Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.12.2019, Az. VIII R 23/16

8. Senat | REWIS RS 2019, 899

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Gegenstand

Schätzung von Einkünften aus Kapitalvermögen


Leitsatz

1. NV: Aus dem Vorhandensein eines bestimmten Vermögens kann nicht ohne Weiteres mit der für die Feststellung einer Steuerhinterziehung erforderlichen Sicherheit auf das Vorhandensein dieses Vermögens bereits zu einem früheren Zeitpunkt --lediglich in abgezinster Höhe-- geschlossen werden. Dazu bedarf es vielmehr der weiteren Feststellung, dass ein zwischenzeitlicher Vermögenszuwachs ausgeschlossen werden kann.

2. NV: Das Vorhandensein eines Vermögens zu einem bestimmten Zeitpunkt reicht --selbst bei Annahme eines verminderten Beweismaßes wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten-- nicht aus, um dem Steuerpflichtigen den entsprechenden Kapitalstamm auch in den Folgejahren unverändert als Grundlage der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass das Depotkonto im betreffenden Zeitraum nicht mehr vorhanden war (Anschluss an Senatsurteil vom 09.05.2017 - VIII R 51/14, BFH/NV 2018, 5).

3. NV: Der Grundsatz in dubio pro reo schließt es aus, die --grundsätzlich zulässige-- Schätzung der Höhe der hinterzogenen Steuern auf ein reduziertes Beweismaß und bloße Wahrscheinlichkeitserwägungen zu stützen und an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens auszurichten. Erforderlich ist vielmehr, dass das FG auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO) von der Höhe der Steuerhinterziehung in jedem Jahr der Schätzung überzeugt ist (Anschluss an Senatsbeschluss vom 29.01.2002 - VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749).

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 19.01.2016 - 15 K 155/12 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

[X.]ie Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und wurden in den Streitjahren 1997 bis 2007 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

2

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gaben sie Einkünfte aus Kapitalvermögen ausschließlich aus inländischen Quellen an. [X.]er Beklagte und Revisionsbeklagte (das [X.]inanzamt --[X.][X.]--) folgte den [X.]ngaben im Wesentlichen und berücksichtigte in den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von (umgerechnet) insgesamt [X.] €.

3

[X.]as [X.]inanzamt für [X.] und Steuerfahndung [X.] (Steuerfahndung) erlangte im [X.] von dem Informanten [X.] einen [X.]atenträger mit Geschäftsdaten der [X.], dessen ehemaliger Mitarbeiter er war, und der [X.]. [X.]uf dem [X.]atenträger befanden sich auch [X.]bbildungen von [X.]okumenten, die auf Vermögensanlagen der Kläger hinwiesen. [X.]anach wurde ausweislich eines nicht datierten [X.]okuments bei der [X.] unter der [X.] ... die [X.] mit Sitz in [X.] geführt, die am ...1995 gegründet wurde. [X.]ls Verwaltungs-/Stiftungsrat war u.a. die ... angegeben. Letztere benannte, wie sich aus einem weiteren [X.]atenblatt ergab, am 10.07.2001 die Kläger unter [X.]ngabe ihres Geburtsdatums und ihres Wohnsitzes gegenüber der [X.] als wirtschaftlich berechtigte Personen der [X.]. [X.]ür den 01.01.2002 war ein Kontoauszug für das Konto bzw. [X.]epot der [X.] bei der [X.] vorhanden, der einen Gesamtbestand zum 01.01.2002 in Höhe von ... € auswies. [X.]ie Unterlagen enthielten zudem einen [X.]ktenvermerk vom 13.09.2002 einer Kundenbetreuerin über eine Besprechung mit dem Kläger im [X.] in [X.].

