Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2015, Az. 4 StR 183/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 2802

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
183/15

vom
5. November 2015
in der Strafsache
gegen

wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.]s hat in der Sitzung vom 5.
November
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am [X.]
Sost-Scheible,

[X.]in
am [X.]
Roggenbuck,
[X.] am [X.]
Cierniak,
[X.],
Dr. Quentin

als beisitzende [X.],

Bundesanwalt
beim [X.]

in der Verhandlung ,
[X.] beim [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter des
[X.]s,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 9.
Dezember 2014 wird ver-worfen.
2.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
1.
Dem Angeklagten liegt zur Last, am 4.
Februar 2013 in [X.].

B.

vergewaltigt zu haben.
2.
Die [X.] hat hierzu im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

B.

feierte am Abend des 3.
Februar 2013 mit Kameraden der
[X.] im [X.] der N.

-Kaserne und später in
einer Diskothek in [X.].

. Dort lernte sie den Angeklagten kennen. Gegen
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4
-
4
-
4.30
Uhr suchte sie mit ihm die Damentoile
r-wiesen wurden. Vor 5
Uhr verließen beide die Diskothek. Etwa um 6.45
Uhr erfolgte auf einem ca. 2,9

exueller .

.
3.
Das [X.] vermochte sich von der Täterschaft des die Tatbege-hung bestreitenden Angeklagten nicht zu überzeugen. Zwar folgte es den [X.] von

B.

zum Tatgeschehen, zumal ein auf dem Weg zur
Schule befindlicher Zeuge gesehen hat, wie [X.] vor einer unbekleideten Frau stand und weglief, als er ihn bemerkte, ihn anschließend die weinende Zeugin B.

um Hilfe bat und kurze Zeit später eingetroffene [X.]olizeibeamte
die nur mit Jeans und einem [X.] bekleidete

B.

auffanden, an deren
gesamten Körper Blutergüsse festgestellt wurden. Auch stellt die [X.] -

e-rung nicht in Frage und vermag bei ihr ein Falschbelastungsmotiv nicht zu er-kennen. Hinsichtlich der Belastung des Angeklagten als Täter hält sie die [X.] Vergangenheit bereits dreimal andere [X.]ersonen wegen, zum Teil erheb-t-einen zu einem Streit mit ihren Kameraden in der Diskothek, zum anderen zu ihrem Alkoholkonsum sei-fel an der Täter

4.
Gegen die Würdigung der Beweise wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrem auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel.
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6
-
5
-
II.
Die vom [X.] vertretene Revision hat keinen Erfolg.
1.
Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche [X.]rüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Seine Schlussfolgerungen müssen nur möglich sein ([X.], Beschluss vom 26.
Juni 2008

2
BvR
2067/07, Rn.
43); das Revisionsgericht hat die tatrichterliche Überzeugungsbil-dung sogar dann
hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Bewei-se näherliegend gewesen wäre ([X.], Urteil vom 5.
Dezember 2013

4
StR 371/13 mwN).
2.
Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des [X.]s nicht zu beanstanden. Sie beruht auf einer ausreichenden
Gesamtschau der [X.] objektiven und subjektiven Tatumstände.
a)
Die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht lückenhaft.
aa)
Die tatrichterliche Beweiswürdigung kann ihrer Natur nach nicht er-schöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt wer-den. Dies ist von Rechts wegen auch nicht zu verlangen. Aus einzelnen Lücken kann daher nicht ohne Weiteres abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende [X.] nicht bedacht ([X.], Urteile vom 28.
Oktober 2010

4
StR
285/10, 7
8
9
10
11
-
6
-
NStZ-RR 2011, 50; vom 5.
Dezember 2013

4
StR
371/13). [X.] ist eine Beweiswürdigung vielmehr namentlich dann,
wenn sie wesentliche Feststellun-gen nicht erörtert. Bei der [X.]rüfung, ob eine solche Lücke vorliegt, ist es jedoch nicht Sache des Revisionsgerichts, Mutmaßungen darüber anzustellen, ob wei-tere Beweismittel zur Aufklärung der Tatvorwürfe zur Verfügung gestanden [X.] oder weitere Beweise erhoben und im Urteil lediglich nicht gewürdigt [X.] sind. Schon gar nicht kann das Revisionsgericht aufgrund derartiger [X.] das Urteil auf die Sachrüge hin aufheben. Vielmehr ist es in solchen Fällen Sache der Staatsanwaltschaft, entweder durch Erhebung einer Aufklä-rungsrüge geltend zu machen, dass das [X.] weitere mögliche Beweise zur Erforschung des Sachverhalts unter Verstoß gegen §
244 Abs.
2 St[X.]O nicht erhoben hat, oder zu beanstanden, dass es hierzu erhobene Beweise nicht in seine Würdigung einbezogen und daher zu seiner Überzeugungsbildung den Inbegriff der Hauptverhandlung nicht ausgeschöpft hat ([X.], Urteile vom 28.
Oktober 2010

3
StR
317/10, NStZ-RR 2011, 88
f.; vom 5.
Dezember 2013

4
StR
371/13).
bb)
Auf dieser Grundlage haben die Beanstandungen der Revisionsfüh-rerin zur [X.]igkeit der tatrichterlichen Beweiswürdigung keinen Erfolg.
Sie erschöpfen sich zum einen in Hinweisen auf nicht oder unzureichend getroffene Feststellungen etwa zu dem von der Zeugin B.

behaupteten
Einbruch der Zeugin Bo.

sowie zu den Beschuldigungen der Zeugin
B.

gegen die Zeugin C.

und den Zeugen H.

