Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2010, Az. 5 StR 319/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 1956

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

5 [X.] [X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 27. Oktober 2010 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer Vergewaltigung u. a.
- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 27. Okto-ber 2010, an der teilgenommen haben: Vorsitzender [X.] Basdorf, [X.] [X.], [X.] [X.], [X.]in Dr. [X.], [X.] Prof. Dr. König als beisitzende [X.], St[X.]tsanwalt beim [X.]als Vertreter der [X.], Rechtsanwältin [X.]als Verteidigerin, Rechtsanwältin [X.]als Nebenklägervertreterin, Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, - 3 - für Recht erkannt:
Die Revision der St[X.]tsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 19. Februar 2010 wird verworfen. Die St[X.]tskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen [X.] zu tragen. [X.] Von Rechts wegen [X.]
G r ü n d e 1 Das [X.] hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigespro-chen, am 3. Juni 2009 unter Einsatz eines Messers die Nebenklägerin in de-ren Wohnung verbracht, vergewaltigt, körperlich misshandelt und der Freiheit beraubt sowie sie anschließend unter Einsatz des Messers beraubt zu ha-ben. Die gegen den Freispruch gerichtete, lediglich mit der Sachrüge geführ-te Revision der St[X.]tsanwaltschaft, die vom [X.] vertreten wird, bleibt ohne Erfolg. 1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: 2 a) Der 1994 wegen Ermordung einer Frau [X.] nach deren Fesselung und Knebelung [X.] zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilte —über-gewichtige und äußerlich auch sonst wenig attraktive Angeklagtefi ([X.]) lernte im Juni/Juli 2008 die Nebenklägerin an deren Arbeitsstelle, einem Ge-schäft für Reisebedarf an einer U-Bahn-Station, kennen. Im Laufe der [X.] 3 - 4 - entstand ein enger Kontakt mit intensiven Gesprächen und häufigerem [X.] elektronischer [X.]. Die Nebenklägerin sandte dem [X.] am 21. Oktober 2008 ein Bild mit nackten Brüsten mit dem beige-fügten Text: —[X.] damit, liebe Grüße Deine Doro.fi Der Angeklagte kaufte auf seinen Namen für die [X.] SCHUFA-belastete [X.] Nebenklägerin eine Waschmaschine. Anfang März 2009 besuchte er sie zu Hause. Darüber war sie ungehalten; sie forderte ihn auf, gegenüber ihren Arbeitskolleginnen deut-lich zu machen, dass es keine engen Kontakte zwischen ihnen gebe. Diese Forderung fixierte sie schriftlich auf einem Zettel, den sie dem Angeklagten übergab. Der persönliche Kontakt und der Austausch elektronischer Kurz-nachrichten wurden fortgesetzt. Am 22. April 2009 schenkte der Angeklagte der Nebenklägerin ein Mobiltelefon im Wert von ca. 140 •. 4 Die Nebenklägerin unterhielt seit April 2009 mit dem Zeugen [X.]eine Beziehung. Dieser klingelte am Nachmittag des 3. Juni 2009 mehrfach ergebnislos an der Tür des Wohnhauses der Nebenklägerin. 