4

[X.]ufgrund dieser Unterlagen eröffnete die Steuerfahndung gegen die Kläger im Jahr 2008 das Strafverfahren. Bei einer [X.]urchsuchung der Wohnung der Kläger wurden keine Unterlagen über ausländische Konten gefunden. [X.]ie Kläger bestritten die Zurechnung des [X.]epots der [X.] und den Bezug von Kapitaleinkünften hieraus. Sie behaupteten, die [X.]aten seien vom Informanten gefälscht worden. [X.]ie Steuerfahndung schätzte daraufhin die Einkünfte aus Kapitalvermögen der Kläger für die Veranlagungszeiträume 1997 bis 2007. Sie ging davon aus, dass die Kläger von der [X.] aufgelegte, in der Bundesrepublik [X.]eutschland nicht registrierte, [X.]onds (sog. schwarze [X.]onds) in ihrem [X.]epot gehalten hatten, und zwar entsprechend des durchschnittlichen prozentualen Verhältnisses, das die Steuerfahndung in den übrigen Ermittlungsverfahren festgestellt hatte. [X.]ie Kapitalerträge aus diesen [X.]onds nahm sie für die Jahre 1997 bis 2003 entsprechend § 18 [X.]bs. 3 des [X.] in der bis zum 31.12.2003 geltenden [X.]assung ([X.]uslInvestmG) in Höhe von 10 % und für die Jahre 2004 bis 2007 entsprechend § 6 des [X.] in der in diesen [X.] geltenden [X.]assung ([X.]) in Höhe von 6 % an. Hinsichtlich der übrigen Kapitalanlagen schätzte die Steuerfahndung die Kapitalerträge anhand der Umlaufrendite für inländische festverzinsliche Wertpapiere auf 3,1 % bis 5,4 %.

5

[X.]as [X.][X.] erließ daraufhin im Jahr 2011 gemäß § 173 [X.]bs. 1 Nr. 1 der [X.]bgabenordnung ([X.]) geänderte Einkommensteuerbescheide für sämtliche Streitjahre, in denen es nunmehr Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von (umgerechnet) insgesamt ... € berücksichtigte. [X.]ie hinzugeschätzten Beträge rechnete es den Klägern jeweils zur Hälfte zu. [X.]er Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.

6

Im Strafverfahren wurde der Kläger vom Vorwurf der Einkommensteuerhinterziehung in den (ausschließlich angeklagten) Jahren 2004 bis 2007 in der Berufungsinstanz durch das [X.] ([X.]) freigesprochen. [X.]as [X.] war zwar, wie bereits das vorinstanzliche [X.]mtsgericht, zu der Überzeugung gelangt, dass den Klägern das Vermögen der [X.] zum 01.01.2002 unmittelbar als eigenes Vermögen zuzurechnen sei, die [X.]okumente nicht gefälscht seien und auch der Inhalt des [X.]ktenvermerks der Kundenbetreuerin vom 13.09.2002 zutreffe. Es konnte aber nicht die für eine strafrechtliche Verurteilung erforderliche Überzeugung gewinnen, dass der Kläger auch noch in den angeklagten Jahren 2004 bis 2007 Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt hatte. [X.]ie Staatsanwaltschaft nahm daraufhin auch den [X.] gegen die Klägerin zurück.

7

[X.]as [X.]inanzgericht ([X.]G), dessen Urteil in Entscheidungen der [X.]inanzgerichte (E[X.]G) 2016, 2020 abgedruckt ist, gab der Klage insoweit statt, als es die zugerechneten Einkünfte aus Kapitalvermögen in geringem Umfang minderte. Im Übrigen wies es die Klage ab.

