Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.07.2014, Az. 4 StR 137/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4303

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

4
StR
137/14

vom
3. Juli 2014
in der Strafsache
gegen

wegen Verdacht des Totschlags

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 3.
Juli
2014, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,

[X.] am Bundesgerichtshof
Cierniak,
[X.],
[X.],
Dr. Quentin

als beisitzende [X.],

Bundesanwalt

als Vertreter des
[X.]s,

Rechtsanwalt

als Pflichtverteidiger,
Rechtsanwalt

als Vertreter des Nebenklägers R.

P.

,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom
10.
Dezember 2013 wird verworfen.
2.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten im zweiten Rechtsgang von
dem Vorwurf freigesprochen, E.

P.

bei einer tätlichen Auseinanderset-
zung durch einen Messerstich in die Brust getötet und sich dadurch des [X.] schuldig gemacht zu haben. Das erste in dieser Sache ergangene
freisprechende Urteil des [X.]s
vom 1.
Februar 2012 hatte der [X.] auf die Revision der Staatsanwaltschaft mit Urteil vom 13.
Dezember 2012 (Az.
4
StR
177/12) aufgehoben. Gegen den erneuten Freispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und [X.] getroffen:
1
2
-
4
-
1.
In den frühen Morgenstunden des 27.
Juli 2011 hielt sich der Ange-klagte zusammen mit E.

P.

in der Wohnung der Zeugin Sch.

auf.
Beide Männer waren erheblich alkoholisiert. In der [X.] zwischen 3.00
Uhr und kurz vor 5.00
Uhr kam es zwischen ihnen zu einem Streit, der in eine tätliche Auseinandersetzung einmündete. In deren Verlauf
brachte der Angeklagte dem Geschädigten neben einer Verletzung des Kehlkopfes und einer Schnittwunde am Kinn zwei Stiche mit einem Küchenmesser bei. Ein Stich erfolgte in den
Rücken, der andere traf von vorne ins Herz. E.

P.

flüchtete aus der

Wohnung und blieb nach einer Wegstrecke von ca. 70
Metern in einem Haus-eingang liegen, wo er an den Folgen des Herzstichs verstarb.
Den Verlauf der Auseinandersetzung und des sich anschließenden Kampfes hat
das [X.] ebenso wenig zu klären
vermocht, wie die [X.] und den zeitlichen Abstand der dem Geschädigten beigebrachten Ver-letzungen.
2.
Das [X.] hat nicht ausgeschlossen, dass der zum Tatvorwurf schweigende Angeklagte in Notwehr gehandelt hat, weil er in dem von ihm nicht provoziaus der er sich nur durch die ihm zuzurechnenden Stiche befreien konnte.
II.
Das freisprechende Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.
1.
Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er sich von dessen Schuld nicht zu überzeugen vermag, ist dies vom Revisionsgericht in der Regel 3
4
5
6
7
-
5
-
hinzunehmen. Die revisionsrechtliche Prüfung der tatrichterlichen Beweiswür-digung ist auf das Vorliegen von Rechtsfehlern (Widersprüche, Unklarheiten, Lücken, Verstöße gegen Denkgesetze, zu hohe Anforderungen an die Über-zeugungsbildung, unrichtige Anwendung des Zweifelssatzes) beschränkt (vgl. [X.], Urteil vom 11.
März 2014

1
StR
655/13, Rn.
20; Urteil vom 23.
Januar 2014

3
StR
373/13; Urteil vom 5.
Dezember 2013

4
StR
371/13, Rn.
8 mwN). Sind derartige Rechtsfehler nicht feststellbar, kann das Revisionsgericht in die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann nicht eingreifen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich gewesen wäre ([X.], Urteil vom 6.
Dezember 2007

3
StR
342/07, [X.], 146, 147
mwN).
Macht der Angeklagte von seinem Schweigerecht Gebrauch, darf ihm kein Nachteil daraus entstehen, dass er deshalb nicht in der Lage ist, zum
Vorliegen einer Notwehrsituation vorzutragen ([X.], Urteil vom 13.
Dezember 2012