5 b) Die nach übereinstimmenden Bekundungen des Angeklagten und der Nebenklägerin gemeinsam in deren Wohnung zugebrachte [X.] zwischen 14.00 Uhr und 2.45 Uhr des Folgetages hatten beide in der Hauptverhand-lung sich widersprechend geschildert. [X.]) Der Angeklagte hat ausgeführt, dass beide nach Verzehr eines [X.] Essens geschlafen hätten, er dann ein Bad genommen und gegen 19.00 Uhr die nackt auf dem Bett liegende Nebenklägerin [X.] objektiv ohne erkennbare Fesselungsspuren [X.] fotografiert habe. Nach einer weiteren [X.] des Schlafens habe er im Wohnzimmer auf dem Mobiltelefon der [X.] gespeicherte Nachrichten gefunden, aus denen sich ergeben habe, dass zwischen der Nebenklägerin und dem Zeugen [X.]eine feste Bezie-hung bestehe. Er habe die Nebenklägerin zur Rede gestellt, die aber eine Beziehung zu dem Zeugen [X.]
nicht zugegeben habe. Er habe es [X.], der Aufforderung der Nebenklägerin entsprechend in ihr Schlafzimmer 6 - 5 - zu kommen, wo sie ihm hätte beweisen wollen, wie sehr sie ihn liebe. Zu kei-nem [X.]punkt sei es zu sexuellen Handlungen gekommen. Er habe ihr aus Enttäuschung private und berufliche Schwierigkeiten angedroht, falls sie ihm nicht innerhalb von zehn Tagen das Geld für die Waschmaschine und das Mobiltelefon zahlen würde. [X.]) Die Nebenklägerin hat angegeben, der Angeklagte habe sie be-reits unter Vorhalt eines Messers gezwungen, ihn im Auto zu ihrer Wohnung zu fahren; dort habe er ihr sofort nach Betreten der Wohnung die Hände mit einer Gazebinde auf dem Rücken zusammengebunden und ihr mit einem Geschirrtuch aus der Küche die Augen verbunden. Er habe sie trotz der [X.] ausgezogen. Nach einem abgenötigten Zungenkuss habe sie ihn oral befriedigen müssen. Er habe auch an ihrer Scheide geleckt. Sie habe dem Pizzaboten [X.] nach dessen Klingeln an der Haustür [X.] auf Geheiß des Ange-klagten bekleidet geöffnet und sich diesem aus Angst nicht offenbart. Nach erneutem Ausziehen und erneuter Fesselung habe sie das Essen abgelehnt. Im Schlafzimmer habe der Angeklagte vergeblich versucht, vaginal in sie einzudringen. Dann habe er dies mit Fingern und einem Dildo getan, den sie dann auch selbst habe benutzen müssen. Als [X.]geklingelt habe, habe der Angeklagte ihr das Messer drohend an den Hals gehalten. Sie habe im-mer wieder [X.] trinken müssen, den er ihr eingeflößt habe. [X.] habe er ihr versagt. Er habe ihr einen Eimer hingestellt, in den sie sich erbrochen und uriniert habe; er müsse diesen Eimer in seiner [X.] mitgebracht haben. Nachdem es ihr gelungen sei, die Fesselung zu lösen und die Augenbinde nach oben zu schieben, habe sie gesehen, wie der nackte Angeklagte Schränke und Schubladen im Wohnzimmer [X.] habe. Nach einem Fluchtversuch habe er sie gegen den Kopf geschla-gen und sie sei zu Boden gegangen. Er habe sie erneut gefesselt und ihre Augen verbunden, sie wieder zum Bett gebracht und sich weiter unter Halten des Messers an ihren Hals an ihr vergangen. Sie sei dann eingeschlafen. 7 - 6 - c) Die Nebenklägerin versuchte um 4.08 Uhr und 8.05 Uhr mit ihrem Freund [X.]in Kontakt zu treten. Nachdem sie ihn um 8.22 Uhr um einen sofortigen Anruf gebeten hatte, weil etwas ganz Schlimmes passiert sei, teilte sie ihm auf dessen Anruf um 9.30 Uhr weinend mit, dass sie vergewaltigt worden sei. Nach intensivem Zureden durch K.

