Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.09.2023, Az. B 9 SB 11/23 B

9. Senat | REWIS RS 2023, 9143

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Schwerbehindertenrecht - Merkzeichen H - Hilflosigkeit - Hörbehinderung - weiter bestehender Hilfebedarf nach Abschluss der Erstausbildung - Abschluss des Medizinstudiums und Approbation - Weiterbildung zum Facharzt bzw zur Fachärztin - Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls durch das LSG - Rechtsanwendung - Versorgungsmedizinische Grundsätze - Diskriminierungsverbot - Verfassungsrecht - Völkerrecht - Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - Verletzung der Pflicht des Gerichts zum Hinweis auf das Wahlrecht zu geeigneten Kommunikationshilfen für hörbehinderte Beteiligte - kein absoluter Revisionsgrund - spezielle Form der Gewährung rechtlichen Gehörs - Darlegungsanforderungen


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 16. März 2023 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin wendet sich in der Hauptsache gegen die Aberkennung des [X.] (Hilflosigkeit).

2

Das [X.] hat wie zuvor bereits das [X.] entschieden, dass der Beklagte das [X.] bei der 1984 geborenen und seit dem Kleinkindalter an einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Hörvermögens leidenden Klägerin zu Recht nicht mehr festgestellt hat, weil diese mit dem Abschluss des Studiums der Humanmedizin die Erstausbildung im Jahr 2020 im Alter von 36 Jahren abgeschlossen habe. Damit sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 [X.]B X eingetreten. Die Klägerin benötige zum Ausgleich ihrer Hörstörung hauptsächlich im beruflichen Bereich Unterstützung, was eine Hilflosigkeit in Sinne des Schwerbehindertenrechts in ihrem Fall aber nicht begründen könne. Nichts anderes ergebe sich aus Teil [X.] der (in der Anlage zu § 2 [X.] geregelten) Versorgungsmedizinischen Grundsätze ([X.]). Danach sei bei Taubheit und an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit Hilflosigkeit ab Beginn der Frühförderung und dann - insbesondere wegen des in dieser Zeit erhöhten [X.] - in der Regel bis zur Beendigung der Ausbildung anzunehmen. Zur Ausbildung zählten der Schul-, Fachschul- und Hochschulbesuch, eine berufliche Erstausbildung und Weiterbildung sowie vergleichbare Maßnahmen der beruflichen Bildung. Der Abschluss einer berufsqualifizierenden Ausbildung markiere das Ende der seit "Beginn der Frühförderung" bestehenden Hilflosigkeit. Von diesem Zeitpunkt an lasse sich Hilflosigkeit nicht mehr allgemein annehmen, sondern nur noch aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall feststellen. Letztere lägen im Fall der Klägerin, bei der auch nur geringgradige Störungen in der Sprachentwicklung bestünden, nicht vor. Vielmehr [X.] sie nach dem Abschluss ihres Medizinstudiums und der [X.] als Ärztin nicht mehr dem Anwendungsbereich von Teil [X.] [X.]. Denn die berufsqualifizierende Ausbildung sei damit abgeschlossen. Die Klägerin könne als Ärztin arbeiten. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin mit der Aus- bzw Weiterbildung zur Fachärztin eine weitere Qualifizierung anstrebe (Urteil vom 16.3.2023).

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde zum B[X.] eingelegt. Sie macht als Zulassungsgründe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen Verfahrensmangel geltend.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und eines [X.] nicht ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G).

5

1. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung in der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom [X.] SB 37/22 B - juris Rd[X.] 9; B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] 3/20 B - juris Rd[X.] 14; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] V 5/20 B - juris Rd[X.] 6).

6

Die Klägerin misst der Frage grundsätzliche Bedeutung zu,
ob die in Teil [X.] [X.] geregelten Voraussetzungen zur Zuerkennung des [X.] (Besonderheiten der Beurteilung der Hilflosigkeit bei Kindern und Jugendlichen) im Lichte des Art 3 Abs 3 Satz 2 GG und der UN-Behindertenrechtskonvention ([X.]) dahingehend ausgelegt werden müssen, dass auch eine mehrgliedrige Ausbildung (hier Facharztausbildung) noch zur beruflichen Erstausbildung zu rechnen ist.

