Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2004, Az. NotZ 26/03

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2004, 3969

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS [X.] 26/03
vom 22. März 2004 in dem Verfahren

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: ja _____________________

[X.] § 50 Abs. 1 Nr. 9; [X.] § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 7; GG Art. 12 Abs. 1, 20 Abs. 3

Eine Amtsenthebung gem. § 50 Abs. 1 Nr. 9 [X.] kommt wegen der zu beachten-den [X.]grundsätze - insbesondere die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit und das aus dem Rechtsstaatsprinzip fließende Verhältnismäßigkeits-gebot - erst in Betracht, wenn nach einer Gesamtbewertung der Pflichtverletzungen die Entfernung aus dem Amt notwendig ist, um den mit den [X.] des § 3 Abs. 1 [X.] verfolgten Zweck zu erreichen.

[X.], Beschluß vom 22. März 2004 - [X.] 26/03 - [X.]

wegen Feststellung der Voraussetzungen für die Amtsenthebung - 2 -

Der [X.], [X.], hat durch den [X.], [X.], [X.] sowie die Notare [X.] und Justizrat Dr. Bauer

am 22. März 2004

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des [X.] bei dem [X.] vom 22. September 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die dem Antragsteller im Be-schwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen
zu erstatten.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
50.000 •
festgesetzt.

- 3 -

Gründe:
[X.]

Der 1949 geborene Antragsteller ist seit 1979 bei dem [X.]und bei dem [X.]

als Rechtsanwalt [X.]. Am 31. Juli 1984 wurde er zum Notar mit dem Amtssitz in [X.]

bestellt. Er verfügt über ein vergleichsweise kleines Notariat.

Gegen ihn wurden folgende Disziplinarmaßnahmen verhängt: - 1991 eine Geldbuße von 3.000 DM

wegen Verstößen u.a. bei der Abwicklung von [X.];
- 1995 eine Geldbuße von 700 DM

wegen Verstößen im Zusammenhang mit [X.];
- 1999 eine Geldbuße von 500 DM

wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 Nr. 5 [X.] a.F. und die Pflicht zur Wahrung der Unparteilichkeit;
- 2000 eine Geldbuße von 4.500 DM

wegen Verstoßes von Mitteilungspflichten und der Pflicht zur Ab-lehnung einer Beurkundung, bei der der Verdacht bestand, daß mit der Urkunde unerlaubte und unredliche Zwecke verfolgt wer-den. - 4 -

Im vorliegenden Verfahren legt der Antragsgegner dem [X.] Verstöße gegen [X.] des § 3 Abs. 1 [X.] bei fol-genden Beurkundungsvorgängen zur Last:

1. Am 18. November 1998 beurkundete der Antragsteller eine Til-gungsvereinbarung zwischen einer Reiseplanungs-GmbH und einer [X.] über einen Betrag von 594.497.30 DM. Zuvor war der Antragsteller bereits als Rechtsanwalt von der Reiseplanungs-GmbH be-auftragt worden, einen Mahnbescheid über 24.638,40 DM gegen die [X.] zu erwirken, den er auch bereits beantragt hatte. Die-ser Teilbetrag war im Gesamtbetrag der [X.] enthalten. In die Urkunde nahm der Antragsteller auf, daß die [X.] darüber einig seien, daß er den Mahnbescheid "im Auftrag" aller an der Beurkundung Beteiligten beantragt habe.

2. Am 20. April 1999 beurkundete der Antragsteller eine [X.], obwohl er zuvor am 13. Februar 1998 den Scheidungsantrag für die Ehefrau gestellt hatte.

3. Am 25. Mai 1999 beurkundete der Antragsteller ein Schuldaner-kenntnis zugunsten einer Grundstücksgesellschaft über 105.000 DM. Vorher hatte er der Grundstücksgesellschaft angezeigt, daß er die Schuldnerin in derselben Angelegenheit anwaltlich vertrete. Am 18. Mai 2000 beurkundete er ein weiteres Schuldanerkenntnis in dieser Sache, weil die Bezeichnung der [X.] in der zuvor errichteten Urkunde nicht hinreichend bestimmt gewesen war.
- 5 -

4. Am 2. Dezember 1999 beurkundete der Antragsteller eine Grundschuldbestellung, bei der seine Schwester und sein Schwager be-teiligt waren.

