Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2005, Az. GSSt 2/04

Großer Senat für Strafsachen | REWIS RS 2005, 3824

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

[X.]

vom 27. April 2005 in den Strafsachen gegen

wegen zu 1. Betrugs u.a. zu 2. schwerer räuberischer Erpressung zu 3. unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht

geringer Menge u.a. - 2 - [X.] hat durch den Präsidenten des [X.] Prof. [X.], [X.] am [X.] Prof. Dr. Tolksdorf, die Vorsitzende Richterin am Bun-desgerichtshof [X.], [X.] am [X.] sowie [X.] am [X.] Häger, [X.], [X.], [X.], [X.], Prof. Dr. [X.] und [X.] am 27. April 2005 be-schlossen: § 69 StGB bezweckt den Schutz der Sicherheit des [X.]. Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit bei Taten im [X.] mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs (§ 69 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 StGB) setzt daher voraus, daß die [X.] tragfähige Rückschlüsse darauf zuläßt, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen krimi-nellen Interessen unterzuordnen. Gründe: [X.] In drei beim [X.] anhängigen verbundenen Revisionsver-fahren ist den Angeklagten vom [X.] neben der Verhängung von Frei-heitsstrafen jeweils die Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1 StGB entzogen und nach § 69 a StGB eine Sperrfrist für deren Wiedererteilung verhängt worden. Den [X.]eilen liegen folgende Fallgestaltungen zugrunde: - 3 - 1. Der vom [X.] u.a. wegen (gemeinschaftlichen) Betrugs in 75 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vor-verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilte Angeklagte setzte [X.] Kreditkarten zu betrügerischen Einkäufen ein. In der Mehrzahl der Fälle fuhr er mit einem Kraftfahrzeug zu Tankstellen, bei denen sein Mittäter den [X.] gesperrte Kreditkarten zur Bezahlung getankten Benzins und ande-rer gekaufter Waren vorlegte. Dies entsprach - teilweise mit umgekehrter [X.] zwischen den [X.] - weitgehend der Vorgehensweise des [X.] bei den Taten, die Gegenstand der einbezogenen Verurteilung sind. In einem der bereits abgeurteilten Fälle sollte die vom Angeklagten vorgelegte gesperrte Kreditkarte vom [X.] auf ihre Gültigkeit überprüft werden. Daraufhin flüchtete der Angeklagte in den Pkw seines Mittäters, der sodann "mit Vollgas" davonfuhr. Das Fluchtfahrzeug wurde nach Einleitung einer Nahbereichsfahndung von der Polizei gestellt. 2. Der wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilte Angeklagte begab sich gemeinsam mit einem Mittäter gegen 4 Uhr morgens mit seinem Pkw zum Haus einer Tierärztin und zwang sie unter Vorhalt eines geladenen Revolvers zur Herausgabe von Schmuck, Bargeld und mehreren wertvollen [X.] Skulpturen. Nachdem er sein Opfer gefesselt und die Figuren in einer Sporttasche verstaut hatte, transportierte er die Beute mit seinem Pkw zu seiner Wohnung. 3. Der u.a. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilte Angeklagte erwarb in 16 Fällen insgesamt ca. 13 kg Haschisch zum Handeltreiben und Eigenverbrauch. Für die einzelnen Beschaffungsfahrten benutzte er seinen Pkw. Nachdem der Angeklagte nach Empfang der letzten Lieferung festgenommen worden war, wurde bei der [X.] - schließenden Durchsuchung seines Fahrzeugs Haschisch (975 g), das der An-geklagte in einem auf dem Beifahrersitz liegenden Rucksack transportierte, sichergestellt. II. Mit ihren Revisionen haben die Angeklagten die [X.]eile umfassend zur Überprüfung durch den [X.] gestellt. Der für die Entscheidung zuständige 4. Strafsenat hat die Revisionen, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richteten, jeweils durch Teilurteil verworfen. Die Entschei-dung über die in den [X.]eilen jeweils angeordnete Maßregel hat er einer ab-schließenden Entscheidung vorbehalten (u.a. [X.]