8

Mit der Revision rügen die Kläger neben mehreren Verfahrensmängeln eine fehlerhafte Schätzung der Kapitalerträge durch das [X.]G. Es verkenne, dass die Kläger ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen seien. Sie hätten aktiv versucht, den Sachverhalt durch Schreiben an die [X.] und das Grundbuch- und Öffentlichkeitsregister in [X.] aufzuklären. [X.]us der vom [X.] vorgelegten Mandantenliste ergäben sich zweifelsfrei Endsalden zum 31.12.2000 in Höhe von ... CH[X.] (= ... €) und zum 31.12.2001 in Höhe von ... CH[X.] (= ... €). [X.]araus ergebe sich ein Wertzuwachs (im Jahr 2001) von (nur) 42.877 CH[X.]. [X.]as Gericht gehe dagegen von einem Kapitalstand zum 31.12.2001 in Höhe von ... € aus. [X.]ußerdem rechne es diesen Betrag in [X.] bis zum [X.] zurück, obwohl dem Gericht habe bekannt sein müssen, dass in diesem Zeitraum die Erträge in [X.] angefallen seien und zu den jeweiligen Stichtagen mit veränderlichen Umrechnungskursen in [X.]M hätten umgerechnet werden müssen. [X.]es Weiteren gebe es keinerlei Beweise, dass die [X.] über das [X.] hinaus bis ins [X.] existiert habe. [X.]eshalb sei der Kläger im Strafverfahren auch freigesprochen worden.

9

[X.]ie Kläger beantragen,
das Urteil des Niedersächsischen [X.]G vom 19.01.2016 – 15 K 155/12 aufzuheben und die Sache an das [X.]G zurückzuverweisen.

[X.]as [X.][X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es führt im Wesentlichen aus, dass das [X.]G zur Schätzung befugt gewesen sei, weil die Kläger ihre Mitwirkungspflicht verletzt und keine sonstigen [X.]ufklärungsmöglichkeiten für das [X.]G bestanden hätten. [X.]ie Schätzung des [X.]G entspreche den allgemeinen [X.]nforderungen. Sie sei detailliert und überzeugend begründet worden.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der [X.]inanzgerichtsordnung --[X.]O--).

Die bisherigen tatsächlichen [X.]eststellungen des [X.] zu den von den Klägern erzielten Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden [X.]assung (EStG) sowie § 17 Abs. 1 Satz 1 AuslInvestmG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG tragen nicht seine Würdigung, dass den Klägern in den Streitjahren aus der [X.] in [X.] Kapitaleinkünfte in der jeweils geschätzten Höhe zugeflossen sind. Die erforderlichen tatsächlichen [X.]eststellungen hat das [X.] im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

1. Auch wenn das [X.] in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hat, dass den Klägern das Vermögen der [X.] zuzurechnen ist, kann die Schätzung der Kapitaleinkünfte mangels hinreichender [X.]eststellungen zum Vermögen der [X.] sowie zu den hieraus erzielten Einnahmen keinen Bestand haben.

a) [X.]ür die Streitjahre 1997 bis 2000, für die bei Erlass der angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide die vierjährige [X.]estsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] nach den bindenden [X.]eststellungen des [X.] bereits abgelaufen war, beruht die Überzeugung des [X.] zu den von den Klägern erzielten Einkünften aus Kapitalvermögen zum einen auf der Tatsache der Gründung der [X.] im Jahr 1995 und zum anderen auf dem zum 01.01.2002 auf der [X.] abgebildeten Kapitalstand des Depots der [X.]. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