5. Am 12. Mai 2001 beglaubigte der Antragsteller die Unterschrif-ten seines Bruder und seiner Schwägerin unter einer [X.].

Durch Bescheid vom 9. April 2003 kündigte der Antragsgegner dem Antragsteller die Amtsenthebung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 9 [X.] an. Dem dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das [X.] stattgegeben und festgestellt, daß die Vorausset-zungen für eine Amtsenthebung nicht vorliegen, weil die Verstöße gegen § 3 Abs. 1 [X.] nicht als grobe zu qualifizieren seien.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der sofortigen Be-schwerde. Er hält weiterhin die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 9 [X.] für gegeben. Bei der [X.] habe der Notar [X.] grob fahrlässig und bei der Scheidungsfolgenvereinbarung [X.] dem Schuldanerkenntnis sogar vorsätzlich gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7 [X.] verstoßen. Er hätte sich vorher über die Reichweite dieses [X.] unterrichten müssen und habe im übrigen bereits mit Blick auf das vorangegangene Disziplinarverfahren bewußt pflichtwidrig gehandelt. Mit der Grundschuldbestellung bzw. Unterschriftenbeglaubigung habe er vorsätzlich § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.] verletzt, weil Tätigkeiten in [X.] naher Angehöriger schon nach altem Recht untersagt waren. Jedenfalls bei den zuletzt genannten vier Pflichtwidrigkeiten handele es sich allein schon wegen des erheblichen Verschuldens um grobe Verstö-- 6 -

ße im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 9 [X.]; bei anderer Beurteilung [X.] dieser Vorschrift gegenüber den disziplinarrechtlichen [X.] kein eigener Regelungsgehalt mehr zu.

Der Antragsteller ist demgegenüber der Auffassung, daß er die [X.] auf Wunsch der Parteien - so wie geschehen - ha-be beurkunden dürfen. Die weiteren von den Beteiligten jeweils [X.] Beurkundungen enthielten nur einfache Verstöße gegen [X.]. Interessenkonflikte hätten nicht bestanden. Die Einlei-tungsverfügung zum vorangegangenen Disziplinarverfahren habe er bei der Scheidungsfolgenvereinbarung zu der im übrigen einverständlichen Scheidung noch nicht gekannt. Bei dem Schuldanerkenntnis habe er ein Anwaltsmandat nicht gehabt und demgemäß auch nicht abgerechnet.

I[X.]

Die gemäß § 111 Abs. 4 [X.] i.V.m. § 42 Abs. 4 [X.] zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat im Er-gebnis zu Recht den angefochtenen Bescheid aufgehoben und [X.], daß der darin genannte Grund für eine Amtsenthebung nicht vor-liegt.

Nach § 50 Abs. 1 Nr. 9 [X.] ist ein Notar zwingend seines Amtes zu entheben, wenn er wiederholt grob gegen [X.] gemäß § 3 Abs. 1 [X.] verstößt. Ein Ermessen ist der zuständigen [X.] nicht eingeräumt ([X.]/[X.], [X.] 7. Aufl. § 50 - 7 -

Rdn. 34a; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 5. Aufl. § 50 Rdn. 30; [X.]/Vaasen/[X.], [X.] § 50 Rdn. 43).

Zutreffend sind der Antragsgegner und das [X.] da-von ausgegangen, daß der Antragsteller bei [X.] der ihm vorgehaltenen [X.]en gegen [X.] des § 3 Abs. 1 [X.] verstoßen hat (1). Diese Verstöße haben auch Gewicht und können - entgegen der Auffassung des [X.]s - nicht sämtlich als "vergleichsweise einfache" Verstöße angesehen werden (2). Allerdings kommt hier eine Amtsenthebung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 9 [X.] als die am stärksten in die berufliche Stellung des Notars eingreifende auf-sichtsrechtliche Reaktion wegen der zu beachtenden [X.]grund-sätze - insbesondere die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfrei-heit und das aus dem Rechtsstaatsprinzip fließende Verhältnismäßig-keitsgebot - deshalb nicht in Betracht, weil nach einer Gesamtbewertung der Pflichtverletzungen die Entfernung aus dem Amt noch nicht [X.] ist, um den mit den [X.] verfolgten Zweck zu errei-chen (3).