. vom 6. Juli 2004 [X.] 4 StR 85/03 - NJW 2004, 2686, zur [X.] in [X.]St 49, 209). Entsprechend den vom [X.] gestellten Anträgen hält der 4. Strafsenat die von den Angeklagten erhobenen Sachrügen zum Maßre-gelausspruch für begründet, weil entgegen der Meinung der [X.]e [X.] die Benutzung eines Kraftfahrzeugs zur Begehung der abgeurteilten Straf-taten die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht belege. Vielmehr müsse ein spezifischer Zusammenhang zwischen Tat und Verkehrssicherheit bestehen. Dazu verhielten sich die angefochtenen [X.]eile jedoch nicht; sie müßten daher im [X.] aufgehoben und die Sachen gegebenenfalls zum Zwecke ergänzender Feststellungen an den [X.] zurückverwiesen werden. Daran sieht sich der 4. Strafsenat jedoch durch bisherige Rechtsprechung der übrigen Strafsenate gehindert, die es [X.] in Fällen schwerer oder wiederholter Straftaten für die Entziehung der Fahrerlaubnis mehrfach haben ausreichen lassen, daß die Taten unter Ver-wendung eines Kraftfahrzeugs begangen wurden (vgl. nur [X.], 86, 87 m.w.[X.]). - 5 - - 6 - III. Auf die Anfrage des 4. Strafsenats vom 16. September 2003 ([X.] aaO) hat der 1. Strafsenat am 13. Mai 2004 - insbesondere unter Hinweis auf einen nach seinem Verständnis über den Schutz der Verkehrssicherheit hinausge-henden Schutzzweck der Maßregel im Sinne eines Schutzes der Allgemeinheit vor Straftaten allgemeiner Art - an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehal-ten ([X.]. vom 13. Mai 2004 - 1 ARs 31/03). Der 3. Strafsenat ([X.]. vom 13. Januar 2004 - 3 ARs 30/03) und der 5. Strafsenat ([X.]. vom 28. Oktober 2003 - 5 [X.] - NStZ 2004, 148) haben dem Erfordernis eines "[X.] Zusammenhangs" im Rahmen des § 69 Abs. 1 StGB unter [X.] entgegenstehender eigener Rechtsprechung zugestimmt. Der 2. Strafsenat ([X.]. vom 21. Januar 2004) hat auf seinen [X.]uß vom 26. September 2003 - 2 [X.] ([X.]R StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 14 = NStZ 2004, 144 = [X.], 132) verwiesen, in dem er der Rechtsmeinung des 4. Strafsenats beigetreten ist, jedoch angeregt, die aufgeworfenen Rechtsfragen wegen deren grundsätzlicher Bedeutung durch den [X.] klären zu lassen. Daraufhin hat der 4. Strafsenat durch [X.]uß vom 26. August 2004 (NJW 2004, 3497) dem [X.] wegen Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 und 4 [X.] folgende Rechts-frage zur Entscheidung vorgelegt: Ergibt sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann aus der Tat (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StGB), wenn aus dieser konkrete Anhaltspunkte dafür zu er-kennen sind, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des [X.] seinen eigenen kriminellen Interessen [X.] - ordnen [X.] ist somit ein spezifischer Zusammenhang zwischen [X.] und Verkehrssicherheit erforderlich? Der [X.] hält zwar mit dem anfragenden Senat eine bessere Strukturierung der bisherigen Rechtsprechung für wünschenswert, vertritt aber die Auffassung, daß es hierfür des "ungeschriebenen [X.]" eines spezifischen Zusammenhangs zwischen Tat und
Verkehrssicherheit nicht bedürfe. Vielmehr könne dieses Ziel auch unter Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung dadurch erreicht werden, daß auf eine Begründung der [X.] nach § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB hingewirkt werde, die den Sinn und Zweck der Maßregel - Schutz der Verkehrssicherheit - achte und dem Revisionsgericht die umfassende Überprüfung ermögliche. Der [X.] hat beantragt zu beschließen: Die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB kann sich bei einer Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs auch dann aus der Tat ergeben, wenn das Fehlverhalten des [X.] kein verkehrsspezifisches ist. [X.] Die Vorlage ist schon nach § 132 Abs. 2 [X.] zulässig. Der [X.] kann nicht so wie beabsichtigt entscheiden, ohne von der Rechtsprechung des 1. Strafsenats abzuweichen. - 8 - II. Der [X.] für Strafsachen beantwortet die vorgelegte [X.], wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich. 1. Nach ständiger Rechtsprechung ist dem Täter die Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 StGB wegen in der Tat zutage getretener mangelnder Eignung auch dann zu entziehen, wenn kein typisches Verkehrsdelikt