Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 09.11.2022, Az. 7 C 1/22

7. Senat | REWIS RS 2022, 8734

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Gegenstand

Unangekündigte Kontrolle eines Sonderabfall-Zwischenlagers


Leitsatz

1. Die nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BImSchG bestehende Verpflichtung des Betreibers einer Anlage, den Zutritt zu Grundstücken und die Vornahme von Prüfungen durch Angehörige der zuständigen Behörde zu dulden, setzt keine Ankündigung voraus. Unangekündigte Kontrollen sind regelmäßig auch verhältnismäßig.

2. § 52 Abs. 2 Satz 1 BImschG umfasst in der Regel die Befugnis, bei der Kontrolle von Anlagen zu fotografieren.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] für das [X.] vom 30. November 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das unangekündigte Betreten ihres [X.], eines Sonderabfall-Zwischenlagers, durch Mitarbeiter der [X.] sowie das Fotografieren während der Begehung der Anlage rechtswidrig gewesen sind. Sie betreibt ein Unternehmen zur Schadstoffentsorgung und für das Recycling für Industrie- und Gewerbekunden.

2

Grundlage des Anlagenbetriebs ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 15. Dezember 2004, die in Teil 3 "Nebenbestimmungen und Hinweise" unter Nr. 1.7 Folgendes regelt: "Die Betreiberin hat den Bediensteten der [X.] und den für die Überwachung der Anlage zuständigen Behörden jederzeit Zutritt zur Anlage sowie Einsicht in die [X.] zu gestatten und sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen."

3

Am 10. Juli 2018 suchten zwei Mitarbeiter der [X.] das Anlagengrundstück der Klägerin ohne vorherige Ankündigung auf. In einem Vermerk führte ein Mitarbeiter aus, auf eine vorherige Ankündigung sei verzichtet worden, da nach einem Erlass des [X.], Natur- und Verbraucherschutz des [X.] vom 16. Mai 2018 auch unangekündigte Überwachungen durchgeführt werden sollten und die letzten drei Überwachungen der Klägerin vorher bekannt gegeben worden seien. Zu Beginn der Inspektion hätten sich die Behördenmitarbeiter bei dem Niederlassungsleiter angemeldet. Dieser habe auf die "üblichen Regelungen" bei der Klägerin verwiesen, womit nach Ansicht des Vermerkverfassers die vorherige Anmeldung gemeint gewesen sei. Er habe daraufhin auf den genannten Erlass verwiesen und auf die Durchführung der Inspektion bestanden. Der Niederlassungsleiter habe wegen eines anderen Termins seinen Vertreter gebeten, die Anlage mit den [X.] zu begehen. Zum Schluss der Anlagenbegehung habe der Geschäftsführer der Klägerin angerufen und mitteilen lassen, dass dem Vermerkverfasser Hausverbot erteilt werde. Während der Inspektion wurden auch Fotografien gefertigt.

4

Mit Schreiben vom 18. Juli 2018 rügte die Klägerin die durchgeführte Inspektion, insbesondere den Umstand der unterbliebenen vorherigen Ankündigung. Der Niederlassungsleiter habe den [X.] mitgeteilt, dass er weder mit der beabsichtigten Anlagenbegehung noch mit der Anfertigung von Lichtbildern einverstanden gewesen sei.

5

Der von der Klägerin am 22. Oktober 2018 erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des [X.] geändert und die Klage abgewiesen. Die [X.] finde ihre Rechtsgrundlage in § 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1b und 2 Satz 1 Alt. 1 [X.] Das der Behörde vom Gesetzgeber eingeräumte [X.] und Besichtigungsrecht hänge nicht von einem positiven Willensakt des Anlagenbetreibers im Sinne einer Entscheidung ab, die Kontrolle zu billigen oder mit ihr einverstanden zu sein. Die Entscheidung der Überwachungsbehörde, die Durchführung einer Kontrolle dem Betreiber nicht vorher anzukündigen, sei im Regelfall - wie auch hier - verhältnismäßig. Das Anfertigen von Lichtbildern sei ohne ausdrückliche Erwähnung von der [X.] gedeckt, wenn und soweit die Lichtbilder der Dokumentation der Kontrolle sowie der Plausibilisierung von Beanstandungen dienten.

