Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.08.2006, Az. 5 StR 139/06

5. Strafsenat | REWIS RS 2006, 2107

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5 [X.][X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 23. August 2006 in der Strafsache gegen wegen Totschlags u. a.

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 23. [X.] 2006, an der teilgenommen haben: [X.] als Vorsitzender, [X.]in [X.], [X.] Dr. Raum, [X.] Dr. Brause, [X.] [X.] als beisitzende [X.], Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin der [X.], Rechtsanwalt [X.]. , Rechtsanwalt [X.]als Verteidiger, Rechtsanwalt [X.]als Vertreter der Nebenklägerin, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, - 3 - für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Neben-klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 10. August 2005 werden verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. [X.] Von Rechts wegen [X.]
G r ü n d e Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags und schweren Raubes in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in weiterer Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn vom Vorwurf der Vergewaltigung in vier Fällen, der Freiheitsberaubung und der versuchten Nötigung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Nebenklägerin und die Staatsanwaltschaft erstreben mit ihren Revisionen eine Verurteilung wegen Mordes, die [X.] zudem die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht. [X.]ließlich greift die Staatsanwaltschaft den Teilfreispruch an. Beide Rechtsmittel blei-ben erfolglos. 1 - 4 - [X.] Nach den Urteilsfeststellungen tötete der damals 20-jährige Angeklagte im Juli 2004 die 18-jährige [X.]nach einer mit einver-ständlichem Geschlechtsverkehr und erheblichem Drogenkonsum verbrach-ten gemeinsamen Nacht. Das vom Angeklagten angegebene Tötungsmotiv [X.] er habe ausschließen wollen, dass [X.]anderen von ihren sexuellen Erleb-nissen mit ihm erzählt und sich seine Freundin aus diesem Grund von ihm trennt [X.] hat die Kammer mit dem psychiatrischen [X.]en K. in Zweifel gezogen. Was dem eigentlichen Tötungsangriff [X.] dem [X.] von hinten mit einem Halstuch, [X.]al oder zerschnittenen T-Shirt [X.] im Einzelnen vorausging, konnte die [X.] nicht feststel-len. Sie hat sich deshalb, auch unter Berücksichtigung des [X.] von hinten, keine sichere Überzeugung von einem objektiv heimtückischen [X.] zu verschaffen vermocht. Angesichts der Ausführungen des Sachver-ständigen K. zu möglichen drogenbedingten Beeinträchtigun-gen der Realitätswahrnehmung hat sie zudem nicht mit der für eine [X.] hinreichenden Sicherheit feststellen können, dass der Angeklagte eine etwaige Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst ausgenutzt hätte. [X.] beraten, hat die [X.] eine erhebliche Verminde-rung der Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung infolge massiven [X.] ([X.], Speed, Kokain und Haschisch) nicht auszuschließen ver-mocht. 2 Ebenfalls im Juli 2004 überfiel der Angeklagte unter Drogen-einfluss die Betreiberin eines [X.]ungsladens unter Vorhalt eines Messers, wobei er die Überfallene mit [X.]nürsenkeln und einem Tuch fesselte und 2.250 Euro Bargeld entwendete. 3 Vom Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil der Getöteten [X.] [X.]und der dreifachen Vergewaltigung sowie Freiheitsberaubung und versuchten Nötigung zum Nachteil der Zeugin [X.] hat die [X.] - 5 - kammer den diese Vorwürfe bestreitenden Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen, weil sie das Geschehen vor der Tötung von [X.] [X.]nicht hinreichend aufzuklären vermochte und der Zeugin [X.] auf-grund mehrerer Widersprüche in ihrer Aussage zum Kerngeschehen keinen vollen Glauben geschenkt hat. I[X.] Die Revisionen bleiben erfolglos. 