Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2012, Az. V ZR 169/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8594

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V ZR
169/11
Verkündet am:

2. März 2012

Weschenfelder

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
EGZPO § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, [X.] [X.] § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a
In [X.] unterliegen Zahlungsansprüche nicht der obligatorischen Streitschlichtung für [X.] nach § 15a Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 EG-ZPO und §
10 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a [X.] [X.] (= § 53 Abs.
1 Nr. 1 Buch-stabe a [X.] [X.]).

[X.], Urteil vom 2. März 2012 -
V [X.] -
O[X.]

[X.]

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. März 2012 durch [X.] Dr.
Krüger, [X.] und die Richterinnen Dr. [X.] und Weinland
für Recht erkannt:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 24. Zivilsenats des [X.] vom 28. Juni 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger verlangen von der [X.] in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Geldausgleich für einen durch Hausschwamm entstandenen Schaden an ihrem an der Grundstücksgrenze stehenden [X.]. Die Beklagte soll auf ihrem Grundstück Erdreich so abgelagert ha-ben, dass es an der mit [X.] verkleideten Wand des Fachwerkhauses an-liegt und Feuchtigkeit in diese Wand leitet. Die Kläger haben nach dem Schei-tern einer außergerichtlichen Einigung ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt und anschließend ohne vorheriges Güteverfahren nach der [X.]
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mals geltenden Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] (heute: §
53 [X.] [X.]) Klage erhoben. Das [X.] hat die Beklagte unter Zurück-verurteilt. Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision streben die Kläger die Wiederherstellung des land-gerichtlichen Urteils an. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel [X.].

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Meinung, im Land [X.] seien Klagen aus § 906 BGB gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a [X.] [X.] (heute: § 53 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a [X.] [X.]) nur nach einem vo-rausgegangenen Schlichtungsverfahren zulässig. Die nahezu wortgleiche Re-gelung des [X.] erfasse zwar nach der Auslegung durch den [X.] nur Beseitigungs-
und Unterlassungsklagen, die auf § 906 BGB gestützt werden, nicht Zahlungsklagen. Die Regelung in [X.] sei aber anders zu verstehen. Das ergebe sich daraus, dass der Gesetzgeber dieses [X.] ein obligatorisches Schlichtungsverfahren auch für Klagen nach dem Abschnitt 3 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes vorgeschrieben habe, der mit § 21 Abs. 2 AGG auch eine Schadensersatznorm umfasse. Dass der [X.] die [X.] Regelung dessen ungeachtet wie die [X.] verstehe, sei nicht tragend und deshalb nicht verbindlich.

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II.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

[X.] nach § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO und der bei Erhe-bung der vorliegenden Klage noch geltenden Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a [X.] erst zulässig, nachdem versucht worden ist, die Streitig-keit vor einer zugelassenen Gütestelle einvernehmlich zu regeln. Daran hat sich durch die in dem laufenden Rechtsstreit mit sofortiger Wirkung eingetretene Ersetzung des § 10 [X.] [X.] durch § 53 [X.] [X.] nichts geändert. Beide Vorschriften sind wortgleich. Außerdem könnte eine spätere Gesetzes-änderung wegen des aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ab-geleiteten Rückwirkungsverbots nur eine unzulässige Klage zulässig ([X.]sur-teil vom 10. Juli 2009

[X.], NJW-RR 2009, 1238, 1239 Rn. 11 [X.]), nicht aber eine zulässige Klage nachträglich unzulässig machen.

2. Die Kläger haben einen solchen [X.] nicht unter-nommen. Ihre Klage wäre deshalb unzulässig, wenn es sich hierbei um eine
lte. Dass das [X.] die Klage als zulässig behandelt und in der Sache entschieden hat, änderte daran nichts (vgl. [X.], Urteil vom 23.
November 2004

VI ZR 336/03, [X.]Z 161, 145, 149 f.).

3. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist eine Klage auf [X.] eines angemessenen Ausgleichs in Geld in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, um die es hier geht, keine Streitigkeit wegen der 3
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in § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelten Einwirkungen nach §
10 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a [X.] [X.] (heute: § 53 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a [X.] [X.]).

a) Das könnte sich schon daraus ergeben, dass die bundesrechtliche Ermächtigung in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGZPO, deren Tatbestand der nord-rhein-westfälische [X.]gesetzgeber wörtlich in das [X.]recht übernom-men hat, nur Beseitigungs-
und Unterlassungsansprüche, aber keine [X.]sansprüche erfasst. Ob das der Fall ist, ist umstritten (Nachweise im Se-natsurteil vom 10. Juli 2009

[X.], NJW-RR 2009, 1238, Rn. 9). Der [X.] hat die Frage in der zitierten Entscheidung offen gelassen. Sie muss auch hier nicht entschieden werden.

b) Mit § 10 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a [X.] [X.] (heute: § 53 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a [X.] [X.]) wird ein [X.] vor der Erhebung der Klage zu
den ordentlichen Gerichten nicht für Zahlungsklagen, sondern nur für andere Streitigkeiten über Ansprüche aus den in § 906 BGB geregelten Einwirkungen vorgeschrieben.

aa) Diese Einschränkung findet allerdings im Wortlaut sowohl des hier noch maßgeblichen § 10 Abs. 1 [X.] [X.] als auch des heute geltenden §
53 Abs. 1 [X.] [X.] keinen ausdrücklichen Niederschlag. Sie ergibt sich aber zwingend aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Der [X.] hat das für die wortgleiche Vorschrift des [X.]n [X.]rechts entschieden (Urteil vom 10. Juli 2009

[X.], NJW-RR 2009, 1238 f. Rn. 10 ff.). Der [X.] ist, ohne das näher auszuführen, für das Land [X.] von einer übereinstimmenden Rechtslage ausgegangen (Urteil vom 8. Juli 2008

VI ZR 221/07, NJW-RR 2008, 1662, 1663 Rn. 13). Die Erwägung 7
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des Berufungsgerichts, der Gesetzgeber des [X.] [X.] ver-stehe seine mit der [X.]n Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a hess. [X.] wörtlich übereinstimmende Regelung anders als jene, trifft nicht zu. Die Rechtslage in [X.] ist bei den Zahlungsklagen nicht anders als die in [X.].

bb) Das [X.] [X.]recht sah

wie das [X.] [X.]recht -
den obligatorischen [X.] ursprünglich nicht nur für die heute in § 53 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] bezeichneten Streitigkeiten, son-dern auch für die in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGZPO bezeichneten vermö-gensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche mit gerin-gem Streitwert vor. Der Unterschied bestand nur darin, dass die bundesrechtli-che Ermächtigung, die eine Einbeziehung von Streitigkeiten bis zu einem Wert -Westfalen, anders als in [X.], nicht voll-ständig, sondern nur für Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 600

e-nutzt worden war. Diese Regelung hat der [X.] Gesetzgeber durch Gesetz vom 20. November 2007 (GV.[X.] [X.]83) aufgehoben. Er hat die Aufhebung mit der gleichen Erwägung begründet wie der [X.] Ge-setzgeber die zwei Jahre zuvor erfolgte Aufhebung der entsprechenden Rege-lung in [X.]. In der Entwurfsbegründung heißt es dazu, die Regelung habe sich nicht bewährt. Das habe die Evaluation der Regelungen durch eine [X.], aber
auch eine Evaluation speziell der Verhältnisse in [X.] durch ein Sachverständigengutachten ergeben ([X.] [X.]. 14/4975 S. 7 f.). Dazu wird auf einen Bericht des [X.]s des [X.] [X.] vom 1. März 2005 (3180

