Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 02.06.2021, Az. 4 AZN 156/21

4. Senat | REWIS RS 2021, 5319

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Gegenstand

Eingruppierung - abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung - Regelstudienzeit - Praxissemester


Tenor

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 1. Dezember 2020 - 16 Sa 1817/18 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 22.579,20 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

I. Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin. Für die durch die Klägerin begehrte Eingruppierung in [X.] 13 Teil III Abschnitt 28.1 Beschäftigte in der Konservierung und Restaurierung des Tarifvertrags über die Entgeltordnung des [X.] ([X.]) besteht ua. die tarifliche Anforderung einer „einschlägigen abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulbildung“. Nach § 7 Satz 1 Buchst. a, Satz 3 [X.] liegt eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung vor, wenn das Studium an einer staatlichen Hochschule iSd. § 1 Hochschulrahmengesetz ([X.]) oder einer nach § 70 [X.] staatlich anerkannten Hochschule mit einer nicht an einer Fachhochschule abgelegten ersten Staatsprüfung, Magisterprüfung oder Diplomprüfung beendet worden ist und die Abschlussprüfung in einem Studiengang abgelegt wurde, der seinerseits mindestens das Zeugnis der Hochschulreife (allgemeine Hochschulreife oder einschlägige fachgebundene Hochschulreife) oder eine andere landesrechtliche Hochschulzugangsberechtigung als Zugangsvoraussetzung erfordert, und für den Abschluss „eine Regelstudienzeit von mindestens acht Semestern - ohne etwaige Praxissemester, Prüfungssemester o. Ä. - vorschreibt“. Die Klägerin hat das Studium „Konservierung und Restaurierung von archäologischen, ethnologischen und kunsthandwerklichen Objekten“ an der [X.] absolviert. Die Studienordnung für diesen Studiengang sieht eine Regelstudienzeit von zehn Semestern einschließlich aller Prüfungen und der Diplomarbeit vor.

3

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, durch den von ihr absolvierten Studiengang über eine abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulbildung zu verfügen und die Feststellung begehrt, die Beklagte sei verpflichtet, sie ab dem 1. Januar 2014 nach [X.] 13 [X.]/Bund zu vergüten.

4

Die Beklagte ist der Ansicht, der Studiengang erfordere keine Regelstudienzeit von mindestens acht Semestern. Außer einem Prüfungssemester seien von der in der Studienordnung angegebenen Regelstudienzeit die Zeiten abzuziehen, in denen praktische Studienleistungen zu erbringen seien. Diese seien zu addieren und in Semester umzurechnen. Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit vorliegend von Bedeutung - stattgegeben, das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beklagten.

5

II. Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage (§ 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG) sind nicht gegeben.

6

1. Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt. Eine Rechtsfrage ist eine Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat ([X.] 18. Februar 2020 - 3 [X.] 954/19 - Rn. 3 mwN). [X.] ist eine Rechtsfrage, wenn sie in der Revisionsinstanz nach Maßgabe des Prozessrechts beantwortet werden kann. [X.] ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist. Von allgemeiner Bedeutung ist die Rechtsfrage, wenn sie sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und de[X.]alb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ([X.] 8. Dezember 2020 - 3 [X.] 849/20 - Rn. 8 f.; 23. Juli 2019 - 9 [X.] 252/19 - Rn. 11).

7

2. Nach diesen Grundsätzen ist der durch die Beklagte formulierte Rechtssatz

        

„Sind als Praxissemester, Prüfungssemester o.Ä. im Sinne des § 7 Abs. 3 S. 1 [X.] a.F., bzw. des § 7 S. 3 [X.] n.F. nur vollständige auf Prüfung oder Praxis entfallende Semester zu berücksichtigen?“

weder im Ganzen entscheidungserheblich noch klärungsbedürftig.

