Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2017, Az. X ZB 7/15

X. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 13714

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:210317BXZB7.15.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF
BES[X.]HLUSS
X [X.]
vom
21. März 2017
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 Fc, [X.], Gc
Geht am Abend des vorletzten Tages der Rechtsmittelbegründungsfrist bei dem Rechtsmittelgericht ein unvollständig per
Telefax übermittelter Schriftsatz ein, bei dem unter anderem die letzte Seite mit der Unterschrift des [X.] fehlt, gebietet es die gerichtliche Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht, den Prozessbevollmächtigten am Folgetag auf die von der
Geschäftsstelle er-kannte Unvollständigkeit des Schriftsatzes hinzuweisen.
[X.], Beschluss vom 21. März 2017 -
X [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat am 21. März 2017
durch den [X.] [X.] Prof. Dr. Meier-Beck, die [X.] [X.], [X.],
die [X.]in Schuster
und den [X.] Dr. Deichfuß

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 84 des [X.] vom 26. März 2015 wird auf Kosten der [X.]n zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens
beträgt 800

.
Gründe:
A.
Das Amtsgericht hat die [X.] zuKläger verurteilt. Gegen das Urteil hat die [X.] form-
und fristgemäß Beru-fung eingelegt.
Am vorletzten Tag der Berufungsbegründungsfrist empfing das [X.] des Berufungsgerichts ab 18.57 Uhr eine Sendung vom Telefax-Gerät der
Prozessbevollmächtigten
der [X.]n. Zur Geschäftsstelle gelangte am nächsten Tag der Ausdruck der ersten Seite einer Berufungsbe-gründungsschrift
und einer
weiteren Seite
ohne [X.] mit technischen Informationen zur Sendung. Das Original der fünf Seiten umfassenden Beru-fungsbegründungsschrift
ist einen Tag nach Ablauf der Rechtsmittelbegrün-dungsfrist beim Berufungsgericht eingegangen.
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3
-
Auf den Hinweis, dass innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nur ein unvollständiger und nicht unterschriebener Schriftsatz eingegangen sei, hat die [X.] rechtzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Das [X.] hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.
Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die [X.], diese
Entscheidung

hilfsweise unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

aufzuheben.
B.
Die nach §
522 Abs.
1 Satz
4, §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, §
238 Abs.
2 Satz 1 ZPO statthafte, rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbe-schwerde ist zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. ZPO), jedoch unbegründet.
I.
Das [X.] hat angenommen, die Frist zur Begründung der [X.] sei nicht gewahrt, weil vor ihrem Ablauf keine vollständige und unter-schriebene [X.] eingegangen sei. Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei nicht zu gewähren, weil die [X.] nicht dargelegt habe, dass die Frist unverschuldet nicht ein-gehalten worden sei. Die Begründung des Antrags rechtfertige nicht die An-nahme, dass ihre Prozessbevollmächtigte die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen habe, um den rechtzeitigen Zugang als Telefax über-mittelter fristgebundener Schriftsätze sicherzustellen, wozu insbesondere die Einrichtung einer die Prüfung der Vollständigkeit der Übermittlung einschlie-ßenden Ausgangskontrolle gehöre. Der Begründung des Wiedereinsetzungs-gesuchs sei nicht zu entnehmen, dass in der Kanzlei die Weisung bestehe, Fristen erst nach eigener Prüfung des [X.] zu löschen und dass dies im Streitfall so gehandhabt worden sei.
II.
Dies hält der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren stand.
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4
-
1.
Die Frist zur Begründung der Berufung (§ 520 Abs. 2 ZPO) ist durch das unvollständige und insbesondere ohne Unterschrift eingegangene Telefax nicht gewahrt worden. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Berufungsgericht sei pflichtwidrig nicht allen
aus dem Akteninhalt ersichtlichen Anhaltspunkten dafür nachgegangen, dass
die [X.] doch rechtzeitig in einem für die Zulässigkeit hinreichenden Umfang eingegan-gen sein könnte.
Nach der Rechtsprechung des [X.] muss das [X.] zwar alle aus dem Akteninhalt ersichtlichen Anhaltspunkte für ei-nen möglichen rechtzeitigen Eingang einer Rechtsmittel(begründungs)schrift
prüfen und würdigen
([X.], Beschluss vom 19. April 1994

