Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.04.2022, Az. AnwZ (Brfg) 39/21

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2022, 3197

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Gegenstand

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Vermögensverfall des Rechtsanwalts; Ablauf der Jahresfrist bezüglich der Eintragung im Schuldnerverzeichnis


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das ihm an [X.] statt am 19. August 2021 zugestellte Urteil des 2. Senats des [X.] und der Antrag des [X.] auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der im Jahr 1950 geborene Kläger ist seit 1981 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und als Einzelanwalt in S.    tätig. Mit Bescheid vom 22. April 2016, dem Kläger zugestellt am 26. April 2016, widerrief die Beklagte seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen [X.] (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BR[X.]). Der [X.] hat die dagegen erhobene Klage des [X.] abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.]s. Außerdem hat er im Laufe des Zulassungsverfahrens einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt.

II.

2

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung ist nach § 112e Satz 2 BR[X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Ein [X.] nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (§ 112e Satz 2 BR[X.], § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

3

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BR[X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser [X.] setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den [X.] dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 2. Oktober 2019 - [X.] ([X.]) 44/19, juris Rn. 3 mwN).

4

Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen. Die Entscheidung des [X.]s steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.

5

a) Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 BR[X.] ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird nach Halbsatz 2 der Vorschrift widerleglich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 [X.], § 882b ZPO) eingetragen ist.

6

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen [X.] ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, [X.], 187 Rn. 9 ff.; vom 10. März 2014 - [X.] ([X.]) 77/13, juris Rn. 3; vom 12. Dezember 2018 - [X.] ([X.]) 60/17, juris Rn. 4 und vom 22. November 2021 - [X.] ([X.]) 3/21, juris Rn. 4).

7

b) Ausgehend davon bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des [X.]s, dass der Kläger sich im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs seiner Zulassung in Vermögensverfall befand.

8

aa) Da zum Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.] eröffnet war, wird sein Vermögensverfall nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BR[X.] vermutet.

9

Dass der Beschluss des Amtsgerichts (Insolvenzgerichts) vom 1. Dezember 2015 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Zeitpunkt des [X.] noch nicht rechtskräftig war, steht dem nicht entgegen. § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BR[X.] setzt bereits seinem Wortlaut nach keine Rechtskraft des [X.] voraus. Zudem hat der [X.] zutreffend darauf verwiesen, dass dem Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichts - ebenso wie Schuldtiteln und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen von Vollstreckungsorganen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 20. Oktober 2014 - [X.] ([X.]) 32/13, BeckRS 2014, 20924 Rn. 5; vom 5. September 2016 - [X.] ([X.]) 39/15, juris Rn. 16 und vom 29. Mai 2018, - [X.] ([X.]) 71/17, Z[X.] 2018, 1637 Rn. 5; jeweils mwN) - im Widerrufsverfahren eine [X.] zukommt. Seine inhaltliche und verfahrensrechtliche Richtigkeit wird daher im Widerrufsverfahren nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BR[X.] nicht überprüft; etwaige Fehler sind nicht im Widerrufsverfahren, sondern in dem dafür vorgesehenen Verfahren, d.h. hier im Wege der vom Kläger gegen den Beschluss erhobenen sofortigen Beschwerde, geltend zu machen.

Diese [X.] entfällt zwar, wenn sich auf den dafür vorgesehenen Rechtsbehelf des Betroffenen nachträglich herausstellt, dass ihre Voraussetzungen bereits im Zeitpunkt des Widerrufs nicht gegeben waren (vgl. Senat, Beschlüsse vom 20. Februar 2020 - [X.] ([X.]) 65/19, juris Rn. 18 und vom 17. November 2020 - [X.] ([X.]) 20/20, juris Rn. 18 f. zur nachträglichen Aufhebung eines vorläufig vollstreckbaren Urteils). Auch das ist hier aber nicht der Fall, da die sofortige Beschwerde des [X.] gegen den Insolvenzeröffnungsbeschluss bereits durch Beschluss des [X.]vom 14. Juli 2016 zurückgewiesen worden ist.

