Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.10.2011, Az. XII ZB 567/10

12. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1982

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Gegenstand

Fortgesetztes Versorgungsausgleichsverfahren: Anzuwendendes Recht im Übergangsfall


Leitsatz

Wurde ein vom Scheidungsverbund abgetrenntes und zunächst ausgesetztes Verfahren zum Versorgungsausgleich erst nach Wirksamkeit des die Aussetzung aufhebenden Beschlusses des Oberlandesgerichts ab dem 1. September 2009 fortgesetzt, ist auf die selbstständige Familiensache (Art. 111 Abs. 4 FGG-RG) auch das seit dem 1. September 2009 geltende materielle Recht zum Versorgungsausgleich anwendbar (im Anschluss an den Senatsbeschluss vom 16. Februar 2011, XII ZB 261/10, FamRZ 2011, 635) .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des 2. Familiensenats des [X.] in [X.] vom 12. Oktober 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

[X.]: 8.250 €

Gründe

I.

1

Der 1965 geborene Antragsteller und die 1967 geborene Antragsgegnerin hatten am 16. Mai 1987 die Ehe geschlossen. Auf den am 5. September 2007 zugestellten Scheidungsantrag hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien rechtskräftig geschieden und das Verfahren zum Versorgungsausgleich abgetrennt. Mit weiterem Beschluss vom 27. Mai 2009 hat es das Verfahren betreffend den Versorgungsausgleich "bis zum Vorliegen eines einheitlichen Rentenwertes für das gesamte [X.] ausgesetzt". Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das [X.] die Entscheidung mit Beschluss vom 27. August 2009, rechtskräftig seit dem 6. Oktober 2009, aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - zurückverwiesen.

2

Mit Beschluss vom 10. Mai 2010 hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich auf der Grundlage des vor dem 1. September 2009 geltenden Rechts durchgeführt. Das [X.] hat die Beschwerde der Beteiligten zu 1, die gegen die Anwendung des früheren Rechts zum Versorgungsausgleich gerichtet war, zurückgewiesen. Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Beteiligte zu 1 die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und eine Zurückverweisung des Verfahrens an das [X.] zur Durchführung des Versorgungsausgleichs nach neuem Recht.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft. An die Zulassung durch das [X.] ist der Senat gebunden (§ 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG).

4

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das [X.].

5

1. Das [X.] hat die Durchführung des Versorgungsausgleichs auf der Grundlage des vor dem 1. September 2009 geltenden Verfahrensrechts und materiellen Rechts gebilligt. Zwar sei das Verfahren zum Versorgungsausgleich am 1. September 2009 vom [X.] abgetrennt gewesen, so dass nach dem Wortlaut des § 48 Abs. 2 Nr. 1 [X.] das neue Recht zum Versorgungsausgleich anwendbar sei. Gesetzgebungsgeschichte, Wille des Gesetzgebers, systematische Auslegung sowie Sinn und Zweck der Übergangsvorschrift sprächen hingegen für eine fortdauernde Anwendbarkeit des früheren Rechts, weil das Verfahren auf der Grundlage des Beschlusses des [X.]s vom 27. August 2009 schon vor dem 1. September 2009 fortgesetzt worden sei. Nach den weiteren - aus einem Beschluss des [X.]s Oldenburg (FamRZ 2010, 983) übernommenen - Gründen ist die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.] teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass sie auf abgetrennte Verfahren zum Versorgungsausgleich, die vor dem 1. September 2009 wieder aufgenommen und erstinstanzlich entschieden worden seien, nicht anwendbar sei. Vorliegend sei das Verfahren zwar vor dem 1. September 2009 ausgesetzt gewesen. Dieser Beschluss sei aber durch den Beschluss des [X.]s vom 27. August 2009 aufgehoben worden, so dass das Verfahren so zu behandeln sei, als sei es nicht ausgesetzt gewesen. An der Anwendbarkeit des vor dem 1. September 2009 geltenden Rechts ändere sich auch dadurch nichts, dass das Amtsgericht erst nach dem 1. September 2009 über den Versorgungsausgleich entschieden habe.

6

2. Diese Erwägungen können die Anwendung des vor dem 1. September 2009 geltenden Rechts durch das Beschwerdegericht nicht rechtfertigen. Das abgetrennte Verfahren zum Versorgungsausgleich war nach der Wiederaufnahme vielmehr auf der Grundlage des ab dem 1. September 2009 geltenden Rechts durchzuführen.

