Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.06.2018, Az. VIII R 38/14

8. Senat | REWIS RS 2018, 7923

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Gegenstand

Ablaufhemmung bei Änderung eines Einkommensteuerbescheids des Gesellschafters aufgrund einer vGA


Leitsatz

1. NV: Zuschätzungen aufgrund einer Nachkalkulation bei einer Kapitalgesellschaft sind als vGA an die Gesellschafter zu beurteilen, wenn die Nachkalkulation den Schluss zulässt, dass die Kapitalgesellschaft Betriebseinnahmen nicht vollständig gebucht hat und diese nicht gebuchten Betriebseinnahmen den Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zugeflossen sind .

2. NV: Lässt sich der Verbleib nicht gebuchter Betriebseinnahmen nicht feststellen, ist im Zweifel davon auszugehen, dass der zusätzliche Gewinn an die Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote ausgekehrt worden ist. Nach den Grundsätzen der Beweisrisikoverteilung geht die Unaufklärbarkeit des Verbleibs zu Lasten der Gesellschafter .

3. NV: Die Finanzgerichte sind berechtigt, bei Prüfung der Rechtmäßigkeit eines infolge einer vGA gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheids des Gesellschafters als Rechtsgrundlage für dessen Korrektur stattdessen die Regelung des § 32a Abs. 1 KStG heranzuziehen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung ist dann unter Anwendung der besonderen Ablaufhemmung gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 KStG zu prüfen .

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 11. Februar 2014  8 K 14094/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Jahr 1999 und in den Streitjahren (2000 bis 2002) mit einem Anteil von 25 % an der [X.] beteiligt. Es bestand in den Streitjahren auch ein Arbeitsverhältnis mit der [X.]. Der Kläger war nicht zum Geschäftsführer der [X.] bestellt. Die [X.] betrieb in [X.] eine Diskothek.

2

Der Kläger reichte seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 am 15. März 2002, die Steuererklärung für das Streitjahr 2001 am 17. Februar 2003 und die Steuererklärung für das Streitjahr 2002 am 17. Mai 2004 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) ein. Die für die Streitjahre zunächst ergangenen Steuerbescheide wurden jeweils bestandskräftig.

3

Das Betriebsstättenfinanzamt der [X.] führte in den Jahren 2005 bis 2007 bei der GmbH eine Außenprüfung durch. Es traf die Feststellungen, dass in den Streitjahren auf [X.] der [X.] der Wareneinkauf von Getränken und die baren Tageseinnahmen nicht vollständig aufgezeichnet worden waren. Die [X.] hatte Getränke gegen Barzahlung eingekauft. Zur Finanzierung waren in den Gewinnermittlungen die verbuchten Tageseinnahmen gekürzt und die hiervon bestrittenen [X.] nicht verbucht worden. Der Warenbestand war in den Inventuren teilweise nicht körperlich festgestellt worden. Aufzeichnungen über Promotionsaufwendungen ("Freigetränke") und ein ordnungsgemäßes Kassenbuch lagen nicht vor. Infolge der Mängel der Buchführung nahm der Prüfer auf [X.] der [X.] unter Heranziehung einer Nachkalkulation [X.] vor. Er kalkulierte Mehrerlöse, kürzte diese um die Vorsteuerbeträge und die [X.] für den nicht verbuchten Wareneinkauf und gelangte im Ergebnis zu nicht verbuchten [X.] der [X.] für das Streitjahr 2000 in Höhe von 215.940 DM, für 2001 in Höhe von 257.386 DM und für 2002 in Höhe von 79.082 €. Im Bericht über die Außenprüfung bei der [X.] vom 3. Dezember 2007 behandelte der Prüfer die Mehrerlöse als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) der [X.] an die Gesellschafter.

4

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage der [X.] gegen die entsprechend dem Prüfungsbericht geänderten [X.] der Streitjahre (sämtlich vom 18. März 2008) durch Urteil vom 10. März 2010  12 K 12017/09 ab. Es sah das [X.] zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen im Wege der Nachkalkulation als befugt an, da der Wareneingang und die Kasseneinnahmen nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet worden seien. Die Höhe der Schätzung sah das [X.] ebenfalls als rechtmäßig an. Denn schon nach den ursprünglichen Gewinnermittlungen, die den Körperschaftsteuererklärungen der [X.] beigefügt waren, habe die [X.] Erträge auf Grundlage eines Rohgewinnaufschlagsatzes von durchschnittlich 440 % auf den (verbuchten unzutreffenden) Wareneinsatz erzielt. Die vom [X.] hinzugeschätzten Mehrerlöse lägen um mehr als die Hälfte unter denjenigen Beträgen, die sich bei Anwendung eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 440 % auf die nicht erklärten [X.] ergeben würden.