Dagegen macht der Kläger ohne Erfolg geltend, der [X.] sei an rechtswidrige Entscheidungen nicht gebunden. Dieser Einwand zielt im Ergebnis lediglich darauf, doch noch eine rechtliche Überprüfung der insolvenzgerichtlichen Beschwerdeentscheidung im vorliegenden Widerrufsverfahren zu erreichen, die nach der obigen Rechtsprechung indes gerade nicht stattfindet. Ein Fall evidenter Nichtig- oder Rechtswidrigkeit, in dem dies anders zu beurteilen sein könnte, liegt hier auch nach dem Vorbringen des [X.] nicht vor. Der Kläger wiederholt mit seinem Zulassungsantrag lediglich seine Einwände gegen die Zulässigkeit des Antrags der Finanzverwaltung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und gegen die Berechtigung der diesem Antrag zugrundeliegenden Steuerforderung. Über diese Einwände hat bereits das [X.]in seinem Beschluss vom 14. Juli 2016 entschieden und sie für nicht durchgreifend erachtet. Dabei hat es insbesondere darauf verwiesen, dass bei der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die objektive Gesamtsituation des Schuldners zu beurteilen ist, ohne dass die Forderungen des jeweiligen Antragstellers dabei eine besondere Rolle spielten, und nach dem Insolvenzeröffnungsgutachten auch ohne Berücksichtigung der vom Kläger angegriffenen Steuerforderungen von seiner Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] auszugehen sei, weil er weitere Schulden in Höhe von mehr als 100.000 €, davon über 60.000 € fällig gestellt, habe, denen keine annähernd ausreichenden Aktiva gegenüberstünden. Dagegen bringt der Kläger auch mit seinem Zulassungsantrag nichts vor.

bb) Auf die vom [X.] außerdem bejahte weitere Begründung der Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BR[X.] durch die Eintragung des [X.] im Schuldnerverzeichnis und die vom Kläger dagegen erhobenen Einwände kommt es damit nicht mehr an.

Lediglich ergänzend ist daher anzumerken, dass der [X.] den Einwand des [X.], seine Eintragung im Schuldnerverzeichnis habe wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 32 Abs. 1 Satz 1 BR[X.] i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 2, § 48 Abs. 4 [X.] nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, entgegen der Ansicht des [X.] gesehen und gewürdigt hat. Wie sich aus seinem Beschluss vom 20. März 2019 ergibt, hat er ihn jedoch für unerheblich erachtet, weil er insoweit von einem Ausschluss der nach § 32 BR[X.] nur subsidiär geltenden §§ 48, 49 [X.] durch die vorrangige Spezialregelung des unbefristeten Widerrufs in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BR[X.] ausgegangen ist (ebenso [X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 32 BR[X.], Rn. 109; siehe auch [X.], ebenda, § 14 BR[X.] Rn. 11; [X.] in [X.]/Bonk/[X.], [X.], 9. Aufl., § 49 Rn. 85 mwN). Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, wäre die Jahresfrist nicht verstrichen, weil es sich hierbei um eine Entscheidungsfrist handelt, deren Lauf erst beginnt, wenn die Behörde sämtliche relevanten Tatsachen für ihre Entscheidung kennt und auf dieser Grundlage zu der rechtlichen Erkenntnis gelangt ist, dass ihr die Widerrufs- bzw. Rücknahmebefugnis zusteht; auch eine notwendige Anhörung muss grundsätzlich bereits erfolgt sein (vgl. [X.], Urteil vom 26. November 2012 - [X.] ([X.]) 56/11, [X.], 175 Rn. 8; BeckOK [X.]/[X.], Stand: 1. Januar 2022, § 49 Rn. 68; jeweils mwN). Da die Beklagte nach ihrem Anhörungsschreiben vom 10. Dezember 2015 erst durch Ermittlungen im Zusammenhang mit der Mitteilung des [X.]           vom 3. Dezember 2015 über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Eintragung des [X.] im Schuldnerverzeichnis erfahren hat, war die Jahresfrist bei Widerruf der Zulassung im April 2016 noch nicht verstrichen. Das gälte im Übrigen sogar dann, wenn die Beklagte unmittelbar nach der Eintragung des [X.] im Schuldnerverzeichnis am 16. April 2015 Kenntnis davon erlangt hätte, da auch dann noch eine Anhörung des [X.] nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BR[X.] i.V.m. § 28 [X.] geboten gewesen wäre.

cc) Der Kläger hat die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vermutung seines [X.] nicht widerlegt.

