Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.10.2019, Az. 9 AZR 98/19

9. Senat | REWIS RS 2019, 2412

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Urlaub - Mitwirkungsobliegenheiten


Tenor

1. Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 19. Oktober 2018 - 5 [X.]/16 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt vom Beklagten, Urlaub aus den Jahren 2011 bis 2013 abzugelten.

2

Der Beklagte, ein eingetragener Verein, betreibt einen Bürgersender. Der Kläger war beim Beklagten zuletzt auf Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 1. Januar 2012 als Geschäftsführer/Leiter der Geschäftsstelle beschäftigt. Gemäß § 6 des Arbeitsvertrags hatte der Kläger Anspruch auf 34 Arbeitstage Urlaub im Kalenderjahr. Mit Schreiben vom 29. Juni 2012 stellte der Beklagte den Kläger „einstweilen widerruflich“ frei.

3

Der Arbeitsvertrag der Parteien sah eine Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Dezember 2012 vor. Das Arbeitsgericht gab der Befristungskontrollklage des [X.] mit Urteil vom 3. September 2013 (- 1 Ca 3520/12 [X.] -) statt. Das [X.] hat die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 3. Februar 2015 (- 6 [X.]/13 -) rechtskräftig zurückgewiesen. Im Verlauf des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der Befristung bot der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 20. September 2013 ein Prozessrechtsarbeitsverhältnis entsprechend den bisherigen Bedingungen an. Der Kläger nahm das Angebot mit Schreiben vom 1. Oktober 2013 an und machte zugleich ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung wegen rückständiger Vergütung für die Monate Januar bis September 2013 geltend.

4

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, soweit für die Revision noch von Bedeutung, fünf Arbeitstage Urlaub aus dem [X.] und 35 Arbeitstage Urlaub aus dem [X.] mit insgesamt 4.779,20 Euro brutto sowie 35 Arbeitstagen Urlaub aus dem [X.] mit 4.149,60 Euro brutto abzugelten. Seit dem 1. Januar 2014 steht der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber. Dies teilte er mit Schriftsatz vom 15. Januar 2014 im Verfahren (- 6 [X.]/13 -) „zur Kenntnis des Gerichts“ mit. Mit einem im vorliegenden Verfahren eingereichten Schriftsatz vom 28. September 2015 erklärte der Kläger, er lehne trotz seines Obsiegens im [X.] eine Weiterbeschäftigung beim Beklagten ab. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund einer vom Kläger erklärten ordentlichen Kündigung mit Ablauf des 31. Juli 2016.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Urlaub aus den Jahren 2011 bis 2013 habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestanden, weil der Beklagte ihn nicht darauf hingewiesen habe, dass der Urlaub verfalle, wenn er ihn nicht beantrage. Er sei zudem gehindert gewesen, den Urlaub zu nehmen, weil sich der Beklagte nach dem 31. Dezember 2012 geweigert habe, ihn zu beschäftigen, und er am 1. Januar 2014 ein neues Arbeitsverhältnis angetreten habe.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 4.779,20 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14. Mai 2013 zu zahlen,

        

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 4.149,60 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29. Mai 2015 zu zahlen.

7

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Urlaubsabgeltungsanspruch des [X.] bestehe nicht, weil dessen Urlaub spätestens 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger als ehemaliger Geschäftsführer des [X.] nicht von sich aus genommen habe.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zudem hat es den Beklagten zur Zahlung von Vergütung wegen Annahmeverzug für die Monate Januar bis Dezember 2013 verurteilt. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist rechtskräftig, soweit der Beklagte zu Zahlungen wegen Annahmeverzug verurteilt wurde. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein auf Urlaubsabgeltung gerichtetes Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist begründet. Mit der Begründung des [X.] durfte die Berufung des [X.] nicht zurückgewiesen werden. Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob dem Kläger zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Urlaub im Umfang von 75 Arbeitstagen zustand, den der Beklagte mit einem Betrag iHv. 8.928,80 Euro brutto abzugelten hat. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

I. Das [X.] hat angenommen, die Klage sei unbegründet, weil die Urlaubsansprüche des [X.] aus den Kalenderjahren 2011 bis 2013 bereits vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Juli 2016 verfallen seien. Soweit der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch nicht „ausüben“ könne, verfalle der Urlaub zwar nicht am Ende des betreffenden Urlaubsjahres bzw. des [X.], spätestens aber 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres. Der Urlaub des [X.] aus den Jahren 2011 bis 2013 sei deshalb spätestens am 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres verfallen.