6

Zur Begründung ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, dass es sowohl für das Betreten des [X.] ohne Gestattung durch die Klägerin und ohne vorherige Ankündigung als auch für das Fotografieren an einer Rechtsgrundlage fehle. Jedenfalls sei eine unangekündigte Kontrolle unverhältnismäßig.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des [X.] für das [X.] vom 30. November 2021 zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] Düsseldorf vom 17. Januar 2019 zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Urteil des Berufungsgerichts steht mit Bundesrecht in Einklang. Die Klage ist zulässig, a[X.] unbegründet. Das Berufungsgericht hat das stattgebende Urteil des [X.] deshalb zu Recht geändert und die Klage abgewiesen.

1. Die Klage ist zulässig. Hierbei kann offenbleiben, ob sie - wie vom O[X.]verwaltungsgericht angenommen - als allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO oder entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft ist. Letztere Klageart wäre einschlägig, wenn das Zutrittsverlangen zu der Anlage der Klägerin und die Inanspruchnahme des Rechts, auf dem Gelände Fotografien anzufertigen, als mündlich oder konkludent erlassene Verwaltungsakte im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG [X.] zu qualifizieren wären, die sich mit dem Verlassen der Anlage erledigt hätten. In diesem Fall wäre auch die Jahresfrist zur Klageerhebung gewahrt (§ 74 Abs. 1, § 58 Abs. 2 VwGO). Das [X.]echtigte Interesse der Klägerin an der Feststellung ergibt sich aus der bestehenden Wiederholungsgefahr.

2. Die Klage ist unbegründet. Sowohl das Betreten des [X.] der Klägerin als auch die Fertigung von Fotografien auf dem [X.] waren rechtmäßig.

a) Die aus § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] folgende Befugnis der Mitarbeiter der zuständigen Ü[X.]wachungsbehörde, ein Anlagengrundstück zu betreten, setzt weder die Einwilligung des Betroffenen noch eine vorherige Ankündigung voraus. Eine unangekündigte Inanspruchnahme der Befugnis aus § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist regelmäßig verhältnismäßig. Dies ist auch vorliegend der Fall.

aa) Nach der Befugnisnorm des § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] sind Eigentümer und Betrei[X.] von Anlagen sowie Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, auf denen Anlagen betrieben werden, verpflichtet, den Angehörigen der zuständigen Behörde und deren Beauftragten den Zutritt zu den Grundstücken und die Vornahme von Prüfungen einschließlich der Ermittlung von Emissionen und Immissionen zu gestatten. Aus dieser Vorschrift folgt ein behördliches Zutritts- und Prüfungsrecht, dem auf Seiten der Eigentümer und Betrei[X.] von Anlagen eine entsprechende Duldungspflicht sowie die Verpflichtung zur Ermöglichung von Zutritt und Prüfung durch erforderliche Mitwirkungshandlungen - etwa durch das Aufschließen von Türen, Beleuchten von Räumen etc. - gegenü[X.]steht.

Eines ü[X.] die Duldung und erforderliche Mitwirkungshandlungen hinausgehenden positiven Willensakts des Pflichtigen im Sinne einer Einwilligung bedarf es demgegenü[X.] nicht. Ein derartiger Vorbehalt der Einwilligung entspräche nicht dem Verständnis des Gesetzge[X.]s. Der Begründung des Gesetzentwurfs lässt sich entnehmen, dass Eigentümer und Betrei[X.] die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz erforderlichen Ü[X.]wachungsmaßnahmen zu dulden und gegebenenfalls zu fördern haben ([X.]. 7/179 S. 47). Zudem widerspräche es dem auf eine effektive Wahrnehmung der Ü[X.]wachungsaufgabe zielenden Sinn und Zweck der Regelung, wenn die behördliche Ü[X.]wachungstätigkeit auf dem Betriebsgrundstück von einer Einwilligung des Betroffenen abhinge. Im Weigerungsfall könnte eine Einwilligung, die eine unvertretbare Handlung darstellt, nicht im Wege der Ersatzvornahme, sondern grundsätzlich nur mittels Zwangsgeld durchgesetzt werden. Nicht zuletzt die mit der Festsetzung und Einziehung von [X.] verbundenen zeitlichen Verzögerungen könnten den Zweck der Ü[X.]wachungsmaßnahmen nach § 52 Abs. 2 [X.], zur Sicherstellung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften ein möglichst realistisches Bild von Anlage und Betriebsgrundstück zu gewinnen, vereiteln.