vorliegt, sondern wenn die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangene Straftat der allgemeinen Kriminalität zuzurechnen ist - sog. [X.] - (vgl. [X.]R StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 8, 13). Dabei wird der Begriff des Zusammenhangs weit gefaßt. Es kommt nicht darauf an, ob die Fahrt vor, während oder nach der Tat unternommen wird. Wesentlich ist viel-mehr, daß das Führen des Kraftfahrzeugs dem Täter für die Vorbereitung oder Durchführung der Straftat oder anschließend für ihre Ausnutzung oder Verdek-kung dienlich sein soll ([X.]St 22, 328, 329; [X.] in LK 11. Aufl. § 69 [X.]. 33). Soweit es das Merkmal der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahr-zeugen anbelangt, ist unstreitig, daß diese nicht nur auf Einschränkungen kör-perlicher oder geistiger Art, sondern auch auf fehlender charakterlicher Zuver-lässigkeit beruhen kann (st. Rspr.; vgl. nur [X.]R StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 3, 6, 10, 11, 13). Welche Umstände grundsätzlich geeignet sind, auf die [X.] Ungeeignetheit eines Straftäters zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen und welchen [X.] es für den Tatrichter bedarf, um die charakterliche Ungeeignetheit im konkreten Fall im [X.]eil darzulegen, ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung dagegen bislang uneinheitlich beantwortet worden. Während in einer Vielzahl von Entscheidungen eine [X.]e Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit auch oder gerade - 9 - in Bezug auf künftiges Verkehrsverhalten verlangt worden ist (vgl. nur [X.]R StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 2, 4 - 7, 10, 13), soll dies nach anderen Judika-ten bei schwerwiegenden oder wiederholten Straftaten unter Benutzung eines Kraftfahrzeugs - insbesondere im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität - nicht oder nur im Ausnahmefall erforderlich sein (vgl. nur [X.]R StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 3; [X.] NStZ 1992, 586; 2000, 26). Die weite Auslegung des Begriffs "Zusammenhang" und die uneinheitli-chen Anforderungen an die Begründung der in § 69 StGB geforderten [X.] haben zu einer nicht immer kohärenten Rechtsprechung geführt, die in der Literatur zunehmend auf Kritik gestoßen ist (vgl. Burmann in Janis-zewski/[X.]/Burmann, Straßenverkehrsrecht 17. Aufl. § 69 StGB [X.]. 6; [X.] in LK 11. Aufl. § 69 [X.]. 34; [X.], Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. § 69 StGB [X.]. 1a ff.; [X.]/[X.] 52. Aufl. § 69 [X.]. 2, 43 f. jeweils m.w.[X.]; [X.] JZ 1954, 137, 139). Insbesondere ist beanstandet [X.], daß die Grenze zwischen Maßregel und Strafe weitgehend verwischt [X.] sei und von den Tatgerichten häufig nicht mehr hinreichend beachtet [X.] (vgl. Athing in [X.] § 69 [X.]. 58 sowie [X.]. 2 f., 36 ff.; [X.] in Janiszewski/[X.]/Burmann Straßenverkehrsrecht 18. Aufl. § 69 StGB [X.]. 12; [X.] NJW 1968, 1764; [X.]. [X.] 1972, 558, 559; [X.] NStZ 2003, 288; [X.] Blutalkohol 2005, 93; [X.] NStZ 2004, 57 = Blutalkohol 2004, 143; [X.] in [X.], [X.]., § 69 [X.]. 4 f.; [X.]. [X.], 151, 153; [X.] in [X.] § 69 [X.]. 2; Kuhlemeier NZV 1993, 212, 214 f.; [X.] Blutalkohol 2004, 151, 152; Stange StV 2002, 262, 263). 2. Während kein Anlaß besteht, den Begriff der Zusammenhangstat in § 69 Abs. 1 StGB enger als bisher und abweichend von demselben für das Fahrverbot maßgeblichen Begriff (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 StGB) zu [X.] 10 - men, kann nach Auffassung des [X.] die in einem zweiten [X.] zu beurteilende charakterliche Ungeeignetheit des [X.] zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Rahmen des § 69 StGB nur dann —aus der [X.] (sog. [X.]) hergeleitet werden, wenn dabei konkrete Anhalts-punkte auf eine mögliche Gefährdung des Straßenverkehrs durch den [X.] hinweisen. Diese Auslegung orientiert sich maßgeblich am Schutzzweck von § 69 StGB. a) Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis stellt eine Maßre-gel der Besserung und Sicherung dar (§ 61 Nr. 5 