(1) Im Falle eines Insolvenzverfahrens ist die gesetzliche Vermutung des [X.] nach ständiger Senatsrechtsprechung erst dann widerlegt, wenn ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 [X.]) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 [X.]) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 4. April 2012 - [X.] ([X.]) 62/11, juris Rn. 4; vom 27. August 2019 - [X.] ([X.]) 35/19, juris Rn. 19 und vom 16. Dezember 2021 - [X.] ([X.]) 36/20, juris Rn. 7).

Diese Voraussetzungen lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des [X.] nicht vor; sie sind im Übrigen bis heute nicht gegeben. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.] wurde zwar im Mai 2019 aufgehoben, allerdings ohne Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen. Nach dem Schlussbericht des Insolvenzverwalters wurden Insolvenzforderungen in Höhe von 132.759,21 € sowie weitere 33.038,83 € mit Beschränkung auf den Ausfall zur Tabelle festgestellt; die verteilungsfähige Masse betrug voraussichtlich 4.794,74 €, was einer Insolvenzquote von 3,61 % entsprach. Einen Antrag auf Restschuldbefreiung hatte der Kläger nicht gestellt.

(2) Dass der Insolvenzverwalter die selbständige Erwerbstätigkeit des [X.] unmittelbar nach der Verfahrenseröffnung gemäß § 35 Abs. 2 [X.] aus der Insolvenzmasse freigegeben und hinsichtlich der Wohnung des [X.] die Freigabe aus dem [X.] erklärt hatte, führt entgegen der Ansicht des [X.] zu keiner anderen Beurteilung (vgl. Senat, Beschlüsse vom 21. Februar 2018 - [X.] ([X.]) 72/17, [X.], 422 Rn. 13; vom 9. November 2020 - [X.] ([X.]) 19/20, juris Rn. 5 und vom 16. Dezember 2021 - [X.] ([X.]) 36/20, juris Rn. 8). Nach dem Schlussbericht des Insolvenzverwalters sind diese Freigaben lediglich erfolgt, weil die Masse nicht mit unkontrollierbaren Risiken aus der Erwerbstätigkeit des [X.] oder evtl. Stilllegungskosten belastet werden sollte und daraus kein Ertrag bzw. kein Verwertungserlös für die Masse zu erwarten war. Sie haben nichts an der damaligen [X.] des [X.] geändert und überdies dazu geführt, dass seine Gläubiger wieder Zugriff auf diesen Teil seines Vermögens nehmen konnten (vgl. [X.] in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 14 Rn. 42 mwN).

(3) Das weitere Vorbringen des [X.] reicht für eine Widerlegung der Vermutung ebenfalls nicht aus.

(a) Der Kläger macht insoweit geltend, dass er nur durch das Verhalten der Finanzverwaltung in das Insolvenzverfahren getrieben worden sei und nach dem Insolvenzeröffnungsgutachten seine Zahlungen zum damaligen Zeitpunkt auch nicht eingestellt gehabt habe. Zudem habe er entgegen der Erwartung des Insolvenzverwalters nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit seiner (freigegebenen) anwaltlichen Tätigkeit Gewinne zwischen 7.900 € und 16.600 € jährlich erzielt und mit der Hypothekengläubigerin seiner Eigentumswohnung (nach deren Darlehenskündigung im Jahr 2017) einen Ratenzahlungsvergleich zu einem geringeren Zinssatz geschlossen. Schließlich habe auch der Gläubiger, auf dessen Antrag er im [X.] die Vermögensauskunft abgegeben habe, seine Forderung bislang nicht realisiert.

(b) Dieses Vorbringen vermag die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Vermutung bereits deshalb nicht zu widerlegen, weil die Rechtsprechung des Senats zur Widerlegung der Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BR[X.] durch eine umfassende Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse (nur) für die Vermutung des [X.] bei Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO gilt (vgl. Senat, Beschluss vom 4. April 2012 - [X.] ([X.]) 62/11, juris Rn. 5). Für die - hier in Rede stehende - gesetzliche Vermutung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten dagegen die oben genannten Anforderungen an eine Widerlegung, die, wie ausgeführt, nicht erfüllt sind.