1. Mit der Beurkundung der [X.] hat der [X.] gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7 [X.] verstoßen. Er war bereits als anwaltlicher Vertreter für eine der Vertragsparteien hinsichtlich eines Teilbetrages der beurkundeten Schuldsumme tätig gewesen. Eine über-einstimmende Erklärung der an der Beurkundung beteiligten Parteien beseitigt selbst bei Offenlegung der [X.] in der Urkunde das [X.] nicht.
- 8 -

Auch die Beurkundung der Scheidungsfolgenvereinbarung stellt einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7 [X.] dar. Es bestand nach den eigenen Angaben des Antragstellers damals ein anwaltliches Mandats-verhältnis zur Ehefrau. Das Scheidungsmandat betraf damit dieselbe Angelegenheit wie die Beurkundung, auch wenn von Anfang an eine [X.] Scheidung von den Eheleuten beabsichtigt war und diese übereinstimmend die Beurkundung durch den Antragsteller wünschten.

Die Beurkundung des [X.] verstößt ebenfalls gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7 [X.]. Der Antragsteller war vorher für die Schuldnerin anwaltlich tätig. Dies hat er mit seiner Stellungnahme vom 4. Februar 2003 gegenüber dem Antragsgegner ausdrücklich bestätigt. Daß er allein aus Freundschaft ohne Honorar gehandelt und deswegen kein Mandatsverhältnis erwogen haben will, ändert daran nichts. Er hat sich unter anwaltlichem Briefkopf als Vertreter der Schuldnerin bei den Anwälten der Anspruchsteller gemeldet und ist auch in Verhandlungen über die streitgegenständlichen Forderungen eingetreten. Hierbei [X.] es sich um anwaltliche Tätigkeiten und nicht um die Vorbereitung [X.] notariellen Tätigkeit (§ 24 [X.]). Daß mit dem Schuldanerkenntnis eine einseitige Erklärung zu beurkunden war, begründet nicht die Aus-nahme des § 3 Abs. 1 Nr. 7 letzter Halbs. [X.]. Zwar war die Schuld-nerin formell allein an der Beurkundung beteiligt im Sinne des § 6 Abs. 1 [X.] und sie war auch Auftraggeberin des [X.]. Die Beteiligung im Sinne dieser Ausnahmevorschrift ist aber nach Sinn und Zweck entsprechend dem Begriff der "Angelegenheit" in § 3 Abs. 1 Nr. 7 [X.] auszulegen. Danach ist auf die materiellrechtliche Beteili-gung abzustellen (vgl. Begründung zur Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 13/11034 S. 50; vgl. ferner [X.], Urteil - 9 -

vom 25. Mai 1984 - [X.], NJW 1985, 2027; Eylmann, NJW 1998, 2929, 2931; [X.], [X.] 15. Aufl. § 3 Rdn. 122). Beteiligt ist [X.] eine Person, wenn ihre Rechte oder Pflichten durch den Urkunds-vorgang unmittelbar betroffen werden ([X.], aaO m.w.N.; [X.], D[X.] 1999, 8, 20; [X.]/[X.], D[X.] 2002, 412, 414). Da hier die Gläubigerin durch das Schuldanerkenntnis materiellrechtlich begünstigt wird, war auch sie Beteiligte an der vom Antragsteller vorgenommenen Beurkundung, jedoch nicht Auftraggeberin des Anwaltsmandates.

Die Beurkundungen des Antragstellers für seine Schwester, seinen Bruder sowie seinen Schwager und seine Schwägerin verstoßen - was auch dem Antragsteller eingeräumtermaßen bekannt war - gegen § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.].

2. Verstöße gegen [X.] zählen als solche - wie auch im vorliegenden Fall - schon zu den erheblichen Pflichtwidrigkeiten eines Notars, die ganz erhebliche aufsichtsrechtliche Konsequenzen er-lauben und auch erforderlich machen. Das belegt der im [X.] der [X.] zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers und der Schutzzweck der maßgeblichen Vorschriften.