VI
ZB
3/94, NJW 1994, 1881, 1882). Entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde hat das [X.]sgericht aber nicht versäumt, alle aus dem Akteninhalt ersichtlichen [X.] zu berücksichtigen. In ihrem seinerzeit nicht nur hilfsweise gestell-ten Wiedereinsetzungsantrag ist die [X.] selbst von einer Versäumung der Begründungsfrist ausgegangen. Die [X.] auf dem Faxausdruck des [X.] ("[X.] während der Übertragung (Abbruch durch Gegenstelle)"), der Umstand, dass der von der [X.]n vorgelegte Sendebe-richt jedenfalls nur vier (statt fünf) Seiten
aufführt und den Vermerk
* Bisher gesendet : Seiten

1
enthält, deuten darauf hin, dass das Fax vom Sendegerät ungeachtet des als "korrekt" ausgewiesenen Ergebnisses tatsächlich nicht vollständig gesendet worden ist. Dies korrespondiert damit, dass auch nur der Ausdruck einer Seite des [X.] zur Geschäftsstelle gelangt ist. Das Berufungs-gericht hatte
unter diesen Umständen keinen Anlass, zu überprüfen, ob weitere Seiten der Berufungsbegründung als elektronische Signale auf dem [X.] des Gerichts eingegangen sein könnten.
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5
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2.
Der [X.]n ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt worden. Sie war nicht ohne ihr Verschulden verhindert, die Frist zur Be-gründung der Berufung einzuhalten.
a)
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Prozessbevoll-mächtigte der [X.]n nach deren Vorbringen keine hinreichenden [X.] Vorkehrungen für eine wirksame Ausgangskontrolle getroffen hat. Diese Beurteilung ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Rechts-beschwerde auch nicht angegriffen.
b)
Ein Wiedereinsetzungsgrund ergibt sich auch nicht unter dem Ge-sichtspunkt einer für das Versäumnis mitursächlichen Pflichtverletzung des [X.]. Das Berufungsgericht war nicht verpflichtet, die [X.] am folgenden Tag auf die Unvollständigkeit des am Vortag eingegangenen Telefaxes hinzu-weisen.
aa)
Im Rahmen der dem verfassungsrechtlichen Anspruch der [X.] auf ein faires Verfahren
korrespondierenden Fürsorgepflicht des [X.] ([X.], Beschluss vom 20. Juni 1995

1
BvR
166/93, [X.]E 93, 99, 114
ff.) ist dieses grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, am letzten Tag einer Frist zu prüfen, ob ein am Vortag eingegangener Schriftsatz formelle Mängel aufweist, um erforderlichenfalls sofort durch entsprechende Hinweise auf deren Behebung hinzuwirken ([X.], Beschluss vom 16.
März 2015

[X.] ([X.]) 7/14, [X.], 900 Rn. 14 ebenfalls zu einem unvollständig eingegangenen Tele-fax).
bb)
Zu einem sofortigen Hinweis ist das Berufungsgericht im vorliegen-den Fall auch nicht auf Grund des von der Rechtsbeschwerde aufgezeigten besonderen Umstandes verpflichtet gewesen, dass die Geschäftsstelle des [X.]sgerichts die Unvollständigkeit ausweislich des Vermerks "Fax unvollst. z. 10
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Fr. (Orig.?)" vom 25. November 2014 am letzten [X.] tatsächlich [X.] hat.
(1)
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass die Fürsorgepflicht eines für die Berufung unzuständigen Gerichts von Verfassungs wegen auch dann keinen sofortigen Hinweis durch Telefonanruf oder Telefax erfordert, wenn die Unzuständigkeit am letzten Tag der Berufungsfrist vom [X.] erkannt wird: Mit einer solchen Hinweispflicht würde den [X.]en die Verantwortung für die Formalien vollständig abgenommen und den unzuständi-gen Gerichten übertragen, was die Anforderungen an die richterliche Fürsorge-pflicht überspannte ([X.], Beschluss vom 3. Januar 2001