aa) Die Höhe der hinterzogenen Steuern kann zwar trotz der Geltung des Grundsatzes in dubio pro reo grundsätzlich im [X.] ermittelt werden (Senatsurteile vom 09.05.2017 – VIII R 51/14, B[X.]H/NV 2018, 5, Rz 40 f., und vom 07.11.2006 – VIII R 81/04, B[X.]HE 215, 66, [X.], 364, unter [X.]; vgl. auch Beschluss des [X.] --BGH-- vom 06.04. 2016 – 1 StR 523/15, Höchstrichterliche [X.]inanzrechtsprechung --H[X.]R-- 2016, 1025, Rz 15). Der Grundsatz in dubio pro reo schließt es allerdings aus, die Schätzung der hinterzogenen Steuern entsprechend den allgemeinen Grundsätzen im [X.]alle der Verletzung von Mitwirkungspflichten auf ein reduziertes Beweismaß und bloße Wahrscheinlichkeitserwägungen zu stützen und an der oberen Grenze des [X.] auszurichten (Senatsurteil in B[X.]HE 215, 66, [X.], 364, unter [X.]). Erforderlich ist vielmehr, dass das [X.] auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 162 [X.]) von der Höhe der Steuerhinterziehung überzeugt ist (Senatsbeschluss vom 29.01.2002 – VIII B 91/01, B[X.]H/NV 2002, 749, unter [X.] [X.]; Urteil des [X.] --B[X.]H-- vom 14.08.1991 - X R 86/88, B[X.]HE 165, 458, [X.] 1992, 128, unter 6.; B[X.]H-Beschluss vom 31.01.2014 - X B 52/13, B[X.]H/NV 2014, 860, Rz 93). Im Zweifel hat sich das [X.] auf die Zuschätzung eines [X.] zu beschränken (vgl. [X.] in H[X.]R 2016, 1025, Rz 20, und vom 20.12.2016 – 1 StR 505/16, H[X.]R 2017, 970, Rz 17; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 370 [X.] Rz 337; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, [X.]inanzgerichtsordnung, § 370 [X.] Rz 84; [X.]/Rüsken, [X.], 14. Aufl., § 162 Rz 19a).

Zudem reicht allein der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger zu einem bestimmten Stichtag über Kapital verfügt hat, selbst unter Berücksichtigung eines verminderten Beweismaßes wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht für die (pauschale) Würdigung aus, der Steuerpflichtige habe aus diesem Kapital auch in (teils lange vor dem Stichtag liegenden) Vorjahren Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt. Vielmehr muss sich das [X.] grundsätzlich auch in Bezug auf diese Jahre die Überzeugung bilden und begründen, dass der Steuerpflichtige ein entsprechendes Guthaben zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen einsetzen konnte und eingesetzt hat (vgl. Senatsurteil in B[X.]H/NV 2018, 5).

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Annahme des [X.], das zum 01.01.2002 vorhandene Kapital sei bereits in den Streitjahren 1997 bis 2000 in derselben --lediglich abgezinsten-- Höhe bei der [X.] vorhanden gewesen, nicht durch hinreichende tatsächliche [X.]eststellungen gedeckt.

Aus dem vom [X.] zur Begründung herangezogenen Umstand, dass die [X.] bereits im Jahr 1995 gegründet worden war und hierzu Vermögen vorhanden gewesen sein muss, kann keine hinreichend sichere Schlussfolgerung auf die Höhe des Stiftungsvermögens in den Jahren 1997 bis 2000 und damit auf die Höhe der in diesem Zeitraum hieraus erzielten Erträge gezogen werden. Aus den Erkenntnissen des [X.] zur Höhe des am 01.01.2002 vorhandenen Vermögens kann ebenfalls nicht mit der für die [X.]eststellung einer Steuerhinterziehung erforderlichen Sicherheit auf das Vorhandensein eines entsprechenden Vermögens bereits am 01.01.1997 --lediglich in [X.] geschlossen werden (vgl. auch B[X.]H-Urteil vom 19.10.2011 – [X.], B[X.]HE 235, 304, [X.] 2012, 345, unter [X.]). Insoweit bedarf es vielmehr weiterer [X.]eststellungen, wie z.B., dass ein Vermögenszuwachs erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgeschlossen werden kann (vgl. [X.] Düsseldorf, Urteil vom [X.] – 11 K 2702/02 E, E[X.] 2005, 246 – nachfolgend Senatsurteil in B[X.]HE 215, 66, [X.], 364, unter II.2.). Das [X.] muss insoweit zwar nicht jede theoretische Möglichkeit des [X.] ausschließen. Es muss aber jedenfalls naheliegende Alternativen prüfen und etwaigen plausiblen Einwendungen des Steuerpflichtigen nachgehen. Dazu verhält sich das [X.] ebenso wenig wie zu der [X.]rage, ob aus den dem [X.]A bekannten Vermögensverhältnissen der Kläger im Jahr 1995 Schlussfolgerungen für die Herkunft des bei der [X.] angelegten Vermögens gezogen werden können.