bb) Die Inanspruchnahme des Zutritts- und [X.] nach § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] setzt keine vorherige Ankündigung voraus. § 52 [X.] enthält weder eine positive Aussage zur Notwendigkeit einer vorherigen Ankündigung, noch hängen Zutritt und Prüfung begrifflich oder sachlogisch hiervon ab. Auch die Gesetzesbegründung ([X.]. 7/179 S. 47) enthält hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Die der Sache nach von der Klägerin geforderte Annahme eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals ist nicht geboten. Derartiges ergibt sich insbesondere nicht aus den von der Klägerin in Bezug genommenen Vorschriften anderer Rechts[X.]eiche, die unangekündigte Kontrollen ausdrücklich ansprechen.

§ 72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes ü[X.] den Verkehr mit Arzneimitteln ([X.] - [X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezem[X.] 2005 ([X.]), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. August 2021 ([X.]), regelt schon keine Zutrittsbefugnis, sondern macht die Erlaubnis zum Einführen von Arzneimitteln oder Wirkstoffen unter anderem davon abhängig, dass die zuständige Behörde des [X.] bestätigt hat, dass die [X.] auch durch wiederholte und unangekündigte Inspektionen regelmäßig ü[X.]wacht wird. § 72a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] veranschaulicht damit lediglich, dass der arzneimittelrechtliche Gesetzge[X.] unangekündigte Inspektionen als im Rahmen regelmäßiger Ü[X.]wachung von [X.]n unabdingbar ansieht. Demgegenü[X.] enthält die für das Betretungsrecht der mit der Ü[X.]wachung beauftragten Personen maßgebliche Befugnisnorm des § 64 Abs. 4 Nr. 1 [X.] - insoweit nicht anders als § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] - keine Regelung zur Frage der vorherigen Ankündigung. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin in Bezug genommene tierschutzrechtliche Bestimmung des § 16 Abs. 1 Satz 7 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 ([X.], 1313), zuletzt geändert durch Art. 105 des Gesetzes vom 10. August 2021 ([X.]), wonach ein angemessener Teil der Kontrollen bestimmter Einrichtungen unangekündigt erfolgt. Auch hier regelt die Vorschrift des § 16 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 TierSchG, die den beauftragten Personen eine Betretungsbefugnis verleiht, die Frage der vorherigen Ankündigung nicht.

§ 143 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Seearbeitsgesetzes ([X.]) vom 20. April 2013 ([X.] I S. 868), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 20. Mai 2021 ([X.] I S. 1144), den die Klägerin ebenfalls nennt, führt auf keine tatbestandserweiternde Auslegung des § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.]. § 143 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] ermächtigt die Berufsgenossenschaft dazu, während der üblichen Geschäfts- und Betriebszeiten unangekündigt an Bord eines Schiffes oder eines Schiffes unter ausländischer Flagge zu gehen sowie Geschäfts-, Dienst- und Behandlungsräume von Reedern, Vermittlern, zugelassenen Ärzten und anerkannten Organisationen zu betreten. Die hiernach vom Fachgesetzge[X.] ausdrücklich verliehene Befugnis, bestimmte Maßnahmen unangekündigt vorzunehmen, lässt keine Rückschlüsse auf den Tatbestand des § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] zu. Namentlich ist eine einheitliche gesetzge[X.]ische Praxis hinsichtlich des [X.] von Normen, zumal solchen unterschiedlichen Alters (§ 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] war seinem hier maßgeblichen Inhalt und Wortlaut nach [X.]eits in der Ursprungsfassung des Bundesimmissionsschutzgesetzes aus dem [X.] enthalten; vgl. hierzu § 44 Abs. 2 Satz 1 [X.]-E, [X.]. 7/179 S. 13) und verschiedener Rechtsgebiete, oder gar eine Praxis, Systematik und Regelungstiefe im gesamten (öffentlich-rechtlichen) Normenbestand einheitlich zu gestalten, nicht erkennbar.