8

a) Soweit sich die Rechtsfrage auf „Prüfungssemester“ iSd. § 7 Satz 3 [X.] bezieht, ist sie nicht entscheidungserheblich. Das [X.] hat sich insoweit nicht mit ihr befasst. Die Ausführungen beziehen sich allein auf Praxissemester, die Prüfungssemester werden lediglich in der Begründung erwähnt. Hinsichtlich dieser besteht auch keine Entscheidungserheblichkeit, weil solche Zeiten zwischen den Parteien nicht im Streit stehen. Das [X.] hat von der in der Studienordnung angegebenen „Regelstudienzeit“ ein Semester als Prüfungssemester abgezogen, ist aber dennoch von einer Regelstudienzeit iSd. [X.] von neun Semestern ausgegangen. Dass darüber hinaus weitere Zeiten als „Prüfungssemester“ zu berücksichtigen und die Regelstudienzeit daher weiter zu kürzen wäre, behauptet auch die Beklagte nicht. Sie bezieht sich ausschließlich auf praktische Studienzeiten und Projektarbeiten.

9

b) Hinsichtlich der Frage, wann „Praxissemester“ iSd. § 7 Satz 3 [X.] vorliegen, besteht keine [X.]keit. Die Rechtslage ist offenkundig. Die Rechtsfrage lässt sich ohne Weiteres anhand des Tarifvertrags beantworten (zu den Auslegungsgrundsätzen für Tarifverträge [X.]. [X.] 11. November 2020 - 4 [X.] - Rn. 20 mwN). Praxissemester iSd. Tarifnorm sind nur solche Semester, in denen ausschließlich praktische Arbeiten erbracht werden.

aa) Diese Auslegung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 7 Satz 3 [X.]. Maßgebend sind danach ausschließlich entsprechende „Semester“, nicht aber andere Zeiten. Nur erstere werden in der Tarifregelung erwähnt. Die Tarifvertragsparteien haben damit die Regelstudienzeit anders als in § 10 Abs. 2 [X.] definiert. In der gesetzlichen Bestimmung werden auch Zeiten berufspraktischer Tätigkeit und Prüfungszeiten erwähnt. Aus dem Zusatz „o.Ä.“ folgt kein anderes Ergebnis. Dieser bezieht sich nicht auf den festgelegten Zeitraum „Semester“, sondern auf die Inhalte der Semester „Praxis“ und „Prüfung“.

bb) Darüber hinaus sprechen Sinn und Zweck der Regelung für eine solche Auslegung. Nur ein solches Verständnis führt zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung. Anzahl und Dauer vollständiger Praxissemester lassen sich - auch zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt - ohne weiteres der jeweils maßgebenden Studienordnung entnehmen. Demgegenüber erscheint es fraglich, ob dies auch hinsichtlich aller „praktischen Zeiten“ möglich ist. Darüber hinaus wäre nicht eindeutig bestimmt, unter welchen Voraussetzungen solche anzunehmen sind und nach welchen Maßgaben deren „Addition“ erfolgen sollte, um von einem „Semester“ ausgehen zu können.

cc) Dem steht nicht entgegen, dass der Senat in der Entscheidung vom 21. Mai 2003 (- 4 [X.]/02 - [X.]E 106, 172) zu einer Vergütungsordnung für den Kirchlichen Dienst mit insoweit gleichem Wortlaut davon ausgegangen ist, der Ausschluss der Praxis- und Prüfungssemester solle nur klarstellen, „daß ausschließlich die reinen Studiensemester zählen“ (zu [X.] (3) der Gründe). Zum einen bezog sich die Entscheidung auf die Frage, ob sich die „Mindeststudienzeit“ auf den Studiengang oder den Abschluss bezieht, zum anderen lässt auch dies nicht den Schluss zu, Semester könnten hinsichtlich der „reinen Studienzeit“ und der „praktischen Zeit“ getrennt werden.

III. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO.

        

    [X.]    

        

    Rinck    

        

    Klug    

        

        

        

    Th. Hess    

        

    Kümpel    

                 

Meta

4 AZN 156/21

02.06.2021

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZN

vorgehend ArbG Berlin, 26. September 2018, Az: 60 Ca 1069/18, Urteil

§ 7 S 1 Buchst a TV EntgO Bund, § 7 S 3 TV EntgO Bund, § 10 Abs 2 HRG, Anl 1 Abschn III Nr 28.1 Entgeltgr 13 TV EntgO Bund

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 02.06.2021, Az. 4 AZN 156/21 (REWIS RS 2021, 5319)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5319

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