Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2017, Az. 1 StR 204/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 2580

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Gegenstand

Gewerbsmäßiger Schmuggel: Gesetzeskonkurrenz zur Steuerhinterziehung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] (Oder) vom 29. November 2016 wird

a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte [X.]  in den Fällen II.1. bis [X.] der Urteilsgründe verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das vorgenannte Urteil

aa) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte [X.]  des gewerbsmäßigen Schmuggels in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 23 Fällen schuldig ist,

bb)soweit es den Mitangeklagten [X.]betrifft, im Schuldspruch dahin abgeändert, dass in den [X.] bis [X.] der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung wegen Steuerhinterziehung entfällt, und

cc)hinsichtlich beider Angeklagter im gesamten Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten [X.]  wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]  und den Mitangeklagten [X.]  jeweils wegen gewerbsmäßigen Schmuggels in Tateinheit mit Steuerhinterziehung und mit Urkundenfälschung in 61 Fällen verurteilt. Gegen den Angeklagten [X.]  hat es deswegen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten festgesetzt. Gegen den Mitangeklagten [X.]  hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Im Hinblick auf eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung hat das [X.] hiervon bei beiden Angeklagten jeweils acht Monate Freiheitsstrafe für vollstreckt erklärt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte [X.]  mit seiner auf Verfahrensrügen und sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten Revision. Der Mitangeklagte [X.]  hat kein Rechtsmittel eingelegt. Die Revision des Angeklagten [X.]  führt nach einer Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO zu einer Abänderung des Schuldspruchs und hat im Übrigen zum Strafausspruch Erfolg; die weitergehende Revision des Angeklagten [X.]  ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Gemäß § 357 StPO ist die Schuldspruchänderung und in der Folge auch die Aufhebung des Strafausspruchs auf den Mitangeklagten [X.]  zu erstrecken.

2

1. Aus prozessökonomischen Gründen wird das Verfahren, soweit es den Angeklagten [X.]  betrifft, auf Antrag des [X.] in den Fällen II.1. bis [X.] der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.

3

2. In den (verbleibenden) Fällen [X.] bis [X.] der Urteilsgründe ist der Schuldspruch - gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich des Mitangeklagten [X.]  - dahin abzuändern, dass die Verurteilung jeweils wegen tateinheitlich begangener Steuerhinterziehung entfällt.

4

a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen verkürzten der Angeklagte [X.]  und der Mitangeklagte [X.]  in diesen Fällen jeweils dadurch Zoll und Einfuhrumsatzsteuer, dass sie bei der Einfuhr von Honig aus der [X.] im Rahmen der Abgabe von Zollanmeldungen durch eine Zollspedition einen erheblich unter dem Einkaufspreis liegenden Warenwert anmelden ließen und dabei von gefälschten Rechnungen Gebrauch machten. Das [X.] hat diese Taten jeweils als gewerbsmäßigen Schmuggel in Tateinheit mit Steuerhinterziehung und mit Urkundenfälschung gewertet.

5

b) Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) entfällt, weil es sich bei Schmuggel (§ 373 [X.]) um einen [X.] handelt, der den Grundtatbestand des § 370 [X.] verdrängt. Dies gilt für vor dem 1. Januar 2008 begangenen Taten selbst dann, wenn - was hier nicht der Fall ist - die Voraussetzungen eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 [X.] gegeben sind ([X.], Beschlüsse vom 2. September 2015 - 1 StR 11/15, [X.], 47 und vom 5. November 2014 - 1 StR 267/14, [X.], 285, jeweils mwN). Neben dem Zoll stellt auch die Einfuhrumsatzsteuer eine Einfuhrabgabe dar, die vom [X.] des § 373 Abs. 1 [X.] erfasst wird (vgl. [X.], [X.], 13. Aufl., § 373 Rn. 25). Der Angeklagte ist damit - nach Teileinstellung des Verfahrens - des gewerbsmäßigen Schmuggels in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 23 Fällen schuldig.

6

3. Gemäß § 357 StPO ist die Schuldspruchänderung in den Fällen [X.] bis [X.] der Urteilsgründe auch auf den als Mittäter verurteilten Mitangeklagten [X.]  zu erstrecken. Soweit das Verfahren gegen den Angeklagten [X.]  gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, greift § 357 StPO für den Mitangeklagten nicht ein.

7

4. Die Einzelstrafen in den Fällen [X.] bis [X.] der Urteilsgründe haben - gemäß § 357 StPO auch hinsichtlich des Mitangeklagten [X.]  - keinen Bestand. Denn das [X.] hat ausdrücklich zum Nachteil beider Angeklagter berücksichtigt, dass diese mit jeder Tat jeweils drei Straftatbestände verwirklichten. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es liegt ein Fall der [X.] vor, bei der das verdrängte Delikt nur dann bei der Strafzumessung berücksichtigt werden darf, wenn und soweit Umstände, die die erhöhte Schuld begründen sollen, nicht schon - wie aber hier - zu den Merkmalen des vorrangigen Tatbestands gehören (vgl. [X.], 12. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 95). Damit hat das [X.] in allen Fällen gegen das [X.] (§ 46 Abs. 3 StGB) verstoßen. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] in diesen Fällen ohne diesen [X.] jeweils niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte. Da hinsichtlich des Angeklagten [X.]  - nach Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO - alle verbliebenen Einzelstrafen betroffen sind, kann auch die Gesamtstrafe keinen Bestand haben. Hinsichtlich des Mitangeklagten [X.]  hebt der [X.] den Strafausspruch ebenfalls insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht eine neue und widerspruchsfreie Strafzumessung zu ermöglichen.

8

5. Einer Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da diese von dem [X.] nicht betroffen sind.

9

6. Die weitergehende Revision des Angeklagten [X.]  ist aus den in der Antragsschrift des [X.] vom 11. Mai 2017 genannten Gründen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Raum   

        

   Jäger   

        

Bellay

        

Rin[X.] Dr. Fischer ist im
Urlaub und deshalb an der
Unterschriftsleistung gehindert.

                          
        

Raum   

        

Hohoff   

        

Meta

1 StR 204/17

09.11.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt (Oder), 29. November 2017, Az: 22 Wi KLs 7/15

§ 370 Abs 1 Nr 1 AO, § 373 Abs 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2017, Az. 1 StR 204/17 (REWIS RS 2017, 2580)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2580

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