Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.10.2022, Az. V ZA 10/22

5. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6077

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Tenor

Die Anträge der Beteiligten zu 3, des Beteiligten zu 5 und des Beteiligten zu 6 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung des in dem Eingang dieses Beschlusses näher bezeichneten Grundstücks. Erstmalig angeordnet wurde die Zwangsversteigerung durch Beschluss vom 9. Mai 2003; die Anordnung der Zwangsverwaltung erfolgte durch Beschluss vom 14. Juni 2005. Ursprünglich richtete sich die Zwangsvollstreckung gegen die (frühere) Schuldnerin (nachfolgend nur: Schuldnerin) [X.]     , die auch als Eigentümerin des Grundstücks im Grundbuch eingetragen war. Sie hatte im Inland keinen Wohnsitz und keinen Zustellungsbevollmächtigten. Vollstreckungstitel sind zwei vollstreckbare Ausfertigungen der notariellen Urkunden vom 10. März 1977 und vom 4. Juli 1978 wegen dinglicher Ansprüche der Beteiligten zu 1 gegen die Schuldnerin. Am 19. Oktober 2007 wurden die Beteiligten zu 3 bis 5, die Kinder der Schuldnerin, auf der Grundlage einer am 23. August 2007 erfolgten Auflassung als Miteigentümer des Grundstücks zu je 1/3 in das Grundbuch eingetragen. Bereits am 4. September 2007 war die Schuldnerin verstorben. Ihre gesetzlichen Erben, ihre Kinder (Beteiligte zu 3 bis 5) und ihr Ehemann (Beteiligter zu 6), schlugen die Erbschaft aus. Zugunsten des Beteiligten zu 6 sind im Grundbuch ein Nießbrauch und eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Ein von dem Vollstreckungsgericht am 23. Mai 2013 erlassener Zuschlagsbeschluss wurde im Beschwerdeverfahren mit der Begründung aufgehoben, dass es an einer wirksamen Zustellung der Vollstreckungstitel an die Schuldnerin fehle. Das Nachlassgericht ordnete am 11. Januar 2015 Nachlasspflegschaft an und erweiterte diese mit Beschluss vom 5. Mai 2015 auf die Wahrnehmung der Schuldnerrechte im [X.] und Zwangsverwaltungsverfahren. Die der Zwangsvollstreckung zugrundeliegenden Vollstreckungstitel wurden gegen die unbekannten Erben der Schuldnerin, vertreten durch den Nachlasspfleger, umgeschrieben und diesem am 9. Juli 2015 bzw. am 8. September 2015 zugestellt.

2

Bereits mit Beschluss vom 14. Mai 2013 hat das Amtsgericht eine Erinnerung der Beteiligten zu 3 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beteiligte zu 3 Beschwerde eingelegt. Die Beteiligten zu 5 und 6 haben im [X.] und im Zwangsverwaltungsverfahren Vollstreckungserinnerung eingelegt und beantragt, die Verfahren einzustellen bzw. aufzuheben. Sie haben - ebenso wie die Beteiligte zu 3 - vorrangig die Ansicht vertreten, dass der Zustellungsmangel nicht geheilt worden sei, weil die Bestellung des [X.] gesetzwidrig erfolgt sei und die beteiligten Grundstückseigentümer sowie der Nießbrauchsberechtigte hierdurch in ihren Rechten beeinträchtigt würden. Das Vollstreckungsgericht hat die Erinnerung der Beteiligten zu 5 und 6 mit Beschluss vom 21. Juni 2021 zurückgewiesen. Das [X.] hat mit Beschluss vom 2. Juni 2022 die Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 14. Mai 2013 als unzulässig verworfen und die Beschwerde der Beteiligten zu 5 und 6 gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 21. Juni 2021 zurückgewiesen. Dagegen möchten sich die Beteiligte zu 3 und die Beteiligten zu 5 und 6 mit der Rechtsbeschwerde wenden und beantragen dafür die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

II.

3

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren sind zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

4

1. Eine Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 3 wäre jedenfalls unzulässig, weil es im Hinblick auf ihre Person an einer für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde erforderlichen Zulassung (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) fehlt. Ausweislich der Begründung der Beschwerdeentscheidung wurde die Rechtsbeschwerde im Hinblick auf die von dem Beschwerdegericht als klärungsbedürftig angesehene Frage der Heilung von [X.] im Vollstreckungsverfahren zugelassen. Auf diese Frage kommt es aber für den Erfolg der Beschwerde der Beteiligten zu 3 nicht an, weil das Beschwerdegericht das Rechtsmittel insoweit als unzulässig verworfen hat; dieses habe sich durch die Aufhebung des [X.] vom 23. Mai 2013 erledigt. Dass die Beschränkung der Zulassung nicht in dem Tenor der Beschwerdeentscheidung enthalten ist, ist unschädlich, da es für eine Beschränkung genügt, wenn diese sich - wie hier - mit hinreichender Deutlichkeit aus den Entscheidungsgründen ergibt, weil sich die als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen tatsächlich und rechtlich selbstständigen und damit abtrennbaren Teil des [X.] stellt (vgl. nur Senat, Urteil vom 8. Juli 2022 - [X.], juris Rn. 7).