b) Auch für die Streitjahre 2001 und 2002, für die nach den bindenden [X.]eststellungen des [X.] bei Erlass der [X.] ebenfalls die vierjährige [X.]estsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] bereits abgelaufen war, hält die Schätzung der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. [X.]ür diese Streitjahre hat das [X.] zwar anhand des [X.] vom 01.01.2002 die Höhe des Stiftungsvermögens zum Jahresende bzw. zum Jahresanfang festgestellt, nicht aber, welcher Art die im Depot für die [X.] gehaltenen Wertpapiere waren. Das [X.] führt aus, es sei überzeugt, das [X.]A habe (u.a.) die aus der [X.] bezogenen Kapitaleinkünfte für das [X.] jedenfalls nicht zu hoch geschätzt und es nimmt (u.a.) für das [X.] eine eigene, niedrigere Schätzung vor. Der Begründung des Urteils ist allerdings nicht zu entnehmen, welche Überzeugung sich das [X.] zur Zusammensetzung des Depots bei der [X.] und den daraus vermeintlich erzielten Erträgen gebildet hat. Das [X.] beschränkt sich bei der (Überprüfung der) Schätzung der erzielten Erträge aus dem Kapitalstock in unzulässiger Weise auf bloße Wahrscheinlichkeitserwägungen. Es stützt sich zwar zutreffend nicht auf die durchschnittliche Depotzusammensetzung entsprechend den Erkenntnissen der Steuerfahndung in anderen Ermittlungsverfahren. Allerdings geht es stattdessen ohne [X.]eststellungen zur tatsächlichen Zusammensetzung des Depots "griffweise" davon aus, dass das Vermögen zu 50 % in sog. schwarzen [X.]onds angelegt war. Auch die Höhe der Erträge aus den übrigen Wertpapieranlagen stützt es lediglich auf bloße Wahrscheinlichkeitserwägungen.

c) Die Begründung des [X.] zur Schätzung der Kapitaleinkünfte für die Streitjahre 2003 bis 2007 hält der revisionsrechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand. Die vom [X.] getroffenen tatsächlichen [X.]eststellungen tragen nicht dessen Annahme, das am 01.01.2002 vorhandene Kapital sei auch noch in den [X.]olgejahren über die [X.] bei der [X.] angelegt gewesen und daraus seien die geschätzten Kapitalerträge erzielt worden.

aa) Nach den bindenden [X.]eststellungen des [X.] hing die Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen für diese Streitjahre nicht von der verlängerten [X.]estsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 [X.] und damit nicht vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung ab. Gilt der Grundsatz in dubio pro reo nicht, kann das [X.] nach der Rechtsprechung des B[X.]H zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes (lediglich) eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 2 [X.] verletzt und der Sachverhalt anderweitig nicht aufklärbar ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Mitwirkungspflicht sich auf Tatsachen und Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen bezieht. Unter diesen Voraussetzungen soll der Steuerpflichtige nach dem Sinn des § 90 Abs. 2 [X.] den Nachteil des insoweit nicht aufgeklärten und durch das [X.] allein nicht aufklärbaren Sachverhalts tragen (B[X.]H-Beschluss vom 19.12.2007 - X B 34/07, B[X.]H/NV 2008, 597, m.w.N.).

bb) Das [X.] ist jedoch zu Unrecht von einem reduzierten Beweismaß aufgrund einer Mitwirkungspflichtverletzung der Kläger ausgegangen.