4
StR
177/12, [X.], 117, 119; Urteil vom 11.
April 2002

4
StR
585/01, [X.], 243 mwN). In einem solchen Fall ist von der für ihn günstigsten Möglichkeit auszugehen. Dabei sind jedoch
nicht alle nur denk-baren Gesichtspunkte, zu denen keine Feststellungen getroffen werden [X.], zu Gunsten des
Angeklagten zu unterstellen. Für ihn vorteilhafte Gesche-hensabläufe sind vielmehr erst dann bedeutsam, wenn für ihr Vorliegen reale Anhaltspunkte erbracht sind und sie deshalb nach den gesamten Umständen als möglich in Betracht kommen ([X.], Urteil vom 5.
Dezember 2013

4
StR
371/13, Rn.
20; Urteil vom 11.
Januar 2005

1
StR
478/04, [X.], 147; Urteil vom 11.
April 2002

4
StR
585/01, [X.], 243 mwN).
2.
Daran gemessen ist die Beweiswürdigung des [X.]s nicht zu beanstanden.
8
9
-
6
-
a)
Die Annahme, der Angeklagte habe sich im [X.]punkt des [X.] nicht ausschließbar in einem Kampf mit dem Geschädigten in unterlege-ner Position befunden, ist tragfähig begründet.

Äußerungen des Angeklagten im Ermittlungsverfahren gestützt hat, ist ein Rechtsfehler nicht zu besorgen. Das [X.] hat die einzelnen Einlassun-gen im Zusammenhang gewürdigt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sie Hierfür hat das [X.] mit
den Angaben des Zeugen S.

-
gin Sch.

und der
durch die Vorstrafen (u.a. eine Verurteilung wegen Tot-
schlags z.N. eines Zechkumpanen) dokumentierten
hohen
Gewaltbereitschaft des Geschädigten
reale Anhaltspunkte dargelegt. Der [X.] kann daher aus-schließen, dass das [X.] der Einlassung des Angeklagten [X.] nur deshalb gefolgt ist, weil es keine unmittelbaren Beweise für ihr Gegen-teil gab (vgl. [X.], Urteil vom 5.
Dezember 2013

4
StR
371/13, Rn.
20).
b)
Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft hat das [X.] auch alle wesentlichen Indizien
in seine Erwägungen einbezogen. Seine Be-weiswürdigung ist daher nicht lückenhaft (vgl. [X.], Urteil vom 22.
Mai 2007

1
StR
582/06, Rn.
24 mwN).
Die Widerlagerverletzungen am Rücken des Geschädigten, das Fehlen sichtbarer Verletzungen beim Angeklagten und der Umstand, dass der Ge-schädigte neben den beiden Stichverletzungen noch eine Verletzung am [X.] und eine Schnittwunde am Kinn aufwies, wurden vom [X.] aus-drücklich erörtert. Seine Beurteilung des [X.] dieser gegen ein Handeln in Notwehr sprechenden Indizien ist vertretbar und deshalb vom Revisions-10
11
12
13
-
7
-
gericht hinzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 6.
Dezember 2007

3
StR
342/07, [X.], 146, 147). Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist auch noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass das [X.] das
Gewicht der einzelnen Indizien nicht nur isoliert beurteilt, sondern auch im
Zusammenhang bedacht hat (vgl. dazu [X.], Urteil vom 5.
Dezember 2013

4
StR
371/13, Rn.
8; weitere Nachweise bei Brause, [X.], 329, 330
f.).
3.
Auf die Frage, ob das [X.] die Annahme eines (bedingten)
Tötungsvorsatzes rechtsfehlerfrei abgelehnt hat, kommt es unter diesen Um-ständen nicht mehr an.
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Mutzbauer
Quentin
14

Meta

4 StR 137/14

03.07.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.07.2014, Az. 4 StR 137/14 (REWIS RS 2014, 4303)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4303

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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