Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2010, Az. II ZR 142/09

2. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5924

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Gegenstand

Rechtliches Gehör: Übergehen eines entscheidungserheblichen Parteivortrags durch das Berufungsgericht


Leitsatz

Geht das Berufungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung auf einen Vortrag einer Partei nicht ein, der für die Beurteilung einer nach seiner eigenen Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Frage von zentraler Bedeutung ist, rechtfertigt dies den Schluss, dass es den Vortrag nicht zur Kenntnis genommen hat .

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] wird das Urteil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 14. Mai 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 29.450,40 €

Gründe

1

Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat mit der Abweisung des - in der Berufungsinstanz noch - auf Zahlung der Ausschüttungen aus der übernommenen Garantie gerichteten Klageantrags den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

2

1. Das Berufungsgericht hat eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der [X.] verneint, weil sie einen selbständigen Garantievertrag voraussetze, den Prospektangaben jedoch nicht entnommen werden könne, dass die Beklagte zusätzlich zu der übernommenen [X.] gegenüber den an der Kapitalerhöhung beteiligten Anlegern eine weitere Garantie für die Mindestvorzugsausschüttungen habe übernehmen wollen. Mit seiner Annahme, die Beklagte habe nicht für die Zahlung der versprochenen Ausschüttungen einstehen wollen, hat es unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zentralen Vortrag des [X.] übergangen.

3

a) Der Kläger hat sich für seine Behauptung, die Beklagte habe gegenüber den Anlegern für die [X.] eine Garantie übernommen, nicht nur auf die - vom Berufungsgericht isoliert gewürdigten - Prospektangaben bezogen. Er hat außerdem vorgetragen, dass die Beklagte in dem mit der F.-Baubetreuung [X.] (künftig: [X.]) vereinbarten "Nachtrag zu Vertriebsauftrag und Platzierungsverpflichtung zur Kapitalerhöhung" vom 4. Juli 1997 (Anlage [X.]) die bevorrechtigten Ausschüttungen der Teilnehmer an der Kapitalerhöhung garantiert habe, indem sie sich verpflichtet habe, die ([X.] auf erstes Anfordern zu zahlen, wenn die Liquidität der [X.] zum Fälligkeitszeitpunkt eine Auszahlung nicht gestattete. Dies legt jedenfalls nahe, dass die Beklagte - anders als das Berufungsgericht den Prospekt verstanden hat - außer der Platzierung auch die Ausschüttungen garantieren wollte, da es andernfalls der [X.] nicht bedurft hätte.

4

b) Zur Begründung seines Anspruchs auf Zahlung der garantierten Ausschüttungen hat der Kläger ferner vorgebracht, die Beklagte habe in einem Schreiben vom 10. Juli 1997 (Anlage [X.]), in dem sie für die Beteiligung an der Kapitalerhöhung geworben habe, erklärt, dass die [X.] von 6 % p.a. im Rahmen der von ihr übernommenen [X.] sichergestellt sei; auch in dem auf Seite 2 dieses Schreibens dargestellten Rechenbeispiel werde von einer "garantierten Ausschüttung über 10 Jahre" ausgegangen. Desgleichen habe die Beklagte in einem weiteren Schreiben vom Juli 1999 (Anlage [X.]) eine "garantierte Ausschüttung von 6 % p.a. bis 2007" bestätigt.

5

c) Mit diesem - von der Nichtzulassungsbeschwerde als übergangen gerügten - Vortrag des [X.] und den hierzu vorgelegten Urkunden hat sich das Berufungsgericht bei der Prüfung der Frage, ob die Beklagte außer der [X.] auch eine Garantie für die [X.] übernommen hat, in keiner Weise auseinandergesetzt und ihn nicht in seine Würdigung einbezogen, obwohl sich dies angesichts seiner zentralen Bedeutung für das Verfahren aufdrängen musste. Darin zeigt sich, dass es diesen Vortrag des [X.] unter Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht zur Kenntnis genommen haben kann.

6

d) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht, hätte es den übergangenen Vortrag berücksichtigt, zu der Erkenntnis gelangt wäre, dass die Beklagte eine Garantie für die [X.] übernommen hat.

7

Abgesehen von dem vom Berufungsgericht - unter Außerachtlassung entscheidungserblichen Vortrags des [X.] - gewürdigten Prospekt kann sich ein eigener Anspruch des [X.] im Übrigen auch aus dem - als Anlage [X.] vorgelegten - "Nachtrag zu Vertriebsauftrag und Platzierungsverpflichtung zur Kapitalerhöhung" zwischen der [X.] und der Beklagten ergeben, wenn es sich hierbei - was durch Auslegung der konkreten Vereinbarung festzustellen sein wird - um einen Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB) handelt.

8

2. Für das wieder eröffnete Berufungsverfahren, in dem das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen zu treffen und gegebenenfalls auch den weiteren Einwendungen der Beklagten gegen den geltend gemachten Anspruch nachzugehen haben wird, weist der Senat auf Folgendes hin:

9

Die Erwägung des Berufungsgerichts, bei unvoreingenommener Lektüre des Prospektes sei klar gewesen, dass die Beklagte nicht zusätzlich zu der [X.] von 30 Millionen DM auch noch eine Garantie für die [X.] mit einem (weiteren) Risiko von 18 Millionen DM habe übernehmen wollen, ist - wie Beschwerde zu Recht beanstandet - denkfehlerhaft. Denn eine Inanspruchnahme der Beklagten aus der [X.]

kommt nur in Betracht, soweit das erforderliche Kapital nicht durch Anleger aufgebracht wird. In diesem Umfang ist jedoch die Garantie für die Ausschüttungen gegenstandslos, weil keine [X.] anfallen, für die die Beklagte möglicherweise zusätzlich einstehen müsste.


[X.]     
        
Caliebe     
        
Reichart
        
Drescher     
        
Löffler     
        

Meta

II ZR 142/09

14.06.2010

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 14. Mai 2009, Az: 18 U 80/08, Urteil

Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2010, Az. II ZR 142/09 (REWIS RS 2010, 5924)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5924


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. II ZR 142/09

Bundesgerichtshof, II ZR 142/09, 14.06.2010.


Az. 18 U 80/08

Oberlandesgericht Köln, 18 U 80/08, 14.05.2009.

Oberlandesgericht Köln, 18 U 80/08, 20.10.2008.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

IV ZR 31/14

IV ZR 31/14

II ZR 177/09

II ZR 142/09

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