a) Der im übrigen weniger aussagekräftigen Entstehungsgeschich-te ist jedenfalls klar zu entnehmen, daß die Bedeutung der Mitwirkungs-verbote erheblich verstärkt werden sollte. Im ursprünglichen Gesetzes-entwurf für das [X.] (BT-Drucks. 13/4184) war die später verabschiedete Fassung des § 50 Abs. 1 Nr. 9 [X.] noch nicht enthalten. Während des laufenden Ge-- 10 -

setzgebungsverfahrens ist die Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts zu dem mit Art. 3 GG nicht zu vereinbarenden generellen Verbot einer Sozietät zwischen [X.] und Wirtschaftsprüfern [X.]. Das [X.] hat darin die mildere Möglichkeit [X.] Verschärfung von [X.], um einer Umgehung unter-sagter Tätigkeiten entgegenzuwirken, hervorgehoben ([X.] D[X.] 1998, 754, 767). Dies hat der Bundesrat aufgegriffen. Er hat eine Über-prüfung angeregt, ob nicht ein wiederholter Verstoß gegen die [X.] in § 3 Abs. 1 Nr. 5 und 6 [X.] a.F. zu einer Amtsenthe-bung führen müsse, da Verstöße gegen diese [X.] ähnli-ches Gewicht hätten wie das Eingehen unzulässiger Berufsverbindun-gen, welche eine Amtsenthebung zur Folge hätten. Der Rechtsausschuß des [X.] hat dann die letztlich Gesetz gewordene Fassung des § 50 Abs. 1 Nr. 9 [X.] vorgeschlagen (BT-Drucks. 13/11034) und damit begründet, daß die [X.] im Interesse der Sicherstellung einer geordneten Rechtspflege erheblich verschärft werden sollten. Um ihre Beachtung zu gewährleisten, sei es geboten, bei wiederholten groben Verstößen des Notars gegen § 3 Abs. 1 des Beurkundungsgesetzes eine Amtsenthebung vorzusehen, womit zugleich die hohe Bedeutung der [X.] hervorgeho-ben werde (siehe auch Protokoll der 124. Sitzung des [X.] vom 17. Juni 1998 S. 23, 89). Die Amtsenthebung ist eine Maßnah-me der staatlichen Organisationsgewalt, um eine geordnete [X.] zu gewährleisten, und hat als solche grundsätzlich keinen Sanktions-charakter (BT-Drucks. 13/4184 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates; [X.]/[X.]/[X.], [X.]. 2). - 11 -

b) [X.] dienen dem Schutz des Ansehens des [X.] in den Augen der Bevölkerung. Der Notar ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht Vertreter einer Partei, sondern unabhängiger und unparteiischer Betreuer aller Beteiligten. Er darf niemanden bevor-zugen oder benachteiligen. Die Sicherung seiner dafür erforderlichen, unverzichtbaren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit war einer der Leit-gedanken des [X.] vom 31. August 1998 (BT-Drucks. 13/4184; [X.] in: [X.], Neues Berufs- und Verfahrensrecht für Notare 1999 Rdn. 90). Sie sind die wich-tigsten Prinzipien des notariellen Berufsrechtes und rechtfertigen über-haupt erst das Vertrauen, das dem Notar entgegengebracht wird; sie [X.] mithin das Fundament des [X.]. Der Gesetzgeber hat [X.] in § 14 Abs. 3 Satz 2 [X.] die Amtspflicht für den [X.], jedes Verhalten zu vermeiden, daß den Anschein eines [X.] gegen die ihm gesetzlich auferlegten Pflichten erzeugt, insbeson-dere den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit. Die regionalen Notarkammern haben diese Grundsätze entsprechend ihrem gesetzli-chen Auftrag gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 [X.] in ihren Richtlinien auf-genommen und näher umschrieben (vgl. [X.]/[X.], Richtli-nienempfehlungen der [X.]/Richtlinien der Notarkammern, 2004, Teil II B Rdn. 1 ff.). Das Ansehen der Notare in den Augen der Bevölkerung als unabhängige und unparteiische Betreuer zu wahren, ist zentraler Zweck der [X.] des § 3 [X.] (vgl. [X.] D[X.] 2003, 65, 66 f.; [X.], [X.]. 4 f.).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen setzt § 50 Abs. 1 Nr. 9 [X.] bei der Beurteilung der Schwere einzelner Verstöße gegen § 3 Abs. 1 [X.] - im Gegensatz zur Auffassung des [X.]s - 12 -