erklärte sich die Neben-klägerin gegen 14.00 Uhr mit einer Verständigung der Polizei einverstanden. An den in der Wohnung der Nebenklägerin auf dem Bettlaken und dem Bett-bezug gesicherten Spermaspuren wurde die DNA des Angeklagten ausge-schlossen. 8 Nach dem Geschehen begab sich die Nebenklägerin in psychiatrische Behandlung bei dem als sachverständigen Zeugen vernommenen Kr.

, der eine posttraumatische Belastungsstörung ohne Tendenzen für eine Vorspiegelung oder Simulation festgestellt habe. Wegen einer von [X.] zum Nachteil der Nebenklägerin geprägten früheren Beziehung hat das [X.] nicht feststellen können, ob das Geschehen vom 3. und 4. Juni 2009 Ursache für die Störung der Nebenklägerin gewesen ist. 9 Der sachverständige Zeuge A.

hat keine gynäkologisch rele-vanten Verletzungen festgestellt, die von der Nebenklägerin am 4. Juni 2009 in ihrer polizeilichen Vernehmung geschilderte Blutungen im Intimbereich hätten belegen können. Auch der von der Nebenklägerin in der [X.] berichtete massive Schlag in das Gesicht durch den Angeklagten konnte medizinisch nicht verifiziert werden; eine dezente Rötung am linken Handgelenk könnte von einer Fesselung oder vom Tragen eines Schmuck-stücks oder einer Uhr herrühren. 10 d) Das [X.] hat bei der Qualitätsanalyse der Aussagen der Nebenklägerin erhebliche Mängel hinsichtlich des Rand- und [X.]gesche-hens festgestellt: 11 - 7 - Von der Revision nicht beanstandet hat das [X.] dargelegt, dass die Nebenklägerin hinsichtlich der Intensität ihrer Beziehung zum Ange-klagten vor dem 3. Juni 2009 und zur Schenkung des Mobiltelefons in ihrer ersten polizeilichen Vernehmung unwahre Angaben gemacht habe, ohne hierfür in der Hauptverhandlung eine plausible Erklärung abgeben zu [X.]. Unwahre Angaben der Nebenklägerin hat das [X.] auch zu den Umständen der Übergabe des von ihr geschriebenen und dem Angeklagten übergebenen Zettels mit an den Angeklagten gerichteten Verhaltensanwei-sungen festgestellt. 12 Auf Vorhalte unterschiedlicher Aussagen hinsichtlich des Zusammen-treffens mit einer Nachbarin und der [X.] vom [X.] als wenig nachvoll-ziehbar bewerteten [X.] Essensbestellung in Unterbrechung sexuell motivierter Gewalthandlungen habe sich die Nebenklägerin auf nicht weiter erklärte [X.] bezogen. Dies sei auch hinsichtlich der in mehreren [X.] unterschiedlich geschilderten Situation geschehen, bei der die Nebenklägerin gefesselt gewesen sei, ferner zu dem Messereinsatz des [X.] und dem von ihr geschilderten Fluchtversuch. 13 Hinsichtlich unterschiedlicher Angaben der Nebenklägerin zum [X.]-geschehen, nämlich der Art und Reihenfolge der abgenötigten und erdulde-ten [X.], hat es das [X.] als nicht nachvollziehbar ge-wertet, dass die Nebenklägerin in einer späteren Vernehmung die versuchte vaginale Penetration als [X.] weil ihren Freund möglicherweise belastend [X.] be-sonders bedeutsam, in ihrer Erstvernehmung und bei der Befragung durch den Arzt aber als nicht erwähnenswert betrachtet habe. Die Angabe der [X.], sie sei von dem Arzt nicht nach der Vornahme des [X.] befragt worden, hat das [X.] durch die Aussage des sachverständi-gen Zeugen A. als widerlegt angesehen. 14 Das [X.] hat diese Qualitätsmängel in der Aussage der [X.] als Ungereimtheiten, Widersprüche und Falschaussagen [X.] - 8 - tet und sich nicht in der Lage gesehen, eine Verurteilung auf die Aussage der Nebenklägerin zu gründen, die auch nicht durch äußere Umstände gestützt worden sei. 2. Das Urteil hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung stand. 16 a) Das [X.] hat den sich aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO erge-benden Umfang der Darlegungspflicht entscheidungsrelevanter Umstände nicht missachtet (vgl. [X.]St 52, 314, 315; [X.], 529). 