Abweichendes ergibt sich auch nicht im Lichte des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2010/75/[X.] des [X.] und des Rates vom 24. Novem[X.] 2010 ü[X.] [X.] ([X.] [X.]), deren Anwendungs[X.]eich das [X.] der Klägerin unterfällt. Nach dieser Vorschrift stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Betrei[X.] den zuständigen Behörden jede notwendige Unterstützung dabei gewähren, etwaige Vor-Ort-Besichtigungen und Probenahmen durchzuführen und die zur Erfüllung ihrer Pflichten im Rahmen dieser Richtlinie erforderlichen Informationen zu sammeln. Diese Bestimmung schließt es in keiner Weise aus, dass die zuständigen nationalen Behörden sowohl angekündigte als auch unangekündigte [X.] durchführen, bei denen jeweils unterschiedliche Unterstützungshandlungen inmitten stehen können. So bedarf es auch bei unangekündigten Inspektionen der Unterstützung durch den Betrei[X.], etwa indem er Türen öffnet oder eine ausreichende Beleuchtung sicherstellt (vgl. [X.]/Röckinghausen, in: [X.][X.], [X.], Stand April 2022, § 52 [X.] Rn. 63; [X.], [X.], 14. Aufl. 2022, § 52 Rn. 47).

cc) Die Wahrnehmung des Zutrittsrechts aus § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] ohne vorherige Ankündigung verstößt regelmäßig weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, noch ist sie mit sonstigen grundrechtlichen Positionen unvereinbar. Das O[X.]verwaltungsgericht nimmt zu Recht an, dass unangekündigte Kontrollen zur Erreichung ihres Zwecks geeignet, erforderlich und in aller Regel auch verhältnismäßig im engeren Sinne sind.

Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass der behördlichen Vor-Ort-Besichtigung im Rahmen der Anlagenü[X.]wachung nach §§ 52, 52a [X.] eine zentrale Bedeutung zukommt, weil Feststellungen, ob die Anforderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der hierauf gestützten Rechtsverordnungen eingehalten werden, vielfach nur durch eine Inaugenscheinnahme der Anlage oder des Anlagenbetriebs möglich sind. Hierbei ist es unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Ü[X.]wachung von maßgeblicher Bedeutung, dass die Ü[X.]wachungsbehörde eine Situation vorfindet, die den Anlagenzustand und die [X.] möglichst realitätsnah abbilden. Hierfür sind unangekündigte Kontrollen nicht nur geeignet, sondern eine wesentliche Voraussetzung.

Angekündigte Kontrollen stellen sich demgegenü[X.] nicht als in gleicher Weise wirksam dar wie unangekündigte Kontrollen. Unabhängig von der seitens des Beklagten im Berufungsverfahren hierzu vorgelegten und vom O[X.]verwaltungsgericht mit für den Senat bindender Wirkung (§ 137 Abs. 2 VwGO) als repräsentativ erachteten Auswertung, wonach bei unangekündigten [X.] verhältnismäßig mehr Mängel und zudem eine verhältnismäßig höhere Mängelschwere festgestellt wurden als bei angekündigten [X.], entspricht es auch allgemeiner Lebenserfahrung, dass mit einer unangekündigten Besichtigung die größtmögliche Effektivität einer Ü[X.]wachungsmaßnahme zu erreichen ist (in diesem Sinne BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1998 - 1 [X.] - [X.] 451.41 § 22 [X.] Nr. 1 S. 2 f.; [X.], Beschluss vom 27. Januar 2004 - 9 S 1343/03 - NVwZ-RR 2004, 416 <417> m. w. N.).