(zustimmend [X.]/[X.], aaO § 50 Rdn. 34b; differenzierend [X.]/ [X.]/[X.], aaO § 50 Rdn. 30; a.A. wohl [X.], D[X.] 1999, 8, 25; dies. Berufsrechtliche Kollisionsprobleme beim Anwaltsnotar 2000 S. 117 f.; wohl auch Vaasen/[X.], D[X.] 1998, 661, 673) - zunächst nicht zwingend voraus, daß dem Notar stets ein erheblicher Schuldvor-wurf zu machen ist. Auch eine Vielzahl fahrlässiger Verstöße kann unter Umständen das Vertrauen des rechtsuchenden Publikums in die Unab-hängigkeit und Unparteilichkeit des Notars so erheblich beeinträchtigen, daß eine Amtsenthebung geboten ist. Diese Maßnahme wird dement-sprechend auch nicht - wie das [X.] wohl annehmen möchte - erst und nur dann notwendig, wenn die Berufswidrigkeit des je-weiligen Handelns jedermann sogleich ins Auge springt. Dem [X.] kann ferner nicht darin gefolgt werden, daß eine Amtsenthe-bung nur in Betracht kommt, wenn die Verstöße gegen das [X.] so gravierend sind, daß ein nicht förmliches Disziplinarver-fahren nicht ausreicht, um dem Notar die Pflichtwidrigkeit seines [X.] vor Augen zu führen. Dabei wird verkannt, daß die Amtsenthebung - wie ausgeführt - keinen Sanktionscharakter hat, sondern als [X.] das Ansehen des [X.] als solches sicherstellen soll. Aus dem gleichen Grunde ist - in Übereinstimmung mit dem Ober-landesgericht - dem Merkmal der groben Verstöße nicht zu entnehmen, daß darüber bei den einzelnen [X.]n differenziert wer-den soll. Für eine unterschiedliche Gewichtung der Tatbestände gibt es in § 3 Abs. 1 [X.] keinen Anhalt ([X.]/[X.], [X.]. 34b; [X.]/[X.][X.], [X.]. 30; a.A. wohl [X.], aaO; [X.]/[X.], aaO; Eylmann/Vaasen/[X.], [X.]/[X.] 2000 § 50 Rdn. 44 [X.]).
- 13 -

d) Auf dieser Beurteilungsgrundlage kann mit dem Antragsgegner nach den festgestellten jeweiligen Umständen den Verstößen des [X.]s gegen die [X.] des § 3 Abs. 1 [X.] nicht durchgängig die Eignung für eine Präventionsmaßnahme gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 9 [X.] abgesprochen werden.

Die Verstöße des Antragstellers gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7 [X.] ([X.], Scheidungsfolgenvereinbarung, Schuldaner-kenntnis) wegen [X.] mit derselben Angelegenheit in seiner [X.] als Rechtsanwalt sind objektiv bedeutsam. Diese Vorschrift setzt gerade voraus, daß zu einem [X.] eine besondere Beziehung besteht, von der der Gesetzgeber ausgeht, daß sie einem un-parteiischen Wirken des Notars jedenfalls in den Augen des rechtsu-chenden Publikums entgegensteht. Sie wird deshalb auch als [X.]vor-schrift des § 3 [X.] angesehen ([X.], D[X.] 1999, 8, 25; Vaasen/ [X.], D[X.] 1998, 661, 673; Eylman/Vaasen/[X.], [X.]. 44). Der Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit wird bei einer einseiti-gen anwaltlichen [X.] in besonderer Weise gesetzt, denn der Rechtsanwalt ist verpflichtet, ausschließlich die Interessen der [X.] wahrzunehmen. Der [X.] der Parteien, in die der Notar aufgrund seines Anwaltsvertrages zuvor einseitig einbezogen war, wirkt grundsätzlich fort und zwar selbst dann, wenn sich die Parteien in bestimmten Punkten nunmehr geeinigt haben.

Bei der [X.] kann gegenüber dieser objektiven Bewertung zugunsten des Antragstellers - was auch der Antragsgegner im Ausgangspunkt nicht anders sieht - der an sich gewichtige Verstoß insoweit milder zu bewerten sein, als der Antragsteller von einer bloßen - 14 -