II. Diese Begründung des [X.] hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Annahme, der Urlaub des [X.] aus den Jahren 2011 bis 2013 sei nach § 7 Abs. 3 [X.] verfallen, wird von den Feststellungen des [X.] nicht getragen. Dies folgt für den gesetzlichen und vertraglichen Urlaubsanspruch des [X.] aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 [X.].

1. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats erlischt der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 [X.]) bei einer mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/[X.] konformen Auslegung von § 7 [X.] nur dann am Ende des Kalenderjahres (§ 7 Abs. 3 Satz 1 [X.]) oder eines zulässigen [X.] (§ 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 [X.]), wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Bei einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] trifft den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Die Erfüllung der hieraus in richtlinienkonformer Auslegung abgeleiteten [X.] des Arbeitgebers ist grundsätzlich Voraussetzung für das Eingreifen des urlaubsrechtlichen Fristenregimes des § 7 Abs. 3 [X.] (vgl. im Einzelnen [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 21 ff.).

a) Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 [X.] setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge trägt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss den Arbeitnehmer - erforderlichenfalls förmlich - auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder [X.] verfällt, wenn er ihn nicht beantragt ([X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 39 ff.). Zudem darf der Arbeitgeber, will er seinen [X.] genügen, den Arbeitnehmer nicht in sonstiger Weise daran hindern, den Urlaub wahrzunehmen (vgl. [X.] 29. November 2017 - [X.]/16 - [King] Rn. 39, 65; [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 4 0 ). Er darf ihn insbesondere nicht mit Umständen konfrontieren, die ihn davon abhalten könnten, seinen Jahresurlaub zu nehmen (vgl. [X.] 29. November 2017 - [X.]/16 - [King] Rn. 37 ff. [X.]; s. auch 6. November 2018 - [X.]/16 - [[X.]] Rn. 41 f.; [X.] 21. Mai 2019 - 9 [X.] - Rn. 50; 30. Januar 2019 - 10 [X.] - Rn. 17).

b) Infolge des Fehlens konkreter gesetzlicher Vorgaben ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Auswahl der Mittel frei, deren er sich zur Erfüllung seiner [X.] bedient. Die Mittel müssen jedoch zweckentsprechend sein. Sie müssen geeignet sein, den Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, in Kenntnis aller relevanten Umstände frei darüber zu entscheiden, ob er seinen Urlaub in Anspruch nimmt. Es ist der Eintritt einer Situation zu vermeiden, in der ein Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers davon abgehalten werden kann, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber geltend zu machen. Ob der Arbeitgeber das Erforderliche getan hat, um seinen [X.] zu genügen, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Die Erfüllung seiner [X.] hat der Arbeitgeber darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, weil er hieraus eine für sich günstige Rechtsfolge ableitet (vgl. [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 40).

c) Hat der Arbeitgeber durch Erfüllung seiner [X.] den Urlaubsanspruch an das Urlaubsjahr gebunden und verlangt der Arbeitnehmer dennoch nicht, ihm Urlaub zu gewähren, verfällt sein Anspruch nach Maßgabe von § 7 Abs. 3 Satz 1 [X.] mit Ablauf des Urlaubsjahres. Liegen die Voraussetzungen einer Übertragung des Urlaubs nach § 7 Abs. 3 Satz 2 oder Satz 4 [X.] vor, wird der Urlaub „von selbst“ auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen (vgl. [X.] 24. März 2009 - 9 [X.] 983/07 - Rn. 52, [X.]E 130, 119). Der Urlaubsanspruch kann in diesem Fall grundsätzlich nur dann mit Ablauf des [X.] untergehen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig auffordert, seinen Urlaub noch innerhalb des [X.] zu nehmen, und ihn darauf hinweist, dass der Urlaubsanspruch anderenfalls erlischt (vgl. [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 43).