StGB), die ihre Rechtferti-gung aus dem [X.] der Verkehrsgemeinschaft bezieht. Dieses ist bedingt durch die hohen Risiken, die der Straßenverkehr infolge seiner Dy-namik für Leben, Gesundheit und Eigentum der Verkehrsteilnehmer mit sich bringt (vgl. BVerwGE 99, 249, 250). Diese Risiken werden durch körperlich, geistig, ebenso aber auch durch charakterlich ungeeignete Kraftfahrer ver-stärkt; dem soll durch den (zumindest zeitigen) Ausschluß des Betreffenden von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr entgegengewirkt werden. An[X.] als seit der Entscheidung [X.]St 5, 179 in Teilen der [X.] bis in die jüngste Zeit (vgl. [X.] NStZ 2003, 658, 660 mit [X.]. [X.], 125) vertreten worden ist, ist der [X.] für Strafsachen der Auf-fassung, daß § 69 StGB nicht auch der allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung dient, mithin nicht dem Zweck, den Mißbrauch der Fahrerlaubnis auch dann zu verhindern, wenn sich dieser - ohne [X.] in irgendeiner Weise zu berühren - ausschließlich auf andere Rechtsgüter nachteilig auswirkt. Allgemeiner Rechtsgüterschutz kann ein wünschenswerter Nebeneffekt, ein "Schutzreflex" (vgl. Empfehlungen des 42. [X.] 2004, [X.], 122, 124; [X.] Blutalkohol 2004, 151, 152) sein, ist [X.] 11 - doch nicht Ziel von § 69 StGB. Schutzzweck dieser Maßregel ist vielmehr allein die Sicherheit des Straßenverkehrs. b) Der [X.] für Strafsachen stützt sich für seine Auffassung nicht auf eine gesetzeshistorische Auslegung zu § 69 StGB und dessen Vor-gängervorschrift (§ 42 m StGB), denn die Gesetzesmaterialien sind insoweit letztlich unergiebig. Zwar sprechen [X.] wie der 4. Strafsenat in seinem Vorlage-beschluß (NJW 2004, 3497) näher dargelegt hat [X.] die gesetzgeberischen Überlegungen zur Einführung dieser Maßregel durch das (erste) Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. Dezember 1952 ([X.] 832) und die Begründung zum [X.] des Straßenverkehrs vom 26. November 1964 ([X.] 921) für die Sicherheit des Straßenverkehrs als Schutzzweck (vgl. [X.]. IV/651 S. 9, 16). Andererseits lassen sich die [X.] namentlich zur Änderung des § 69 b StGB (betreffend ausländische Fahrerlaubnisse) durch das [X.] vom 1. Juni 1995 ([X.] 747) auch dahin deuten, daß sich —im Interesse einer wirksamen Krimi-nalitätsbekämpfungfi eine die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigende Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB schon aus der Begehung schwerwiegender [X.] als solcher ergeben können soll (vgl. [X.]. 13/198 S. 3, 4, 5). c) Der [X.] für Strafsachen folgert die von ihm bejahte Be-schränkung des Schutzzwecks dieser Vorschrift auf Verkehrssicherheitsbelan-ge maßgebend aus dem Verhältnis des § 69 StGB zu den Bestimmungen des § 2 Abs. 4 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 3, § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV über die verwaltungsrechtliche Entziehung der Fahrerlaubnis. [X.] die strafgerichtliche als auch die verwaltungsbehördliche Entziehung der Fahrerlaubnis knüpfen die Anordnung der Maßnahme an die Feststellung der - 12 - fehlenden Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Der in § 69 Abs. 1 StGB verwendete Begriff der Ungeeignetheit stimmt inhaltlich mit demselben, in den genannten Vorschriften des Straßenverkehrs- und Fahrerlaubnisrechts ver-wendeten Begriff überein. Dies folgt schon daraus, daß [X.] wie die Materialien zum (ersten) Straßenverkehrssicherungsgesetz 1952 belegen (vgl. [X.]. [1. WP] Nr. 2674 S. 8, 12) [X.] mit der Übertragung der zuvor ausschließlich den Verwaltungsbehörden zugewiesenen Aufgabe der Entziehung der [X.] —[X.] auf den Strafrichter letzterer bei Anwendung des § 69 StGB der Sa-che nach die Ordnungsaufgabe der Fahrerlaubnisbehörde wahrnimmt (BVerwG NJW 1989, 116, 117). Deshalb ist für die Auslegung des Begriffs der [X.] in § 69 StGB der Zweck der Vorschrift des § 3 Abs. 1 StVG über die Entziehung der Fahrerlaubnis beachtlich. Dieser besteht - auch in Überein-stimmung mit neuerer verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung - darin, die Allgemeinheit vor Kraftfahrzeugführern zu schützen, die für andere [X.] eine Gefahr bilden. Maßstab für die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis ist demgemäß die in die Zukunft gerichtete Beur-teilung der Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr (BVerwG aaO; im gleichen Sinne zur Zuverlässigkeit i.S. von § 29 d LuftVG: BVerwG, [X.]