Nicht näher begründete Auffassungen in der Literatur (Dederer, in: [X.], [X.], Stand Septem[X.] 2019, § 52 Rn. 128; [X.], [X.], 14. Aufl. 2022, § 52 Rn. 46; [X.], in: [X.]/[X.]/Saurer, [X.], § 52 Rn. 58; [X.], in: [X.], [X.], [X.]., § 52 [X.] Rn. 34), die mit Blick auf die nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebotene Wahl des mildesten Mittels zumindest für den Regelfall die Ankündigung von Ü[X.]wachungsmaßnahmen fordern, vermögen demgegenü[X.] nicht zu ü[X.]zeugen, zumal vergleichende Ü[X.]legungen zur Effektivität einerseits angekündigter und andererseits unangekündigter Ü[X.]wachungsmaßnahmen fehlen.

Unangekündigte Kontrollen sind regelmäßig auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Entgegenstehende, von atypischen Einzelfällen unabhängige allgemein schutzwürdige Interessen der Eigentümer und Betrei[X.] von Anlagen, die für eine mindestens regelmäßige vorherige Ankündigung des [X.] streiten können, haben gegenü[X.] dem öffentlichen Interesse an einer möglichst effektiven Anlagenü[X.]wachung kein höheres Gewicht. Eine unzumutbare Belastung der Eigentümer und Betrei[X.] durch (auch) nicht angekündigte [X.] ist nicht ersichtlich (in diesem Sinne auch BVerwG, Urteil vom 7. April 2022 - 3 [X.] 8.21 - NVwZ-RR 2022, 670 Rn. 17).

Eine ü[X.]mäßige, durch den [X.] nicht gerechtfertigte Störung der Betriebsabläufe kann und muss regelmäßig durch die konkrete Gestaltung der Kontrolle vermieden werden. Dazu gehört, worauf [X.]eits das O[X.]verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, dass sich die die Kontrolle durchführenden Behördenmitarbeiter zu Beginn der Inspektion bei der an dem betreffenden Tag vor Ort anwesenden, für den Betrieb der Anlage verantwortlichen, das Hausrecht ausübenden Person anmelden und die für den kontrollierten Betrieb maßgeblichen Sicherheitsvorschriften, z. B. das Anlegen von Schutzausrüstung, beachten. Erscheinen Kontrolleure unangekündigt auf einem Betriebsgelände, müssen sie zudem gegebenenfalls damit rechnen, weder den Betriebsinha[X.] selbst noch eine verantwortliche Person anzutreffen, weil sich diese naturgemäß nicht vorab auf die Kontrolle einstellen können. Die Kontrolleure müssen auch damit rechnen, dass eine unangekündigte Kontrolle mit anderen, sachlich gerechtfertigten und nicht bloß vorgeschobenen Terminen der verantwortlichen Person kollidiert (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2022 - 3 [X.] 8.21 - NVwZ-RR 2022, 670 Rn. 18).

Der Hinweis der Klägerin darauf, dass eine angekündigte Kontrolle effizienter sei als eine unangekündigte, weil im ersteren Fall eine umfassendere Unterstützung der Behörde seitens des Eigentümers oder Betrei[X.]s ermöglicht werde, führt nicht weiter. Diese Annahme geht davon aus, dass jeder Anlagenbetrei[X.] [X.]eits von sich aus pflichtgemäß und im öffentlichen Interesse handelt, ein Umstand, den der Gesetzge[X.] gerade kontrolliert wissen will.

Auch mit Blick auf Grundrechte der Eigentümer und Betrei[X.] oder sonstiges Verfassungsrecht ergibt sich nichts Anderes. Nach der Rechtsprechung des [X.] unterliegen Betretungs- und Besichtigungsrechte für Geschäfts- und Betriebsräume aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung, die den Zweck des Betretens sowie den Gegenstand und den Umfang der zugelassenen Besichtigung und Prüfung deutlich erkennen lassen, einem erlaubten Zweck dienen und für dessen Erreichung erforderlich sind und sich auf das Betreten zu normalen Betriebszeiten beziehen, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie dienen [X.]echtigten Interessen der Verwaltung und belasten den Betriebsinha[X.] nicht in unzumutbarer Weise ([X.], Beschluss vom 13. Okto[X.] 1971 - 1 BvR 280/66 - [X.]E 32, 54 <76 f.>). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Weiterreichende Rechtspositionen, namentlich auf der Grundlage der [X.]-Grundrechtecharta, vermag auch die Klägerin nicht aufzuzeigen.