d) Hat der Arbeitgeber seinen [X.] nicht entsprochen, tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 [X.]. Der Arbeitgeber kann deshalb das uneingeschränkte Kumulieren von Urlaubsansprüchen aus mehreren Jahren dadurch vermeiden, dass er seine [X.] für den Urlaub aus zurückliegenden Urlaubsjahren im aktuellen Urlaubsjahr nachholt. Nimmt der Arbeitnehmer in einem solchen Fall den kumulierten Urlaubsanspruch im laufenden Urlaubsjahr nicht wahr, obwohl es ihm möglich gewesen wäre, verfällt der Urlaub am Ende des Kalenderjahres bzw. eines (zulässigen) [X.] ([X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 44).

2. Die Grundsätze der Befristung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs gelten auch für den vertraglichen Mehrurlaub des [X.]. Es ist insoweit von einem Gleichlauf auszugehen, weil die Parteien ihre [X.] bei der Verwirklichung des vertraglichen Mehrurlaubs und die Voraussetzungen seiner Befristung nicht abweichend von § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 [X.] geregelt haben. § 6 des Arbeitsvertrags bestimmt allein einen über den gesetzlichen Mindesturlaub (§§ 1, 3 Abs. 1 [X.]) hinausgehenden Umfang des Urlaubsanspruchs des [X.]. Für einen Regelungswillen der Parteien, im Übrigen von den gesetzlichen Bestimmungen abzuweichen, fehlt es an Anhaltspunkten (vgl. [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] 321/16 - Rn. 51 f. [X.]).

III. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).

1. Die [X.] des Beklagten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] entfielen nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vorgesehenen Stellung des [X.] als „Geschäftsführer/Leiter der Geschäftsstelle“. Selbst wenn der Senat zugunsten des Beklagten unterstellt, der Kläger habe aufgrund der ihm vertraglich eingeräumten Befugnisse keinen Urlaubsantrag stellen müssen und sei berechtigt gewesen, Urlaub ohne vorherige Genehmigung durch den Beklagten zu nehmen, lag die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] beim Beklagten, der durch seinen Vorstand vertreten wird (§ 26 Abs. 1 BGB). Diesem oblag es, den Kläger in die Lage zu versetzen, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen und ihn - erforderlichenfalls förmlich - aufzufordern, den Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder [X.] verfällt, wenn er ihn nicht in Anspruch nehmen würde (vgl. [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 39 ff.).

2. [X.], ließ die [X.] des Beklagten nicht entfallen. Die vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Befristungskontrollklage bestehende Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2012 hinaus stand der Erfüllung der [X.] durch den Beklagten nicht entgegen. Die gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Befristung hatte lediglich feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Maßgeblich war allein die objektive Rechtslage (vgl. zur Entscheidung im Kündigungsschutzprozess [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] 321/16 - Rn. 55).

3. Ebenso wenig entfielen die [X.] des Beklagten aufgrund der Erklärungen des [X.] in den Schriftsätzen vom 15. Januar 2014 und vom 28. September 2015. Entscheidend ist auch insoweit allein, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbestand. Das [X.] hat ua. unter Bezugnahme auf Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (§ 69 Abs. 2 ArbGG) angenommen, der Kläger habe das Arbeitsverhältnis mit den genannten Schriftsätzen nicht gekündigt; seine Erklärungen seien lediglich als Ablehnung einer weiteren Tätigkeit für den Beklagten zu verstehen gewesen. Diese Auslegung wird von den Parteien nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen (vgl. zur Auslegung von Prozesserklärungen [X.] 18. September 2018 - 9 [X.] 162/18 - Rn. 15 [X.], [X.]E 163, 282).

4. Die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Arbeitgeber ab dem 1. Januar 2014 ließ die [X.] des Beklagten bei der Verwirklichung der Urlaubsansprüche des [X.] aus den Jahren 2011 bis 2013 nicht entfallen und stand deren Erfüllung nicht entgegen (vgl. [X.] 21. Februar 2012 - 9 [X.] 487/10 - Rn. 14 ff., [X.]E 141, 27).