Zwar haben die Beteiligten nach § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.] einen Sachverhalt, der sich auf Vorgänge im Ausland bezieht, aufzuklären und die notwendigen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben alle zur Sachaufklärung und zur Beweismittelbeschaffung bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen (§ 90 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Außerdem muss der Steuerpflichtige bereits bei der Gestaltung seiner Verhältnisse [X.] treffen (§ 90 Abs. 2 Satz 4 [X.]; B[X.]H-Beschluss vom 15.12.2016 - VI B 50/16, B[X.]H/NV 2017, 598, Rz 4).

Entgegen seiner Auffassung durfte das [X.] vorliegend jedoch nicht von einer Verletzung der Mitwirkungspflicht ausgehen, ohne die Kläger ausdrücklich aufzufordern, sich über das Vermögen der [X.], dessen Nutzung und Verbleib sowie eine etwaige Auflösung der [X.] zu erklären und geeignete Unterlagen vorzulegen. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht kann im Allgemeinen erst dann angenommen werden, wenn ein Beteiligter auf ausdrückliche Aufforderung des [X.] (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.]O) eine ihm mögliche Äußerung zu Tatsachen oder die Herausgabe von Unterlagen verweigert (B[X.]H-Urteil in B[X.]HE 235, 304, [X.] 2012, 345, Rz 60). Jedenfalls aufgrund der hier vorliegenden besonderen Umstände bedurfte es einer solchen ausdrücklichen Aufforderung zur Mitwirkung an der (weiteren) Aufklärung des Sachverhalts. Denn Gegenstand der finanzgerichtlichen Auseinandersetzung und insbesondere der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung war zunächst nur, ob die vom Informanten erworbenen Daten unverfälscht und inhaltlich zutreffend waren und ob den Klägern das Vermögen der [X.] dem Grunde nach zuzurechnen war. Beides haben die Kläger bis zuletzt bestritten. Befasst sich das [X.] zunächst allein mit der [X.]rage der Echtheit der der Schätzung zugrunde liegenden Daten und gelangt es erst im [X.] an die Beweisaufnahme zu der Überzeugung, die Daten seien unverfälscht und inhaltlich zutreffend sowie zu der Überzeugung, den Klägern sei das Vermögen der [X.] zuzurechnen, kann es nicht ohne Weiteres unterstellen, die Kläger würden an ihrer bisher vertretenen Auffassung festhalten und einer (im weiteren Verfahren erfolgenden) konkreten Aufforderung zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts in Bezug auf die Höhe der in den Streitjahren über die [X.] erzielten Kapitaleinkünfte nicht nachkommen.

cc) Aber selbst bei unterstellter Beweismaßreduzierung tragen die bisherigen tatsächlichen [X.]eststellungen nicht die Würdigung des [X.], die [X.] habe in den Streitjahren 2003 bis 2007 fortbestanden und das vom [X.] zum 01.01.2002 festgestellte Kapital habe dort unverändert zur Erzielung von Kapitalerträgen zur Verfügung gestanden.

Diese Schlussfolgerungen des [X.] beruhen im Wesentlichen auf seinen [X.]eststellungen über die Verhältnisse am [X.] Allein der Umstand, in der Vergangenheit über Kapital verfügt zu haben, kann aber selbst unter Berücksichtigung eines verminderten Beweismaßes wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten nicht für eine pauschale Würdigung ausreichen, der Steuerpflichtige habe aus diesem Kapital auch in den [X.]olgejahren unverändert Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt. Vielmehr muss sich das [X.] für jedes [X.]olgejahr erneut die Überzeugung bilden und begründen, dass der Steuerpflichtige das entsprechende Guthaben weiterhin zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen einsetzen konnte und eingesetzt hat (vgl. Senatsurteil in B[X.]H/NV 2018, 5, Rz 30 ff.).

Im Übrigen ist die Tatsachenwürdigung des [X.] lückenhaft, weil sie das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausschöpft (vgl. B[X.]H-Urteil vom 19.08.2015 - X R 30/12, B[X.]H/NV 2016, 203, Rz 30). Das [X.] hat nicht berücksichtigt, dass die von den Klägern vorgelegte Auskunft des Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisters darauf schließen lässt, dass die [X.] jedenfalls im Zeitpunkt der Auskunft am 17.11.2008 nicht mehr existierte und es vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen erscheint, dass die [X.] möglicherweise bereits während des Streitzeitraumes aufgelöst wurde.

