Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2012, Az. 3 StR 166/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 5727

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3
StR 166/12

vom
12. Juni
2012
in der Strafsache
gegen

wegen
räuberischer Erpressung

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführerin am 12. Juni
2012
gemäß § 349 Abs.
4 [X.] einstimmig
beschlossen:

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Februar 2011, soweit es die An-geklagte betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgeho-ben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an das Amtsge-richt -
Jugendschöffengericht -
Neubrandenburg zurückverwie-sen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte wegen räuberischer Erpressung zur Jugendstrafe von zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Sachbeschwerde ge-stützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1.
Die rechtliche Wertung des [X.]s, die Angeklagte habe sich als Mittäterin an der räuberischen Erpressung der Mitangeklagten und Nichtre-videnten beteiligt, hält der Nachprüfung nicht stand. Sie wird durch die Urteils-gründe nicht hinreichend belegt.
1
2
-
3
-
a)
Nach den Feststellungen nahm die Angeklagte in Umsetzung des Tatplanes unter einem falschen Namen telefonisch mit dem Geschädigten [X.] auf, traf sich mit ihm und brachte ihn schließlich am späten Abend mit ih-rem Fahrzeug zu dem abgelegenen [X.]. Dort stieg der Geschädigte aus. Nach ihrer unwiderlegt gebliebenen Einlassung fuhr die Angeklagte weiter, stellte ihr Fahrzeug in einiger Entfernung ab und blieb in diesem sitzen. Nach dem Aussteigen des Geschädigten nötigten die Mitangeklagten diesen unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für dessen Leib und Le-

b)
Diese Feststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen mittäterschaftlicher räuberischer Erpressung (§
253 Abs. 1 und 2, §§
255, 25 Abs. 2 StGB) nicht.
Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche [X.] verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln
als Ergänzung des eigenen Tatan-teils erscheint (Fischer, StGB, 59. Aufl., §
25 Rn. 12 mwN). Ob danach [X.] anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Ge-samtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Krite-rien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbetei-ligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Be-treffenden abhängen (st. Rspr.; vgl.
[X.], Beschluss vom 24. Juli 2008 -
3 [X.], [X.], 575; Urteile vom 12. Februar 1998 -
4 [X.], NJW 1998, 2149, 2150; vom 15. Januar 1991 -
5 [X.], [X.]St 37, 289, 291). Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am
Kernge-3
4
5
-
4
-
schehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung för-dernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs-
oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden
als Teil der Tätigkeit aller darstellen
([X.], Urteil vom 17.
Oktober 2002 -
3 [X.], [X.], 253, 254;
Beschluss vom 2. Juli 2008 -
1 [X.], [X.], 25). [X.] sich demgegenüber die Mitwir-kung nach seiner Vorstellung
in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so stellt seine Tatbeteiligung Beihilfe dar (§ 27 Abs. 1 StGB; vgl. [X.], Beschluss vom 27.
März 2012 -
3 [X.], [X.], 194).
c) Daran gemessen kann der Schuldspruch nicht bestehen bleiben. Das Urteil lässt nicht nur die hier zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe gebotene wertende Gesamtbetrachtung vermissen, sondern bereits [X.] dazu, ob und in welcher Ausprägung die Angeklagte ein eigenes
Inte-resse
an der Tat sowie -
über ihren eigenen Tatbeitrag hinaus -
Tatherrschaft oder wenigstens den Willen dazu hatte. Die Annahme der [X.], die Angeklagte sei Mittäterin, weil sie sich "wissentlich und willentlich an der Droh-kulisse"
beteiligt habe, machte die mit Blick auf den festgestellten
untergeord-neten
Tatbeitrag der Angeklagten gebotene wertende Gesamtbetrachtung so-wie die erforderliche Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nicht entbehr-lich.

Der [X.] kann nicht ausschließen, dass zur rechtlichen Beurteilung der Tatbeteiligung der Angeklagten in einer neuen Verhandlung weiter gehende Feststellungen getroffen werden können.
2. Der neue Tatrichter wird darauf hingewiesen, dass die Einlassung der Angeklagten zum Hintergrund der Tat, sie habe vermutet, dass der [X.] seinen Bruder, den Mitangeklagten A.

R.

, bestohlen habe, im an-6
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8
-
5
-
gefochtenen Urteil im Rahmen der Beweiswürdigung jedenfalls nicht ausdrück-lich widerlegt worden ist. Lediglich dem Gesamtzusammenhang der Urteils-gründe kann entnommen werden, dass der
Angeklagten
aus der "im Groben"
erfolgten gemeinsamen Tatplanung, die sie
nach der Überzeugung des Land-gerichts -
entgegen den Angaben des Mitangeklagten S.

-
gekannt hat, bekannt gewesen sein könnte, dass Anlass der Tat nicht ein Diebstahl des Ge-schädigten P.

R.

zum Nachteil seines Bruders, des Mitangeklagten
A.

R.

, und somit nach der Vorstellung der Angeklagten nicht eine rechtmäßige Forderung dieses Mitangeklagten war, sondern dass es bei der Tat um die Erlangung des bei dem Zeugen J.

gestohlenen Geldes ging, auf das die Mitangeklagten keinen Anspruch hatten.
Die im Rahmen der Strafzumessung des angefochtenen Urteils bei der Begründung der Erforderlichkeit der Verhängung von Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld der Angeklagten
im Sinne von §
17 Abs. 2 [X.] zu ihren Lasten angestellte Erwägung, sie habe "alle Bedenken, die sich gegen ihre Handlungsweise ergeben können, beiseitegeschoben", unterliegt im Hinblick auf §
46 Abs. 3 StGB rechtlichen Bedenken, weil der Angeklagten damit
ange-lastet wurde, dass sie die Tat überhaupt begangen hat [X.], aaO, §
46 Rn. 76b f.).
Schließlich wird der neue Tatrichter das Vorliegen der Voraussetzungen für die Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu prüfen haben
([X.], Beschluss vom 17.
Januar 2008 -
GSSt 1/07, [X.], 234). Auf die Ausführungen des [X.] hierzu in seiner [X.] wird hingewiesen.
9
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6
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Die Zurückverweisung an das Amtsgericht -
Jugendschöffengericht -
Neubrandenburg beruht auf §
354 Abs. 3 [X.] i.V.m. §
33 Abs. 1 und 2, §
40 Abs. 1 Satz 1, §
107 [X.]. Dessen Zuständigkeit reicht zur Erledigung der Sa-che aus (vgl. [X.], [X.], 54.
Aufl., §
354 Rn. 42).
Becker Pfister

Hubert

Mayer Gericke
11

Meta

3 StR 166/12

12.06.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2012, Az. 3 StR 166/12 (REWIS RS 2012, 5727)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5727

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