Der Verweis der Klägerin auf die verwaltungsprozessuale Vorschrift des § 97 VwGO, wonach die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens von allen Beweisterminen benachrichtigt werden und der Beweisaufnahme beiwohnen können, ist ebenfalls unergiebig. § 97 VwGO dient der Gewährung rechtlichen Gehörs im Rahmen gerichtlicher Ü[X.]prüfung des Verwaltungshandelns (vgl. hierzu nur [X.], in: [X.], VwGO, 16. Aufl. 2022, § 97 Rn. 1 m. w. N.) und ist auf behördliche Maßnahmen nicht ü[X.]tragbar.

dd) Die Verhältnismäßigkeit wurde auch bei der von Mitarbeitern der [X.] am 10. Juli 2018 auf dem [X.] der Klägerin unangekündigt durchgeführten [X.] gewahrt. Vom O[X.]verwaltungsgericht wurden keine besonderen Umstände festgestellt, wegen derer es ausnahmsweise einer vorherigen Ankündigung bedurft hätte. Eine Atypik ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Klägerin in einem zwischen den Beteiligten geführten [X.] um eine frühere unangekündigte [X.] zum Ausdruck gebracht habe, wie wichtig für sie die vorherige Ankündigung einer Inspektion sei, damit ein Mitarbeiter der Genehmigungsabteilung anwesend sein könne. Hierzu hat das O[X.]verwaltungsgericht ausgeführt, dass es zwar hilfreich gewesen wäre, wenn die Bezirksregierung die Klägerin nach deren Klagerücknahme darauf hingewiesen hätte, dass sie ihre Rechtsauffassung und ihre Verwaltungspraxis nicht geändert hatte. Die erneute Durchführung einer unangekündigten Kontrolle habe sich a[X.] nicht als treuwidrig erwiesen, weil die Ü[X.]wachungsbehörde der Klägerin keinen Anlass zu der Annahme gegeben habe, dass die Verwaltungspraxis generell oder gar bezogen auf die Anlagen der Klägerin geändert worden sei. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Möglichkeit zur Teilnahme nicht ortsanwesender Personen verweist das Berufungsgericht zutreffend darauf, dass ein solcher Anspruch weder aus dem Hausrecht noch der betrieblichen Organisationshoheit folgt. Erhebliche Beeinträchtigungen im Betriebsablauf im Zuge der etwa 45-minütigen Inspektion in der Anlage der Klägerin hat das O[X.]verwaltungsgericht nicht festgestellt.

Hinzu kommt, dass die Klägerin nach Teil 3 Nr. 1.7 der bestandskräftigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ihrer Anlage vom 15. Dezem[X.] 2004 dazu verpflichtet ist, Bediensteten der [X.] jederzeit Zutritt zur Anlage zu gestatten. Unbeschadet der Frage, ob Teil 3 Nr. 1.7 der Genehmigung eigenständigen Regelungs- oder bloßen Hinweischarakter hat, musste die Klägerin hiernach jedenfalls mit einem jederzeitigen - und mithin auch einem unangekündigten - Zutrittsverlangen durch Mitarbeiter des Beklagten rechnen.

b) Die Fertigung von Fotografien anlässlich der Begehung des [X.]s der Klägerin kann sich ebenfalls auf § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] stützen und begegnet auf der Grundlage der Feststellungen des O[X.]verwaltungsgerichts auch sonst keinen revisionsrechtlichen Bedenken.