. vom 15. Juli 2004 - 3 C 33/03 - [X.], 118; vgl. auch [X.] NJW 1994, 2436, 2437; NJW 2000, 2442, 2443; [X.] aaO S. 96 m.[X.]; [X.], Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. § 2 StVG [X.]. 15 m.w.[X.]). Dementsprechend hat auch das [X.] eine - verwaltungs-rechtliche - Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund charakterlich-sittlicher Män-gel an die Prognose geknüpft, daß der Betroffene bereit ist, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen ei-genen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder - 13 - Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen ([X.], Kammer, [X.]. vom 20. Juni 2002 - 1 BvR 2062/96 - NJW 2002, 2378, 2380). d) Für die vom [X.] vertretene Auffassung spricht zudem der Vergleich der Bestimmung des § 69 Abs. 1 StGB mit den Vorschriften der §§ 63, 64 und 66 StGB. Diese freiheitsentziehenden Maßre-geln dienen (auch) dem Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern. Dem trägt das Gesetz Rechnung, indem es die Anordnung dieser Maßregeln an eine —unspezifischefi negative Legalprognose (—erhebliche rechtswidrige [X.] bzw. Hang zu —erheblichen Straftatenfi) knüpft. Im Unterschied hierzu ist § 69 StGB schon nach seinem Wortlaut —verkehrsbezogenfi ausgestaltet, indem die Vorschrift die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht etwa von einer allgemei-nen Unzuverlässigkeit abhängig macht, sondern die Feststellung der [X.] gerade —zum Führen von Kraftfahrzeugenfi voraussetzt. e) Grundlage für die Beurteilung der [X.] nach § 69 StGB bil-det für den Strafrichter die [X.]. Zwar mögen Straftaten, die auf eine nied-rige Frustrationstoleranz oder ein erhöhtes Aggressionspotential des [X.] hindeuten, unabhängig von der Schwere der Rechtsgutverletzung geeignet sein, die Zuverlässigkeit des [X.] in Bezug auf [X.] in Zweifel zu ziehen. Soweit dies in der [X.] aber keinen hinreichenden Ausdruck gefunden hat, ist für eine strafgerichtliche Entziehung der Fahrer-laubnis nach dem Wortlaut des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB (—wenn sich aus der Tat ergibtfi) kein Raum. Die [X.] wie ausgeführt [X.] dem Strafrichter vom Gesetzgeber übertragene Befugnis, in beschränktem Umfang die zuvor den Verwaltungsbehörden vorbe-haltene Entziehung der Fahrerlaubnis auszusprechen, dient dazu, eine Verein-fachung des Verfahrens herbeizuführen. Die Feststellungen über die [X.] 14 - lichkeit des Beschuldigten und die Umstände der Tat, die der Strafrichter für den Schuld- und Strafausspruch ohnehin treffen muß, sollen auch für die Ent-ziehung der Fahrerlaubnis nutzbar gemacht werden (vgl. [X.]. [1. WP] 2674 S. 8). Die Verknüpfung des strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentzugs mit dem Einsatz eines Kraftfahrzeugs verlöre aber ihre innere Berechtigung, wenn die Feststellung der charakterlichen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahr-zeugen losgelöst von der Benutzung des Fahrzeugs allein auf eine in der Tat zum Ausdruck gekommene allgemeine Aggressionsbereitschaft oder Rück-sichtslosigkeit des [X.] gestützt werden könnte (vgl. [X.] [X.], 132, 133 f.; [X.] Blutalkohol 2004, 151, 153). Lassen sich deshalb im Strafverfahren aus einer Straftat zwar Hinweise dafür entnehmen, daß der Täter zu Aggression, Rücksichtslosigkeit oder all-gemein zur Mißachtung gesetzlicher Vorschriften neigt, ohne daß dies für den Strafrichter schon die sichere Beurteilung der Fahreignung zuläßt, und unter-bleibt deshalb die Anordnung der Maßregel nach §§ 69, 69 a StGB, so ist es Aufgabe der Verwaltungsbehörde zu prüfen, ob Anlaß besteht, dem Täter