Außerdem widerspricht die Annahme des [X.], der Kläger habe in den Streitjahren nicht mit einer Entdeckung des ausländischen Vermögens rechnen müssen, den sich aus dem Aktenvermerk vom 13.09.2002 ergebenden Erkenntnissen. Dieser Vermerk, der nach den [X.]eststellungen des [X.] inhaltlich zutreffend ist, zeichnet das Bild eines nervösen Anlegers, der sich in [X.] von Steuerfahndern beobachtet fühlte und Sorge vor einer Entdeckung hatte. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Kläger nach Aktenlage bereits in früheren Jahren ausländisches Vermögen bei (angenommener) Gefahr der Entdeckung verschoben hatten. Mit diesen Anhaltspunkten hätte sich das [X.] im Rahmen der Gesamtwürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O) auseinandersetzen müssen.

[X.]) Darüber hinaus weisen die Kläger zu Recht auf die Möglichkeit hin, dass Erträge in [X.] erzielt wurden und deshalb hätten in DM bzw. (ab 01.01.2002) in [X.] umgerechnet werden müssen. Der Kontoauszug der [X.] vom 01.01.2002 weist zwar einen Bestand in [X.] aus und es dürften zumindest die --vom [X.] angenommenen-- Erträge aus dem [X.] in DM bzw. [X.] angefallen sein. Soweit das [X.] aber davon ausgeht, dass Erträge aus sog. schwarzen [X.]onds erzielt wurden, die von der [X.] selbst aufgelegt worden waren, liegt es nahe, dass diese [X.]onds in [X.] notierten. Dies hat das [X.] nicht berücksichtigt.

2. Weil die Revision bereits mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg hat, kommt es auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht an (vgl. B[X.]H-Urteil in B[X.]HE 235, 304, [X.] 2012, 345, Rz 50, m.w.N.).

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

Das [X.] wird nach den vorstehenden Maßgaben die notwendigen [X.]eststellungen insbesondere zu dem in den Streitjahren vorhandenen Vermögen und der Höhe der daraus erzielten Kapitaleinkünfte nachzuholen haben. Hierbei wird es insbesondere die Kläger gemäß § 90 Abs. 2 [X.] zur Mitwirkung anzuhalten haben. [X.]alls die Kläger hierzu erforderliche Unterlagen tatsächlich nicht mehr im Besitz haben sollten und auch nicht mehr beschaffen können, kann sie das --soweit sie, wie vom [X.] festgestellt, einen Auslandssacherhalt verwirklicht haben-- gemäß § 90 Abs. 2 Satz 4 [X.] nicht entlasten. Hinsichtlich der Streitjahre 1997 bis 2002 hat das [X.] den Grundsatz in dubio pro reo zu beachten. Hinsichtlich der Streitjahre 2003 bis 2007 ist das [X.], sofern die Kläger ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen und der Sachverhalt anderweitig nicht aufklärbar ist, zu einer Entscheidung zulasten der Kläger aufgrund eines reduzierten Beweismaßes und zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach den allgemeinen Grundsätzen (§ 90 Abs. 2, § 162 Abs. 2 [X.]) befugt.

4. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 23/16

03.12.2019

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 19. Januar 2016, Az: 15 K 155/12, Urteil

§ 169 Abs 2 S 2 AO, § 90 Abs 2 AO, § 162 AO, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 20 Abs 1 Nr 7 EStG 1997, § 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2002, § 20 Abs 1 Nr 1 EStG 1997, § 20 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, § 370 Abs 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.12.2019, Az. VIII R 23/16 (REWIS RS 2019, 899)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 899

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 505/16

1 StR 523/15

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