(c) Im Übrigen würde das Vorbringen des [X.] auch für eine Widerlegung der Vermutung aufgrund einer Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nicht ausreichen. Der Kläger hat auch im Zulassungsverfahren kein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten mit einem nachvollziehbaren bzw. realistischen Tilgungsplan und entsprechenden Unterlagen für den maßgeblichen Zeitpunkt April 2016 vorgelegt (vgl. zu dieser Anforderung etwa Senat, Beschlüsse vom 29. Juli 2016 - [X.] ([X.]) 9/16, juris Rn. 6; vom 30. Januar 2017 - [X.] ([X.]) 61/16, juris Rn. 4 und vom 24. Juli 2018 - [X.] ([X.]) 3/18, juris Rn. 7; jeweils mwN). Seine Angaben beschränken sich (wie bereits im Verfahren vor dem [X.]) auf die lediglich punktuelle Erwähnung von [X.] mit verschiedenen Gläubigern ohne umfassende Darstellung seiner damaligen finanziellen Situation nebst Belegen. Auch seine Behauptung, dass der Gläubiger, der im [X.] die Abgabe der Vermögensauskunft erwirkt hat, seine Forderung nicht [X.], hat er weiterhin nicht substantiiert und belegt. Der bloße Verweis auf seine damaligen Einkünfte von insgesamt gut 1.260 € monatlich (460 € Renteneinkommen und ungefähr 800 € Gewinn aus seiner anwaltlichen Tätigkeit) lässt nicht erkennen, wie er damit in der Lage gewesen sein sollte, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens laut Eröffnungsgutachten - sogar ohne die von ihm bestrittenen Steuerforderungen - bestehenden Verbindlichkeiten von über 100.000 €, davon über 60.000 € fällige Forderungen, zu erfüllen.

(d) Die in diesem Zusammenhang weiter angeführten Einwände des [X.] gegen die Berechtigung der dem Insolvenzantrag der Finanzverwaltung zugrundeliegenden Steuerforderung von 31.106,79 € und gegen die insoweit vom [X.] angenommene [X.] sind wiederum bereits deshalb unerheblich, weil die gesetzliche Vermutung seines [X.] nicht auf der Titulierung und Vollstreckung dieser Steuerforderung beruht, sondern - unabhängig davon - auf der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen.

Im Übrigen hat der [X.] auch hierzu zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die vorinsolvenzliche Steuerforderung der Finanzverwaltung nicht substantiiert bestritten hat. Der vom Kläger angeführte Verzicht des Finanzamts auf 24.548,14 € am 14. Juni 2018, die Stornierung von 12.361 € am 30. Januar 2019 und der [X.] von 13.316 € am 3. März 2020 betrafen sämtlich nicht die ursprüngliche Steuerforderung von 31.106,79 €, sondern Nachmeldungen der Finanzverwaltung oder erst während des Insolvenzverfahrens berechnete Säumniszuschläge. Auch die Aufhebung des Bescheids vom 25. Juni 2020 durch das Finanzamt [X.]        am 18. Oktober 2021 (nach einem Hinweis des Finanzgerichts H.      ) bezog sich lediglich auf diesen "Abrechnungsbescheid", der nach der Aufhebungsbegründung des Finanzamts bereits nicht als solcher gemeint war. An den bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergangenen Steuerbescheiden bzw. den auf einer vor Verfahrenseröffnung erfolgten Steueranmeldung beruhenden Steuerforderungen (§ 168 [X.]) hat sich dadurch nichts geändert.

c) Das Vorbringen des [X.] begründet keine ernstlichen Zweifel an der weiteren Annahme des [X.]s, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden vorliegt.

Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BR[X.] zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines [X.] folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit diesen rechtlich abgesicherten Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 15. Dezember 2017 - [X.] ([X.]) 11/17, juris Rn. 15; vom 21. Februar 2018 - [X.] ([X.]) 72/17, [X.], 422 Rn. 12; vom 5. März 2018 - [X.] ([X.]) 52/17, juris Rn. 8; vom 12. Dezember 2018 - [X.] ([X.]) 65/18, juris Rn. 7 und vom 16. Dezember 2021 - [X.] ([X.]) 36/20, juris Rn. 11). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2. Dem [X.] ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BR[X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Insbesondere war der [X.] entgegen der Ansicht des [X.] nicht gehalten, die Akten des [X.], des Finanzamts [X.]     , des Insolvenzverwalters, des [X.]           und des [X.]       beizuziehen. Nach dem Vorbringen des [X.] soll sich aus diesen Akten ergeben, dass die Finanzverwaltung einen unzulässigen Insolvenzeröffnungsantrag ohne Vorlage eines Titels gestellt und er sich im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bzw. bei Erlass des [X.] nicht in Vermögensverfall befunden habe. Diesem Vorbringen musste der [X.] nicht weiter nachgehen, da es - wie oben ausgeführt - nicht geeignet war, die bereits aus dem übrigen Vortrag des [X.] und den zur Akte gereichten Unterlagen folgende gesetzliche Vermutung seines [X.] zu widerlegen.

Dass der [X.] eine Aussetzung des Verfahrens nach § 112c Abs. 1 BR[X.], § 94 VwGO wegen der vom Kläger beim [X.]       anhängig gemachten Klage gegen die Finanzverwaltung, mit der er die Unterlassung unzutreffender Mitteilungen nach § 36 Abs. 2 BR[X.] an die Beklagte über angebliche Steuerschulden begehrt, mangels Vorgreiflichkeit abgelehnt hat, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist schließlich, dass der [X.] der Anregung des [X.] nicht gefolgt ist, das vorliegende Verfahren mit dem bei ihm anhängigen Klageverfahren betreffend den - von der Beklagten zwischenzeitlich abschlägig beschiedenen - Antrag des [X.] vom 18. Mai 2021 auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft ([X.]    ) zu verbinden. Das vorliegende Verfahren war entscheidungsreif; zudem war bzw. ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beklagten über den Widerruf im Jahr 2016 und eine Wiederzulassung im Jahr 2021 auf unterschiedliche Zeitpunkte abzustellen und die hiesige Entscheidung über die Recht-mäßigkeit des Widerrufs überdies vorgreiflich für die Frage einer Wiederzulassung.

3. Andere Zulassungsgründe im Sinne von § 112e Satz 2 BR[X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 VwGO werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

III.

Der Antrag des [X.] auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, da seine Rechtsverfolgung nach den obigen Ausführungen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BR[X.] i.V.m. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 ZPO). Dabei war die vom Kläger erneut geltend gemachte Aktenbeiziehung auch durch den Senat für die Prüfung der Erfolgsaussicht seines Zulassungsantrags mangels Entscheidungserheblichkeit (s.o.) nicht geboten. Gleiches gilt für die vom Kläger angeregte Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zur Entscheidung über seine Wiederzulassung oder eine diesbezügliche Verfahrensverbindung.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 112c Abs. 1 Satz 1 BR[X.], § 154 Abs. 2 VwGO. Der Kläger hat mit [X.] vom 13. September 2021 unbedingt "Nichtzulassungsbeschwerde" gegen das Urteil des [X.]s eingelegt und diese mit [X.] vom 14. Oktober 2021 begründet, bevor er mit am 18. Oktober 2021 bei Gericht eingegangenem [X.] vom 10. Oktober 2021 nachträglich Prozesskostenhilfe dafür beantragt hat.

Die Streitwertfestsetzung ergeht nach § 194 Abs. 2 Satz 1 BR[X.].

Grupp     

      

Paul     

      

Grüneberg

      

Schmittmann     

      

Niggemeyer-Müller     

      

Meta

AnwZ (Brfg) 39/21

19.04.2022

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Celle, 19. August 2021, Az: AGH 12/16 (II 5/7)

§ 14 Abs 2 Nr 7 Halbs 2 BRAO, § 32 Abs 1 S 1 BRAO, § 26 Abs 2 InsO, § 882b ZPO, § 48 Abs 4 VwVfG, § 49 Abs 2 S 2 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.04.2022, Az. AnwZ (Brfg) 39/21 (REWIS RS 2022, 3197)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3197

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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