5. Entgegen der Annahme des [X.] sind die Urlaubsansprüche des [X.] auch nicht unabhängig davon, ob der Beklagte ihn in die Lage versetzte, den Urlaub zu nehmen, 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres erloschen. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, ob eine Befristung des Urlaubsanspruchs bei unterlassener Erfüllung der [X.], zum Schutz eines überwiegenden Interesses des Arbeitgebers vor dem unbegrenzten Ansammeln von Urlaubsansprüchen, geboten sein kann (vgl. [X.] 29. November 2017 - [X.]/16 - [King] Rn. 56 ff.; 22. November 2011 - [X.]/10 - [[X.]] Rn. 28, 38, 44; [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 15; 7. August 2012 - 9 [X.] 353/10 - Rn. 23 ff., [X.]E 142, 371). Vorliegend sind bereits keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, aufgrund deren ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Beklagten angenommen werden könnte.

6. Soweit der Beklagte erstmals in der Revision eingewandt hat, der Urlaubsanspruch des [X.] sei durch die Anordnung von Betriebsruhe im [X.] 2012 und zum Jahreswechsel 2012/2013 teilweise erfüllt worden, ist dies als neuer Tatsachenvortrag im Revisionsverfahren unbeachtlich (§ 559 Abs. 1 ZPO).

IV. Das [X.] hat - unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung konsequent - nicht geprüft, ob der Beklagte durch Erfüllung seiner [X.] den Kläger in die Lage versetzt hat, den Urlaubsanspruch aus den Jahren 2011 bis 2013 tatsächlich wahrzunehmen. Es hat hierzu ebenso wie zum Umfang des Urlaubsanspruchs des [X.] und zur Höhe seines ggf. bestehenden [X.]s keine Tatsachenfeststellungen getroffen. Im erneuten Berufungsverfahren wird Folgendes zu beachten sein:

1. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 [X.] setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein offener Urlaubsanspruch besteht, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Ausgehend von § 6 des Arbeitsvertrags erwarb der Kläger jeweils zu Beginn der Jahre 2011 bis 2013 einen vertraglichen Urlaubsanspruch von 34 Arbeitstagen, der den gesetzlichen Urlaubsanspruch (§§ 1, 3, 4 [X.]) einschloss. Der Kläger hat nicht dargetan, auf welcher Rechtsgrundlage ein Anspruch auf 35 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2012 und 2013 bestanden haben soll.

2. Im Hinblick auf den vom Beklagten in den Vorinstanzen erhobenen Einwand, die Urlaubsansprüche des [X.] seien durch dessen Freistellung mit Schreiben vom 29. Juni 2012 erfüllt worden (§ 362 Abs. 1 BGB), ist zu beachten, dass die Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub eine vom Arbeitgeber im Voraus erklärte unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers von einer sonst bestehenden Arbeitspflicht voraussetzt (vgl. [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] 278/16 - Rn. 15 f.). Die Erklärung des Beklagten mit Schreiben vom 29. Juni 2012, der Kläger werde „einstweilen widerruflich“ freigestellt, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Für das [X.] ist der Beklagte zudem aufgrund der präjudiziellen Wirkung der Entscheidung des Arbeitsgerichts (§ 322 Abs. 1 ZPO), mit der er rechtskräftig verurteilt wurde, an den Kläger für die Monate Januar bis Dezember 2013 Vergütung wegen Annahmeverzug (§ 615 Satz 1 BGB) zu zahlen, mit dem Einwand ausgeschlossen, er habe dem Kläger im selben Zeitraum Urlaub gewährt (vgl. hierzu im Einzelnen [X.] 21. Mai 2019 - 9 [X.] - Rn. 27 ff.).