1 BvR 2147/00, NJW 2001, 1343). Dies schließt es zwar nicht notwendigerweise aus, in ähnli-chen Situationen von dem zuständigen Gericht sofortige Maßnahmen zu ver-langen. Auch insoweit darf sich aber die Bestimmung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung von Verfassungs wegen geboten ist, nicht nur am Interesse des Rechtssuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfah-renserleichterung orientieren, sondern muss auch berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss ([X.], NJW 2001, 1343).
(2)
Die danach gebotene Abwägung zwischen den betroffenen Belangen fällt für den Fall einer am letzten [X.] von der Geschäftsstelle des [X.] bemerkten Unvollständigkeit eines am Vortag durch Telefax eingegange-nen Schriftsatzes zu Lasten der [X.] aus. Die Unvollständigkeit eines durch Telefax übermittelten Schriftsatzes unterscheidet sich unter einem wesentlichen Gesichtspunkt von anderen als Anlass gerichtlicher Fürsorge erörterten formel-len Mängeln. Ein Gericht, das etwa die eigene Unzuständigkeit oder das Fehlen der Unterschrift (siehe dazu [X.], Beschluss vom 14.
Oktober 2008

VI
ZB
37/08, NJW-RR 2009, 564 Rn.
10) bemerkt, muss
davon ausgehen, dass etwaige Vorkehrungen gegen derartige Fehler gescheitert sind und dass 15
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7
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die für die Einhaltung der formellen Anforderungen an ihren Schriftsatz verant-wortliche Prozesspartei eben deshalb keinen Anlass hat, weitere Anstrengun-gen zur Wahrung der Frist zu unternehmen. Demgegenüber belegt die Unvoll-ständigkeit eines durch Telefax übermittelten Schriftsatzes lediglich das Schei-tern eines einzelnen Übermittlungsversuchs, dem eine [X.] zu folgen hat, die dem Absender den Fehler offenbaren soll (s. nur [X.], [X.] vom 28.
September 1989

VII
ZB
9/89, NJW 1990, 187;
ständige Rechtsprechung). Der Eingang eines unvollständigen Telefaxes
lässt aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Gerichts nicht erkennen, dass auch die [X.] versagt hat und der Absender deshalb der Fehlvorstellung unterliegt, die Frist gewahrt zu haben. Die bloße Möglichkeit einer unzureichen-den Ausgangskontrolle rechtfertigt es nicht, das Gericht mit der Pflicht zu einem sofortigen Hinweis zu belasten, der sich im Regelfall als überflüssig erweisen wird, weil der durch seine Ausgangskontrolle gewarnte Absender eine erneute Übermittlung (z. B. nach Behebung eines Defekts am Sendegerät oder durch Boten) bereits veranlasst hat. Eine entsprechende Hinweispflicht liefe vielmehr auf eine weitgehende Verlagerung der Verantwortung für die [X.] von dem dafür zuständigen Absender auf das Gericht und damit auf eine Überspannung der gerichtlichen Fürsorgepflicht hinaus.
-
8
-
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck
Grabinski
[X.]

Schuster
Deichfuß
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.09.2014 -
19a [X.] 351/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 26.03.2015 -
84 [X.]/14 -

17

Meta

X ZB 7/15

21.03.2017

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2017, Az. X ZB 7/15 (REWIS RS 2017, 13714)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13714

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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