II.
29, [X.] LT-Vorlage 13/3254) Bezug genommen, in dem eine Aufgabe der obligatorischen Streitschlichtung empfohlen wird. Der Bericht hebt hervor, dass die obligatori-sche Streitschlichtung in diesem Bereich ihre Funktion nicht erfüllen könne, weil 10
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das Mahnverfahren schlichtungsfrei genutzt werden könne und die Mahnver-fahren seit Einführung der obligatorischen Streitschlichtung um etwa 20 Pro-zentpunkte gestiegen seien ([X.] LT-Vorlage 13/3254 [X.]). Der Bericht kommt zu folgender Bewertung ([X.] LT-Vorlage 13/3254 S. 9):

auf die obligatorische Streitschlichtung für Geldforderungen zu verzich-ten. Ohne die Geldforderungen bleiben für die obligatorische Streit-schlichtung in erster Linie die Ehrschutzsachen und die [X.]. Beide Streitgegenstände zusammen machen schon jetzt zwei

Diese Empfehlung sollte mit der Aufgabe der obligatorischen Streit-schlichtung in vermögensrechtlichen Streit([X.] [X.]. 14/4975 S. 8). Die zitierte Stelle der Empfehlung zeigt unmiss-verständlich, dass der Gesetzgeber mit dem federführenden [X.] des [X.] davon ausging, dass die obligatorische Streitschlichtung in den Nachbarstreitigkeiten keine Zahlungsklagen umfasst. Wie der Gesetzgeber in [X.], auf dessen Beispiel sich die Entwurfsbegründung ausdrücklich bezieht ([X.] [X.]. 14/4975 S. 8), wollte auch der Gesetzgeber in [X.] alle Geldforderungen schlichtungsfrei stellen. Das gilt ohne [X.] und damit auch für Ansprüche in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.

cc) An diesem Befund ändert es nichts, dass der Gesetzgeber in [X.], anders als der des [X.], bei dieser Gelegenheit eine obligatorische Streitschlichtung auch für Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eingeführt hat. Die [X.]regierung begründet die Erweiterung mit der Erwägung, dass sich -
und Nachbarrechtsstrei-11
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-Drs. 14/4975 S. 8). Unter Ehrschutz-
und [X.] versteht der Gesetzgeber aber nicht alle Streitigkeiten aus diesem Gebiet, sondern nur solche, die nicht auf Geld-zahlung gerichtet sind. Anhaltspunkte dafür, dass er das bei den Streitigkeiten nach dem Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes anders gesehen hat, fehlen. Die Ausführungen zu den Kostenbelastungen der (die Schiedsämter unterhaltenden) Kommunen im Vorblatt des [X.] das Gegenteil. Dort wird nämlich erläutert, dass sich eine nennenswerte Mehrbelastung nicht ergeben werde, weil die zusätzliche Belastung durch den Fortfall
der vermögenrechtlichen Streitigkeiten kompensiert werde. Das konnte nur zutreffen, wenn alle Geldforderungen aus der obligatorischen Schlichtung ausgenommen werden sollten.

4. Die Erhebung der Klage setzte deshalb nicht die Durchführung eines [X.]s voraus. Die Klage durfte nicht als unzulässig abgewiesen werden. Auf die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob das Urteil ohnehin nach § 547 Nr. 6 ZPO aufzuheben wäre, weil die Urkundsbeamtin der Ge-schäftsstelle vergessen hat, den [X.] auf der Aktenausferti-gung des

im Original ordnungsgemäß unterzeichneten

Urteils zu unter-schreiben, kommt es nicht an.

III.

Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif, weil sich das Berufungsgericht

aus seiner Sicht folgerichtig

mit dem geltend gemachten Anspruch nicht in der Sache befasst hat. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Hierfür weist der [X.] vorsorglich darauf hin, dass die Klage, anders als das Berufungsgericht offen-13
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bar meint, gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband gerichtet und dass dies nach § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG auch in der Sache richtig ist (Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 10 Rn. 266; [X.]/[X.]/Elzer, WEG, 3.

2006, 462, 468).
Krüger

Lemke

[X.]t-Räntsch

[X.]

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.08.2010 -
24 O 509/08 -

O[X.], Entscheidung vom 28.06.2011 -
24 U 128/10 -

Meta

V ZR 169/11

02.03.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2012, Az. V ZR 169/11 (REWIS RS 2012, 8594)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8594

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V ZR 169/11

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