aa) Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] sind - wie [X.]eits ausgeführt - Eigentümer und Betrei[X.] von Anlagen verpflichtet, den Angehörigen der zuständigen Behörde den Zutritt zu den Grundstücken und die Vornahme von Prüfungen einschließlich der Ermittlung von Emissionen und Immissionen zu gestatten. Nach verbreiteter Auffassung ist der Begriff der Prüfung weit auszulegen und umfasst - neben der im Gesetz ausdrücklich genannten Ermittlung von Emissionen und Immissionen - jede sonstige Untersuchung, soweit sie zur Erfüllung der Aufgaben nach § 52 Abs. 1 Satz 1 [X.] notwendig ist (vgl. [X.], [X.], 14. Aufl. 2022, § 52 Rn. 44 m. w. N.; [X.], in: [X.]/[X.]/Saurer, [X.], § 52 Rn. 61; Lechelt, in: Führ, GK-[X.], Stand 2019, § 52 Rn. 50 m. w. N.). Mit anderen Worten verleiht die Norm eine Befugnis für Handlungen des Feststellens von Zuständen ([X.], NVwZ 1985, 457 <460>). Auch der Begriff des Zutritts bedarf nach seinem Sinn und Zweck einer weiten Auslegung. Insbesondere umfasst das Betretungsrecht - soll es nicht bloß um seiner selbst willen gelten - auch die Möglichkeit der Wahrnehmung von Sachverhalten im Sinne der Augenscheinseinnahme bzw. eines informativen Betretens (vgl. Lechelt, in: Führ, GK-[X.], Stand 2019, § 52 Rn. 45 unter Bezugnahme auf [X.], NVwZ 1985, 457 <459>). In diesem Sinne spricht das [X.] auch von einer allgemeinen Betretungs- und Besichtigungsbefugnis (BVerwG, Urteil vom 25. August 1999 - 8 [X.] 12.98 - BVerwGE 109, 272 <283>).

Hiernach ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch das Fotografieren vom Tatbestand des § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] sowohl als Element des informativen Betretens als auch der Untersuchung im Sinne des Feststellens von Zuständen umfasst. Dies gilt für den Akt des Fotografierens selbst, a[X.] auch für die mit der Speicherung gefertigter Aufnahmen verbundene Dokumentation von Wahrnehmungen und Untersuchungen. Insofern hat das Fotografieren keine rechtserheblich andere Qualität als etwa das Anfertigen handschriftlicher Notizen oder Skizzen, ein Diktat oder die sonstige Dokumentation von Messergebnissen (so im Ergebnis auch [X.], in: [X.]/[X.]/Saurer, [X.], § 52 Rn. 62).

Aus dem Verweis der Klägerin auf Normen, die das Anfertigen von Bildaufnahmen anlässlich von Inspektionen ausdrücklich regeln - § 64 Abs. 4 Nr. 1 [X.], § 16 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 TierSchG, § 72 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 des Gesetzes ü[X.] den Verkehr mit Tierarzneimitteln und zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Tierarzneimittel (Tierarzneimittelgesetz - T[X.]) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Septem[X.] 2021 ([X.] I S. 4530) und § 42 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Septem[X.] 2021 ([X.] I S. 4253, [X.]. 2022 S. 28) - folgt nicht im Umkehrschluss, dass der Gesetzge[X.] eine diesbezügliche Befugnis vom Regelungsumfang des § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] ausnehmen wollte. Wie [X.]eits im Zusammenhang mit der Frage der Notwendigkeit der Ankündigung einer Vor-Ort-Besichtigung dargelegt, lässt sich eine einheitliche gesetzge[X.]ische Praxis hinsichtlich des [X.] von Normen, zumal unterschiedlichen Alters und verschiedener Rechtsgebiete, oder eine Praxis des Gesetzge[X.]s, Systematik und Regelungstiefe einheitlich zu gestalten, nicht erkennen.

bb) Einwände gegen die konkreten Umstände des Fotografierens auf ihrem [X.] hat die Klägerin nicht erhoben. Fragen nach in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls bestehenden rechtlichen Grenzen für Fotoaufnahmen - etwa mit Rücksicht auf den Schutz personenbezogener Daten oder die Vertraulichkeit von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen - sind nicht aufgeworfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

7 C 1/22

09.11.2022

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 30. November 2021, Az: 8 A 513/19, Urteil

§ 52 Abs 2 S 1 BImSchG, § 43 Abs 1 VwGO, § 113 Abs 1 S 4 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 09.11.2022, Az. 7 C 1/22 (REWIS RS 2022, 8734)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8734

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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