5

2. Auch den von den Beteiligten zu 5 und 6 beabsichtigten Rechtsbeschwerden fehlt es an der erforderlichen Erfolgsaussicht. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde zwar zugelassen, eine solche wäre aber unbegründet.

6

a) Ein Rechtsschutzbegehren hat nach ständiger Rechtsprechung des [X.] in aller Regel allerdings schon dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Sind die maßgeblichen Rechtsfragen jedoch bereits hinreichend geklärt oder im vorerwähnten Sinne nicht schwierig, weil sie aufgrund der bestehenden Rechtsprechung ohne Weiteres und eindeutig zu beantworten sind, hindert die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht die Ablehnung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 16. März 2017 - [X.], juris Rn. 3 mwN).

7

b) So liegt es hier. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 5 und 6 zu Recht für unbegründet erachtet. Die damit zusammenhängenden Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des [X.] bereits hinreichend geklärt.

8

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Verfahrensfehler, der nach § 83 Nr. 6 [X.] zur Versagung des Zuschlags führt, durch Nachholung der unterbliebenen Förmlichkeit geheilt werden, wenn Rechte von Beteiligten nicht beeinträchtigt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 10. April 2018 - [X.] 114/07, NJW-RR 2008, 1018 Rn. 14 ff.). Dies trifft in der Regel für Mängel bei der [X.] zu. Die Zustellung hat den Zweck, dem Schuldner unmissverständlich klar zu machen, dass der Gläubiger die titulierte Forderung zwangsweise durchsetzen wird, ihn über die förmlichen Grundlagen der Zwangsvollstreckung zu unterrichten, ihm Gelegenheit zu geben, die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung zu prüfen und Einwendungen gegen die Vollstreckung geltend zu machen, und ihn letztmals vor der zwangsweisen Durchsetzung des titulierten Anspruchs zu warnen. Interessen anderer Beteiligter (hier u.a. der Beteiligten zu 5 und 6) dient die Zustellung an den Schuldner nicht. Diese Zwecke werden erreicht, wenn [X.] während des laufenden [X.] behoben werden (vgl. Senat, Beschluss vom 10. April 2018 - [X.] 114/07, aaO Rn. 19). Dies gilt auch für die Anordnung der Zwangsverwaltung (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2016 - [X.] 48/15, NJW-RR 2017, 57 Rn. 10).

9

bb) Hiervon geht das Beschwerdegericht zutreffend aus und bejaht eine Heilung des zunächst gegebenen Zustellungsmangels durch die Zustellung der Vollstreckungstitel an den Nachlasspfleger. Der Hinweis des [X.], hier liege eine Besonderheit vor, weil die Schuldnerin das Eigentum an der verfahrensgegenständlichen Immobilie 2007 an die Beteiligten zu 3 bis 5 vor ihrem Tod und vor Heilung der [X.] übertragen habe und die Heilung erst nach dem Tod der Schuldnerin und nochmaliger Bestellung eines [X.] durch Zustellung der Titel an diesen erfolgt sei, wirft keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Die Wirksamkeit der Heilung eines Zustellungsmangels im Laufe des [X.] wird durch diese vermeintlichen Besonderheiten nicht in Frage gestellt. Die - wie hier - nach der Beschlagnahme bewirkte Veräußerung des Grundstücks hat auf den Fortgang des Verfahrens gegen den Schuldner keinen Einfluss, weil sie gegenüber dem Gläubiger nach § 23 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. §§ 135, 136 BGB relativ unwirksam ist (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Mai 2014 - [X.] 123/13, [X.], 157 Rn. 23; Beschluss vom 5. Juni 2014 - [X.] 16/14, NJW-RR 2014, 1279 Rn. 13). Deshalb wird das Verfahren - anders als das Beschwerdegericht möglicherweise gemeint hat - gegen den bisherigen Eigentümer bzw. dessen Erben fortgesetzt; dieser bleibt insoweit Schuldner des Verfahrens (vgl. [X.] in [X.]/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl., § 23 [X.] Rn. 13), und damit kommt es auch nur auf die wirksame Zustellung des Vollstreckungstitels an den Schuldner an.

cc) Mit dem Einwand, der Nachlasspfleger habe von dem Nachlassgericht nicht bestellt werden können, da das Nachlassgericht gegen die §§ 1960, 1961 BGB verstoßen habe, können der Beteiligte zu 5 und 6 in dem Verfahren der Zwangsversteigerung bzw. der Zwangsverwaltung des Grundstücks nicht gehört werden.

Brückner     

      

Göbel     

      

Malik 

      

Laube     

      

Grau     

      

Meta

V ZA 10/22

13.10.2022

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZA

vorgehend LG Traunstein, 2. Juni 2022, Az: 4 T 1705/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.10.2022, Az. V ZA 10/22 (REWIS RS 2022, 6077)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6077

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 207/21

V ZA 11/17

V ZB 48/15

V ZB 123/13

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