7

Die Beschwerdebegründung verfehlt jedoch die [X.] an eine Grundsatzrüge. Sie zeigt bereits die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellung nicht hinreichend auf.

8

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das B[X.] diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Rechtsfrage ergeben (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 1.7.2022 - [X.] SB 6/22 B - juris Rd[X.] 9; B[X.] Beschluss vom 25.10.2018 - [X.] V 27/18 B - juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom 27.8.2018 - [X.] SB 24/18 B - juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom 29.5.2018 - [X.] [X.] 5/18 B - juris Rd[X.] 9 mwN). Deshalb muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des B[X.] zu dem geltend gemachten Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das B[X.] zu diesem [X.] noch keine Entscheidungen gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (vgl stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 1.7.2022 - [X.] SB 6/22 B - juris Rd[X.] 9; B[X.] Beschluss vom 14.9.2017 - B 5 R 258/17 B - juris Rd[X.] 10, jeweils mwN).

9

Dies ist hier nicht in dem gebotenen Maße geschehen. Die Klägerin setzt sich in ihrer Beschwerdebegründung bezogen auf die aufgeworfene Fragestellung nicht mit der bislang ergangenen Rechtsprechung des B[X.] zur Feststellung des [X.] auseinander (ua Urteil vom 24.11.2005 - [X.]a SB 1/05 R - [X.] 4-3250 § 69 [X.] 3; Urteil vom 10.12.2003 - [X.] SB 4/02 R - juris; Urteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 9/95 - B[X.]E 79, 231 = [X.] 3-3870 § 4 [X.] 15). Sie versäumt es deshalb auch substantiiert zu prüfen, ob sich aus dieser Rechtsprechung schon ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von ihr gestellten Frage ergeben. Allein die Darstellung der eigenen Rechtsansicht mit dem Hinweis, Teil [X.] [X.] sei im Lichte des Art 3 Abs 3 Satz 2 GG und der [X.] dahingehend erweiternd auszulegen, dass auch eine Facharztausbildung noch zur beruflichen Erstausbildung zuzurechnen sei, reicht zur Darlegung eines weiteren Klärungsbedarfs nicht aus. So weist die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung ([X.] und 17) selbst auf das Urteil des B[X.] vom 12.11.1996 (9 RVs 9/95 - B[X.]E 79, 231 = [X.] 3-3870 § 4 [X.] 15) zur möglichen (weiteren) Zuerkennung des [X.] bei einer beruflichen Weiterbildung von hörgeschädigten Personen hin und führt aus, dass hiernach "bei der Prüfung des Endes der Ausbildung nicht nur auf die Erstausbildung abzustellen" sei, "sondern ggf. im Einzelfall weitere Ausbildungsschritte mit gewisser Dauer zu berücksichtigen" seien.

Auch im Weiteren fehlt es an hinreichenden Ausführungen zum Inhalt und Bedeutungsgehalt der hier infrage stehenden Regelung in den [X.] und zu der in diesem Kontext ergangenen Rechtsprechung des B[X.] einschließlich der Prüfung, ob diese bereits ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der problematisierten Fragestellung enthält. Dass die Klägerin nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Medizinstudiums und der Erlangung der [X.] nicht als Ärztin arbeiten kann, behauptet sie nicht. Allerdings hat das B[X.] stets betont, dass Hilflosigkeit im Sinne des Schwerbehindertenrechts bei hörgeschädigten Personen im Einzelfall auch nach Abschluss einer Erstausbildung vorliegen kann, wenn besonderen Umstände (zB langzeitige berufliche Weiterbildung, Minderbegabung, geistige Behinderung oder zusätzliche Gesundheitsstörungen) einen zeitlich erheblichen weiteren Hilfebedarf begründen (B[X.] Urteil vom 24.11.2005 - [X.]a SB 1/05 R - [X.] 4-3250 § 69 [X.] 3 Rd[X.] 18; B[X.] Urteil vom 10.12.2003 - [X.] SB 4/02 R - juris Rd[X.] 17; B[X.] Urteil vom 12.11.1996 - 9 RVs 9/95 - B[X.]E 79, 231 = [X.] 3-3870 § 4 [X.] 15 - juris Rd[X.] 13 f). Solche besonderen Umstände hat das [X.] im Fall der Klägerin nach dem Abschluss ihres Medizinstudiums und der Erlangung der [X.] in Würdigung der Umstände des Einzelfalls bezogen auf die Aus- bzw Weiterbildung zur Fachärztin jedoch gerade verneint. Dass die Klägerin diese Entscheidung des Berufungsgerichts für unrichtig hält, reicht zur Darlegung einer Grundsatzrüge aber nicht aus. § 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G ermöglicht es nicht, dass im Gewand einer Grundsatzrüge eine aus Sicht der Beschwerdeführerin unrichtige Rechtsanwendung des Berufungsgerichts in ihrem Einzelfall zur Überprüfung gestellt werden kann (vgl stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 30.3.2023 - [X.] ÜG 2/22 B - juris Rd[X.] 16; B[X.] Beschluss vom [X.] SB 37/22 B - juris Rd[X.] 11).