5

Dem Kläger wurde vom [X.] eine vGA entsprechend seiner Beteiligungsquote in Höhe jeweils eines Viertels der Mehrerlöse der [X.] zugeordnet (für 2000: 54.240 DM --erhöht um anzurechnende Körperschaftsteuer in Höhe von 30.627,61 DM--, für 2001: 64.371,50 DM und für 2002: 19.770 €). Nach Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d des Einkommensteuergesetzes --EStG-- in der in den Streitjahren 2001 und 2002 jeweils geltenden Fassung) ergaben sich daraus (vor Anwendung des [X.] und des [X.]) zusätzliche Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen in Höhe von 32.813 DM (2001) und in Höhe von 9.885 € (2002). Es ergingen entsprechend geänderte Bescheide (für 2000 vom 14. März 2008; für 2001 vom 26. März 2008 und für 2002 vom 31. März 2008), die das [X.] jeweils auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung ([X.]) stützte.

6

Das Einspruchsverfahren gegen die [X.] blieb erfolglos. Die anschließend erhobene Klage wurde vom [X.] mit Urteil vom 11. Februar 2014  8 K 14094/11 abgewiesen. Die Entscheidung des [X.] ist nicht veröffentlicht.

7

Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Bundesrechts durch das [X.].

8

Das [X.] habe § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG rechtsfehlerhaft angewendet. Es habe dem Kläger die Mehrerlöse der [X.] in Höhe seiner Beteiligungsquote als vGA zugerechnet, ohne tragende Feststellungen zum tatsächlichen Zufluss dieser Einnahmen zu treffen. Das [X.] habe zu Unrecht einen Verstoß des Klägers gegen dessen Mitwirkungspflichten bei der Aufklärung des Verbleibs der zusätzlichen Betriebseinnahmen der [X.] angenommen und hieraus fehlerhaft geschlossen, die Voraussetzungen der vGA und des Zuflusses dürften auf der Grundlage eines reduzierten Beweismaßes des [X.] geprüft werden. Er habe seinen Mitwirkungspflichten genügt, da er Sachverhalte vorgetragen habe, aus denen hervorgehe, dass ihm keine Vermögensvorteile aus den nachkalkulierten Betriebseinnahmen zugeflossen sein könnten und er aufgrund der Aufgabenverteilung in der [X.] keine weiteren Auskünfte zur Behandlung der [X.], Bareinnahmen und Mittelverwendung geben könne.

9

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil der Vorinstanz und die Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2011 aufzuheben sowie die Bescheide zur Einkommensteuer der Streitjahre mit der Maßgabe zu ändern, dass im Bescheid zur Einkommensteuer 2000 vom 14. März 2008 Einkünfte aus einer vGA in Höhe von 54.240 DM, im Bescheid zur Einkommensteuer 2001 vom 26. März 2008 in Höhe von 64.371,50 DM und im Bescheid zur Einkommensteuer 2002 vom 31. März 2008 in Höhe von 19.770 € außer Betracht bleiben.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) durch Beschluss. Der Senat hält die Revision einstimmig für unbegründet (§ 126 Abs. 2 und 4 [X.]O) und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] in den Streitjahren dem Kläger aufgrund der nachkalkulierten [X.] der [X.] vGA zugerechnet hat (s. unter [X.]). Auch die Festsetzungsverjährung steht der Änderung der Bescheide für die Streitjahre im Ergebnis nicht entgegen (s. unter II.2.).

1. Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger in den Streitjahren vGA in Höhe eines Viertels der auf [X.] der [X.] nachkalkulierten [X.] zugeflossen sind.

a) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch vGA. Eine vGA i.S. dieser Vorschrift liegt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 24. Juni 2014 VIII R 54/10, [X.]/NV 2014, 1501, Rz 15). Über Grund und Höhe einer vGA haben das [X.] und das für die Einkommensteuerveranlagung der Anteilseigner zuständige Finanzamt jeweils selbständig zu entscheiden; der [X.] und der Einkommensteuerbescheid stehen sowohl vor als auch nach Einführung des Halbeinkünfteverfahrens und vor Geltung des § 32a des [X.] ([X.]) als auch für Zeiträume danach nicht im Verhältnis eines Grundlagen- und Folgebescheids gemäß § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] (s. zum Ganzen [X.]-Urteile vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, [X.]E 170, 1, [X.] 1993, 569, unter 1.b; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, [X.]/NV 2012, 269, Rz 12; vom 16. Dezember 2014 VIII R 30/12, [X.]E 248, 325, [X.] 2015, 858, Rz 42).

b) Ergeben sich aufgrund einer Nachkalkulation Differenzen zu den erklärten Betriebseinnahmen bei einer Kapitalgesellschaft und schätzt das Finanzamt deshalb --wie im [X.] dem Gewinn der Gesellschaft Beträge hinzu, sind die [X.] nicht zwingend als Zuwendungen an den verantwortlichen Gesellschafter-Geschäftsführer oder an die Gesellschafter zu beurteilen. Die Annahme einer vGA an den Gesellschafter aufgrund einer verhinderten Vermögensmehrung der Gesellschaft setzt (kumulativ) voraus, dass die Kalkulationsdifferenzen auf nicht vollständig erklärten Betriebseinnahmen der Kapitalgesellschaft beruhen und dass die nicht erklärten Betriebseinnahmen nicht betrieblich verwendet werden, sondern einem oder allen Gesellschaftern zufließen ([X.]-Urteile vom 22. September 2004 III R 9/03, [X.]E 207, 549, [X.] 2005, 160; in [X.]/NV 2014, 1501, Rz 16).

c) Für die Prüfung der Voraussetzungen der vGA einschließlich des Zuflusses beim Gesellschafter geht die gefestigte Rechtsprechung des [X.] von folgenden Grundsätzen aus.

aa) Die objektive Feststellungslast dafür, ob die Voraussetzungen einer vGA vorliegen, trifft grundsätzlich das Finanzamt. Das betrifft sowohl das Vorliegen einer Vermögensminderung (verhinderten Vermögensmehrung) als auch die Frage nach der Veranlassung dieser Vermögensminderung (verhinderten Vermögensmehrung) durch das Gesellschaftsverhältnis und den Zufluss beim Empfänger. Spricht der festgestellte Sachverhalt dafür, dass diese Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, kann es allerdings Sache des Gesellschafters sein, den dadurch gesetzten Anschein zu widerlegen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze zur Beweisrisikoverteilung (vgl. [X.]-Urteile in [X.]/NV 2014, 1501, Rz 28, mit Bezugnahme auf [X.]-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 103/00, [X.]E 197, 68, [X.] 2004, 171; in [X.]E 207, 549, [X.] 2005, 160; [X.]-Beschluss vom 4. April 2002 I B 140/01, [X.]/NV 2002, 1179).

bb) Die Gesellschafter sind nach § 90 [X.] verpflichtet, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und die in ihrer Sphäre und ihrem Wissen liegenden Umstände offen zu legen. Ob nicht verbuchte Einnahmen betrieblich verwendet oder den Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zugeflossen sind, können nur die Gesellschafter und Gesellschafter-Geschäftsführer nachweisen. Verweigern sie ihre Mitwirkung, geht dies zu ihren Lasten. Es ist dann im Zweifel davon auszugehen, dass der zusätzliche Gewinn an die Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote ausgekehrt worden ist (s. zum Ganzen [X.]-Urteile in [X.]E 207, 549, [X.] 2005, 160, unter II.3.; in [X.]/NV 2014, 1501, Rz 16).

cc) Dies gilt zu Lasten des Gesellschafters auch, wenn der Verbleib nicht verbuchter Betriebseinnahmen unaufklärbar ist ([X.]-Urteile in [X.]E 207, 549, [X.] 2005, 160, unter II.3.; in [X.]/NV 2014, 1501, Rz 16). Die nicht feststehende betriebliche Verwendung der Mittel auf [X.] der Kapitalgesellschaft einerseits und deren nicht nachgewiesene Zuwendung an andere Empfänger als den oder die Gesellschafter andererseits indizieren eine durch das Gesellschaftsverhältnis verursachte quotale Auskehrung der Mehreinnahmen an alle Gesellschafter und den entsprechenden Zufluss der vGA.