5 1. Revision der Staatsanwaltschaft 6 Die Staatsanwaltschaft hat ihre Revision auf die Freisprüche des Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung der getöteten [X.]und weiterer Taten zum Nachteil der Zeugin U. , auf die rechtliche Würdi-gung der Tötung von [X.] [X.]als Totschlag, auf die Anwendung des Jugendstrafrechts und die Strafzumessung beschränkt; die [X.] hat diese Revision ursprünglich nur hinsichtlich des Freispruchs von Taten zum Nachteil der Zeugin [X.]und hinsichtlich der Nichtannahme ei-nes Heimtückemordes zum Nachteil der [X.][X.]vertreten und vertritt sie nunmehr auch hinsichtlich der Anwendung von Jugendstrafrecht. 7 a) Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft nicht vertreten wird, kann sie aus den von der [X.] genannten Gründen kei-nen Erfolg haben. Dass sich das [X.] keine hinreichende Überzeu-gung von einer Vergewaltigung der [X.] [X.]bilden konnte, ist angesichts des Fehlens hinreichend aussagekräftiger Anhaltspunkte für eine solche Tat nicht zu beanstanden. Dies gilt namentlich, weil das [X.] insoweit die Aussage des sich im Übrigen selbst schwer belastenden Angeklagten zur Einvernehmlichkeit sexueller Handlungen vor dem Hintergrund der [X.] nachvollziehbar als glaubhaft gewertet hat. Die Ableh-nung des [X.] der niedrigen Beweggründe ist angesichts des [X.] 6 - chiatrischen Befundes zur Tatzeit vor dem Hintergrund massiver Drogenbe-einflussung und der Erwägung des psychiatrischen [X.]en, das vom Angeklagten genannte Motiv sei wahrscheinlich nicht das wahre, son-dern nur vorgeschoben, ebensowenig zu beanstanden wie die Strafzumes-sung; die Erwägung zur hypothetischen Strafrahmenverschiebung bei An-wendung von Erwachsenenstrafrecht steht nicht in Widerspruch zur Recht-sprechung des Senats (vgl. BGHSt 49, 239, 248). b) Auch soweit die Revision der Staatsanwaltschaft von der [X.] vertreten wird, deckt sie keinen durchgreifenden Rechts-fehler zum Vorteil des Angeklagten auf. 9 aa) Dass das [X.] das Mordmerkmal der Heimtücke abgelehnt hat, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Zutreffend hat die [X.] gesehen, dass die vom Angeklagten selbst geschilderte Tötungsart [X.] Erdrosseln von hinten mittels Halstuch, [X.]al oder zerschnitte-nem T-Shirt [X.] angesichts des Tatorts ([X.] am Kanal) und der Tatzeit in den frühen Morgenstunden ganz erheblich für eine heimtückische Tötung der [X.] [X.]spricht. Diesem gewichtigen Gesichtspunkt hat es auf [X.] den Umstand entgegengestellt, dass sich keinerlei sichere Feststel-lungen zum Geschehen unmittelbar vor Beginn der [X.] ließen, also auch ein Vorgeschehen nicht ausgeschlossen werden konn-te, das zuvor vorhandene Arglosigkeit beseitigt haben könnte. Dass der An-geklagte [X.] [X.]nach Verlassen der Wohnung bewusst in [X.] zu dem einsamen Tatort geführt hat, konnte die Kammer ebensowenig feststellen. 10 Entscheidend hat das [X.] sodann darauf abgestellt, dass angesichts der Ausführungen des [X.]en K. zu möglicherweise erheblichen Wahrnehmungseinschränkungen des unter massivem Drogeneinfluss stehenden Angeklagten nicht hinreichend sicher 11 - 7 - festgestellt werden könne, dass dieser eine etwaige Arglosigkeit von [X.] [X.]zutreffend erkannt und in feindlicher Willensrichtung ausgenutzt hätte. Dieser tatrichterliche [X.]luss ist auf der Grundlage der Feststellungen jeden-falls möglich und deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmen. Dass eine andere tatrichterliche Wertung ebensogut möglich gewesen wäre und wo-möglich [X.] worauf die [X.] zutreffend hinweist [X.] gar näher gelegen hätte, begründet noch keinen revisiblen Rechtsfehler. Wesentliche Erörte-rungsdefizite deckt die Revision der Staatsanwaltschaft insoweit nicht auf. Dies gilt auch für die Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO. Die Beanstandung, die verlesenen technischen Gutachten seien nicht erörtert worden, zeigt keine Diskrepanz oder Lücke auf (vgl. BGHSt 38, 14, 16 f.). 