Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.02.2014, Az. 1 StR 10/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 7997

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Gegenstand

Strafverfahren wegen versuchtem Totschlags: Berücksichtigung des Zweifelssatzes bei der Strafzumessung


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. Oktober 2013 im Strafausspruch aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO).

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO).

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Diese hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg.

2

1. Nach den landgerichtlichen Feststellungen attackierte der durch eine Beleidigung gereizte Angeklagte seinen Trinkkumpanen mit bedingtem Tötungsvorsatz mittels eines Springmessers. Den ersten [X.] konnte der Geschädigte noch durch [X.] abwehren, der zweite traf ihn jedoch neun Zentimeter tief in den [X.]. Durch das Dazwischentreten von Dritten wurde ein Nachsetzen durch den Angeklagten verhindert. Der Geschädigte, dessen Dickdarm durch den [X.] eröffnet worden war, konnte durch eine Notoperation gerettet werden.

3

Im [X.] an zwei hierzu gehörte Sachverständige konnte das [X.] eine alkoholbedingte erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei dem alkoholabhängigen Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht ausschließen.

4

2. Während der Schuldspruch rechtsfehlerfrei ist, hält der Strafausspruch revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

5

Das [X.] hat nach - nicht zu beanstandender - Ablehnung eines minder schweren Falls nach § 213 Alt. 1 StGB einen sonstigen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 2 StGB angenommen. Hierzu hat es neben anderen Milderungsgründen herangezogen, dass aufgrund der „erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten eine Verminderung der Schuldfähigkeit nicht auszuschließen" und die Tat im Versuchsstadium, wenn auch mit Nähe zum [X.], stecken geblieben sei. Eine weitere Verschiebung des Strafrahmens wegen des Vorliegens der Milderungsgründe des § 21 StGB oder des § 23 StGB hat es sodann ausgeschlossen. Der Annahme eines minder schweren Falls nach § 213 Alt. 2 StGB hat es sodann die Möglichkeit der zweimaligen Strafrahmenverschiebung nach diesen Milderungsgründen gegenüber gestellt, da der danach eröffnete Strafrahmen eine Strafrahmenobergrenze unter der verhängten Strafe bereit halte. Eine solche Strafrahmenbestimmung hat es aber auch „unter Berücksichtigung dessen, dass eine verminderte Schuldfähigkeit lediglich nicht auszuschließen" sei, nicht vorgenommen.

6

Die letztgenannte Erwägung erweist sich als rechtsfehlerhaft. Führt die Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB zu einem milderen Strafrahmen als die Annahme eines minder schweren Falles unter Verbrauch von vertypten Milderungsgründen, so ist der Tatrichter zwar nicht von vornherein gehalten, bei der Bemessung der Strafe von dem milderen Strafrahmen auszugehen. Er hat vielmehr im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen und darzulegen, welchen Strafrahmen er nach den konkreten Umständen des Einzelfalls für angemessen hält ([X.], Urteil vom 28. Mai 2013 - 3 StR 54/13; vgl. auch Beschluss vom 23. Januar 2013 - 5 [X.]). Die hierzu vom [X.] getroffenen Strafzumessungserwägungen lassen jedoch besorgen, dass das [X.] der erheblichen Schuldminderung in diesem Zusammenhang geringeres Gewicht beigemessen hat, weil sie nicht positiv festgestellt, sondern lediglich aufgrund des [X.] unterstellt worden ist (vgl. zur Anwendung des [X.] auf nicht behebbare tatsächliche Zweifel hinsichtlich Art und Grad des psychischen Ausnahmezustands [X.], Beschluss vom 25. Juli 2006 - 4 [X.], [X.], 335; Urteil vom 29. April 1997 - 1 [X.], [X.]St 43, 66). Dies ist unzulässig (vgl. [X.], Beschlüsse vom 12. Oktober 2005 - 1 [X.], [X.], 6; vom 15. Oktober 1991 - 1 StR 548/91). Denn auch in den Fällen, in denen unter Anwendung des [X.] von einem bestimmten Sachverhalt auszugehen ist, ist dieser Sachverhalt bei der rechtlichen Würdigung von der gleichen Bedeutung, wie ein zur Überzeugung des Gerichts festgestellter ([X.], Urteil vom 9. Februar 2000 - 3 StR 392/99, [X.], 166).

7

Auch angesichts der sonstigen Strafzumessungserwägungen kann der Senat nicht ausschließen, dass die Höhe der ausgesprochenen Strafe auf der rechtsfehlerhaften Erwägung beruht (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 17. Dezember 1999 - 2 StR 546/99).

8

Der Strafausspruch bedarf daher einer erneuten tatrichterlichen Prüfung und Entscheidung. Da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt, konnten die tatsächlichen Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen durch den neuen Tatrichter sind möglich.

Raum                       Graf                             [X.]

              Cirener                    [X.]

Meta

1 StR 10/14

12.02.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München I, 2. Oktober 2013, Az: 2 Ks 128 Js 206568/12

§ 261 StPO, § 22 StGB, § 23 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 212 StGB, § 213 Alt 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.02.2014, Az. 1 StR 10/14 (REWIS RS 2014, 7997)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7997

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