Weshalb darüber hinaus weiterer Klärungsbedarf bestehen soll, zeigt die Klägerin nicht auf. Sie benennt zwar Entscheidungen des [X.] zu Art 3 Abs 3 Satz 2 GG und der [X.] mit dem Hinweis, dass aus diesen deutlich werde, dass die [X.] Einfluss auf die Rechtsprechung zu Art 3 Abs 3 Satz 2 GG habe und diese bei der Auslegung des Ausbildungsbegriffs iS von Teil [X.] [X.] heranzuziehen sei. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist aber bereits geklärt, dass die [X.] als Auslegungshilfe des Gesetzesrechts orientierend heranzuziehen ist. Ebenso ist auch schon entschieden, dass sie in ihrem Bedeutungsgehalt nicht über das in Art 3 Abs 3 Satz 2 GG enthaltene Benachteiligungsverbot hinausgeht ([X.] Beschluss vom 16.12.2021 - 1 BvR 1541/20 - [X.]E 160, 79 - juris Rd[X.] 102; B[X.] Beschluss vom 18.11.2021 - [X.] SB 34/21 B - juris Rd[X.] 7 mwN). Im Übrigen ist insoweit ohnehin entsprechend Art 1 [X.], wie auch in § 1 und § 2 Abs 1 Satz 1 [X.]B IX vorgesehen, die individuelle Beeinträchtigung des behinderten Menschen an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu berücksichtigen (vgl stRspr; zB B[X.] Urteil vom 11.8.2015 - [X.] SB 2/14 R - [X.] 4-3250 § 69 [X.] 19 Rd[X.] 23).

Sofern die Klägerin die Regelung in Teil [X.] [X.] im Lichte des Art 3 Abs 3 Satz 2 GG nicht für verfassungsgemäß halten sollte, fehlt es an einer substantiierten Darlegung, ob dem Verordnungsgeber - auch unter Berücksichtigung der [X.] - bei der Ausgestaltung des streitigen Nachteilsausgleichs nicht auch der bei Sozialleistungen übliche weite Gestaltungsspielraum zusteht und - [X.] - ob er diesen überschritten haben könnte (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 2926/14 - juris Rd[X.] 23). Soweit die Klägerin darüber hinaus die Auslegung von Teil [X.] [X.] durch das [X.] in ihrem konkreten Einzelfall kritisiert und damit die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung rügt, kann sie - wie oben bereits ausgeführt - keine Zulassung der Revision erreichen. Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das [X.] in der Sache richtig entschieden hat, ist im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig und kann daher auch nicht deren Erfolgsaussichten begründen.

2. Die Klägerin hat den gerügten Verfahrensmangel des [X.] in Gestalt einer Verletzung des § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 186 [X.] nicht hinreichend bezeichnet.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]G vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen zur Bezeichnung des [X.] zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert und schlüssig dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils bestehe (B[X.] Beschluss vom 18.11.2021 - [X.] SB 34/21 B - juris Rd[X.] 11 mwN). Gemäß § 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 2 [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung der Klägerin ebenfalls nicht gerecht.