12 bb) [X.] vom Vorwurf der Verge-waltigung in drei Fällen, der Freiheitsberaubung und der versuchten Nötigung zum Nachteil der Zeugin [X.]hat Bestand. Einziges Beweismittel war in [X.] die Aussage der Zeugin [X.]. Dass sich das [X.] allein auf dieser Grundlage keine für eine Verurteilung hinreichende Überzeugung von den angeklagten Taten hat bilden können, ist aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden. 13 Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das [X.] grundsätzlich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung Sache des Tatrichters ist. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeu-gungsbildung gestellt hat (vgl. [X.], 925, 928 m.w.N.). 14 - 8 - Diesen Anforderungen hält die Beweiswürdigung des Landge-richts stand. Die Kammer hat zum einen auf erhebliche Abweichungen in den Angaben der Zeugin [X.] zum Kerngeschehen der jeweiligen Anklagevor-würfe in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 13. Juli 2004 und in der knapp ein Jahr später durchgeführten Hauptverhandlung abgestellt. Diese Abwei-chungen betreffen nach den Feststellungen des [X.]s wesentliche Punkte der angeklagten Taten, etwa ob es zum ersten Messereinsatz vor oder in der Wohnung gekommen ist, ob der Angeklagte sie unter Drohungen gezwungen hat, sich auszuziehen, wie viele erzwungene Sexualhandlungen in welchem zeitlichen Rahmen es gegeben, in welcher Form eine Fesselung stattgefunden und ob der Angeklagte sie anschließend bedroht hat. Mögen diese Abweichungen [X.] wie die [X.] zutreffend vorbringt [X.] für sich gesehen noch mit dem [X.]ablauf zwischen der ersten und der zweiten Vernehmung erklärbar sein, ist die Skepsis des [X.]s doch nament-lich vor dem Hintergrund folgender weiterer Feststellungen nicht zu bean-standen: Die Zeugin [X.]konnte mehrfach über Stunden die Wohnung un-gehindert verlassen, sie hat dem Angeklagten möglicherweise den Weg zu dem von ihm überfallenen [X.]ungsladen gewiesen, sie wurde danach vom Angeklagten zu Besorgungen außer Haus geschickt, anschließend gab sie gemeinsam mit dem Angeklagten bei einem längeren Einkauf das erbeute Geld aus, sie verbrachte den Abend unmittelbar nach Abschluss der [X.] Taten gemeinsam mit dem Angeklagten und dessen damaliger Freundin, der Zeugin [X.], und machte auf diese einen ganz normalen Eindruck, war allerdings eifersüchtig und enttäuscht über mangelnde Zuwen-dung durch den Angeklagten. Nicht erklären konnte die Zeugin [X.], weshalb sie mit ihrem —[X.], der sie zwei Tage eingesperrt, gefesselt und zu sexuellen Handlungen gezwungen haben soll, anschließend längere [X.] einkaufen ging und den Abend gemeinsam mit dessen Freundin ver-brachte und weshalb sie [X.] trotz mehrfacher Gelegenheit [X.] nicht die Wohnung verließ oder, vom Angeklagten zu Besorgungen außer Haus geschickt, [X.] wegblieb. 15 - 9 - cc) Die Anwendung von Jugendstrafrecht auf den heranwach-senden Angeklagten nach § 105 Abs. 1 JGG hält sich innerhalb des weiten [X.], der dem Jugendrichter insoweit zukommt (vgl. BGHSt 36, 37 f.; [X.], 73), und bedurfte auch nicht weiterer als der erfolgten Begründung. 16 2. Revision der Nebenklägerin 17 Die Revision der Nebenklägerin hat aus den unter I[X.] 1. a) und b) aa) genannten Gründen keinen Erfolg. 18 II[X.] [X.]ließlich merkt der Senat an, dass es nicht angängig ist, im schriftlichen Urteil die Einlassung des Angeklagten in Form der Fotokopie eines handschriftlichen Textes mitzuteilen. 19 [X.]Raum Brause [X.]

Meta

5 StR 139/06

23.08.2006

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.08.2006, Az. 5 StR 139/06 (REWIS RS 2006, 2107)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2107

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