7

a) Nach § 48 Abs. 1 [X.] ist in Verfahren über den Versorgungsausgleich, die vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden sind, das bis dahin geltende materielle Recht und Verfahrensrecht weiterhin anzuwenden. Die Regelung entspricht insoweit Art. 111 Abs. 1 [X.], der ebenfalls von einer grundsätzlichen Fortgeltung des vor dem 1. September 2009 geltenden Verfahrensrechts für die bis dahin eingeleiteten Verfahren ausgeht. Abweichend von diesem Grundsatz ist nach § 48 Abs. 2 Nr. 1 [X.] und Art. 111 Abs. 3 und 4 [X.] das ab dem 1. September 2009 geltende neue materielle Recht und Verfahrensrecht anzuwenden, wenn das Verfahren zum Versorgungsausgleich am 1. September 2009 abgetrennt oder ausgesetzt oder das Ruhen angeordnet war.

8

Der Senat hat bereits entschieden, dass in [X.], in denen über einen vor dem 1. September 2009 eingeleiteten Scheidungsantrag noch nach früherem Recht entschieden wurde, die vom Scheidungsverbund abgetrennte [X.] über den Versorgungsausgleich gemäß Art. 111 Abs. 4 [X.] als selbständige Familiensache nach neuem Recht fortzuführen ist, wenn das Verfahren zum Versorgungsausgleich erst nach dem 1. September 2009 wieder aufgenommen worden ist (Senatsbeschluss vom 16. Februar 2011 - [X.]/10 - FamRZ 2011, 635 Rn. 15 ff.). Gleiches gilt wegen des gebotenen Gleichlaufs auch für das materielle Recht zum Versorgungsausgleich (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 86 und BT-Drucks. 16/11903 [X.]). War das Verfahren zum Versorgungsausgleich vor dem 1. September 2009 vom Scheidungsverbund abgetrennt und wurde es erst nach diesem Zeitpunkt fortgesetzt, richtet sich das wieder aufgenommene Verfahren zum Versorgungsausgleich gemäß § 48 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nach neuem materiellem Recht.

9

b) Soweit das [X.] im vorliegenden Fall über eine teleologische Reduktion des § 48 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu einer Anwendbarkeit des vor dem 1. September 2009 geltenden Rechts gelangen will, geht es dabei von unzutreffenden Voraussetzungen aus.

Im Einklang mit der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung hat das [X.] angenommen, dass in Fällen, in denen ein zuvor abgetrenntes Verfahren zum Versorgungsausgleich schon vor dem 1. September 2009 fortgesetzt worden ist, weiterhin das frühere materielle Recht und Verfahrensrecht anwendbar ist (so auch [X.], 983; [X.] FamRZ 2010, 1444; [X.] FuR 2010, 415; [X.] FamRZ 2010, 1671; a.[X.] FamRZ 2010, 1800, 1801 und [X.], 1965, 1966). Ob dem zu folgen ist, kann dahinstehen. Denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Das Amtsgericht hatte das Verfahren zum Versorgungsausgleich mit Urteil vom 1. September 2008 vom Scheidungsverbund abgetrennt und zunächst nicht weiter betrieben. Mit Beschluss vom 27. Mai 2009 hat es das Verfahren zum Versorgungsausgleich schließlich ausgesetzt. Diese Entscheidung wurde zwar durch Beschluss des [X.]s vom 27. August 2009 aufgehoben. Die Entscheidung ist allerdings erst nach dem 31. August 2009 wirksam geworden, weil sie den Beteiligten erst danach zugestellt wurde (§ 16 [X.]). Erst danach wurde das zuvor abgetrennte und später ausgesetzte Verfahren wieder aufgenommen.

Einer teleologischen Reduktion des § 48 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehlt damit die Grundlage. Deshalb ist auf die nach Art. 111 Abs. 4 [X.] fortzuführende selbständige Familiensache auch das seit dem 1. September 2009 geltende materielle Recht zum Versorgungsausgleich anwendbar.

c) Das [X.] wird deswegen in der jetzt selbständigen Familiensache über den Versorgungsausgleich (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Februar 2011 - [X.]/10 - FamRZ 2011, 635 Rn. 15 ff.) auf der Grundlage des seit dem 1. September 2009 geltenden materiellen Rechts neue Auskünfte der Versorgungsträger einzuholen und den Versorgungsausgleich nach diesem Recht neu zu regeln haben.

Dose                                                Weber-Monecke                                                Klinkhammer

                        Schilling                                                            [X.]

Meta

XII ZB 567/10

26.10.2011

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 12. Oktober 2010, Az: 2 UF 236/10, Beschluss

§ 48 Abs 2 Nr 1 VersAusglG, Art 111 Abs 3 FGG-RG, Art 111 Abs 4 FGG-RG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.10.2011, Az. XII ZB 567/10 (REWIS RS 2011, 1982)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1982

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