. Weder hierzu noch
zu der Beanstandung, dass (nähere) Feststellungen zu dem Geschehen auf der Toilette und zu der Frage fehlen, ob und gegebenenfalls wie dabei DNA

deren Mitverursachung durch den Angeklagten indes lediglich nicht auszuschließen war

an die Bekleidungsstücke der Zeugin B.

(u.a. [X.], [X.]) gelangt sein
12
13
-
7
-
könnte, hat die Staatsanwaltschaft keine Verfahrensrügen erhoben. Soweit sie zum anderen geltend macht, einzelne Feststellungen der [X.] seien nicht von den erhobenen Beweisen getragen, sind diese Beanstandungen aus den vom [X.] in der Antragsschrift vom 30.
Juni 2015 darge-legten Gründen erfolglos.
b)
Die Beweiswürdigung in dem landgerichtlichen Urteil enthält auch [X.] einen Rechtsfehler darstellende Widersprüche.
Ein solcher die Sachrüge begründender Widerspruch kann nicht allein darin liegen, dass einzelne Beweismittel miteinander Unvereinbares ergeben haben. Ebenso wenig kann ein Widerspruch darin gesehen werden, dass das Gericht einer Zeugenaussage folgt, aber hieraus nicht die von der [X.] gezogene Schlussfolgerung ziehen will (vgl. [X.], Urteile vom 16.
Mai 2013

3
StR
45/13, [X.], 339; vom 4.
April 2013

3
StR
37/13, [X.]R StGB §
212 Abs.
1 Vorsatz, bedingter
64; vom 20.
September 2012

3
StR
158/12, [X.], 89; vom 5.
Dezember 2013

4
StR
371/13).

zwischen der Zeugin B.

und dem Zeugen A.

geschildert haben, stellt
es daher keinen die Beweiswürdigung aus Rechtsgründen in Frage stellenden Widerspruch dar, dass die Zeugin B.

auf die Zeugin H.

eifersüchtig
war, obwohl unter den [X.] Soldaten bekannt war, dass die Zeugin
H.

lesbisch sei.
c)
Schließlich hat das [X.] weder die gebotene Gesamtwürdigung der für und gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstände 14
15
16
17
-
8
-
unterlassen oder rechtsfehlerhaft vorgenommen, noch hat es überspannte An-forderungen an die entsprechende Überzeugungsbildung gestellt.
Eine Gesamtwürdigung hat die [X.] vielmehr ausdrücklich vor-genommen. Sie hat aber auch angesichts der von ihr nicht verkannten, den [X.] belastenden Umstände weder naheliegende andere Deutungsmög-lichkeiten außer Acht gelassen, noch bloße Schlussfolgerungen zur [X.] von Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten angeführt, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt oder die als eher fernliegend zu betrachten sind. Vielmehr hat sie ihre Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten auf insofern bestehende Zweifel an der Richtigkeit
der Aussage der Zeugin
B.

gestützt.
Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn bei einem [X.] zwischen mehreren Erkenntnisquellen hat das Gericht ohne Rücksicht auf deren Art und Zahl darüber zu befinden, in welchen von ihnen die Wahrheit ihren Ausdruck gefunden hat. Stehen sich Bekundungen eines

insbesondere einzigen

Zeugen und des Angeklagten unvereinbar gegenüber, darf das [X.] allerdings den Bekundungen dieses Zeugen nicht etwa deshalb, weil er (gegebenenfalls) Geschädigter
ist, ein schon im Ansatz ausschlaggebend [X.] beimessen als den Angaben des Angeklagten. Maßgebend ist der innere Wert einer Aussage, also deren Glaubhaftigkeit (vgl. [X.], Urteil vom 21.
Januar 2004

1
StR
379/03, [X.], 635
f.). Bei deren
[X.]rüfung darf und muss der Tatrichter gegebenenfalls aber auch berücksichtigen, ob der Zeuge schon andere zu Unrecht der Begehung von Straftaten bezichtigt hat (vgl. §
68a Abs.
2 Satz
2 St[X.]O; [X.], Beschluss vom 12.
März 2002

1
StR 557/01, [X.], 495). Zwar ist in solchen Fällen eine sorgfältige Beweis-würdigung geboten; der Tatrichter ist aber aus Rechtsgründen nicht gehindert, 18
19
-
9
-
auch aufgrund solcher Umstände in Teilen der Aussage des Belastungszeugen zu glauben, obwohl er ihr in anderen Teilen nicht folgt (allgemein hierzu: [X.], Beschlüsse vom 3.
September 2013

1
StR
206/13; vom 25.
Oktober 2010

1
StR
369/10; vom 29.
Juli 2003

4
StR
253/03 jeweils mwN). Dass bei der [X.] auf dieser Grundlage Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten verblieben sind, obwohl sie von einer Vergewaltigung der Zeugin überzeugt ist, nach ihren Kameraden allein durch [X.].

geirrt ist und dann von einem
unbekannten Täter attackiert bereits für sich zu dem Freispruch des Angeklagten führenden Zweifeln der [X.] an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin B.

zu dessen
Täterschaft. Anders als die Staatsanwaltschaft meint, stützt das Tatgericht da-mit den Freispruch des Angeklagten nicht nur auf eine denktheoretische Mög-lichkeit, sondern auf das Ergebnis ihrer Glaubhaftigkeitsprüfung, zumal die [X.] durch einen [X.] nicht lediglich denkbar, sondern aufgrund der nicht auf den Angeklagten zutreffenden Täterbeschreibung des Schülers (Regenjacke, schwarze Kapuze) durch tatsächliche Anhaltspunkte gestützt ist.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

Mutzbauer
Quentin

Meta

4 StR 183/15

05.11.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2015, Az. 4 StR 183/15 (REWIS RS 2015, 2802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2802

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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