Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.10.2023, Az. B 3 A 1/22 R

3. Senat | REWIS RS 2023, 8145

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Klagerücknahme - Entfaltung der formellen Rechtskraft einer Revisionsentscheidung - Zeitpunkt der Urteilsverkündung - Zurückverweisung


Tenor

Der Antrag sinngemäß auf die Feststellung, dass das am 30.8.2023 verkündete Urteil durch die Erklärung der Klägerin vom 20.9.2023 wirkungslos geworden ist, wird zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Mit am 30.8.2023 in dem Termin nach Schließung der mündlichen Verhandlung verkündetem Urteil hat der Senat die Revision der klagenden Pflegekasse in einer aufsichtsrechtlichen Streitigkeit zurückgewiesen und wie die Vorinstanz entschieden, dass die Klägerin zur Übertragung von Aufgaben unter anderem der Prüfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Leistungsgewährung und Rechnungsprüfung auf ein privates Dienstleistungsunternehmen nicht berechtigt und die streitbefangene Aufsichtsanordnung daher rechtlich nicht zu beanstanden war. Nach Verkündung des Urteils und Mitteilung der wesentlichen Entscheidungsgründe hat die Klägerin mit Schriftsatz vom [X.] sinngemäß erklärt, die [X.]ortsetzungsfeststellungsklage in Bezug auf die aufsichtsrechtliche Maßnahme zurückzunehmen, und um Bestätigung gebeten, "dass das Verfahren damit beendet ist".

2

II. Der mit dem Schriftsatz vom [X.] sinngemäß gestellte Antrag auf [X.]eststellung, dass das am 30.8.2023 verkündete Urteil durch die Erklärung vom [X.] wirkungslos geworden ist, ist unbegründet. Dass die Klägerin mit diesem Schriftsatz die Rücknahme der Klage erklärt hat, berührt die Entscheidung des [X.] nicht. Dadurch ist das auf ihre Revision am 30.8.2023 in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündete Urteil nicht nachträglich wirkungslos geworden iS von § 202 Satz 1 [X.] iVm § 269 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO. Hiernach wird ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil durch die Rücknahme der Klage wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Hierfür war nach der Urteilsverkündung am 30.8.2023 indes kein Raum mehr. Äußerste Grenze der Möglichkeit zur Rücknahme der Klage im sozialgerichtlichen Verfahren ist die Rechtskraft des Urteils (§ 102 Abs 1 Satz 1 [X.]). Sie tritt nach § 202 Satz 1 [X.] iVm § 705 Satz 1 ZPO ein, soweit ein zulässiges (ordentliches) Rechtsmittel nicht mehr eingelegt werden kann. Bei Revisionsentscheidungen eines obersten Bundesgerichts ist dies mangels eines statthaften weiteren (ordentlichen) Rechtsmittels hiergegen mithin der Zeitpunkt der Urteilsverkündung (vgl etwa [X.] vom [X.] - 5 [X.] ([X.]) - [X.]E 152, 335 Rd[X.]; [X.] in [X.] Kommentar zur ZPO, 6. Aufl 2020, § 705 Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl 2023, § 141 RdNr 2a; [X.] in [X.], ZPO, 34. Aufl 2022, § 705 ZPO, RdNr 8; [X.] in [X.] ZPO, 50. [X.], § 705 Rd[X.]). Soweit sich die Klägerin demgegenüber auf Rechtsprechung des BSG beruft, wonach § 102 Abs 1 [X.] "auch im Revisionsverfahren entsprechend" gelte (Verweis auf BSG vom 27.9.1983 - 8 BK 16/82 - [X.] 1500 § 102 [X.], juris RdNr 2), betrifft das allein den Zeitraum bis zur Entscheidung über eine mit einer Nichtzulassungsbeschwerde statthaft zur Überprüfung gestellte Entscheidung eines [X.] (in diesem Sinne auch Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.] - [X.], 353, juris RdNr 13). [X.]ür den Zeitraum zwischen der Verkündung des Revisionsurteils und der Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe ist dem auf der Grundlage der aufgezeigten Prozessrechtslage nichts zu entnehmen.

3

Danach ist das Urteil hier mit seiner Verkündung durch das Verlesen der Urteilsformel und die Mitteilung der wesentlichen Entscheidungsgründe am 30.8.2023 in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist (§ 165 iVm § 153 Abs 1 sowie § 132 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 [X.]), in formelle Rechtskraft erwachsen und demzufolge ungeachtet der mit Schriftsatz vom [X.] erklärten Klagerücknahme abzusetzen (anders bei Rücknahme vor Eintritt der Rechtskraft [X.] Sachsen-Anhalt vom [X.] - L 2 AS 519/22 - juris RdNr 30). Daran änderte auch die mögliche Einlegung einer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil vom 30.8.2023 nichts (vgl nur [X.] vom 18.1.1996 - 1 BvR 2116/94 - [X.]E 93, 381, juris RdNr 14; [X.]E vom 30.4.2003 - 1 [X.] 1/02 - [X.]E 107, 395, juris RdNr 60).

        

Schütze

Behrend

Knorr 

Meta

B 3 A 1/22 R

27.10.2023

Bundessozialgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: A

vorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, 24. Februar 2022, Az: L 12 P 25/20 KL, Urteil

§ 102 Abs 1 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 269 Abs 3 S 1 Halbs 2 ZPO, § 705 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.10.2023, Az. B 3 A 1/22 R (REWIS RS 2023, 8145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8145

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(Sozialgerichtliches Verfahren - keine entsprechende Anwendung der Klagerücknahmefiktion des § 102 Abs 2 SGG iS …


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Zitiert

2 BvF 2/01

2 BvR 2177/16

2 BvF 2/03

1 A 3/19

1 BvR 2116/94

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