Die Klägerin rügt insbesondere unter Hinweis auf einen Beschluss des B[X.] vom [X.] (B 3 KR 7/17 B - [X.] 4-1720 § 186 [X.] 1) die Unterlassung eines Hinweises des [X.] nach § 186 [X.] vor oder im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.3.2023 als Verfahrensmangel. Die während der mündlichen Verhandlung zunächst eingeschalteten Lautsprecher und Mikrofone hätten die Hörgeräte der Klägerin gestört, sodass sie bis zu deren Abschaltung "zunächst" nicht verstanden habe, was gesprochen worden sei. Nach § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 186 Abs 1 [X.] seien hör- und sprachbehinderte Personen vom Gericht auf ihr Wahlrecht hinzuweisen, dass die Verständigung in der mündlichen Verhandlung mündlich, schriftlich oder mithilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen sei, erfolgen könne. Für die mündliche und schriftliche Verständigung habe das Gericht die geeigneten technischen Hilfsmittel bereitzustellen.

Ob das [X.] im Rahmen der Prozessordnung alle geeigneten Hilfestellungen der Klägerin angeboten oder ihr aufgezeigt hat, kann hier jedoch bei der vor dem [X.] anwaltlich vertretenen Klägerin dahinstehen. Zutreffend ist zwar, dass die in § 186 [X.] geregelte Fürsorgepflicht, in der mündlichen Verhandlung ausreichende [X.] mit einer hör- oder sprachbehinderten Person sicherzustellen, in vollem Umfang dem Gericht zugewiesen ist. Eine Verletzung von § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 186 [X.] stellt aber keinen absoluten Revisionsgrund iS von § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 547 ZPO dar, sondern einen Verstoß gegen eine spezielle Form der Gewährung rechtlichen Gehörs (B[X.] Beschluss vom [X.] - B 3 KR 7/17 B - [X.] 4-1720 § 186 [X.] 1 Rd[X.] 9 mwN). Daher muss die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde den Anforderungen an die Darlegung einer Gehörsverletzung genügen, dh es muss von der Beschwerdeführerin dargelegt werden, welches Vorbringen verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (B[X.] Beschluss vom [X.] - B 11 AL 11/09 B - juris Rd[X.] 4).

Entsprechende substantiierte Ausführungen lässt die Beschwerdebegründung jedoch vermissen. Die Klägerin behauptet nicht, dass es ihr aufgrund von (fort-)bestehenden Verständnisschwierigkeiten in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] selbst nicht möglich gewesen wäre, zur Sache Stellung zu nehmen oder auf das Vorbringen der Beklagten oder auf Hinweise und Fragen des Gerichts angemessen zu reagieren (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 11 AL 11/09 B - juris Rd[X.] 4). Gegenteiliges erschließt sich auch nicht aus dem von der Klägerin vorgelegten Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 16.3.2023. Dort ist vielmehr protokolliert, dass sie vom [X.] "ausführlich zu ihrem augenblicklichen Stand der Weiterbildung zur Chirurgin und ihren konkreten Problemen am Arbeitsplatz gehört" worden ist. Kommunikations- oder Verständnisprobleme zwischen der Klägerin und dem Gericht sind dort nicht vermerkt. Überdies trägt die Klägerin nicht vor, welche "ergänzende oder weiter erläuternde Ausführungen" sie denn konkret gemacht hätte, "wenn sie den Ausführungen des Gerichts hätte besser folgen können" oder wenn sie eine anderweitige Verständigungshilfe gehabt hätte. Ihre bloße Behauptung in der Beschwerdebegründung, es sei "nicht auszuschließen", dass das [X.] "bei hinreichender Gewährung rechtlichen Gehörs zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre", reicht nicht aus.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 [X.]G).

5. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.]G.

        

Kaltenstein

Röhl   

Othmer

Meta

B 9 SB 11/23 B

18.09.2023

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Mannheim, 23. Mai 2022, Az: S 1 SB 1192/21, Urteil

Anlage Teil A Nr 5 Buchst d DBuchst ee VersMedV, § 3 Abs 1 Nr 2 SchwbAwV, § 152 Abs 4 SGB 9 2018, § 48 SGB 10, § 33b Abs 3 S 4 EStG, Art 3 Abs 3 S 2 GG, UNBehRÜbk, § 186 Abs 1 GVG, § 62 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 202 S 1 SGG, § 547 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.09.2023, Az. B 9 SB 11/23 B (REWIS RS 2023, 9143)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9143

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1 BvR 2926/14

1 BvR 1541/20

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