
im engeren Sinne zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, inige [X.] befand. Dies begegnet rechtlichen Bedenken. Untersuchungshaft ist, jedenfalls bei der Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund; sie wird ge-mäß §
51 Abs.
1 Satz
1 StGB grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet. Anderes gilt nur in Fällen, in denen der Vollzug von Untersu-chungshaft ausnahmsweise mit ungewöhnlichen, über das übliche Maß deutlich hinausgehenden Beschwernissen verbunden ist ([X.], Urteil vom 24.
August 2016

2
StR 504/15, NStZ-RR
2017, 40, 42; [X.], Urteil vom 19.
Dezember 2013

4
StR 303/13, [X.], 82, 83).
Will der Tatrichter wegen beson-derer Nachteile für den Angeklagten den Vollzug der Untersuchungshaft bei der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigen, müssen diese Nachteile in den Urteilsgründen dargelegt werden ([X.], Urteil vom 24.
August 2016

2
StR 504/15, aaO). Hieran fehlt es. Insoweit hat das [X.] allein darauf [X.]. Dabei hat es nicht erkennbar bedacht, dass der Angeklagte bereits seit dem [X.] in [X.] lebt, mehrere Cafés
betrieben hat und familiäre Bindungen im Inland hat. Bei dieser Sachlage genügte der bloße Hinweis auf unzureichende Sprachkenntnisse zur Begründung einer besonderen Haftempfindlichkeit nicht.
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-
11
-
Dieser
Rechtsfehler führt
zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der [X.] vermag in Ansehung des festgestellten [X.], der Intensität der eingesetz-ten Gewalt, der erheblichen
physischen
und psychischen Tatfolgen für das [X.] sowie des [X.] des Angeklagten nicht auszuschließen, dass der Tatrichter
ohne den aufgezeigten Rechtsfehler die Annahme eines minder schweren Falles abgelehnt und auch im Übrigen eine höhere Strafe verhängt hätte. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Die Feststellungen können aufrechterhalten werden, da es sich um einen reinen
Wertungsfehler handelt. Ergänzende, den bisherigen nicht widerspre-chende Feststellungen sind möglich.
Appl

[X.]

[X.]

[X.]

[X.]

22
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Meta

2 StR 92/17

28.06.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.06.2017, Az. 2 StR 92/17 (REWIS RS 2017, 8904)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8904

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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