d) Das [X.] hat diesen Maßstab angewendet. Seine Würdigung, die Hinzuschätzung der nachkalkulierten [X.] auf [X.] der [X.] sei dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig und zu Lasten des [X.] sei auch ein Zufluss in Höhe eines Viertels dieser [X.] in den Streitjahren anzunehmen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Zwischen den Beteiligten war während des finanzgerichtlichen Verfahrens unstreitig, dass der Wareneinkauf und die Bareinnahmen auf [X.] der [X.] unvollständig aufgezeichnet wurden und das zuständige Finanzamt zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 [X.] in den Streitjahren befugt war. Auch gegen die Höhe der in den Streitjahren bei der [X.] hinzugeschätzten [X.], die deutlich unterhalb des innerbetrieblichen Rohgewinnaufschlagsatzes der [X.] lag, der sich auf Basis des verbuchten Wareneinsatzes und der verbuchten Einnahmen ergab, hat der Kläger im Verfahren gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide der Streitjahre vor dem [X.] keine durchgreifenden Einwendungen erhoben. Die Würdigung des [X.] in der Vorentscheidung, die [X.] habe in den Streitjahren nicht verbuchte Betriebseinnahmen in Höhe der nachkalkulierten Beträge erzielt, ist daher frei von Rechtsfehlern.

Unerheblich ist, dass der Kläger im Verfahren der [X.] gegen die geänderten [X.] der Streitjahre nicht gemäß § 60 Abs. 3 [X.]O notwendig beigeladen worden war und dort mangels Beteiligtenstellung keine Einwendungen erheben konnte. Da, wie unter [X.]a ausgeführt, die Rechtmäßigkeit der Nachkalkulation bei der [X.] auch auf [X.] der angefochtenen Einkommensteuerbescheide als Voraussetzung der vGA eigenständig zu prüfen ist, hätte der Kläger die [X.] auf [X.] der [X.] vor dem [X.] vollumfänglich angreifen können. Eine Verkürzung seiner Rechtsposition ist nicht ersichtlich.

bb) Das [X.] ist somit zu Recht davon ausgegangen, dass auf [X.] der [X.] nicht erklärte Betriebseinnahmen erzielt wurden. Es hat auch die für die Annahme einer vGA an den Kläger weitere Voraussetzung (s. unter [X.]b), dass die nicht erklärten Betriebseinnahmen nicht betrieblich verwendet wurden, sondern einem oder allen Gesellschaftern zugeflossen sind, zu Recht bejaht. Hierbei durfte das [X.] auf der Grundlage eines reduzierten Beweismaßes davon ausgehen, dass der Zufluss der vGA beim Kläger zu vermuten war.

aaa) Das [X.] hat sich in der Vorentscheidung mit den Einwendungen des [X.] auseinandergesetzt, ihm sei in seiner Funktion als angestellter Gesellschafter mit anderem Aufgabengebiet nicht bekannt gewesen, ob und wie im bargeldintensiven Nachtgeschäft der [X.] mit den Einnahmen und Einkäufen und deren Verbuchung bei der [X.] umgegangen worden sei. Unter Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens hat das [X.] für den Senat die gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindende Feststellung getroffen, der Kläger habe von den Schwarzeinkäufen bei der [X.] und dem nicht weiter aufklärbaren Verbleib der hieraus resultierenden zusätzlichen Einnahmen gewusst; auch hätten ihm etwaige Vorteile hieraus anteilig zugutekommen sollen. Es ist nicht zu beanstanden, dass das [X.] auf dieser Grundlage ein Mitwirkungsverschulden des [X.] bei der Aufklärung des Verbleibs der [X.] bejaht hat. Anknüpfend daran durfte das [X.] auch davon ausgehen, dass der Zufluss von vGA aus den anteiligen nachkalkulierten Betriebseinnahmen zu Lasten des [X.] zu vermuten war.