Aufstockung des bislang vorgesehenen Anerkenntnisbetrages ausge-gangen sein will. Dabei mag er sich das vorangegangene Mahnbe-scheidsverfahren nicht mehr als [X.] im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 7 BeurK, die der übereinstimmend von ihm verlangten [X.] entgegenstand, hinreichend deutlich bewußt gemacht haben. Bei der Scheidungsfolgenvereinbarung gibt es dagegen keinerlei vergleich-bare Milderungsgesichtspunkte. Mit der Beurkundung, an der er sich nicht einmal durch das laufende einschlägige Disziplinarverfahren nach entsprechenden Beschwerden einer Vertragsbeteiligten gehindert sah, hat er sich bewußt über das [X.] hinweggesetzt und damit zweifelsfrei grob gegen § 3 Abs. 1 Nr. 7 [X.] verstoßen. Das von ihm beurkundete Schuldanerkenntnis weist insoweit auf einen letztlich gleich zu bewertenden Pflichtenverstoß, als der Antragsteller für die Gläubige-rin erkennbar in derselben Angelegenheit wissentlich als anwaltlicher Vertreter der Schuldnerin aufgetreten und dann als "ihr" beurkundender Notar sogar zweimal tätig geworden ist.

Ähnlich ist die Sicht bei der Grundschuldbestellung. Der damit be-gangene Verstoß gegen das [X.] im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ist gleichermaßen objektiv bedeutsam. Das gesteigerte Mißtrauen des Gesetzgebers ge-genüber solcher [X.] zeigt sich in der zusätzlich angeordne-ten Unwirksamkeit einer Beurkundung gemäß § 7 Nr. 3 [X.], wenn sie darauf gerichtet war, einem beteiligten Angehörigen einen Vorteil zu [X.]. Daß der Antragsteller das ihm seit langem bekannte Mitwir-kungsverbot als "Sollvorschrift" angesehen haben will, vermag nicht [X.], daß er sich bewußt nicht daran gehalten hat, was er im [X.] sogar selbst einräumt. Dagegen stellt sich die bloße Unter-- 15 -

schriftenbeglaubigung für ihn insoweit günstiger dar, als er lediglich eine von dem beteiligten Kreditinstitut vorformulierte [X.] vorgelegt bekommen hat. Über deren Inhalt hatten sich die Parteien bereits geeinigt. Der Antragsteller hatte bei diesem Geschäft mithin keine weitergehenden Hinweis- und [X.] als Notar übernommen oder sonst zu beachten. An seiner Kenntnis, daß ihm diese Tätigkeit nicht erlaubt war, ändert das allerdings nichts.

3. Der Antragsgegner hat jedoch bei seiner Beurteilung dieser Vorgänge nach Maßgabe der in § 50 Abs. 1 Nr. 9 [X.] verwandten [X.] "wiederholter grober" Verstöße nicht in ausreichendem Maß die verfassungsrechtlichen Erfordernisse bei der Auslegung des einfachen Rechts beachtet.

a) Eine bloße Addition einzelner im dargelegten Sinne selbst er-heblicher Verstöße genügt diesen Anforderungen nicht. Vielmehr ist von [X.] wegen zu verlangen, daß sich aufgrund einer Gesamtbe-wertung aller Umstände die Amtsenthebung als notwendig erweist, um das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Notare [X.] zu sichern (vgl. [X.] NJW 2003, 419 ff. = D[X.] 2003, 65 ff.). Dem Gesetzgeber steht es im Rahmen des Art. 12 Abs. 1 GG weit-gehend frei, wie er erkennbaren Gefährdungen für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Notare vorbeugt ([X.] D[X.] 1998, 754, 762). Die [X.] selbst und die sie sichernden aufsichts-rechtlichen Maßnahmen bis hin zur Amtsenthebung begegnen von daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.]. 30). Soweit den genannten Gefahren aber noch mit milderen Mitteln nachhaltig begegnet werden kann, der mit den [X.] 16 -

ten verfolgte Zweck mithin auch dadurch erreicht werden kann, ist der völlige Ausschluß von diesem Amt noch nicht gerechtfertigt; er wäre in diesem Stadium dann unverhältnismäßig (vgl. [X.] NJW 2003, 419 ff.; Senatsbeschlüsse vom 20. November 2000 - [X.] 16/00 - [X.] 2001, 75 f. und vom 13. Oktober 1986 - [X.] 9/86 - [X.]R [X.] § 50 Abs. 1 Nr. 8 Prämienrückstand 1; siehe auch Senatsbeschluß vom 21. März 1977 - [X.] 15/76 - D[X.] 1977, 567 f.).