die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dabei ist die Fahrerlaubnisbehörde zwar an die eine bestimmte Tat oder bestimmte Taten betreffende strafgerichtliche Beurtei-lung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gebunden (§ 3 Abs. 4 Satz 1 StVG). Sie hat aber [X.] an[X.] als der Strafrichter [X.] die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln [X.] (vgl. [X.]E 20, 365, 369, 371; BVerwGE 77, 40, 42; 80, 43, 46) [X.] regelmäßig durch Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens [X.] zu prüfen (vgl. § 11 Abs. 3, § 46 Abs. 3 FeV; Burmann, 42. [X.] 2004, [X.], 155 = Blutalkohol 2004, 136, 137; [X.], Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. § 11 FeV [X.]. 4, 12 ff.). Deshalb darf und muß sie auch eine abgeurteilte Straftat, die für sich allein dem Strafrichter nicht ausgereicht hat, die [X.] 15 - gnetheit festzustellen, zur Unterstützung außerhalb des abgeurteilten Sachver-halts liegender Entziehungsgründe mit heranziehen. f) —Aus der [X.] kann sich die charakterliche Ungeeignetheit des [X.] zum Führen von Kraftfahrzeugen für den Strafrichter daher nur dann ergeben, wenn die [X.] selbst tragfähige Rückschlüsse darauf zuläßt, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Zie-len unterzuordnen. Hierfür bedarf es keines - bereits von § 69 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 u. 3 StGB erfaßten [X.] Verstoßes gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeug-führers, wie er regelmäßig bei —[X.] gegeben sein wird, auch soweit sie nicht vom Katalog des § 69 Abs. 2 StGB erfaßt werden. Hierzu [X.] etwa die unter Benutzung des Kraftfahrzeugs begangenen Fälle der Nöti-gung und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§§ 240, 315 b StGB), unter Umständen aber auch Fälle des räuberischen Angriffs auf [X.] gemäß § 316 a StGB (vgl. dazu [X.]St 49, 8), wenn der [X.] während der Fahrt gegen das mitfahrende Opfer verübt wird. Während in diesen Fällen des Pflichtenverstoßes im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 StGB die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit regelmäßig offen zutage tritt, bedarf dies bei den [X.] besonderer, die Umstände des [X.] berücksichtigender Begründung. Denn der Tatrichter muß sich die Überzeugung verschaffen, daß der Täter bereit ist, sich zur Erreichung seiner kriminellen Ziele über die im Verkehr gebotene Sorgfalt und Rücksichtnahme hinwegzusetzen. Dies ist anhand konkreter Umstände festzustellen, die sich aus der Tat unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit ergeben. Dabei sind auch Umstände aus dem Vorleben des [X.] oder seiner Tatvorbereitung in die Beurteilung einzubeziehen, sofern sich daraus tragfähige Schlüsse auf eine mögliche Gefährdung der Verkehrssicherheit im Zusammenhang mit der [X.] ziehen lassen. Dafür kann es genügen, daß der Täter im [X.] - hang mit der Tat naheliegend mit einer Situation gerechnet hat oder rechnen mußte, in der es zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs kommen konnte. Eine Prognose, daß der Täter mit Wahrscheinlichkeit auch künftig [X.] begehen und dabei tatsächlich die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigen werde, ist nicht zu verlangen. Die Voraussetzungen der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB können bei "[X.]" danach beispielsweise erfüllt sein, wenn sich der Täter bei einer vergleichbaren früheren Straftat, etwa auf der Flucht, verkehrsgefährdend verhalten hat. Bei Banküberfällen dürfte die Anordnung nach §§ 69, 69 a StGB regelmäßig in Betracht kommen, wenn aufgrund [X.] Umstände bei der Tat mit alsbaldiger Verfolgung und Flucht zu rechnen war und der Täter daher eine verkehrsgefährdende Verwendung des fluchtbe-reit tatortnah abgestellten Kraftfahrzeugs ersichtlich geplant hat oder mit einer solchen naheliegend rechnen mußte. Ebenso dürfte jedenfalls in den Fällen gewaltsamer Entführung des Opfers im Kraftfahrzeug des [X.] die [X.] regelmäßig gefährdet sein. Andererseits versteht es sich nicht von