17 Das gilt entgegen der Auffassung der Revision auch hinsichtlich der Persönlichkeit und des Werdegangs des Angeklagten, einschließlich seiner Verurteilung wegen Mordes im Jahre 1994 zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren nebst den hierzu festgestellten Begleitumständen. Der Senat [X.] den wertenden Betrachtungen des [X.]s UA S. 16 f., 28, in die es den Angaben der Nebenklägerin widersprechende objektive Beweisanzei-chen ersichtlich einbezogen hat, dass auf die Angaben der Nebenklägerin eine Verurteilung des Angeklagten schlechterdings nicht gestützt werden könne. Bei einem schon hierdurch unaufklärbaren Tatgeschehen hätten die von der Revision vermissten Darlegungen keine maßgebliche Stärkung von [X.] begründen können. Daher liegt keine sachlichrechtlich relevante Erörterungslücke zugunsten des Angeklagten vor. 18 b) Auch im Übrigen hält die Beweiswürdigung des [X.]s den sachlichrechtlichen Anforderungen stand (vgl. [X.], 925, 928 m.w.N., insoweit in [X.]St 50, 299 nicht abgedruckt). 19 [X.]) Soweit dem [X.] zu entnehmen ist, die posttraumati-sche Belastungsstörung der Nebenklägerin sei insofern lückenhaft erörtert worden, als diese nicht als Ursache für die Qualitätsmängel der Aussage der Nebenklägerin herangezogen worden sei, wird keine relevante Lücke darge-legt. Mangels wissenschaftlicher Anerkennung der Forderungen der [X.] - 9 - logischen Traumatologie im Zusammenhang mit der Glaubhaftigkeitsbeurtei-lung (vgl. Steller in [X.] für [X.] 2002, [X.], 70) kann die Beweiswürdigung des [X.]s nämlich gesicherte wissen-schaftliche Erkenntnisse nicht übergangen haben. Das [X.] hat zu-dem wesentliche Mängel schon in den Widersprüchlichkeiten der Aussagen unmittelbar nach der Tat, die nach dem [X.] von der Traumati-sierung unbeeinflusst geblieben wären, festgestellt und auf mit keinem Trauma in Zusammenhang stehende bewusst unwahr geschilderte [X.] abgestellt. [X.]) Die Bewertung der [X.] der Nebenklägerin ist auch in anderer Hinsicht beanstandungsfrei. 21 22 Dem Senat ist es [X.] im Gegensatz zur Auffassung des Generalbun-desanwalts [X.] verwehrt, den vom [X.] hergestellten Zusammenhang von bewusst unwahrer Aussage im Randbereich und Qualitätsmängeln im [X.]bereich der Aussage der Nebenklägerin in Frage zu stellen. Diesen Zu-sammenhang zu bewerten, gehört zum [X.] tatrichterlicher Beweiswürdi-gung. Nach der durch §§ 261 und 337 StPO vorgegebenen Aufgabenvertei-lung zwischen Tat- und Revisionsgericht kann es nicht darauf ankommen, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zwei-fel überwunden hätte (vgl. [X.]St 10, 208, 211; 29, 18, 20). Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststel-lung lebensfremd erscheinen mag ([X.], Urteil vom 15. Juli 2008 [X.] 1 [X.]). Falls das Tatgericht [X.] wie hier [X.] ausgehend von einer lü-ckenlosen Tatsachengrundlage zu der nachvollziehbaren und plausiblen Schlussfolgerung gelangt ist, die Zeugenaussage sei nicht geeignet, eine Verurteilung eines Angeklagten zu begründen, hat dies [X.] nicht anders als in gegenteiligen Verurteilungsfällen (vgl. Brause NStZ 2007, 505, 512) [X.] als möglicher Schluss des Tatgerichts (vgl. [X.]St 10, 208, 210 f.; 29, 18, 20; 36, 1, 14) in der Revisionsinstanz Bestand (vgl. [X.] NStZ 2005, 334). Die - 10 - vom Revisionsgericht nicht mehr hinzunehmende, einen Rechtsfehler zu-gunsten des Angeklagten begründende Grenze der Denkfehlerhaftigkeit (vgl. [X.]St 10, 208, 211) wird vom [X.] nirgendwo überschritten. Basdorf Brause [X.] [X.] König

Meta

5 StR 319/10

27.10.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2010, Az. 5 StR 319/10 (REWIS RS 2010, 1956)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1956

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 319/10 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen besonders schwerer Vergewaltigung: Revisionsgerichtliche Nachprüfung eines Freispruchs in Ansehung tatrichterlicher Beweiswürdigung des Aussageverhaltens …


2 StR 485/07 (Bundesgerichtshof)


4 StR 422/04 (Bundesgerichtshof)


5 StR 633/07 (Bundesgerichtshof)


5 StR 139/06 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

5 StR 319/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.