Die eine Amtsenthebung rechtfertigende Gesamtbewertung hat sich daran zu orientieren, ob ein weiteres Verbleiben des Notars im Amt wegen der Gefahr künftiger Verletzungen der [X.] nicht mehr vertretbar ist. Diese Prognose kann schon dann negativ ausf[X.], wenn mit Blick auf das Maß der Pflichtverletzungen das Vertrauen des rechtsuchenden Publikums bereits allein durch die Fortsetzung der Amts-tätigkeit erheblich beeinträchtigt wird. Wie der Senat in anderem [X.] entschieden hat, können einerseits schon wenige aber [X.] schwerwiegende Verstöße gegen die durch § 50 [X.] ge-schützten Berufspflichten eine Amtsenthebung rechtfertigen (vgl. [X.] vom 3. Dezember 2001 - [X.] 13/01 - D[X.] 2002, 236: einmaliger Verstoß), während andererseits Pflichtwidrigkeiten, die nicht dieses Gewicht aufweisen, erst in größerer Zahl diese Maßnahme [X.] können (vgl. Senatsbeschluß vom 16. März 1998 - [X.] 14/97 - D[X.] 1999, 170; [X.] Niedersächsische Rechtspflege 2001, 235 ff.). Zwischen Anzahl und Schwere besteht auch bei den Verstößen gegen die [X.] des § 3 Abs. 1 [X.] eine Wechsel-wirkung, die nur über eine Gesamtschau der Umstände eine abschlie-ßende Beurteilung erlaubt. Dabei kann auch das Maß des Verschuldens Bedeutung erlangen, denn die Gefahr künftiger Verletzungen von [X.] 17 -

[X.] ist naturgemäß bei demjenigen höher anzusetzen, der sich absichtlich über ein Verbot hinweggesetzt hat, als bei jemandem, der das Verbot nur gleichsam aus Unaufmerksamkeit übersehen hat.

b) Die gebotene alle maßgeblichen Umstände in den Blick neh-mende Abwägungen ergibt hier, daß die durch den Antragsteller gesetz-ten Gefahren für das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Integrität der Notare noch nicht seine Amtsenthebung gebieten.

Dabei war zwar zu berücksichtigen, daß nur bei der Tilgungsver-einbarung und bei der Unterschriftenbeglaubigung gegebenenfalls der damit verbundene jeweilige Verstoß milder zu bewerten ist, während in den anderen Fällen der Antragsteller selbst durch einschlägige Vorerfah-rungen disziplinarrechtlicher Art bzw. die seit langem bestehende Rechtslage nicht von der [X.] abgehalten worden ist. Dem steht aber gegenüber, daß anders als bei dem vorangegangenen ein-schlägigen Disziplinarverfahren keiner der an den maßgeblichen Beur-kundungen Beteiligten konkrete Zweifel an der Unparteilichkeit und Un-abhängigkeit geäußert hat und auch kein Anhalt für den Eindruck [X.], es handele sich um einen willfährigen Notar, der für mit seinem Amt nicht zu vereinbarende Tätigkeiten doch einmal zur Verfügung ste-hen kann. Hinzu kommt, daß die Beurkundungen überwiegend verhält-nismäßig zeitnah mit dem Inkrafttreten des [X.] angef[X.] sind und der Antragsteller in-soweit zwar nicht entschuldigend aber doch wenigstens teilweise erklä-rend auf eine noch nicht erfolgte Aufbereitung der neuen Rechtslage verweisen kann. Das und die weiteren Umstände, daß kein Urkundsbe-teiligter über das Bestehen eines [X.]s getäuscht worden - 18 -

und auch keinerlei Schaden entstanden ist, nimmt den Vorfällen zwar nicht ihr objektives Gewicht, vermag sie aber bei der Gesamtbewertung in ein etwas günstigeres Licht zu rücken. Sie und auch die weiteren dis-ziplinaren [X.] deuten allerdings auf eine bislang [X.] laxe, nicht hinnehmbare Einstellung des Antragstellers bei der Erfül-lung seiner Pflichten als Notar hin. Das steht jedoch in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Notarkammer vom 27. Februar 2003 einer Prognose nicht entgegen, daß er durch eine gegebenenfalls zu verhän-gende empfindliche Disziplinarmaßnahme doch noch hinreichend [X.] werden kann, die [X.] künftig peinlich genau einzuhalten.

[X.] [X.]

[X.]

[X.]

Bauer

Meta

NotZ 26/03

22.03.2004

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2004, Az. NotZ 26/03 (REWIS RS 2004, 3969)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3969

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