selbst, daß ein Täter, der durch die Begehung schwerwiegender oder wiederholter Straftaten zweifellos charak-terliche Mängel offenbart hat, zugleich eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellt. So liegt dies etwa bei der bloßen Nutzung eines Kraftfahrzeugs zur Suche nach [X.] oder [X.] nicht nahe. Auch in den Kurierfällen, in denen der Täter im Fahrzeug Rauschgift transportiert, sind Belange der [X.] nicht ohne weiteres berührt. Ein allgemeiner Erfahrungssatz, daß Transporteure von Rauschgift im Fall von Verkehrskontrollen zu beson-[X.] riskanter Fahrweise entschlossen sind, besteht nicht (vgl. [X.] NStZ 2003, 311; [X.]R StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 14). Dies gilt jedenfalls dann, - 17 - wenn besondere Vorkehrungen gegen eine Entdeckung des Rauschgifts, etwa durch Benutzung beson[X.] präparierter Verstecke, getroffen worden sind. Für den Transport von [X.] oder [X.] gilt nichts anderes. Die Frage, ob in solchen Fällen des Mißbrauchs eines Kraftfahrzeugs zur Durchführung einer Straftat die Voraussetzungen der Entziehung der Fahr-erlaubnis vorliegen, weil der Täter mit seinem Vorgehen auch die Pflichten ei-nes Kraftfahrzeugführers verletzt hat (§ 69 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 StGB), bleibt dahingestellt. g) Die Beurteilung der [X.] im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB liegt in erster Linie in der Verantwortung des Tatrichters, der diese Aufgabe aufgrund einer Gesamtwürdigung aller dafür —aus der [X.] erkennbar [X.] rechtserheblichen Anknüpfungstatsachen vorzunehmen hat (st. Rspr.; vgl. [X.]R StGB § 69 Abs. 1 Entziehung 2, 4, 5). Indem das Gesetz den Tatrichter bei der Prüfung, ob [X.] charakterliche Mängel des [X.] zutage getreten sind, auf die ohnehin von ihm zur Schuld- und Straffra-ge aufzuklärenden und zu bewertenden Umstände —aus der [X.] verweist, weist es ihm für die Fahreignungsbeurteilung grundsätzlich auch die eigene Sach-kunde (§ 244 Abs. 4 Satz 1 StPO) zu. Deshalb können etwaige Beweisanträge auf sachverständige Begutachtung zur charakterlichen Fahreignung regelmä-ßig von vornherein schon mit dieser Begründung zurückgewiesen werden. h) In den schriftlichen [X.]eilsgründen (§ 267 Abs. 6 StPO) ist das Ergeb-nis der Fahreignungsbeurteilung in einer Weise niederzulegen, die es dem [X.] ermöglicht zu prüfen, ob die Entscheidung in den festgestellten tat- und täterbezogenen Umständen eine tragfähige Grundlage findet. Ordnet der Tatrichter bei [X.] Maßregeln nach §§ 69, 69 a StGB an, so muß sich aus den [X.]eilsgründen seine Überzeugung ergeben, daß die [X.] - gestellten Umstände den konkreten Anhalt begründen, der Täter stelle eine - 19 - Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs dar. Welche Anfor-derungen an die Begründung sich insoweit für den Tatrichter ergeben, be-stimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Jedenfalls wird an [X.] nicht mehr verlangt als bei jeder anderen Rechtsfolgenent-scheidung, der prognostische Elemente innewohnen. [X.]

Rissing-van Saan

Nack Häger

[X.] [X.]

[X.] Bode

[X.] [X.] Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja [X.]: ja ___________________________

StGB § 69 Abs. 1

§ 69 StGB bezweckt den Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs. Die straf-gerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignet-heit bei Taten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs (§ 69 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 StGB) setzt daher voraus, daß die [X.] tragfähige Rückschlüsse darauf zuläßt, daß der Täter bereit ist, die Sicherheit des [X.] seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen.

[X.], [X.]uß vom 27. April 2005 - [X.] - LG Essen

LG Detmold

Meta

GSSt 2/04

27.04.2005

Bundesgerichtshof Großer Senat für Strafsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.04.2005, Az. GSSt 2/04 (REWIS RS 2005, 3824)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3824

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