Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.07.2017, Az. B 1 KR 95/16 B

1. Senat | REWIS RS 2017, 7968

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Zulassungsgrund - Verfahrensmangel - rechtliches Gehör - Fehlen von Entscheidungsgründen


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 3. November 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin erkrankte an einem metastasierenden Mammakarzinom. Das Krankenhaus bestrahlte Ende 2013 stereotaktisch fraktioniert die solitäre Hirnmetastase. Der Verdacht eines Tumorprogresses neben einem zunehmenden perifokalen Ödem ergab sich anhand von im Laufe des Jahres 2014 gefertigten [X.]. Die Klägerin vereinbarte anlässlich einer Untersuchung im Krankenhaus (23.12.2014) dort die Durchführung einer differentialdiagnostischen Positronen-Emissions-Tomographie mit Computertomographie (PET-CT) für den [X.] und beantragte bei der [X.] Kostenübernahme. Die Beklagte setzte die Klägerin telefonisch am 5.1.2015 von der ablehnenden Stellungnahme des [X.] vom selben Tag in Kenntnis. Die PET-CT erfolgte wie vereinbart. Die Klägerin ist mit ihrem Kostenerstattungsbegehren (1140,86 Euro) bei der [X.] (schriftlicher Bescheid vom 7.1.2015) und den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das [X.] hat zur Begründung ausgeführt, die Kostenbelastung der Klägerin sei selbst dann nicht durch die ablehnende Entscheidung verursacht worden, wenn die Beklagte diese schon im Telefonat bekannt gegeben habe, weil die Klägerin bereits zuvor zur [X.] entschlossen gewesen sei. Die [X.] sei auch nicht unaufschiebbar gewesen. Ein Kostenerstattungsanspruch ergebe sich aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auch dann nicht, wenn die Beklagte die Klägerin bei einer Behandlung im Diagnostischen Therapeutischen Zentrum F. ([X.]) mit einer [X.] versorgt hätte (Urteil vom 3.11.2016).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]-Urteil.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] [X.] zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 [X.] [X.] abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes des Verfahrensmangels.

4

1. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.] und § 128 Abs 1 S 1 [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB [X.] § 160a [X.], 24, 36).

5

a) Wer - wie hier die Klägerin - die Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 [X.], Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der [X.], Art 6 Abs 1 [X.]) rügt, muss ausführen, welchen erheblichen Vortrag das Gericht bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen hat, welches Vorbringen des Rechtsuchenden dadurch verhindert worden ist und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruht (vgl zB [X.] § 160a [X.]6; [X.] Beschluss vom 10.3.2011 - [X.] KR 134/10 B - Juris RdNr 6 mwN). Daran fehlt es.

6

Die Klägerin macht geltend, das [X.] habe den Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es sich nicht ansatzweise mit ihrem Vortrag und den angebotenen Beweismitteln zur Begründung ihres Anspruchs aus § 2 Abs 1a [X.] auseinandergesetzt habe. Die Klägerin legt schon nicht dar, wieso das [X.] den Klägervortrag nicht im Tatbestand durch die Worte zur Kenntnis genommen hat: "Die MRT-Untersuchung sei zur erneuten Behandlung, die aufgrund der Lokalisation nur in einer Re-Bestrahlung bestehen könne, nicht ausreichend, da sich damit nicht darstellen lasse, ob eine Hirnnekrose oder ein Tumorprogress vorliege. Im Falle eines Rezidivs müsse das Zielvolumen genau bestimmt werden. Dafür sei nur die PET-CT ausreichend empfindlich." Die Klägerin legt auch ansonsten eine Gehörsverletzung nicht schlüssig dar. Das Gebot der Wahrung des rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht regelmäßig nur dazu, die Ausführungen von Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Es ist aber erst verletzt, wenn sich klar ergibt, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung gar nicht erwogen worden ist (vgl zB [X.] 65, 293, 295 f mwN = [X.]; [X.] Beschluss vom [X.] KR 133/06 B - Juris RdNr 4; [X.] Beschluss vom 25.2.1997 - 12 BK 17/96 - Juris RdNr 5). Ein Gericht muss sich dagegen nicht ausdrücklich mit jedem Beteiligtenvorbringen auseinandersetzen, wenn sich aus der Entscheidung zweifelsfrei ergibt, dass es das Vorbringen auch ohne explizite Erwähnung für unerheblich gehalten hat (vgl [X.] Beschluss vom 18.10.2016 - [X.] AS 1/16 C - RdNr 4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 136 Rd[X.]a). Die Klägerin legt nicht dar, wieso dies beim [X.]-Urteil anders gewesen sein könnte, obwohl es den Erstattungsanspruch wegen mangelnder Ursächlichkeit der ablehnenden Verwaltungsentscheidung für die entstandenen Kosten und mangels Unaufschiebbarkeit der Untersuchung abgelehnt hat. Im [X.] wendet sich die Klägerin dagegen, dass das [X.] ihr Vorbringen als nicht tragfähig angesehen hat. Die Klägerin behauptet damit letztlich nur, das [X.] habe das materielle Recht fehlerhaft angewendet. Solches Vorbringen reicht indes nicht aus, um die Revision zuzulassen (vgl [X.] § 160a [X.]; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 65/05 B - Juris RdNr 15; [X.] Beschluss vom 10.3.2011 - [X.] KR 134/10 B - Juris RdNr 11 mwN). Gleiches gilt für das Vorbringen der Klägerin, das [X.] habe zu Unrecht nicht beachtet, dass die Beklagte es pflichtwidrig unterlassen habe, sie über den bestehenden integrierten Versorgungsvertrag mit dem [X.] aufzuklären, obwohl die Beklagte mit diesem Vertrag die PET-CT als abweichende Leistung iS des § 2 Abs 1a [X.] grundsätzlich anerkannt habe (zum Herstellungsanspruch bei Kostenerstattung wegen Systemversagens vgl im Übrigen [X.], 180 = [X.]-2500 § 13 Nr 15).