3. Das [X.] wird zu prüfen haben, ob der Urlaubsanspruch des [X.] aus den Jahren 2011 bis 2013 nach § 7 Abs. 3 [X.] verfallen ist. Dies hängt maßgeblich davon ab, ob der Beklagte seinen bei richtlinienkonformer Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 3 Satz 1 [X.] bestehenden [X.] nachgekommen ist. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte durch die Berufung auf die Wirksamkeit der Befristung das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 2012 hinaus in Abrede stellte. Es bedurfte deshalb zur Erfüllung der [X.] einer Erklärung des Beklagten, er sei trotz des Streits über die Wirksamkeit der Befristung bereit, dem Kläger nach dem 31. Dezember 2012 durch eine Freistellung und die Zahlung der Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs oder eine ihn bindende Zahlungszusage vorbehaltlos bezahlten Urlaub zu gewähren (vgl. [X.] 10. Februar 2015 - 9 [X.] 455/13 - Rn. 18, [X.]E 150, 355; 19. Januar 2016 - 2 [X.] 449/15 - Rn. 68). Zusätzlich wäre ein Hinweis auf die Befristung des Urlaubsanspruchs und den bei Fehlen eines Urlaubsverlangens mit Ablauf des Urlaubsjahres oder [X.] eintretenden Verfall erforderlich gewesen (vgl. [X.] 21. Mai 2019 - 9 [X.] - Rn. 51).

4. Sollte der Urlaubsanspruch des [X.] nicht verfallen sein, hat das [X.] im erneuten Berufungsverfahren die Höhe des ggf. bestehenden [X.]s festzustellen. Der [X.] gemäß § 7 Abs. 4 [X.] ist entsprechend § 11 [X.] zu berechnen (vgl. [X.]/[X.] 20. Aufl. [X.] § 7 Rn. 73; [X.]/[X.] 8. Aufl. § 7 [X.] Rn. 112). Die Parteien haben für die Abgeltung des übergesetzlichen Urlaubs keine von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes abweichenden Vereinbarungen getroffen, so dass von einem Gleichlauf auszugehen ist. Ausgehend von dem in § 11 [X.] geregelten Referenzprinzip (vgl. [X.] 21. September 2010 - 9 [X.] 510/09 - Rn. 16 [X.], [X.]E 135, 301) ist als Geldfaktor für die Ermittlung der Höhe des Anspruchs - entgegen der Berechnung des [X.] - nicht auf seinen Durchschnittsverdienst in den letzten drei Abrechnungsmonaten abzustellen, sondern auf den durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den der Kläger in den letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses - unter Außerachtlassung anderweitigen Verdienstes (vgl. [X.] 9. November 1999 - 9 [X.] 922/98 - zu [X.] [X.] der Gründe) - beanspruchen konnte (vgl. [X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] 279/12 - Rn. 13; zur Bemessung des gewöhnlichen Arbeitsentgelts vgl. [X.] 20. September 2016 - 9 [X.] 429/15 - Rn. 19 [X.]).

        

    Weber    

        

    [X.]    

        

    Heinkel    

        

        

        

    Wullhorst    

        

    Dipper    

                 

Meta

9 AZR 98/19

22.10.2019

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Magdeburg, 26. Januar 2016, Az: 1 Ca 1412/15 HBS, Urteil

§ 1 BUrlG, § 3 Abs 1 BUrlG, Art 7 EGRL 88/2003, § 7 Abs 3 S 1 BUrlG, § 7 Abs 3 S 2 BUrlG, § 7 Abs 3 S 4 BUrlG, § 7 Abs 4 BUrlG, § 11 BUrlG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.10.2019, Az. 9 AZR 98/19 (REWIS RS 2019, 2412)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2412

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

9 AZR 143/21 (Bundesarbeitsgericht)

Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen - Mitwirkungsobliegenheiten


9 AZR 107/20 (Bundesarbeitsgericht)

Urlaub - 15 Monatsfrist - Mitwirkungsobliegenheiten


9 AZR 3/21 (A) (Bundesarbeitsgericht)

Urlaub - Langzeiterkrankung - Mitwirkungsobliegenheiten - Übertragungsanspruch - Aussetzung wegen präjudiziellen Verfahrens


9 AZR 113/19 (Bundesarbeitsgericht)

Urlaubsabgeltung - Befristung des Urlaubs nach § 15 Manteltarifvertrag für die privaten und öffentlichen Banken …


9 AZR 579/16 (Bundesarbeitsgericht)

Urlaub - Mitwirkungsobliegenheiten - Kürzung des Urlaubsanspruchs


Referenzen
Wird zitiert von

8 Ca 2545/21

5 Sa 463/19

1 Ca 308/21

8 Sa 816/19

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.