bbb) Ginge der Senat zugunsten des [X.] --entgegen der Auffassung des [X.]-- davon aus, dass den Kläger kein Mitwirkungsverschulden an der Aufklärung des Verbleibs der Betriebseinnahmen der [X.] trifft, wäre aufgrund der objektiven Unaufklärbarkeit des Verbleibs der Mehreinnahmen ein quotaler Zufluss als vGA zu Lasten des [X.] ebenso widerlegbar zu vermuten (s. unter [X.]c cc). Dass auch bei objektiver Unaufklärbarkeit des Verbleibs nachkalkulierter Mehreinnahmen deren Zufluss als vGA bei den Gesellschaftern zu vermuten ist, führt entgegen der Auffassung des [X.] nicht dazu, dass das [X.] und das [X.] entlastenden Umständen faktisch nicht nachzugehen haben. [X.] und [X.] müssen zunächst versuchen, den Verbleib der Mehreinnahmen anhand der erkennbaren Umstände des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Mitwirkung der Gesellschafter aufzuklären. Gelingt dies jedoch nicht, ist im Zweifel zu Lasten der Gesellschafter davon auszugehen, dass der zusätzliche Gewinn an alle Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote ausgekehrt worden ist.

ccc) Diese Vermutung zu seinen Lasten hat der Kläger im Streitfall nicht widerlegt. Er hat sich auf seine Zuständigkeit als angestellter Gesellschafter mit festem Aufgabengebiet und im [X.] auf Nichtwissen berufen. Zudem hat er allgemeine Vermutungen geäußert, die nachkalkulierten Einnahmen könnten unterschlagen oder zur Zahlung von [X.] eingesetzt worden sein. Dies genügt nicht, um den gegen den Kläger sprechenden Anschein zu entkräften.

e) Durchgreifende Verfahrensrügen des [X.] liegen nicht vor.

aa) Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 7. Mai 2018 erwähnt, er habe vor dem [X.] die Vernehmung des Geschäftsführers der [X.] angeregt, welche aber unterblieben sei, genügt dies weder den Anforderungen an die Darlegung eines Sachaufklärungsverstoßes des [X.] i.S. des § 76 Abs. 1 i.V.m § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b [X.]O noch ist die Rüge rechtzeitig erhoben worden. Der Kläger erläutert nicht, was der Geschäftsführer als Zeuge mutmaßlich ausgesagt hätte und warum diese Aussage nach dem maßgeblichen materiell-rechtlichen Standpunkt des [X.] zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Die Nichterhebung des [X.] wurde zudem nicht fristgerecht innerhalb der [X.] gerügt (s. zu diesem Erfordernis z.B. [X.]-Urteil vom 19. Januar 2017 IV R 50/14, [X.]E 257, 35, [X.] 2017, 456, Rz 73).

bb) In der Revisionsbegründung vom 12. November 2014 sieht der Kläger in der Feststellung eines Zuflusses der vGA zwar einen Verstoß des [X.] gegen die Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 [X.]O. Er bezeichnet zur Darlegung des Verfahrensfehlers aber keine konkreten Beweismittel, die das [X.] von Amts wegen oder auf seinen Antrag hin hätte erheben müssen.

2. Die Revision ist im Ergebnis unbegründet (§ 126 Abs. 4 [X.]O), obwohl das [X.] nicht geprüft hat, ob bei Erlass der Änderungsbescheide für die Streitjahre 2000 und 2001 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war. Hierüber ist der Kläger vom Senat belehrt worden und hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine Entscheidung gemäß § 126 Abs. 4 [X.]O darf nach ausreichender Belehrung der Beteiligten auch im Verfahren gemäß § 126a [X.]O erfolgen ([X.]-Beschluss vom 12. Juli 2017 VIII R 48/14, [X.]/NV 2018, 412, Rz 7).

a) Da die Einkommensteuererklärungen für das Streitjahr 2000 im Jahr 2002 und für das Streitjahr 2001 im Jahr 2003 beim [X.] eingereicht wurden, wäre bei Anwendung der regulären vierjährigen [X.] gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 169 Abs. 2 Satz 1 [X.] für diese Streitjahre die Festsetzungsverjährung vor Erlass der angefochtenen Bescheide im März 2008 eingetreten. Das [X.] hat keine Feststellungen getroffen, aus denen für die Streitjahre auf eine Ablaufhemmung gemäß § 171 [X.] oder eine aus anderen Gründen verlängerte [X.] gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu schließen sein könnte, die im März 2008 bei Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide der Streitjahre 2000 und 2001 noch nicht abgelaufen war. Für eine eigene Überzeugungsbildung des Senats zu den Voraussetzungen einer leichtfertigen Steuerverkürzung oder –hinterziehung des [X.] durch Nichtangabe der Einkünfte aus den vGA in den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre fehlt es an ausreichenden Feststellungen des [X.] (s. dazu [X.]-Urteile vom 9. Mai 2017 VIII R 51/14, [X.]/NV 2018, 5; vom 7. November 2006 VIII R 81/04, [X.]E 215, 66, [X.] 2007, 364). Das klageabweisende Urteil des [X.] wäre für die Streitjahre 2000 und 2001 daher nicht durch ausreichende Feststellungen getragen und rechtsfehlerhaft.