7

b) Sofern die Klägerin mit ihrem Vorbringen, das [X.] habe sich mit den von ihr angebotenen Beweismitteln nicht auseinandergesetzt, eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 [X.] geltend machen will, legt sie diese nicht hinreichend dar. Wer eine Verfahrensrüge auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht stützen will, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des [X.] wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl [X.] Beschluss vom 20.7.2010 - [X.] KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; [X.] Beschluss vom 1.3.2011 - [X.] KR 112/10 B - mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rspr des [X.] die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu [X.] Beschluss vom 14.6.2005 - [X.] KR 38/04 B - Juris RdNr 5; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 97/05 B - RdNr 6; [X.] [X.]-1500 § 160 [X.] RdNr 11 mwN). Wird ein Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entschieden, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 [X.] ([X.] SozR 3-1500 § 124 [X.] S 4 f). Mit der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung muss daher der Beteiligte, der schriftsätzlich gestellte Beweisanträge aufrechterhalten oder neue Beweisanträge stellen will, die Aufrechterhaltung dieser Anträge ausdrücklich mitteilen oder neue förmliche Beweisanträge stellen (vgl [X.] SozR 3-1500 § 160 [X.]1 S 52; [X.] Beschluss vom 6.6.2001 - B 2 U 117/01 B - Juris RdNr 2; [X.] Beschluss vom 27.12.2011 - [X.]3 R 253/11 B - Juris Rd[X.]); eine unsubstantiierte Bezugnahme auf frühere Beweisantritte genügt nicht (vgl zum Ganzen [X.] SozR 3-1500 § 160 [X.]; [X.] Beschluss vom 16.1.2013 - [X.] KR 25/12 B - Juris RdNr 6). Der Tatsacheninstanz soll dadurch nämlich vor Augen geführt werden, dass der Betroffene die gerichtliche Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion (vgl [X.] § 160 [X.]; [X.] Beschluss vom 10.4.2006 - [X.] KR 47/05 B - Juris RdNr 9 mwN; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 111/12 B - RdNr 8).

8

Die anwaltlich vertretene Klägerin legt keinen Verfahrensmangel in diesem Sinne dar. Sie benennt bereits keinen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag, den sie nach der im Erörterungstermin (20.10.2016) erteilten Zustimmung zur Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung aufrechterhalten oder erstmalig gestellt hat. Hierfür ist auch im Übrigen nichts ersichtlich. Im Übrigen geht sie auch nicht darauf ein, inwieweit Tatsachen nach der - bereits im Erörterungstermin mitgeteilten - Rechtsauffassung des [X.] noch klärungsbedürftig gewesen seien (vgl im Übrigen zum Tatbestandsmerkmal der unaufschiebbaren Leistung in § 13 Abs 3 [X.] und den dazu erforderlichen Tatsachenfeststellungen [X.] Urteil vom 8.9.2015 - [X.] KR 14/14 R - Juris RdNr 15 = [X.], 254).

9

c) Soweit die Klägerin mit ihrer Darlegung, das [X.] setze sich nicht mit ihrem Vorbringen auseinander, sinngemäß auch das Fehlen von Entscheidungsgründen rügen wollte, legt sie deren Fehlen nicht schlüssig dar. Entscheidungsgründe fehlen nicht bereits dann, wenn die Gründe sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind (vgl [X.] SozR [X.]9 zu § 128 [X.]; [X.] Beschluss vom 10.3.2011 - [X.] KR 134/10 B - Juris RdNr 11 mwN). Infolgedessen legt eine Beschwerdebegründung das Fehlen von Gründen nicht schlüssig dar, wenn sie lediglich geltend macht, das [X.] habe weitere, konkret benannte rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte behandeln müssen. Im [X.] greift sie damit nicht das Fehlen von Entscheidungsgründen, sondern die Richtigkeit der Entscheidung an. So liegt es hier. Dies kann jedoch - wie ausgeführt - nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge sein.

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

3. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 1 KR 95/16 B

14.07.2017

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Berlin, 3. November 2015, Az: S 182 KR 1552/15, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 128 Abs 1 S 2 SGG, § 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 14.07.2017, Az. B 1 KR 95/16 B (REWIS RS 2017, 7968)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7968

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 1 KR 59/16 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Beweisantrag - Fehlen von Entscheidungsgründen


B 1 KR 50/15 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Zulassungsgrund - Verfahrensmangel - Amtsermittlungsgrundsatz - Beweisanregung - Beweisantrag - …


B 1 KR 18/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Beweiswürdigung - Fehlen von Entscheidungsgründen


B 1 KR 99/18 B (Bundessozialgericht)


B 1 KR 99/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Anhörungsrüge


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.