b) Auch für die Streitjahre 2000 und 2001 war bei Erlass der geänderten Einkommensteuerbescheide im März 2008 im Ergebnis aber noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

aa) Der Senat ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] berechtigt, bei Prüfung der Rechtmäßigkeit der für 2000 und 2001 ergangenen Änderungsbescheide die vom [X.] in den Bescheiden als Korrekturnorm herangezogene Vorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] gegen eine andere Rechtsgrundlage auszutauschen ([X.]-Beschluss vom 11. September 2003 IV B 35/02, [X.]/NV 2004, 343; [X.]-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, [X.]E 145, 487, [X.] 1986, 241).

bb) Die Änderung der Bescheide der Streitjahre kann danach für die Änderungsbescheide der Streitjahre 2000 und 2001 statt auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] auch auf § 32a Abs. 1 Satz 1 [X.] gestützt werden (s.a. das Urteil des [X.] Münster vom 17. Mai 2017  7 K 1158/14 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 1148 mit Anmerkung [X.]). In der Folge gilt die besondere Ablaufhemmung gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 [X.] gegenüber dem Gesellschafter der Kapitalgesellschaft (hier: dem Kläger; vgl. [X.]-Urteil vom 16. Dezember 2014 VIII R 30/12, [X.]E 248, 325, [X.] 2015, 858). Wird der Steuerbescheid einer Körperschaft (hier: der [X.]) wegen einer vGA gemäß § 32a Abs. 1 Satz 1 [X.] geändert, endet die Festsetzungsfrist für die Änderung eines Steuerbescheids des Gesellschafters, in dem die vGA zu erfassen ist, gemäß § 32a Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des geänderten [X.]. Im Streitfall wurden die geänderten [X.] der [X.] für die Streitjahre 2000 und 2001 am 18. März 2008 erlassen. Ebenfalls im März 2008 und damit innerhalb der Jahresfrist ergingen auch die geänderten Einkommensteuerbescheide des [X.] für die Streitjahre 2000 und 2001.

cc) Auch das in § 32a Abs. 1 Satz 1 [X.] der Finanzverwaltung eingeräumte Ermessen steht dem nicht entgegen, da das [X.] bei Erkenntnis einer vGA auf [X.] der Kapitalgesellschaft zur korrespondierenden Korrektur des Einkommensteuerbescheids des Gesellschafters verpflichtet ist, wenn deren Zufluss beim Gesellschafter gemäß § 11 EStG gegeben ist ([X.]-Beschluss vom 29. August 2012 VIII B 45/12, [X.]E 238, 187, [X.] 2012, 839).

dd) § 32a [X.] wird im Streitfall auch nicht im Wege einer verfassungsrechtlich bedenklichen echten Rückwirkung zu Lasten des [X.] angewendet, da die reguläre Festsetzungsverjährung der Streitjahre 2000 und 2001 bei Inkrafttreten der Regelung am 18. Dezember 2006 noch nicht eingetreten war ([X.]-Urteil in [X.]E 248, 325, [X.] 2015, 858; [X.]-Beschluss in [X.]E 238, 187, [X.] 2012, 839, Rz 15).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 38/14

12.06.2018

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 11. Februar 2014, Az: 8 K 14094/11, Urteil

§ 162 AO, § 169 Abs 2 S 2 AO, § 170 Abs 2 S 1 Nr 2 AO, § 173 Abs 1 Nr 1 AO, § 32a Abs 1 S 1 KStG 2002, § 32a Abs 1 S 2 KStG 2002, § 60 Abs 3 FGO, § 32a Abs 1 S 1 KStG 1999, § 32a Abs 1 S 2 KStG 1999, § 90 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 12.06.2018, Az. VIII R 38/14 (REWIS RS 2018, 7923)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7923

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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